Protokoll der Sitzung vom 18.07.2013

Sie integrieren nicht, sondern Sie spalten. Sie sprechen nicht mit den Menschen, sondern Sie sprechen über sie. Sie vermit teln nicht zwischen den Menschen, sondern Sie bringen sie gegeneinander auf.

(Oh-Rufe von Abgeordneten der SPD)

Sie bauen Mauern, wo Sie Brücken bauen sollten. Sie sind sich auch nach zwei Jahren im Amt der Wirkung Ihrer Worte – egal, ob dienstlich, oder, wie Sie es beschreiben, privat – of fenbar nicht bewusst.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Gerade weil uns das gute Miteinander und die Integration un serer Mitmenschen mit Migrationshintergrund, ganz beson ders auch unserer Mitmenschen mit türkischem Migrations hintergrund, so wichtig sind, müssen wir heute so reagieren und ein klares Signal gegen Ihr Demokratieverständnis set zen, Frau Öney.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Durch Ihre Aussagen unterstellen Sie der gesamten CDU Fremdenfeindlichkeit gegenüber Türken und auch gegenüber dem türkischen Staat. Das ist schlichtweg ein Skandal.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie treiben einen Keil in unsere Gesellschaft, wenn Sie be haupten, Sie selbst würden wegen Ihres türkischen Hinter grunds diskriminiert. Die Christlich Demokratische Union steht für eine offene und eine tolerante Gesellschaft, in der die Menschen einander respektieren. Nirgendwo ist Integration so gut gelungen wie in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Werte unseres Grundgesetzes, die Würde der Menschen stehen für uns im Mittelpunkt. Wir treten für die Individuali tät und die Möglichkeit zur persönlichen Selbstverwirklichung aller Menschen ein. Wir sind froh über jeden, der sich integ rieren möchte, und sehen die Einheit unseres Staates auch in der Vielfalt der Kulturen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Mangelndes Vertrauen und Ablehnung haben Sie aktiv da durch gefördert, dass Sie Ihre Äußerungen, die nun im Mit telpunkt stehen, nie gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, sondern stets auf Türkisch geäußert haben. Sie haben nach Ar tikel 48 der Landesverfassung einen Amtseid abgelegt. Es ist Ihre Pflicht, Ihre Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen, sei nen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden, Verfas sung und Recht zu wahren und zu verteidigen, Ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jeder mann zu üben.

Es ist auch die Pflicht einer Integrationsministerin, zwischen gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln und für eine gesell schaftliche Öffnung im Sinne einer Willkommenskultur ein zustehen. Die Äußerungen und zuletzt die gestrigen Vorwür fe gegen den Abgeordnetenkollegen Dr. Lasotta sind integra tionsfeindlich und verletzen die Pflichten, zu denen Sie sich als Integrationsministerin bekannt haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Spätestens nach den Vorkommnissen im Zusammenhang mit Ihren Äußerungen zum „tiefen Staat“ hätten Sie sich über die Wirkung Ihrer Worte im Klaren sein müssen. Der Minister präsident hatte damals seine Kritik an Ihrem Verhalten geäu ßert, wie „Die Welt“ vom 12. Juni 2012 dokumentiert:

... es sei „nicht richtig von der Integrationsministerin ge wesen“, den Begriff „tiefer Staat“ zu verwenden. „Es ist sowieso schwierig, Begriffe aus anderen Kulturkreisen zu nehmen. Das führt nur zu Missverständnissen“, sagte Kretschmann.

Frau Öney, Sie haben sich auch damals für Ihre Aussagen ent schuldigt. Aber auch damals handelte es sich angeblich um private Äußerungen. Ihnen musste spätestens dann die Schwe re Ihrer Verfehlung klar sein. Der Ministerpräsident hatte Sie damals kritisiert, in einem Arbeitsverhältnis würde man sa gen: abgemahnt.

Herr Ministerpräsident, wir haben Ihnen gestern die Chance gegeben, selbst aktiv zu werden und verantwortlich zu han deln.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Echt grenzwertig!)

Sie haben unverantwortlich geschwiegen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deshalb sind wir heute gezwungen, zu reagieren. Wir fordern Sie, Herr Ministerpräsident, deshalb gemäß Artikel 56 der Landesverfassung dazu auf, Frau Bilkay Öney aus der Lan desregierung zu entlassen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol legin Sitzmann.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Nachdem wir im Dezember schon zwei Entlassungsanträge auf dem Tisch hatten, ist jetzt ein gutes halbes Jahr vergangen, und die CDU hat sich anscheinend ge dacht: Jetzt könnten wir doch wieder einmal einen Entlas sungsantrag stellen.

(Zuruf des Abg. Alexander Throm CDU)

Im Dezember mussten wir mutmaßen, dass die Idee dazu ei nes Abends auf dem Weihnachtsmarkt entstanden ist.

(Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Ich weiß nicht, ob der heute vorliegende Antrag der gestrigen Häufung parlamentarischer Abende oder dem Fischmarkt hier in Stuttgart zuzuschreiben ist – keine Ahnung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Oh-Rufe von der CDU)

Aber ich kann nur sagen:

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das, was ich von Ihnen, Herr Kollege Hauk, gehört habe, reicht als Begründung für einen solchen Antrag bei Weitem nicht aus.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Im Kern werfen Sie der Integrationsministerin vor, dass sie die CDU kritisiert hat.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Und mit dem Wort „Rassismus“ belegt hat! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Nicht kritisiert, verunglimpft!)

Ich kann nur sagen: Wenn nun alle Minister, die die CDU kri tisieren, mit Entlassungsanträgen rechnen müssen, dann wer den wir miteinander noch vergnügliche Monate haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Aber anscheinend tragen in Ihrer Fraktion nicht alle Ihren Kurs mit. Wir haben es gehört: 45 von Ihren 60 Abgeordne ten

(Zurufe von der SPD: 60 Abgeordnete!)

45 von 60 Abgeordneten – haben diesen Antrag unterschrie ben. Das heißt im Umkehrschluss: Nicht alle Damen und Her ren in Ihrer Fraktion scheinen das richtig zu finden, was Sie, Herr Hauk, vorschlagen, nämlich die Ministerin zu entlassen.

(Zuruf des Abg. Manfred Hollenbach CDU)

Ich finde es bemerkenswert, was Sie in den letzten Monaten hier in Baden-Württemberg integrationspolitisch geboten ha ben. Wir würden von Ihnen erwarten, dass Sie sich mit den Themen, um die es wirklich geht, ernsthaft auseinanderset zen. Wir haben jetzt ein Landesanerkennungsgesetz auf den Weg gebracht. Dabei geht es darum, dass man endlich die Be rufsabschlüsse anerkennt, die Menschen mit Migrationshin tergrund in ihren Herkunftsländern erworben haben, und dass wir damit endlich Integration in den Arbeitsmarkt ermögli chen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: „Endlich“ ist richtig! Das hat ewig gedauert! – Abg. Peter Hauk CDU: Jetzt ist es richtig! „Endlich“!)

Stattdessen beschäftigen Sie sich in Anfragen und Anträgen mit Weihnachts- und Sommerreisen der Ministerin. Mit ernst hafter Integrationspolitik, mit dem ernsthaften Willen, in Ba den-Württemberg mehr für Integration zu tun, hat das nichts zu tun, Herr Kollege Hauk.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das, was Sie heute zum wiederholten Mal hier inszenieren – wahrscheinlich ist es auch der kommenden Bundestagswahl geschuldet –

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Sehr billig, Frau Kollegin! Sehr bil lig!)

erinnert doch sehr an Komödienstadel. Komödienstadel ist ganz gutes Theater; es ist jedenfalls besser inszeniert als die dilettantische Aufführung, die Sie hier gebracht haben, mei ne Damen und Herren.

Ich kann nur sagen: Wir werden Ihren Antrag selbstverständ lich ablehnen.