Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 138. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Graner, Herrn Abg. Dr. Reinhart, Herrn Abg. Dr. Schmidt-Eisenlohr und Herrn Abg. Stratthaus erteilt.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Bonde, Herr Minister Friedrich und Herr Mi nister Dr. Schmid sowie Frau Abg. Aras und Herr Abg. Klein, die Herrn Minister Dr. Schmid auf der Delegationsreise in die Türkei begleiten, sowie zwischen 13:30 und 15:30 Uhr Frau Ministerin Krebs.
Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überwei sungsvorschlägen zu.
tion über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf eines Staatsvertrags zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Land RheinlandPfalz über die Vereinigung der LBS Landesbausparkasse BadenWürttemberg und der LBS Landesbausparkasse Rheinland-Pfalz zur LBS Landesbausparkasse Südwest (LBS Südwest) – Drucksache 15/7420
vom 25. September 2015 – Rechtsverordnung zum Beitritt der Stu dienakademien Heidenheim, Lörrach und Heilbronn sowie des Cen ters for Advanced Studies zu Studierendenwerken – Drucksache 15/7440
schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut zes“ (GAK); hier: Sonderrahmenplan „Präventiver Hochwasser schutz“ – Drucksache 15/7447
Überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirt schaft und federführend an den Ausschuss für Finanzen und Wirt schaft
Meine Damen und Herren, wir haben heute ein Geburtstags kind in unseren Reihen. Im Namen des ganzen Hauses gratu liere ich Ihnen, liebe Kollegin Brunnemer, sehr herzlich zum Geburtstag und wünsche Ihnen alles Gute.
Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Win fried Kretschmann zur Flüchtlings- und Integrationspoli tik der Landesregierung – Herausforderung bewältigen, Verantwortung übernehmen, Integration zum Erfolg füh ren
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Am 27. August wird an der Autobahn 4 im österrei chischen Burgenland ein Lkw mit 71 Leichen entdeckt: Kin der, Frauen und Männer aus Afghanistan, Syrien und dem Irak, die auf ihrer Flucht qualvoll erstickten.
Am 2. September wird ein Kind an einem Strand nahe der tür kischen Touristenhochburg Bodrum angespült: der dreijähri ge Aylan aus Syrien, dessen Boot bei der Flucht kenterte. Er und elf weitere Menschen ertranken in den Wellen des Mit telmeers.
Diese und andere Ereignisse haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Diese Bilder lassen niemanden von uns kalt. Sie bewegen, sie berühren, sie bestürzen uns. Diese Bilder stehen stellvertretend für die schrecklichen Schicksale, die Menschen in diesen Wochen erleiden – darunter viele Schicksale, die nie mand erfährt, die niemand beweint, die nicht in den Abend nachrichten auftauchen.
Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so vie le wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Niemand ver lässt seine Heimat leichtfertig und ohne Grund. Wir BadenWürttemberger sind heimatverbunden, wir sind stolz auf un
sere starke Wirtschaft, wir schätzen und pflegen unsere Tra ditionen und unsere kulturelle Vielfalt. Wir wissen, was wir an unserem wohlgeordneten Gemeinwesen haben, an unserer hohen inneren Sicherheit, an unserer politischen Stabilität, an unserer Rechtsordnung, an unserer Demokratie und an unse rer Freiheit.
Wir sind dankbar, dass es uns gut geht. Das ist alles andere als selbstverständlich. Wir wissen, welches Glück es ist, BadenWürttemberg seine Heimat nennen zu dürfen. Weil wir hei matverbunden sind, können wir nachempfinden, was es be deutet, wenn man entwurzelt, vertrieben, verfolgt und seiner Heimat beraubt wird. Ich glaube, deswegen sind wir auch be sonders hilfsbereit. Und weil unser Land wirtschaftlich stark ist, können wir auch solidarisch sein.
Auf die unglaubliche Hilfsbereitschaft, mit der die Bürgerin nen und Bürger in unserem Land die Flüchtlinge, die es nach langen Strapazen zu uns geschafft haben, begrüßen und un terstützen, sind wir stolz.
Aber leider gibt es auch bei uns die andere, die dunkle Seite. Auch in Baden-Württemberg gab es Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Auch bei uns gibt es leider Hass und Ausgrenzung. Wir verurteilen dies auf das Allerschärfste. Der gesamte Landtag hat dies in einer Erklärung bekräftigt. Wir gehen dagegen mit der ganzen Härte des Rechtsstaats vor.
Diese Menschen, die Hass und Gewalt säen, sollen wissen: Die ganz überwältigende Mehrheit in diesem Land ist gegen euch.
Wir in Baden-Württemberg sind heimatverbunden und hilfs bereit. Wir sind stark und solidarisch, und wir sind selbstbe wusst und zupackend. Noch nie kam es auf unsere Stärken so an wie heute, in einer Zeit der globalen Krisen – denken wir nur an das barbarische Regime des IS, den schrecklichen Bür gerkrieg in Syrien und den zerfallenden Irak.
Ich denke, die Würde, die Reife und die Kraft einer Gesell schaft zeigen sich am klarsten in einer Krisensituation: Haben Grundrechte auch dann Bestand, wenn von ihnen vielfach Ge brauch gemacht wird und sie unter Druck geraten? Leben wir unsere Werte auch dann, wenn dies zeitweilig Entbehrungen mit sich bringt? Können wir unsere Offenheit, unsere Ord nung und unsere Identität auch in Zeiten großer Fluchtbewe gungen bewahren?
Die Identität Europas besteht auch darin, wie man mit Notleidenden umgeht. Viele sagen, die christliche Identi tät Europas darf nicht gefährdet werden. Aber das gehört ja zum Wesentlichen der christlichen Identität, dass wir unabhängig von seinem Glauben und seiner Herkunft ei nem Menschen, der in Not ist, helfen. Und ihm mit Res pekt begegnen. Wenn wir diesem Leitbild nicht entspre chen, gefährden wir die Identität Europas.
Wer europäischen Boden betritt, sich Europa nähert, darf nicht Angst haben um sein Leben, nicht Angst haben, zu ertrinken oder zu ersticken.
Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Es ist unsere hu manitäre Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen.
Das Recht auf Asyl ist kein Gnadenakt, es ist ein Grundrecht. Dieses Grundrecht ist eine große zivilisatorische Errungen schaft. Es gehört zum Kernbestand einer menschlichen Ge sellschaft und ist nicht verhandelbar.
Es ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mög lich, Obergrenzen für Grundrechte einzuführen. Dennoch ist der Impuls vieler Menschen richtig, die sich über die Dimen sion der Herausforderungen Sorgen machen, und wir müssen uns darüber verständigen.
Die Lage ist dramatisch: Im Libanon haben 1,2 Millionen Sy rer Zuflucht gefunden. In der Türkei befinden sich über zwei Millionen Flüchtlinge. Wir wissen von Zehntausenden Flücht lingen, die derzeit in benachbarten Staaten sind und bald hier eintreffen. In Österreich sind es 42 000 Syrer, Iraker und Af ghanen, in Kroatien 26 000 und in Serbien 8 000. Allein in Bayern überqueren aktuell täglich 10 000 Flüchtlinge die Lan desgrenze. Nach Deutschland kamen allein seit dem 5. Sep tember insgesamt über 220 000 Menschen, nach Baden-Würt temberg 23 000. Das sind die Zahlen vom Dienstag, als ich die Regierungserklärung beim Landtag eingereicht habe. Heu te sind es bereits über 27 000.
Was wäre, wenn Damaskus an den IS fällt? Was wäre, wenn Millionen Aleviten aus Syrien fliehen? Weder in Baden-Würt temberg noch in Deutschland werden wir die steigende Zahl von Flüchtlingen allein bewältigen, und wir werden schon gar nicht die Fluchtursachen wirksam bekämpfen können. Wir stoßen allenthalben an Grenzen.
Derzeit nehmen Deutschland und Schweden die Hälfte aller Flüchtlinge in der EU auf. Das ist auf Dauer nicht tragbar. Deshalb sage ich klipp und klar: Wer sich in Europa der Auf nahme von Flüchtlingen verweigert, der tritt die europäischen Werte mit Füßen, der handelt verantwortungslos, der riskiert ein Scheitern Europas.