Rainer Hinderer
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Herr Präsident, sehr geehrte Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Morgen! Ich freue mich, dass die letzte Aktuelle Debat te in dieser Legislaturperiode, die meine Fraktion beantragt hat, zu einem für uns zentralen Thema stattfindet: Gute Arbeit in Baden-Württemberg, gute Arbeit für die Unternehmen, gu te Arbeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in un serem Land.
Als ich erfahren habe, dass ich zu dieser Debatte sprechen darf, ist mir meine allererste Rede im Landtag, die noch drü ben im anderen Haus stattfand, in den Sinn gekommen. Das war in einer Aktuellen Debatte zum Thema „Gute Arbeit in Baden-Württemberg durch Tariftreue, Mindestlöhne und Aus bildung für jeden Schulabgänger“ am 28. September 2011.
Tariftreue, Mindestlohn, Ausbildung waren damals noch un sere Vorhaben, unsere Forderungen an den Bund. Heute, vier einhalb Jahre später, im Jahr 2016, haben wir das. Wir haben das Tariftreuegesetz in Baden-Württemberg, den Mindestlohn im Bund und gute Ausbildungsplätze durch unseren Pakt für Ausbildung. Wir haben über 6 000 Ausbildungsplätze allein im Programm „Assistierte Ausbildung“ geschaffen. Das ist ein toller Erfolg, und unser Land steht blendend da.
All das haben wir, weil hier im Land und weil auch im Bund, was den Mindestlohn betrifft, die im Koalitionsvertrag getrof fenen Vereinbarungen umgesetzt wurden. Wir wollen mit die ser Aktuellen Debatte beschleunigen, dass im Bund der Koa litionsvertrag umgesetzt wird, dass Missbrauch von Leihar beit und Werkverträgen bekämpft wird.
Bevor Sie aber nachher in Ihren Redebeiträgen gleich sagen: „Die SPD hat etwas gegen Leiharbeit und gegen Werkverträ ge“, weise ich darauf hin: Nein, das haben wir nicht. Leihar beit ist eine gute Sache, wenn sie dazu dient, betriebliche Spit zen zu bewältigen, Krankheitsausfälle zu überwinden oder auch dort, wo ein Fachkräftemangel bereits besteht, kurzfris tig offene Stellen zu besetzen, um Produktionskapazitäten zu erhalten oder zu steigern. Dazu braucht man Leiharbeit.
Das Gleiche gilt für Werkverträge. Auch Werkverträge sind ein ganz normales und zunächst einmal nicht zu beanstanden des Instrument, wenn es um die Vergabe von Tätigkeiten geht, die sonst im Betrieb nur selten gebraucht werden und die nicht mit betriebsinterner Sachkompetenz und Expertise erledigt werden können. Auch dann braucht man Werkverträge.
Das alles muss erhalten bleiben, damit die Unternehmen in Baden-Württemberg auch in Zukunft wirtschaftlich so gut da stehen können, wie es jetzt, am Ende der ersten Legislaturpe riode mit einer grün-roten Koalition, mit einer grün-roten Lan desregierung der Fall ist. Unser Land steht blendend da.
Aber wir haben auf beiden Feldern – sowohl bei der Leihar beit als auch bei den Werkverträgen – Fehlentwicklungen zu verzeichnen. Die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Ar beitnehmerüberlassung hat sich in den letzten 20 Jahren etwa verfünffacht, und so haben heute 100 000 Personen in BadenWürttemberg lediglich einen Leiharbeitsvertrag und sind Leiharbeiter.
Es ist aber nicht so, dass im gleichen Zeitraum – in den letz ten 20 Jahren – die Zahl der Krankheitsfälle oder der Umfang der betrieblichen Spitzen ebenfalls in diesem Maß zugelegt hat. Vielmehr wird Leiharbeit oft dauerhaft und zum Teil in hohem Maß in Betrieben eingesetzt. Damit werden auch Tei le der bisherigen Stammbelegschaft verdrängt.
In den letzten Jahren wurde die Deregulierung vermehrt ge nutzt, auch um Tarifverträge zu umgehen und eine zweite, niedrigere Tarifstruktur zu implementieren. Claus Schmiedel hat gestern schon zu Recht darauf hingewiesen: 1990 waren noch 90 % der Arbeitsverhältnisse im tarifgebundenen Be reich, heute sind es noch 60 %.
Dies ist eine Entwicklung, die es zu begrenzen gilt. Denn für die allermeisten – nicht für alle – Leiharbeitnehmer gilt, dass sie deutlich weniger verdienen als ihre Kollegen des Stamm betriebs, obwohl sie zum Teil genau die identische Arbeit ver richten. Sie haben keine betriebliche Altersvorsorge. Manch mal zahlen sie in den Kantinen den Preis für Gäste anstatt den, den die regulär Beschäftigten zahlen, und sie haben zumeist wenig Aussicht auf eine unbefristete Beschäftigung mit nor malem Kündigungsschutz.
Meine Damen und Herren, das ist sozial nicht gerecht. Das sind auch keine verlässlichen Zukunftsperspektiven für jun ge Menschen, die einen Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen. Das bringt auch die Unternehmen unter Druck, die gern die Arbeitsverträge ihrer eigenen Beschäftigten unterschreiben möchten.
Bei Werkverträgen ist es ein bisschen komplizierter. Werkver träge sind aus der heutigen spezialisierten und arbeitsteilig or ganisierten Praxis der Betriebe und Unternehmen nicht weg zudenken. Das, was in den Unternehmen nicht vorhanden ist oder nur gelegentlich gebraucht wird, kann und muss über Werkverträge eingekauft werden.
Aber wir nehmen wahr: In vielen Branchen werden Werkver träge mittlerweile verstärkt als Alternative zur Leiharbeit ein gesetzt. Offensichtlich haben schon die ersten Regulierungen bei der Leiharbeit dazu geführt, dass Arbeiten, die bisher über Leiharbeit erledigt wurden, nun über Werkverträge organisiert werden. Auch hier ist es das Ziel, geltende Tarifverträge zu umgehen. Auch hierdurch werden regulär Beschäftigte ver drängt.
Deshalb wird es endlich Zeit, vernünftige Regeln zu setzen. Dies gilt nicht für die IT-Spezialisten, die aus freien Stücken diese Art der Beschäftigung über Werkverträge suchen und die hierbei mitunter sogar mehr verdienen, als wenn sie dort, wo sie arbeiten, angestellt wären. Das ist eine sehr kleine Gruppe. Um sie brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.
Aber dort, wo Missbrauch geschieht, gilt es für die Politik, tä tig zu werden. Dort, wo Lohndumping passiert, müssen wir reagieren. Deshalb wollen wir, dass das Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen, das Bundes arbeitsministerin Andrea Nahles vorgelegt hat, endlich umge setzt wird. Das wollen wir mit einer Bundesratsinitiative be schleunigen. Wir sind dankbar, dass unser Wirtschaftsminis ter Nils Schmid und unsere Arbeitsministerin Katrin Altpeter im Bundesrat nun für Rückenwind für dieses Gesetzgebungs verfahren sorgen wollen. Wir bitten Sie alle, uns dabei zu un terstützen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Haußmann, Sie haben uns eingangs unterstellt, eine komische Philosophie zu haben, und die Einlassung ge macht, „Lieber keine Arbeit als schlechte Arbeit“ sei unsere Ansage. Diese Logik kann ich nicht nachvollziehen.
Wer Missbrauch bekämpft, ist doch nicht gegen die Sache als solche. Sie sind ja auch für die Gesundheitspolitik und mei nes Wissens auch für die Suchtpolitik – wie ich auch – zustän dig. Wer den Missbrauch von Alkohol bekämpft, der hat doch nichts gegen einen guten Trollinger oder Lemberger aus Würt temberg oder einen Badener Riesling oder ein Rothaus-Pils im Glas.
Es ist schon ein Unterschied, ob man den Missbrauch oder die Sache an sich bekämpft. Das bitte ich einfach zu unterschei den.
Herr Schreiner, dass wir hier jetzt schon zum zweiten, viel leicht auch schon zum dritten Mal eine ähnliche Debatte füh ren, heißt noch lange nicht, dass es eine Scheindebatte ist. Denn diese Debatte ist notwendig.
Es ist notwendig – der Finanz- und Wirtschaftsminister hat gerade noch einmal darauf hingewiesen –, dass wir die CDU daran erinnern und darauf aufmerksam machen, was im Ko alitionsvertrag steht. Da die SPD im Bund eine Koalition mit der CDU bildet, gilt es halt, an der einen oder anderen Stelle dicke Bretter zu bohren. Insbesondere beim Thema „Gute Ar beit“ ist das der Fall. Die eine Partei steht dabei auf dem Gas pedal – das ist die SPD mit Arbeitsministerin Andrea Nahles –, und die CDU steht auf der Bremse.
Deshalb brauchen wir auch keinen Appell, sondern eine Bun desratsinitiative. Kollegin Lindlohr hat es gesagt: Es ist eine wohl dosierte Bundesratsinitiative. Es geht um die Höchstüber lassungszeit von 18 Monaten, es geht um die gleiche Bezah lung nach neun Monaten, es geht um das Verbot des Einsat zes von Leiharbeitern als Streikbrecher, und es geht insbeson dere auch um die verbesserte Mitbestimmung bei den Be triebsräten. Das ist für mich ein wichtiges Thema, auf das ich den Blick noch einmal lenken möchte.
Die Betriebsräte in Baden-Württemberg handeln sehr verant wortlich und sind auch daran interessiert, dass die Unterneh men, in denen sie arbeiten, möglichst hohe Gewinne erwirt schaften; denn nur dann kann den Beschäftigten ein guter Lohn gezahlt werden und können diese an den Gewinnen be teiligt werden.
Deshalb haben große Unternehmen einen betrieblichen Frie den zum Einsatz von Werkverträgen geschlossen. BMW in Bayern hat damit übrigens angefangen. Porsche – Nils Schmid hat gerade darauf hingewiesen – hat mitgemacht. Das ist ein Erfolgsmodell. Ich habe nicht den Eindruck, dass es Porsche aufgrund dieser Vereinbarung schlechter geht als allen ande ren großen Firmen in Baden-Württemberg.
Deshalb – nochmals –: Die SPD in Baden-Württemberg steht für einen Arbeitsmarkt, in dem der Unternehmenswettbewerb nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh mer und auch nicht auf dem Rücken der kleinen Selbststän digen ausgetragen wird. Wir stehen für einen Arbeitsmarkt, in dem diejenigen Unternehmer, die alle Beschäftigten, die zum Unternehmenserfolg beitragen, direkt anstellen wollen, nicht gegenüber denjenigen benachteiligt sind, die in ihrer Produk tion in großen Teilen auf Leiharbeit und Werkverträge setzen. Wir stehen für den Grundsatz: gleiches Geld für gleiche Ar beit. Und wir stehen dazu, dass die Betriebsräte im hiesigen Arbeitsmarkt zumindest wissen müssen, wer sich außer den Beschäftigten der Kernbelegschaft wann und zu welchem Zweck an der Produktion beteiligt, um von ihren Rechten bes ser Gebrauch machen zu können.
Wir möchten, dass auch in Zukunft möglichst viele Beschäf tigte bzw. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land stolz darauf sind, ordentlich bei Daimler, bei Porsche, bei Audi, bei Mahle, bei ZF
oder bei einem der anderen großen Unternehmen – Bosch – direkt beschäftigt zu sein. Die Beschäftigten sollen nicht nur ein T-Shirt tragen, auf dessen Kragen das entsprechende Em blem zu sehen ist, aber bei einer Leiharbeitsfirma angestellt sein. Das ist unser Ziel, und dafür stehen wir: für gute Arbeit in Baden-Württemberg.
Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, ich knüpfe an die Frage meiner Kollegin Gurr-Hirsch an zu den wenigen weißen Flecken, die es noch gibt, und zur Situation in Heil bronn. Wir haben sicher ein gemeinsames Interesse daran, dass sich dort etwas tut. Die Notwendigkeit, dort zu handeln, haben Sie bestätigt.
Sie haben auch gesagt, dass der Antrag aufgrund von Umbrü chen in der Wirtschaftsförderung gerade ruht. Ich weiß, dass es vor Ort auch Interesse von einem freien Träger aus dem Bildungsbereich gibt. Insofern frage ich, ob es bei den beste henden 13 Kontaktstellen unterschiedliche Trägerstrukturen gibt. Können Sie etwas dazu sagen, wie viele Trägerschaften kommunal bzw. bei der IHK angesiedelt sind? Besteht grund sätzlich die Möglichkeit oder kann diese geschaffen werden, dass diese Kontaktstellen auch in einer freien Trägerschaft oder in Trägerverbünden angesiedelt werden, um hier einen Schritt weiterzukommen?
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Kollegin Schiller hat die Hintergründe schon ausführlich geschildert, die es notwendig machen, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.
Sie, Frau Kollegin Schiller, sind auch auf den Sozialausschuss und die Pflegeenquete eingegangen. Ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit und wünsche Ihnen ebenfalls alles Gu te.
Zum Gesetz selbst kann ich es ganz kurz machen: 2014 hat ten wir hohe Zuwanderungszahlen aus anderen EU-Mitglieds staaten zu verzeichnen, und zwar insbesondere aus Bulgarien und Rumänien. Diese Zuwanderer haben sich im Land sehr ungleich verteilt, sodass die Sozialhaushalte einiger Kommu nen – insbesondere der Großstadt Mannheim – sehr stark be lastet wurden.
Diese Situation wurde im Land und auch im Bund zur Kennt nis genommen und zum Anlass genommen, dafür eine Lösung zu finden. Dann begann die Kaskade: Der Bund hat gesagt: „Wir geben Geld.“ In Baden-Württemberg sind von diesem Geld 3,8 Millionen € angekommen. Das Sozialministerium hat gesagt: „Wir rechnen jetzt gut“, und es hat gut gerechnet. Das Geld soll entsprechend den Anteilen der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien auf die Kommunen verteilt werden. Und siehe da: Dort, wo die Belastung am höchsten war, kommt auch am meisten Geld an:
in Mannheim.
Insofern freuen wir uns mit der Stadt Mannheim und mit al len anderen Kommunen, die hierdurch eine Entlastung erfah ren. Wir freuen uns, dass alle diesem Gesetz zustimmen kön nen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Sie ahnen, nein, Sie wissen es: Am The ma Pflege kommt keiner von uns vorbei, sei es, dass wir selbst einmal pflegebedürftig werden, oder sei es, dass wir Angehö rige haben, die der Pflege bedürfen. Deshalb ist es gut, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie wir selbst oder unsere Ange hörigen im Pflegefall behandelt werden wollen.
Ich denke, was wir von einer guten Pflege erwarten ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Achtung und die Auf rechterhaltung der Menschenwürde. Es geht also um ethische Fragen im Krankheitsfall oder am Ende des Lebens. Denn richtig ist: Rein wirtschaftlich gesehen lohnt sich eine Inves tition in alte, in pflegebedürftige Menschen, in sterbende Men schen im Rahmen der Palliativpflege eher nicht. Aber eine so ziale Gesellschaft darf nicht in solchen Kategorien denken, und wir Sozialdemokraten denken schon gleich gar nicht in solchen Kategorien.
Bei der Pflege geht es also um eine Investition in Menschen würde, um gelebte Nächstenliebe und damit um Solidarität zwischen den Generationen. Für uns Sozialdemokraten stand daher im Mittelpunkt unserer Enquetearbeit der Satz: Nicht zuletzt in der Pflege zeigt sich, wie sozial eine Gesellschaft ist.
Ich würde schon behaupten: Diese Grundhaltung prägen auch die über 1 000 Seiten des Abschlussberichts und die über 600 Empfehlungen. An dieser Stelle ist ein breiter Konsens ent standen.
Es ist höchste Zeit, dass wir uns um die Zukunft der Pflege kümmern. Daher war ich froh und bin dankbar, dass alle vier Fraktionen einvernehmlich diese Enquetekommission bean tragt haben. Meine Vorredner und meine Vorrednerin haben es bereits gesagt: Die Situation in der Pflege ist heute schon angespannt, und der demografische Wandel wird die Lage noch verschärfen. Man kann es ganz kurz fassen: Uns fehlen die pflegenden Hände. Die Pflege in der Familie – hier wer den momentan noch zwei Drittel der Pflegearbeit geleistet – wird schwieriger. Die Kinder leben häufig weit entfernt, müs sen arbeiten und mobil sein. In der professionellen Pflege ha ben wir heute schon den Fachkräftemangel. Uns sind, u. a. im Rahmen von Ortsterminen, Pflegeheime bekannt geworden, die aufgrund von Personalmangel oder Personalknappheit nicht so viele Bewohnerinnen und Bewohner aufnehmen kön nen, wie sie gern wollten und eigentlich auch könnten.
Unsere Schlussfolgerung, die Schlussfolgerung der SPD, aus unserer intensiven Arbeit in der Enquete lautet daher: Die Zu kunft der Pflege hängt für uns von folgenden Punkten ab: Ers
tens müssen wir die familiäre Pflege stärken, zweitens müs sen professionelle Pflegekräfte im Beruf gehalten werden und drittens müssen möglichst viele Auszubildende für Pflegebe rufe gewonnen werden können.
Familiäre Pflege stärken: Familien brauchen Unterstützung und Beratung. Viele Menschen – vor allem Frauen – schrän ken sich in ihrem Beruf ein oder geben ihren Job auf, um pfle gebedürftige Eltern oder Schwiegereltern zu pflegen. Wäh rend dieser Pflegearbeit besteht das Risiko der Verarmung und in der Folge der Altersarmut. Deshalb sind die Ansätze im Pflegezeit- und im Familienpflegezeitgesetz des Bundes zur Vermeidung der Verarmung aus unserer Sicht völlig richtig. Sie müssen aber weiterentwickelt und noch stärker an die Le benswirklichkeit angepasst werden.
Wir sehen auch die Notwendigkeit, Pflegezeiten in der gesetz lichen Rentenversicherung im gleichen Umfang wie Kinder erziehungszeiten anzuerkennen.
Familiäre Pflege führt auch nicht selten zu Überforderungssi tuationen. Wir dürfen pflegende Angehörige da nicht allein lassen, sondern brauchen präventive Angebote. Wir wollen Familien im Pflegealltag entlasten und setzen uns für ein flä chendeckendes Netz von Tages- und Kurzzeitpflegeeinrich tungen ein. Momentan gibt es zu wenig Plätze und zu lange Wartelisten.
Familienangehörige brauchen oft schnelle, aber auch qualifi zierte Hilfe, wenn der Pflegefall plötzlich eintritt oder die Krankenhausentlassung sehr schnell vonstattengeht. Oft müs sen innerhalb weniger Tage emotional schwierige Entschei dungen getroffen und umfangreiche Anträge gestellt werden. Beratung, Unterstützung und individuelle Lösungen sind ge fragt. Hierfür müssen die Beratungsstrukturen verbessert wer den.
Wir setzen uns daher weiterhin und nachdrücklich für einen flächendeckenden, wohnortnahen Ausbau der Pflegestütz punkte ein. Wir begrüßen es, dass auf Drängen von Sozialmi nisterin Katrin Altpeter die verantwortlichen Kommunen und Kassen vor Kurzem die Zahl der Pflegestützpunkte von 48 auf 72 erhöht haben. Der Ausbau muss aber noch weitergehen.
Stichwort Fachkräftesicherung: Wir müssen, wir wollen Fach kräfte in der Pflege halten. Wir können es uns nicht mehr leis ten, dass hoch qualifizierte Pflegekräfte nach wenigen Jahren die Pflege verlassen. Schichtdienst, Wochenendarbeit, geteil te Dienste, unfreiwillige Teilzeit, Holen aus dem Frei usw. sind wenig motivierende Arbeitsbedingungen.
Die Vereinbarkeit von Pflegeberuf, Familie und Freizeit ist nicht leicht. Wir haben gehört: An der Bezahlung liegt es zu nächst gar nicht so sehr. Sie ist zunächst ordentlich, wenn ta riflich bezahlt wird, aber sie ist, bezogen auf die Arbeitsbe dingungen, aus unserer Sicht zu niedrig.
Vor allem müssen die Rahmenbedingungen der Arbeit verbes sert werden. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – das ha ben wir auch gehört; die Dienste – sind hierzu bereit. Im en gen Korsett der Pflegeversicherung fehlt es ihnen aber am not wendigen Geld. Das heißt für uns: Wir brauchen mehr Geld im System. Dieses Geld muss vor allem für mehr Personal in
den Einrichtungen eingesetzt werden, um die Arbeitsdichte zu reduzieren. Pflegekräfte wollen und brauchen mehr Zeit für die Pflege.
Deshalb steht auch unsere Forderung nach Festlegung ver bindlicher Personalschlüssel, die aber über dem derzeitigen Niveau in Baden-Württemberg liegen müssen, und dies so wohl in der Altenpflege als auch im Krankenhaus.
Notwendig ist auch die Refinanzierung von Tariflöhnen. Für den Bereich des SGB XI hat die SPD im Bund dies im Pfle gestärkungsgesetz durchgesetzt. Eine entsprechende Rege lung brauchen wir auch für den Bereich des SGB V, das heißt in der Krankenversicherung.
Unnötige – ich sage ausdrücklich: unnötige – bürokratische Lasten werden von Pflegekräften zu Recht oft als verlorene Zeit für die Arbeit mit den Bewohnern, mit den Patienten kri tisiert. Entsprechend arbeiten wir an Modellen, die die Pflich ten zur Dokumentation verringern – eines wurde vorhin schon genannt –, ohne aber die Qualitätssicherung zu gefährden.
Wir wollen auch den Berufsstand der Pflegenden stärken, da mit professionell Pflegende selbstbewusst und auf Augenhö he mit anderen Gesundheitsberufen agieren können. Sie müs sen z. B. ihre Ausbildungsinhalte mitbestimmen können und bei Normierungen im Bereich der Pflege mitreden können.
Wie eine solche Stärkung erfolgt, wollen wir mit den Pflege kräften diskutieren. Wenn am Ende eines solchen Beteili gungsprozesses die professionell Pflegenden eine Pflegekam mer wollen und zur Finanzierung dieser auch bereit sind, wer den wir sie auch ermöglichen und die Rahmenbedingungen schaffen.
Entsprechend begrüßt und unterstützt die SPD-Landtagsfrak tion den von Sozialministerin Altpeter eingeleiteten Prozess zur Stärkung der Pflegeberufe in Baden-Württemberg.
Letztes Stichwort: Fachkräftegewinnung. Auch im Interesse der Fachkräftegewinnung müssen die Perspektiven im späte ren Beruf – das heißt die Arbeitsbedingungen – einfach gut sein.
Außerdem müssen wir die Attraktivität der Ausbildung ver bessern. Verbessern müssen sich die Ausbildungsbedingun gen. Deshalb verurteilen wir es – das ist deutlich gesagt wor den, auch in verschiedenen Anhörungen –, dass Auszubilden de als billige Arbeitskräfte gesehen und eingesetzt werden. Das ist nicht gut, und das wollen wir ändern. Deshalb muss die Praxisanleitung in einem Personalschlüssel festgelegt und in die Dienstpläne aufgenommen werden. Die hierdurch ent stehenden Kosten müssen über die Pflegeversicherung refi nanziert werden.
Die Attraktivität des Ausbildungsabschlusses soll durch eine gemeinsame Ausbildung – das macht gerade der Bundesge setzgeber – von Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege rinnen und -pflegern gesteigert werden. Wir setzen uns bei der Einführung einer solchen gemeinsamen Pflegeausbildung aber dafür ein, dass Schwerpunkte in den Bereichen Altenpflege,
Krankenpflege, Kinderkrankenpflege weiterhin möglich sind und auch während der Ausbildung eine Bindung zur Ausbil dungseinrichtung entstehen kann.
Eine Chance, Abiturientinnen und Abiturienten für die Pflege zu gewinnen, sehen wir auch in einer bedarfsgerechten Aka demisierung, in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in den Pflegewissenschaften. Allerdings sagen wir auch, dass der grundständige Beruf – also die examinierten Pflegefachkräf te – schon heute eine gute Voraussetzung bietet, um auch in der Pflege hervorragend arbeiten zu können. Die examinier ten Pflegefachkräfte sind aus unserer Sicht für die Herausfor derung der Zukunft gut vorbereitet.
Nicht zuletzt gilt es auch, das Potenzial ausländischer Pflege fachkräfte noch besser auszuschöpfen und die Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen noch weiter zu beschleunigen.
Der Vorsitzende der Enquetekommission, Herr Rüeck, hat es vorhin schon gesagt: Bei der Landespressekonferenz wurden wir gefragt, welche Kosten durch die Umsetzung der über 600 Handlungsempfehlungen in unserem Bericht entstehen wür den. Er hat auch gesagt – da hat er ehrlich geantwortet –: „Wir wissen es nicht.“ Viele Maßnahmen betreffen ja auch den Bund oder die Dienste usw. Das konnten wir in der Enquete kommission nicht klären.
Aber für uns, die SPD, steht fest: Mehr Geld für die Pflege werden wir brauchen, mehr Geld in der Pflege ist eine Inves tition in Menschenwürde, gelebte Nächstenliebe und Genera tionensolidarität und damit eine gute Investition.
Zum Schluss auch von meiner Seite – ich habe sogar noch Re dezeit übrig – noch der Dank. Er richtet sich zunächst an den Vorsitzenden. Herr Kollege Rüeck, vielen Dank für die strin gente und konzentrierte Sitzungsleitung, die es uns immer wieder erlaubt hat, zu einer einigermaßen guten Zeit noch den Zug zu erreichen und zumindest im Sommer vor Einbruch der Dunkelheit wieder im Wahlkreis zu sein – wir haben ja immer freitagmittags getagt.
Vielen Dank für den hohen externen Sachverstand, von dem wir alle in unserer Arbeit profitiert haben. Die Namen wurden schon genannt. Ich erlaube mir, noch einmal dem externen Sachverständigen der SPD-Fraktion, Herbert Weisbrod-Frey, namentlich zu danken.
Ich danke dem Sozialministerium, der Ministerin sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium. Ich nen ne jetzt einfach einmal Herrn Dr. Grünupp namentlich. Sie richten den herzlichen Dank an die Kollegen aus, die ja auch immer lange bei den Enquetesitzungen dabei waren.
Bevor ich mich bei meinen Kollegen bedanke, noch ein herz liches Dankeschön an die parlamentarischen Beraterinnen und Berater. Ich nenne hier Herrn Dr. Berger. Die Berater haben, glaube ich, mit dazu beigetragen, dass wir so viel Konsens hatten, weil vieles schon im Vorfeld geklärt werden konnte.
Last, but not least: Vielen Dank Sabine Wölfle, Florian Wahl, Thomas Reusch-Frey und Hidir Gürakar, der vertretungswei se dabei war, und natürlich auch unserem Fraktionsvorstand
und unserem Fraktionsvorsitzenden für die gute Unterstüt zung der Arbeit in der Enquetekommission.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Kollege Lucha hat mit dem ÖGD an gefangen und mit dem LGG aufgehört, ich mache es umge kehrt. Ich denke, wir können festhalten, dass es in so gut wie keinem anderen Politikbereich als dem Gesundheitssektor so viele unterschiedliche Interessenvertreter gibt. Allein bei den Leistungsträgern – von der GKV über die PKV bis zu den Un fallkassen – gibt es eine breite Palette. Hinzu kommen die un terschiedlichen Anbieter von Gesundheitsleistungen, die Krankenhäuser, die Praxen, jeweils mit ihren Verbänden und mit ihren Kammern. Natürlich gibt es nicht zuletzt auch noch die Beschäftigten, mit Gewerkschaften, Kammern, Berufsver bänden – und die Patientinnen und Patienten sowie deren An gehörige.
Wenn diese jeweils immer nur für sich sprechen, gehen die Meinungen zur Gesundheitsversorgung mitunter sehr weit auseinander. Das haben wir z. B. bei den Diskussionen um das Krankenhausstrukturgesetz gemerkt. Die Forderungen der Verbände, der Krankenkassen, die einen Großteil der Mehr kosten übernehmen müssen, lagen weit vor denen der Klini ken in Baden-Württemberg. Ähnliches gilt für die Vertreter der jeweiligen Sektoren. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenhausgesellschaft in Baden-Württemberg haben beispielsweise unterschiedliche Ansichten zum Thema Por talpraxen.
Deshalb macht es manchmal wenig Sinn, nur für sich allein zu beraten und eine eigene Meinung zu bilden und zu vertre ten. Dann ist es nötig, sich gemeinsam an einen Tisch zu set zen und gemeinsam zu beraten.
Deshalb wollen wir die sektorenübergreifende Zusammenar beit und die Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitswe sen in Baden-Württemberg stärken.
Unsere Ministerin Altpeter und in Teilen – muss man sagen – auch schon ihre Vorgängerin, Frau Dr. Stolz, haben schon vie le Gremien- und Abstimmungsprozesse bis hin zur Landesge sundheitskonferenz initiiert und weiterentwickelt. Das Gegen einander, was etwa in Vergütungsverhandlungen zwischen Krankenkassen und Ärzten durchaus auch einmal sein muss, muss an anderer Stelle durch ein Miteinander ersetzt werden, wenn es um übergeordnete Fragen der gesundheitlichen Ver sorgung der Menschen im Land geht.
Um diesen notwendigen Prozess zu stärken, wollen wir jetzt die wesentlichen Instrumente, die Gremien, ihre Aufgaben und ihre Arbeitsweise, auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Ich denke, die bisherigen Erfahrungen aus dem Gesundheits dialog zeigen, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.
Im Wesentlichen gab es nur an einer Stelle auseinandergehen de Meinungen. Die verbindliche Einrichtung der Gesundheits konferenzen auf kommunaler Ebene wird von allen Beteilig ten begrüßt; ein wenig auseinander geht es bei der Finanzie rung. In der Anhörung hat sich gezeigt, dass die Meinungen da etwas auseinandergehen. Klar ist, dass für die Planung, Or
ganisation und Durchführung dieser Konferenzen Kosten ent stehen. Deshalb erhalten die Landkreise und die kreisfreien Städte zur Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen auch einen Ausgleich.
Über die Novellierung des ÖGD werden wir eine Kompensa tion schaffen, denn wir schaffen auch Freiräume im ärztlichen Dienst – ich komme später noch einmal kurz darauf zurück. Aber wir sind bereit, noch eine Schippe draufzulegen: Die kommunalen Landesverbände waren der Meinung, dass der Finanzausgleich für die entfallenden Gutachtenstellen nicht auskömmlich sei. Konnexität ist für uns ein hohes Gut. Des halb nehmen wir die Sorgen der kommunalen Landesverbän de ernst. Das ist auch der Hintergrund für unseren Änderungs antrag im Ausschuss.
Abschließend noch ein paar Worte zu dem anderen zu bera tenden Gesetz, dem Gesetz über den öffentlichen Gesundheits dienst. Auch da geht es um die Weiterentwicklung der gesund heitlichen Versorgung, und auch da wollen wir die Anliegen der Kommunen aufgreifen und unterstützen. Es soll – viel leicht kann an dieser Stelle ein „wieder“ eingefügt werden – möglich werden, dass die Kommunen mehr Verantwortung für die Gesundheit ihrer Bevölkerung übernehmen. Wir wol len dem Gedanken der öffentlichen Gesundheit oder – wie Kollege Lucha schon gesagt hat – dem Public-Health-Gedan ken mit den Schwerpunkten Prävention und Gesundheitsför derung in den Kommunen mehr Gewicht beimessen. Es sind vor allem junge Ärztinnen und Ärzte wie auch Mitglieder an derer Berufsgruppen im Gesundheitswesen, die aus ihrer Aus bildung neue Ansätze in die Praxis einbringen, etwa durch die Weiterentwicklung ihrer Disziplinen in Ländern mit einem staatlichen Gesundheitssystem, auch aus dem angelsächsi schen Bereich.
Neue bzw. erweiterte Aufgaben führen dann natürlich auch zu der Überlegung, ob nicht an einer anderen Stelle etwas abge speckt werden kann. Der Vorschlag, dies im Wesentlichen bei den Gutachten zu tun, kam direkt von der ärztlichen und von der kommunalen Seite. Das haben wir überprüft, u. a. im Rah men einer gut besuchten Fachtagung, und im Wesentlichen auch so umgesetzt. Denn aus heutiger Sicht ist einerseits nicht mehr jedes ärztliche Gutachten, das im Königreich Württem berg durch einen Obermedizinalrat erstellt werden musste, heute noch erforderlich, und wenn es andererseits heute noch erforderlich ist, dann kann es auch ein anderer Arzt erstellen, z. B. der Hausarzt oder ein ohnehin behandelnder Facharzt.
Also, beide Gesetze, die wir heute abschließend beraten, sind gut für die Kommunen und gut für die Gesundheit der Men schen in unserem Land. Deshalb freut es uns, dass wir diesen Gesetzen auch einstimmig zustimmen werden.
Vielen Dank dafür.
Frau Ministerin, können Sie ei ne Einschätzung abgeben, wie die wichtigen Partner im Ge sundheitssystem, beispielsweise die Kassen oder auch die Kassenärztliche Vereinigung, die Einführung einer Gesund heitskarte bewerten?
Frau Staatsrätin, angesichts der mich doch befremdenden kirchenkritischen Äußerungen aus der CDU
drängt sich mir die Frage auf: Teilen Sie meine Einschätzung, dass die Kirchen in Württemberg und Baden mit dem Instru ment des Kirchenasyls sehr verantwortlich umgehen – auch angesichts der geringen Fallzahl – und darüber hinaus auch sonst ihrer Verantwortung angesichts der Flüchtlingskrise, was Beratung, Unterstützung, Sozialdienste und Unterbringung von Flüchtlingen anbelangt, gerecht werden?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ganz kurz zum Herrn Kollegen Löffler.
Ich weiß nicht, was Sie mit Ihren Einlassungen zum Arbeits markt in Fernost und im Mittleren Osten bezwecken wollen, ob Sie uns ins arbeitsmarktpolitische Mittelalter zurückfüh ren wollen oder was der Sinn ist.
Aber eine Erinnerung sei mir doch erlaubt. Es handelt sich beim Mindestlohngesetz keinesfalls um ein grün-rotes Gesetz des Landes Baden-Württemberg, sondern um ein Bundesge setz, und Koalitionspartner sind da die CDU/CSU und die SPD. Insofern haben Sie das mit beschlossen.
Herr Reith, es ist richtig, dass, wenn ein Gesetz eine gewisse Zeit in Kraft ist, einmal ein Blick darauf geworfen werden soll, dass es überprüft werden soll. Das machen wir auch. Was ist passiert seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1. Januar 2015? Bundesweit profitieren 3,7 Millionen Be
schäftigte, die vorher im Niedriglohnsektor gearbeitet haben, vom Mindestlohn. 87 % – das ergab eine aktuelle Umfrage in der Bevölkerung – stehen hinter dem Mindestlohn.
Blicken wir einmal auf die Entwicklungen in unserem Bun desland – ich sage nicht, ursächlich hierfür sei allein der Min destlohn; ursächlich ist vielmehr vor allem unsere tolle kon junkturelle Situation –: Bei uns in Baden-Württemberg ging die Zahl der Arbeitslosen zurück, und zwar um fast 4 000 ge genüber dem Vorjahresmonat. Die Zahl der freien Stellen ist gegenüber dem Vorjahresmonat um über 10 000 angestiegen. Insbesondere ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be schäftigten um 2,1 % angestiegen – Nebenbemerkung: im Gastgewerbe um 5,5 %.
Wer die Presselandschaft gestern und heute mit Blick auf die Auswertung der Arbeitsmarktzahlen für den Monat Septem ber anschaut, weiß, wie die Schlagzeilen lauten: „Arbeits markt in Bestform“.
Aktuell ist da vielleicht schon der Ärger der FDP zu spüren – der Ärger über ihren eigenen wirtschaftspolitischen Sachver stand. Schauen wir einmal auf die letzte Aktuelle Debatte zum Thema Mindestlohn. Herr Fraktionsvorsitzender Rülke, am 27. März 2014 sagten Sie – ich zitiere –:
Wer aber zu hohe Löhne
zur Erinnerung: es ging um 8,50 € –
verordnet, der vernichtet Arbeitsplätze. Und genau das wird die Folge dieser populistischen und verantwortungs losen Politik sein.
So viel zu den wirtschaftspolitischen Prognosen der FDP.
Was eingetreten ist – das ist richtig; es ist bereits angespro chen worden –: Die Zahl der Minijobs ging zurück, und zwar um 3,2 % seit September letzten Jahres. Hierzu zwei Anmer kungen: Auf den ersten Blick ist dies eine positive Entwick lung. Wenn es ein Umwandlungseffekt ist – der Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver hältnisse weist darauf hin –, dann ist es gut, wenn geringfügi ge Beschäftigung zugunsten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zurückgeht. Denn geringfügige Beschäftigung ist eine der Hauptursachen für Altersarmut, und zwar aufgrund der fehlenden Beitragszahlungen.
Zweite Anmerkung – darauf muss man noch einmal schau en –: Es muss noch einmal evaluiert werden, in welchen Be reichen die Minijobs weggefallen sind. Betrifft dies diejeni gen, die ausschließlich von Minijobs leben müssen – was so gut wie nicht möglich ist –, oder betrifft es Beschäftigte, die einen Minijob als Zweit- oder Drittjob haben, Rentner, Stu denten und andere? Dieses Thema muss in der weiteren Eva luation sicher noch einmal genau angeschaut werden.
Auch das „Bürokratiemonster“ wurde wieder angesprochen. Ich zeige es Ihnen einmal. Sie können aber ruhig sitzen blei ben; es beißt nicht, es ist auch nicht gefährlich. Es sieht in et wa so aus:
Als Überschrift steht dort „Stundenzettel“, die Spalten lauten „Datum“, „Beginn“, „Ende“ und „Arbeitszeit“. Ich habe sol che Stundenzettel übrigens vor 35 Jahren während meiner Schreinerlehre auch schon ausgefüllt.
Für diejenigen, denen dies zu kompliziert ist und die technik begeistert sind, gibt es dies sogar als kostenlose App beim BMAS.
So viel zum Thema „Bürokratiemonster“.
Die Hauptkritik geht in Richtung Arbeitszeitgesetz. Dieses Gesetz ist am 1. Juli 1994, also vor 20 Jahren, in Kraft getre ten. Pflegen wir einmal ein bisschen die Erinnerungskultur: Schwarz-gelbe Bundesregierung, der Bundesminister hieß Günter Rexrodt. In den letzten 20 Jahren gab es einige Bun deswirtschaftsminister von der FDP. Wenn diese Minister in diesen 20 Jahren so viel Energie darauf verwendet hätten, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu gewährleisten, dann wä re heute beim Thema Mindestlohn schon viel Dampf aus dem Kessel genommen.
Letztes Stichwort: Thema Kontrollen. In Baden-Württemberg haben seit Anfang dieses Jahres 2 706 Arbeitgeberüberprü fungen stattgefunden. Es gab lediglich 55 Ordnungswidrig keiten.
Das heißt, die Arbeitgeber bei uns im Land gehen in aller Re gel sehr verantwortlich mit dem Thema um. Das verdient ein Lob, und da wird überhaupt niemand unter Generalverdacht gestellt; das ist nicht der Fall.
Insofern: Das Mindestlohngesetz im Bund und das Tariftreue gesetz im Land sind wesentliche Pfeiler für das Konzept „Gu te Arbeit“: mehr Lohn, mehr Beschäftigte, mehr Gerechtig keit. Der Mindestlohn wirkt.
Vielen Dank.
Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Herr Haußmann, die FDP/DVP hat uns die se Aktuelle Debatte beschert. Sie haben schon darauf hinge wiesen, dass wir uns nicht zum ersten Mal über das Kranken hausstrukturgesetz unterhalten. Ich werte diese Aktuelle De
batte einmal als Ihren Beitrag zur Effizienzsteigerung im Ge sundheitswesen, zumindest was das Nutzen von Redebaustei nen anbelangt. Verschiedene Teile haben wir ja schon letzte Woche bei der Mitgliederversammlung der BWKG gehört.
Ich fange einmal mit dem Positiven an. Herr Haußmann hat gesagt – wenn ich zitieren darf, Herr Präsident –, viele Haus aufgaben seien erledigt. Das ist richtig. Wir freuen uns über dieses Lob. Die grün-rote Landesregierung mit unserer Sozi alministerin hat die Hausaufgaben gut erledigt. Ich nenne nur die Steigerung um 35 % bei den Krankenhausinvestitionen. Das ist ein Wort. Das hilft uns. Ein erheblicher Teil des An tragsstaus konnte abgebaut werden.
Herr Haußmann, schauen wir einmal, was Sie gemacht hät ten. Wir haben einmal in Ihr Regierungsprogramm 2011 bis 2016 – Sie regieren ja nicht, aber Sie hatten es vor –
geschaut. Dort steht u. a. drin, Sie wollten mittelfristig für ei ne geordnete Überführung in eine monistische Krankenhaus finanzierung eintreten.
Wenn das der Fall wäre, hätten wir überhaupt keine Hausauf gaben mehr zu machen. Dann hätten wir nämlich gar nichts mehr mitzureden. Insofern bekennen wir uns ganz klar zur du alen Krankenhausfinanzierung. Wir stehen für eine gute, ver lässliche Krankenhausplanung und dafür, dass wir auch die erforderlichen Investitionsmittel zur Verfügung stellen.
Nun ja, Sie müssen auf ein bundespolitisches Thema zurück greifen. Insofern gehen wir einfach einmal davon aus, dass Sie mit den aktuellen gesundheitspolitischen Themen im Land zufrieden sind. Darüber freuen wir uns.
Was das Krankenhausstrukturgesetz anbelangt, sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass es Korrekturen bedarf. Es bleibt aus unserer Sicht auch hinter den Eckpunkten der Bund-Län der-Arbeitsgruppe zurück; das ist richtig.
An dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Die permanente Kritik, dass die Ministerin nicht in der Arbeitsgruppe vertre ten ist, geht doch völlig in die falsche Richtung. Darum geht es doch nicht. Gesetze werden nicht in Arbeitsgruppen ge macht, sondern im Bundestag unter Beteiligung des Bundes rats. Da ist unsere Ministerin aktiv geworden, und zwar schon letztes Jahr. Denn sie war es, die die geplante Übergangsre gelung zum Versorgungszuschlag gestoppt hat. Dieser wäre sonst nämlich schon viel früher weggefallen. Dass dies nicht geschehen ist, war ihr zu verdanken.
Unsere Ministerin war es, die die Anträge zu dem Gesetzent wurf in den Bundesrat eingebracht hat, und zwar mit Erfolg – zumindest zum größten Teil.
Richtig ist, dass eine Reform, die uns in Baden-Württemberg mit unserer sehr gut aufgestellten Krankenhauslandschaft un term Strich ein Minus von 60 Millionen € oder, umgerechnet in Pflegekräften, den Wegfall von 1 000 Stellen beschert, kein gutes Gesetz bzw. noch kein gutes Gesetz ist. Das gilt auch – das sage ich dazu –, wenn perspektivisch eine verbesserte Fi nanzierung über die Qualitätszuschläge zugesagt wird, für die es aber derzeit noch keine Kriterien gibt; diese sind noch nicht vereinbart und auch vom Bundesgesundheitsminister noch nicht durchgerechnet worden. Wenn mit dieser Versprechung für die Zukunft eine Kürzung für die Gegenwart einhergeht, dann muss einfach noch nachgebessert werden. Deshalb ist es gut, dass unsere Ministerin die entsprechenden Änderungsan träge in den Bundesrat eingebracht hat. Wir unterstützen die se Forderungen nachdrücklich.
So ist es u. a. auch gelungen, dass die Mehrheit der Länder bereits im Gesundheitsausschuss des Bundesrats die im Ent wurf des Krankenhausstrukturgesetzes geplante Form von Se lektivverträgen ablehnt. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Selektivverträge, aber die Länder müssen an dieser Stelle ein Mitbestimmungsrecht haben; es muss verhindert werden, dass solche Verträge zu einer Rosinenpickerei führen. Es ist auch gut, dass der Antrag zum geforderten Wegfall des Versor gungszuschlags eine Mehrheit gefunden hat und der Versor gungszuschlag in den Landesbasisfallwert zu überführen ist. Auch das ist ein wichtiger Punkt, an dem das Gesetz noch ein mal nachjustiert werden muss.
Das Gesetz ist aber nicht insgesamt schlecht. Es gibt durch aus auch positive Elemente, und darauf ist auch an dieser Stel le hinzuweisen. Wir unterstützen ausdrücklich den geplanten Strukturfonds, mit dem Umstrukturierungsprozesse in der Krankenhausversorgung mit 500 Millionen € gefördert wer den sollen; eine Kofinanzierung in gleicher Höhe durch die Länder wird gefordert. Wir sind bereit, diese Kofinanzierungs mittel zur Verfügung zu stellen; allerdings muss der Struktur fonds auch für längerfristige Umstrukturierungsprozesse nutz bar sein.
Wir unterstützen auch das Pflegestellenförderprogramm mit 7 000 neuen Pflegekräften am Bett. Das ist die richtige Rich tung, aber es reicht nicht aus, Herr Haußmann. Insofern be grüßen wir es, dass die SPD, allen voran auch unsere gesund heitspolitische Sprecherin Hilde Mattheis, eine Verdopplung dieses Programms gefordert hat. Das ist die richtige Richtung, aber ich sage auch dazu: Es reicht noch nicht aus, um den Wegfall des Versorgungszuschlags zu kompensieren. Insofern muss noch nachgebessert werden. Wir müssen schauen, dass Baden-Württemberg mit seiner gut aufgestellten Kranken hauslandschaft nicht zu kurz kommt, und dafür sollten wir ge meinsam eintreten.
Ich schaue jetzt noch einmal nach rechts: Herr Teufel, der Bundesgesundheitsminister hat Ihr Parteibuch, und Sie haben ja aus Baden-Württemberg auch eine Staatssekretärin an der richtigen Stelle sitzen. Insofern: Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, dass hier noch einmal Nachbesserungen stattfinden. Dann sind wir auf einem guten Weg.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Für das Gelingen der Inklusion von Menschen mit einer Behinderung sehe ich drei wesentliche Handlungsfelder, die es in den Blickpunkt der Landespolitik zu nehmen gilt. Das ist zum Ersten die Inklusion in der Bil dung auf allen Ebenen, zum Zweiten die Inklusion im Bereich des Wohnens und zum Dritten die Inklusion in der Arbeits welt.
Bei der Entwicklung und Ausgestaltung einer inklusiven Ar beitswelt hat das Land als größter Arbeitgeber im Land sicher Vorbildcharakter. Dies gilt selbstverständlich auch für den Be reich der Innenverwaltung, für den Bereich der Polizei mit ih rem nach der Lehrerschaft und der Wissenschaft drittgrößten Personalkörper unter den Landesbediensteten.
Mehr als 1 400 Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung oder gleichgestellte Personen leisten bei der Polizei ihren Dienst. Da gilt es zunächst festzuhalten: Sowohl im gesam ten Bereich der Innenverwaltung mit 6 % als auch im Bereich der Polizei im engeren Sinn mit über 5 % wurde in den Jah ren 2013 und 2014 die gesetzliche Schwerbehindertenquote erreicht. Das ist positiv.
Sicher ist eine behinderungsgerechte Ausgestaltung von Ar beitsplätzen im Polizeivollzugsdienst mit besonderen Anfor derungen verbunden. Im Einsatzbereich gibt es mitunter auch Grenzen, beispielsweise im Hinblick auf das Erfordernis größt möglicher körperlicher Leistungsfähigkeit. Aber auch hier gibt es immer wieder Ausnahmen, die zeigen, dass eine Behinde rung der uneingeschränkten Polizeidienstfähigkeit nicht im Weg steht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht erinnern Sie sich an das Beispiel, das durch die Presse ging: Ein aufgrund ei ner Unterschenkelamputation behinderter Polizist bekam den noch eine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit beschei nigt. Dies sind positive Beispiele, die es auch immer wieder zu würdigen und in der Öffentlichkeit vorzustellen gilt.
Zudem gibt es eine ganze Menge von polizeilichen Hand lungsfeldern, wo durch Kopfarbeit physische Einschränkun gen hervorragend kompensiert werden können. Ich denke z. B. an den gesamten Bereich der Bekämpfung der Cyberkrimina lität, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hier können ei ne Vielzahl von Expertinnen und Experten beschäftigt wer den, die nicht dem Polizeivollzugsdienst angehören. Für die Einstellung in den Landesdienst ist daher in diesem Fall auch nicht den gesundheitlichen Anforderungen der Polizeidienst vorschrift 300 vollumfänglich Rechnung zu tragen.
Wir möchten die Stellungnahme der Landesregierung zum Anlass nehmen, alle Verantwortlichen in der Polizei zu ermun tern, mit gutem Willen, mit Kreativität und mit Verantwor tungsbewusstsein dafür Sorge zu tragen, dass auch weiterhin Menschen mit einer Behinderung im Polizeidienst eine geeig nete Verwendung finden und die Einsatzmöglichkeiten weiter ausgebaut werden.
Dazu gehört für uns auch die Bereitstellung einer geeigneten Infrastruktur. Das fängt bei den Hilfsmitteln an und geht bis hin zur Barrierefreiheit von Dienststellen und IT-Anwendun gen. Wir bitten darum, dass dort, wo saniert, umgebaut oder neu gebaut wird oder wo neue Software zum Einsatz kommt, immer auch dem Aspekt der Barrierefreiheit in hohem Maß Rechnung getragen wird.
Gerade im Kontext der erforderlichen Baumaßnahmen im Zu sammenhang mit der Polizeistrukturreform bieten sich gute Möglichkeiten, in Sachen Barrierefreiheit weitere Schritte vo ranzukommen.
Im Übrigen dürfen wir an dieser Stelle dankend feststellen, dass bei der Umsetzung der Polizeistrukturreform durch das vorbildliche Interessenbekundungsverfahren den Belangen von schwerbehinderten Bediensteten in hohem Umfang Rech nung getragen wurde. Uns sind mit Blick auf Polizistinnen und Polizisten sowie auf die weiteren Polizeibeschäftigten, die mit einem Handicap leben müssen, keine besonderen Här ten bekannt geworden. Auch vonseiten der Hauptschwerbe
hindertenvertretung, die eng in die Projektarbeit zur sozial verträglichen Umsetzung der Polizeireform eingebunden war, sind uns keinerlei Klagen bekannt.
Deshalb möchte ich für die SPD-Fraktion abschließend unse rem Innenminister und der Polizeiführung für die Berücksich tigung der besonderen Belange der schwerbehinderten Be schäftigten in der Polizei und ganz speziell der schwerbehin derten Polizistinnen und Polizisten danken.
Ganz herzlich danken wir auch allen Schwerbehindertenver treterinnen und -vertretern, die sich mit großem Engagement für die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Wir wünschen uns, dass diese mit ihrem professionellen Ein satz dazu beitragen werden, dass in den Dienststellen und Ein richtungen der Polizei die Beschäftigungsquote von Schwer behinderten auch in den kommenden Jahren erfüllt und viel leicht sogar noch etwas gesteigert werden kann.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! So vielfältig wie unser Land ist auch die Präventionsarbeit in Baden-Württemberg. Das wird durch diesen guten Antrag der Fraktion GRÜNE und durch die gu te Stellungnahme der Landesregierung sehr deutlich.
Die Prinzipien der Subsidiarität und der Trägerpluralität spie geln sich in der Präventionsarbeit in besonderer Weise wider. Allein im Bereich der Kriminalprävention zählen wir 200 he rausragende Projekte.
Präventionsarbeit unterliegt – das muss sie auch – einem stän digen Wandel. Sie muss sich auf die gesellschaftlichen Ent wicklungen einstellen, so z. B. auf den demografischen Wan del. Das heißt, die Präventionsangebote müssen auch alters gerecht entwickelt werden.
Keine Frage, Präventionsarbeit muss sich vernetzen. Es geht um eine zielgruppenspezifische Vernetzung, z. B. Präventi onsarbeit an Schulen oder Verkehrsprävention für Seniorin nen und Senioren. Es braucht eine gute Kooperation zwischen den Ministerien und Fachressorts, und es braucht vor allem eine Vernetzung der Akteure vor Ort, z. B. in Form von kom munalen Gesundheitskonferenzen oder Suchthilfenetzwerken. Beispielhaft kann auch der fachübergreifende Austausch und die Vernetzung verschiedener Ebenen im Bereich der kom munalen Kriminalprävention genannt werden.
Zum heute diskutierten Antrag der Fraktion GRÜNE wurde mit Schreiben vom 9. Mai 2014 Stellung genommen. Es ist richtig, Herr Kollege Throm, dass dies nun genau ein Jahr her ist. Dies liegt aber nicht an fehlendem Interesse und Engage ment der Fraktionen,
sondern schlicht und ergreifend an der Tagesordnungsregie hier im Landtag. Diese kennen Sie ja auch.
Zum Thema Landespräventionsrat wurde damals ausgeführt, dass man sich noch in einer ergebnisoffenen Prüfung befinde. Vor- und Nachteile wurden dargestellt. Als Vorteile werden Ressourcenbündelung, einheitliche Beratung der Landesre gierung und Verhinderung paralleler Aktivitäten genannt. Als
Nachteil wird eine mögliche Abnahme der fachlichen Spezi alisierung in den Fachministerien angeführt, die einem ra schen Handeln und Einschreiten bei neuen Entwicklungen ent gegenstehen könnte.
Mittlerweile können wir aber auch von neuen Entwicklungen berichten. So nenne ich z. B. das mit dem Nachtragshaushalt verabschiedete Sonderprogramm für den Kampf gegen den islamistischen Terror, für das im Innenministerium ein Kom petenzzentrum aufgebaut wird. Ziel ist eine zentrale Koordi nierungsstelle zum Aufbau eines Präventionsnetzwerks gegen islamistischen Extremismus. Damit bündelt das Innenminis terium verschiedene Präventionszuständigkeiten. Zumindest in diesem Bereich wird man bald auf Erfahrungswerte einer Zentralisierung zurückgreifen können.
Diese sollten Grundlage sein, um zu bewerten, inwiefern ei ne weitere Bündelung aller Präventionsbemühungen des Lan des sinnvoll gelingen kann. Deshalb schlagen wir vor, diese Erfahrungen abzuwarten, um dann neben den Regelungen und Erfahrungen aus anderen Ländern eine zusätzliche Basis für weitere Maßnahmen der Zentralisierung zu finden und letzt lich auch über die Einrichtung eines Landespräventionsrats zu entscheiden.
Selbstverständlich gibt es wichtige Schnittstellen zwischen Gewaltprävention und gesundheitlicher Prävention, etwa wenn es um Alkohol oder andere Drogen geht, die Hemmungen re duzieren. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich verschiedene Akteure in der Prävention vernetzen. Das bedeutendste Bei spiel aus Sicht der Landespolitik ist vielleicht die Suchtprä vention an Schulen. Hier handeln Polizei, Sozialarbeit und Medizin gemeinsam, z. B. in den Projektwochen zum Schul jahresende.
Zudem geht es ganz besonders bei Kindern darum, sie vor Ge walt und Unfällen zu schützen. Auch hier leistet die Polizei in Kooperation mit Kindertagesstätten und Schulen durch Auf klärung und Lernprojekte eine sehr wichtige Arbeit.
Bei der sonstigen rein gesundheitlich orientierten Prävention und der Gesundheitsförderung sehe ich auch keine so große Notwendigkeit für eine Verknüpfung mit der Präventionsar beit der Polizei. Aber auch bei der gesundheitlichen Präven tion sind wir im letzten Jahr ein gutes Stück vorangekommen. Deshalb möchte ich abschließend noch drei Punkte hervorhe ben:
Erstens haben wir beim Gesundheitsleitbild Baden-Württem berg gemeinsam mit anderen Akteuren neben medizinischer Versorgung und Pflege Gesundheitsförderung und Prävention als eines der drei Handlungsfelder identifiziert und dazu wich tige Leitsätze formuliert. Zweitens verweise ich auf das Bünd nis für Arbeit und Gesundheit in Baden-Württemberg, das un sere Ministerin Katrin Altpeter im Rahmen des Gesundheits dialogs initiiert und mit den Sozialpartnern vereinbart hat. Drittens und letztens nenne ich mit Blick auf die Bundesebe ne das derzeit im Bundestag diskutierte Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Das ist uns So zialdemokraten besonders wichtig. Wir haben begründete Hoffnung, dass nach mehreren Anläufen nun auch dieses Ge setz verabschiedet wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Die Verbin dung von Arbeit und Gesundheit ist für uns Sozialdemokra ten ein wichtiger Baustein des Konzepts „Gute Arbeit“. Ge sundheit ist nicht nur wichtig für die Zufriedenheit, sondern auch Voraussetzung dafür, lange und erfolgreich im Beruf zu stehen. Wir wissen aber auch, dass sich Arbeitsbelastungen verändern und Beschäftigte wie auch Arbeitgeber vor neuen Herausforderungen stehen. Ich erwähne nur die enormen psy chischen Belastungen und Erkrankungen sowie die damit ver bundene Zunahme von Fehlzeiten.
Heute Morgen konnte ich in der „Heilbronner Stimme“ lesen, dass eine aktuelle Untersuchung der DAK besagt, dass rund 100 000 Menschen in Baden-Württemberg im erwerbsfähi gen Alter verschreibungspflichtige Medikamente einnehmen, um Stress und Leistungsdruck zu bekämpfen. Das entspricht einer Quote von 2 % aller Erwerbstätigen. Der DAK-Landes vorsitzende Markus Saur spricht von einem Alarmsignal.
Deshalb halten wir es für einen wichtigen Meilenstein, dass es unserer Sozialministerin gelungen ist, bedeutende Akteure auf diesem Feld in einem Bündnis für Arbeit und Gesundheit in Baden-Württemberg zusammenzubringen. Der Text der Er klärung wurde vor Kurzem unterzeichnet und veröffentlicht. Dazu habe ich folgende Fragen:
Wie können Erfahrungen mit verstärktem Gesundheitsschutz und Prävention, die in großen Betrieben bereits gesammelt wurden und die sehr vielfältig sind, an kleine und mittlere Un ternehmen weitergegeben werden? Welche Aufnahmebereit schaft sehen Sie dafür? Welche Rolle kann dabei die Landes regierung spielen?
Eine zweite Frage: Frau Ministerin, in welchen Bereichen sind Ihres Erachtens sozialgesetzbuchübergreifende Lösungen sinn voll, um den Gesundheitsschutz zu stärken? Wie kann dabei
das Sozialministerium die zugesagte Moderatorenrolle ein nehmen?
Vielen Dank.
Frau Ministerin, wir können uns des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass das, was 2009 von der damaligen Landesregierung als richtig erachtet wurde, von der heutigen Opposition sehr kritisch hinterfragt wird. Inso fern möchte ich anknüpfend an die Frage des Kollegen Lucha fragen: Liegen denn 2015 wesentlich andere Erkenntnisse vor als die Erkenntnisse, die es bereits im Jahr 2009 gab?
Ich habe noch eine zweite Frage. Es ist in der Tat richtig, dass viele Träger in Fragen der Umsetzung der Landesheimbau verordnung an uns Abgeordnete herantreten. Wie war denn der Prozess der Erarbeitung der ermessenslenkenden Richtli nien? Wer war dabei, und wie ist das gelaufen?
Vielen Dank. – Frau Präsiden tin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Krankenhäuser in unserem Land bilden eine der wichtigsten Säulen der Ge sundheitsversorgung der Menschen in Baden-Württemberg. Sie sind uns lieb und natürlich auch teuer. Das sieht man auch, wenn man einen Blick auf die Krankenkassen wirft, die die Betriebskosten finanzieren: 36 % der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen werden für die Leistungen der Krankenhäuser ausgegeben.
Aber die Finanzierung der Krankenhäuser braucht neben der Betriebskostenförderung als zweite wichtige Säule auch die Investitionskostenförderung, die, neben der anderen wichti gen Aufgabe der Krankenhausplanung, Aufgabe des Landes ist und in dessen Verantwortung liegt.
Herr Kollege Teufel, diese Verantwortung sehen wir durch die Vorgängerregierung über Jahre hinweg vernachlässigt. Sie ha ben gesagt, die CDU stehe zur dualen Finanzierung. Richtig; diese stand nie infrage. Aber in Ihren Haushaltsbeschlüssen haben Sie diese Verantwortung doch sehr vernachlässigt. Über lange Jahre hinweg haben sich die Vertreter der Krankenhäu ser, die Träger, aber auch die Baden-Württembergische Kran kenhausgesellschaft sowie die Beschäftigten massiv darüber beschwert, dass das Land an dieser Stelle seinen Verpflichtun gen nicht nachkommt.
So hat schließlich bei Regierungsübernahme ein Investitions stau von über 1 Milliarde € vorgelegen; so jedenfalls die Be rechnungen der Träger.
Deshalb hat sich die grün-rote Koalition eindeutig zu ihrer Verantwortung für die duale Finanzierung bekannt. Wir ha ben Wort gehalten.
Bevor ich auf die finanzielle Seite eingehe, will ich aber noch ein paar Inhalte ansprechen. Sie haben es gesagt – sowohl Kollegin Mielich als auch Sie, Herr Kollege Teufel –: Die Krankenhauslandschaft steht in einem unübersehbaren Wan del. Der medizinische Fortschritt verändert die klinischen Strukturen, führt zu vermehrten ambulanten Behandlungs möglichkeiten und auch zu kürzeren Liegezeiten. Vor allem die letzten beiden Punkte – kürzere Liegezeiten und ambulan te Behandlungsmöglichkeiten – führen letztendlich auch da zu, dass ein Teil der Klinikbetten und der Behandlungseinhei ten nicht mehr benötigt wird.
Demografische Veränderungen und der Ausbau der Pflegever sicherungen spielen dabei auch eine Rolle, kommen oben drauf. Insofern macht es aus unserer Sicht wirklich keinen Sinn, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts verfestigten und gewachsenen Krankenhaus strukturen lediglich auf Dauer fortzuführen.
Sicher, wir brauchen eine wohnortnahe Grundversorgung – dies stellen wir nicht infrage –, aber wir brauchen auch Schwerpunkte, wir brauchen Verbünde, und wir brauchen Konzentrationen in der Krankenhauslandschaft. Alle Exper ten sind sich einig – dem stimmen wir zu –: Es macht keinen
Sinn mehr, an der starren Trennung von ambulantem und sta tionärem Sektor festzuhalten. Genau in diese Richtung geht auch das von Kollegin Mielich angesprochene Modellvorha ben, mit dem wir einfach einmal eine integrative Versorgungs struktur erproben wollen und dafür auch die Mittel bereitstel len.
Die anstehenden und zum Teil längst überfälligen Verände rungen dürfen wir aber nicht durch das Fehlen von Investiti onsmitteln blockieren. Deshalb ist es richtig, dass wir den In vestitionsstau auflösen. Das sieht man sehr deutlich, wenn man sich die Zahlen anschaut.
Wir haben im Jahr 2011 bei Gesamtmitteln in Höhe von 337 Millionen € angefangen; in diesem Jahr sind wir bei 440 Mil lionen €, und im nächsten Jahr werden es 455 Millionen € in der Krankenhausfinanzierung sein.
Von Beginn an hat die Regierungskoalition massiv aufge stockt. Nur so lässt sich der Investitionsstau abbauen und ei ne exzellente Gesundheitsversorgung im Land sicherstellen.
Sicher: Das ist noch keine Verdopplung, aber zwischen der Ansage im Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag einer seits und den tatsächlichen Ausgaben, die wir immerhin um 35 % gesteigert haben, andererseits gab es noch einen Kas sensturz mit bekanntem Ergebnis. Es gäbe noch mehr zu tun, aber wir haben dieses Thema beherzt angepackt und die Situ ation deutlich verbessert.
Vielleicht noch ein paar Worte zum Thema „Arbeit und Er gebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe“: Wir begrüßen die erarbeiteten Eckpunkte dem Grundsatz nach. Das ist auch aus unserer Sicht nicht der große Wurf, aber es werden Weichen in die richtige Richtung gestellt. Das Thema Pflegestellenför derprogramm wurde schon genannt. Man kann es als unzurei chend bezeichnen, aber es ist ein erster Schritt. Es können im merhin 7 000 neue Pflegekräfte „am Bett“ eingestellt werden. Auch die Qualität wird eine zunehmende Bedeutung bekom men. Wichtig für uns und auch für die ländlichen Regionen sind die Sicherstellungszuschläge für die Grundversorgung, Zuschläge für die Notfallversorgung, nicht zuletzt aber auch der Strukturfonds für anstehende Umstrukturierungen in der Krankenhauslandschaft im Umfang von immerhin 1 Milliar de €.
Allerdings: Das Problem der strukturellen Unterfinanzierung der Betriebskosten muss noch deutlich beherzter angegangen werden. Wir teilen die entsprechenden Forderungen von Land kreistag und ver.di, die auf dem Kongress geäußert wurden. Wir sehen auch das hohe Engagement der in der Pflege Be schäftigten und danken an dieser Stelle für diesen wichtigen Einsatz.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann gesagt werden: Unsere Sozialministerin hat im Bereich „Zukunftssi cherung unserer Krankenhäuser“ ihre Hausaufgaben gemacht, und zwar gut gemacht. Dafür danken wir. Ich erinnere an die ser Stelle auch noch einmal daran, dass es ganz maßgeblich ihrem Einsatz zu verdanken war, dass Ende des vergangenen
Jahres die Reform des Versorgungszuschlags so geändert wur de, dass die drohenden Millioneneinbußen bei den baden-würt tembergischen Krankenhäusern abgewendet werden konnten, was sozusagen in letzter Minute gelang. Auch dafür ein herz liches Dankeschön.
Wir werden die Krankenhausplanung und die Krankenhaus finanzierung im Sinne der Menschen, der Patienten, in BadenWürttemberg beherzt weiter fortsetzen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zum Abschluss des Plenarjahrs liegen uns zwei Gesetzesvorhaben aus dem Sozialministerium vor, die eine breite Zustimmung erfahren. Das freut uns und ist gut so.
Der vorliegende Staatsvertrag über die gemeinsame Einrich tung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bei der Landesärztekammer orientiert sich sehr eng an der Ver ordnung der Bundesregierung zur Regelung der Präimplanta tionsdiagnostik. Das erachte ich als richtig.
Wir haben in zwei Beratungsdurchgängen im Sozialausschuss die Inhalte bewertet, Rückfragen an die Landesregierung ge stellt und empfehlen Ihnen daraufhin einvernehmlich die Zu stimmung zu dem vorliegenden Gesetz.
Selbstverständlich können Betroffene, denen durch die Ethik kommission die Zustimmung zur Durchführung einer Maß nahme der PID nicht erteilt wird, auch zukünftig den Rechts
weg beschreiten. Ebenso muss die Ethikkommission bei ei ner Bewertung in der Beschlussfassung das geltende Recht beachten, sonst wäre die Beschlussfassung ungültig. Aber wenn die Ethikkommission, wie sie von der Landesregierung vorgeschlagen wurde, eine ethisch begründete und rechtlich nicht zu beanstandende positive Entscheidung trifft, dann soll te sich auch niemand aus der Politik als Oberrichter auffüh ren und diese Entscheidung korrigieren.
Genau aus diesem Grund tragen nun die Landesregierungen bei der Auswahl der Mitglieder dieser Ethikkommission eine herausgehobene Verantwortung. Ich denke, die Zusammen setzung weist darauf hin, dass diese Verantwortung auch sehr ernst genommen wird. Der Bundesgesetzgeber hat die Ent scheidung getroffen, die PID unter sehr spezifischen Ausnah meregelungen und wirklich nur im Einzelfall zuzulassen. Des halb sollten die Kommissionsmitglieder auch die Offenheit mitbringen, die PID in einem spezifischen Einzelfall abzuleh nen und in einem anderen spezifischen Einzelfall zuzulassen. Das ist eine schwierige Entscheidung, aber die Zusammenset zung dieser Kommission macht uns sehr zuversichtlich, dass das gelingen kann und gelingen wird.
Ich danke unserer Sozialministerin und ihren Mitarbeitenden für ihre Verhandlungen mit den beteiligten Partnern, ganz be sonders auch der Landesärztekammer Baden-Württemberg und speziell ihrem Präsidenten Dr. Clever für die Bereitschaft und das dazugehörende Engagement, diese Ethikkommission unter ihr Dach zu nehmen. Ich weiß, dass diese Entscheidung nicht selbstverständlich war.
Schließlich noch zur heutigen Abstimmung: Ich weiß und kann es auch gut verstehen, dass es nicht nur den Abgeordne ten, die Ende Juli bei der Debatte über die Information zum Staatsvertragsentwurf persönliche Erklärungen abgegeben ha ben, schwerfällt, dem Gesetz über den Staatsvertrag zuzustim men. Aber wir stimmen heute nicht über die ethischen Grund satzfragen ab. Das war Aufgabe des Bundestags unter Betei ligung des Bundesrats. Im Bundestag votierten von 594 teil nehmenden Parlamentariern bei der Schlussabstimmung 260 Parlamentarier aus allen Fraktionen gegen das Gesetz, aber die Mehrheit mit 326 Abgeordneten – auch aus allen Fraktio nen – hat zugestimmt.
Deshalb entscheiden wir heute einzig und allein darüber, ob das Bundesrecht durch die Inhalte des uns vorliegenden Staats vertrags korrekt und verantwortungsvoll umgesetzt wird. Die se Frage haben wir in den Ausschussberatungen intensiv ge prüft und bejaht. Deshalb bitten wir um Zustimmung zum vor liegenden Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Nicht erst in den Abspann will ich den Dank stellen. Das tue ich jetzt sicher auch im Namen meines Kollegen Manfred Lucha: Namens der SPD-Fraktion und der Grünen danke ich unserer Ministerin Katrin Altpeter und al len Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ihrem Haus. Die Frauen und Männer im Ministerium haben im vergangenen Jahr ein enormes Arbeitspensum bewältigt.
Der grün-rote Koalitionsvertrag wird konsequent zum Wohl der Menschen in unserem Land abgearbeitet. Gemeinsam sind wir gut unterwegs, um die sozialen Herausforderungen zu meistern.