Protokoll der Sitzung vom 15.03.2012

Meine Damen und Herren! Ich eröff ne die 31. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.

Krankgemeldet sind Frau Kollegin Heberer, Herr Kollege Le de Abal und Herr Kollege Schwehr.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt hat sich Herr Minis ter Gall ab 12:45 Uhr.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des In nenministeriums – Geplante Polizeireform – Drucksache 15/1188

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Kollegen Blenke.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jawohl, guter Mann! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Guter Mann!)

Guten Morgen, Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die CDU beantragt heute, dass die Landesregierung vor Eintritt in Gesetzgebungs- und Vorbereitungsmaßnahmen in Sachen Polizeireform die Eva luierungsergebnisse der bayerischen Polizeireform, die Ende dieses Jahres vorliegen werden, abwartet.

Ich finde, dieses Ansinnen liegt auf der Hand. Wer eine so grundlegende Reform angeht, wie Sie es vorhaben, sollte gründlich vorbereitet sein und die Risiken, die ein solches Mammutprojekt birgt, bestmöglich abschätzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Daran fehlt es bislang. Darüber kann man zurzeit täglich in den Zeitungen lesen.

Warum der Blick nach Bayern? Bayern hat eine ähnlich um fassende Strukturreform hinter sich. Dort wurde sie im Jahr 2004 angestoßen und nach vierjährigen Vorbereitungen und einem Probelauf Ende 2009 landesweit umgesetzt.

Sie lehnen unseren Antrag in der schriftlichen Stellungnahme mit der Begründung ab, Bayern sei mit Baden-Württemberg nicht vergleichbar. Der Flächenvergleich zeige, dass sich, wür de man das Modell übertragen, bei uns nur fünf statt zwölf re

gionale Präsidien ergeben würden. Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein. Da machen Sie es sich etwas zu einfach.

Schauen Sie sich doch einmal Folgendes an: Die Bayern hat ten das Ziel einer massiven Straffung der Aufbauorganisation durch Wegfall einer Führungsebene. Sie, Herr Minister, ha ben das Ziel der Verschmelzung zweier Ebenen, also genau das Gleiche. In Bayern war ein Synergiegewinn von 600 Stel len angedacht, in Baden-Württemberg geht es um einen Syn ergiegewinn von 650 Stellen im Vollzug und 240 Stellen in der Verwaltung – also vergleichbar. In Bayern war die Stär kung der Basisarbeit angedacht; hier ist es genauso. In Bay ern war die Reduzierung der Einsatzzentralen angedacht oder ist vollzogen; das ist auch Ihr Ziel. In Bayern ist ein flächen deckender Kriminaldauerdienst eingerichtet; auch von Ihnen wird dies so vorgesehen. So geht es weiter.

Natürlich unterscheidet sich Ihre Reform in Detail von der in Bayern, aber der Grundgedanke ist der gleiche. Da liegt es doch auf der Hand, einmal bei den Nachbarn nachzufragen, welche Erfahrungen sie gemacht haben, vor allem dann, wenn man sich selbst – meines Erachtens völlig unnötig – unter solch einen Zeitdruck setzt, wie Sie dies getan haben.

Herr Minister, Sie haben Ende September 2011 den Projekt auftrag erteilt; das Projekt hatte den Auftrag, Ende des Jahres 2011 Ergebnisse vorzulegen. Mit Ach und Krach hat das die Projektgruppe dann Ende Januar 2012 geschafft.

Ein Projekt, für das unsere Nachbarn über Jahre Zeit für eine gründliche Vorbereitung hatten, haben Sie in knapp vier Mo naten durchgepeitscht. Sie sagen lapidar: „Aber unsere Pro jektgruppe war einmal in Bayern. Sie hat sich beim Polizei präsidium Unterfranken über die bayerische Polizeireform in formiert.“

Warum diese Eile, warum dieser Druck? Warum weigern Sie sich, Erfahrungen unserer Nachbarn anzunehmen? Erste Er fahrungen in Bayern gibt es. Der Bayerische Oberste Rech nungshof hat festgestellt: Der erwartete Synergieeffekt ist so nicht eingetreten, der Abbau von Verwaltungsaufwand ist so nicht belegbar, und die Umsetzung der Reform kostet unheim lich viel Geld,

(Abg. Walter Heiler SPD: Was?)

nämlich einen Millionenbetrag im unteren dreistelligen Be reich.

Sie sagen, die Situation in Bayern sei nicht mit der in BadenWürttemberg vergleichbar. Bayern habe, obwohl dieses Land viel größer ist als Baden-Württemberg, nur zehn regionale Präsidien, während Sie zwölf regionale Präsidien planten.

Sie wehren Wünsche aus den eigenen Reihen – Wünsche, die übrigens zunehmend geäußert werden – nach mehr Präsidien mit der Begründung ab, mit jedem zusätzlichen Präsidium re duziere sich der Präsenzgewinn um 70 Stellen. In Bayern da gegen ist laut den Feststellungen des dortigen Rechnungshofs trotz einer noch geringeren Zahl von Präsidien gar kein Prä senzgewinn nachweisbar.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Herr Minister, Sie behaupten, 900 Stellen würden für Präsenz frei. Davon sind 240 Verwaltungskräfte: Diese fahren nicht Streife. 330 Kriminalbeamte: Diese fahren auch nicht Streife. Sie ziehen sie vor Ort ab und zentralisieren sie. Es bleiben ge rade einmal 330 Schutzpolizisten. Woher kommen diese? Vor allem: Wann stehen sie zur Verfügung, um in die Fläche ver teilt zu werden?

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist die Frage! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Für eine zusätzliche Streife rund um die Uhr, wie Sie es er warten, brauchten Sie landesweit rund 2 000 Stellen.

Warum warten Sie die Ergebnisse der Evaluation in Bayern nicht ab? Es schreit doch geradezu über den Zaun der Nach barn: „Schau mich an.“ Was tun Sie? Sie schauen weg.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Das ist in diesem Fall verantwortungslos, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wir schau en genau hin!)

Sie schauen weg, obwohl Kosten in Millionenhöhe im Raum stehen. In Ihrem Papier heißt es zu den Kosten – ich zitiere –:

Verlässliche Berechnungen oder zumindest näherungs weise Schätzungen für notwendige Investitionen wie Ein sparungen sind... erst im Rahmen einer Präzisierung der konkreten organisatorischen Umsetzung möglich.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das ist doch logisch!)

Wissen Sie, was das auf Deutsch heißt? Es ist so, wie wenn ein schwäbischer Häuslebauer seinen Architekten fragt: „Was kostet das Ganze?“, und der Architekt dann sagt: „Jetzt fan gen wir erst einmal an zu bauen, und dann sage ich dir nach und nach, was das Ganze nach meiner Schätzung am Ende kostet.“

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das kommt mir ir gendwie bekannt vor!)

So gehen Sie vor.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Ingo Rust SPD)

Meine Damen und Herren, man muss kein schwäbischer Häuslebauer sein, um zu wissen: So funktioniert das nicht.

Was sagt eigentlich der Finanz- und Wirtschaftsminister zu diesem finanziellen Vabanquespiel?

(Abg. Tanja Gönner CDU: Er ist mal wieder nicht da!)

Zig Millionen Euro Risiko für eine Reform, deren Kosten nicht einmal annähernd abschätzbar sind und deren Nutzen nicht einmal ansatzweise belegt ist.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Deshalb unser Angebot, Herr Minister: Bei unseren Nachbarn in Bayern findet derzeit eine externe Evaluation der dortigen Reform statt. Unter den externen Experten ist auch der Präsi dent unseres Landeskriminalamts, der vermutlich von uns al len sehr geschätzte Präsident Schneider. Also: Wovor haben Sie Angst? Warum warten wir nicht ab?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir haben keine Angst! Wir sind nicht in Bayern, sondern in Baden- Württemberg!)

Gehen Sie nicht mit dem Kopf durch die Wand, Herr Minis ter. Wir sind bereit, mit Ihnen vernünftige Reformen mit Au genmaß durchzuführen.

(Beifall bei der CDU)

Hören Sie doch die mahnenden Stimmen aus Ihren eigenen Reihen. Beschränken Sie sich nicht nur auf den Landesvor stand der GdP Baden-Württemberg, der in Treue Seit an Seit zu Ihnen steht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft im Deut schen Beamtenbund äußert sich mahnend über Risiken der Reform. Es gibt auf örtlicher Ebene auch Bündnisse aller Ge werkschaften, die sagen: So geht es nicht.

Die SPD im Kreis Tuttlingen – so lesen wir – will eine Kor rektur der Reform. SPD-Kommunalpolitiker setzen zuneh mend Fragezeichen. Ich lese, der Waldshuter SPD-Abgeord nete sagt, allenfalls eine Fusion der Polizeidirektionen Waldshut und Lörrach sei denkbar, aber kein regionales Präsidium.