Aktuelle Debatte – Landschaft und Lebensmittel ohne Gentechnik – Chance für Mensch und Natur – beantragt von der Fraktion GRÜNE
Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten festgelegt. Für die einleitenden Erklärun gen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich bitte auch die Landesregierung, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Mit Blick auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung wäre es schön, wenn die Aktuelle Debatte in freier Rede geführt wür de.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kolleginnen und Kollegen! Was für ein schöner Tag! Heute wird unser Minister für Ländlichen Raum und Ver braucherschutz den Beitritt des Landes Baden-Württemberg zum Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen un terzeichnen.
Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis den Präsiden ten des Landtags von Baden-Württemberg, Herrn Guido Wolf: „Was für ein schöner Donnerstag!“
(Abg. Andreas Stoch SPD: Sonst zitieren wir meist Goethe! – Ein Telefon klingelt. – Heiterkeit – Zuru fe, u. a. Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Te lefon! – Zuruf: Herr Gauck ruft an!)
Die heutige Unterzeichnung ist für uns von der Fraktion GRÜ NE und für die Fraktion der SPD Anlass für eine wahrhaft ak tuelle Debatte.
Der Beitritt Baden-Württembergs zu diesem Netzwerk hat ei nen hohen Symbolwert. Aber über diesen Symbolwert hinaus ist er Ausdruck unseres politischen Willens, unsere Landschaft und die Lebensmittelproduktion in Baden-Württemberg gen technikfrei zu halten und weiterzuentwickeln.
Wir wissen uns dabei in einem breiten gesellschaftlichen Kon sens. Die grüne Landtagsfraktion sowie die Kolleginnen und Kollegen von der SPD stehen für Transparenz und Regiona lität. Wir stehen für Innovation und Tradition, und wir stehen für gesunde Lebensmittel und gentechnikfreie Landwirtschaft.
Wenn es Kollegen bei der CDU gibt, die dies unterstützen, dann freut mich das ganz ausdrücklich. Wir können also alles – auch ohne Gentechnik.
Wir stehen darüber hinaus für ein zentrales Prinzip der Poli tik: Wir stehen für das Vorsorgeprinzip. Eine Vielzahl von Stu dien – auch von aktuellen – legt immer wieder nahe, dass die Langzeitfolgen hinsichtlich der Ernährung auch für uns Men schen ungewiss sind. Es ist ohnehin klar, dass die Koexistenz eine Schimäre darstellt, genauso wie die Aussage, mit dem Einsatz von Gentechnik auf dem Acker würde sich der Pesti zideinsatz reduzieren lassen. Das entspricht nicht der Reali tät. Deswegen stehen wir in Baden-Württemberg dafür, dass wir ohne den Einsatz von Gentechnik auf dem Acker auskom men.
Es ist bedauerlich, aber auch bezeichnend, dass die FDP un ter dem Deckmantel der Tüftler weiterhin die Büchse der Pan dora öffnen möchte.
Erst vor Kurzem, im September 2012 – ganz aktuell –, for derte die Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Frau Homburger, den Einsatz der Agrogentechnik.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Die frühere Frak tionsvorsitzende! – Zuruf von den Grünen: Die ehe malige!)
Die ehemalige Fraktionsvorsitzende. – Was sagen Sie von der FDP/DVP-Landtagsfraktion dazu? Das ist ein irreversib ler Prozess, den Sie hier anstoßen wollen. Es weiß doch jeder: Wenn die Büchse der Pandora einmal geöffnet ist, lässt sie sich nicht wieder schließen. Das weiß die Menschheit seit 2 500 Jahren – die FDP hat nichts gelernt.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jawohl! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So ist es! – Abg. Thomas Blenke CDU: Gibt es bei Ihnen bei jedem Satz Beifall?)
Ich würde mich aber auch freuen, wenn sich die Kollegen der CDU auf Bundesebene entsprechend engagieren würden. Erst vor Kurzem, im September 2012 – wieder ganz aktuell –, hat sich die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP bei einer Abstimmung über eine gentechnisch veränderte Maissorte in Brüssel der Stimme enthalten. Wie kann man denn das tun?
Wegen dieser Enthaltung gab es weder eine Mehrheitsfähig keit in die eine Richtung noch eine in die andere Richtung. Hätte Deutschland abgestimmt, gäbe es mehr Klarheit in Brüs sel. Hier bedarf es noch der Unterstützung der CDU-Land tagsfraktion in Richtung Berlin. Ich hoffe und freue mich da rauf, dass dies sicherlich so kommen wird.
Zurück zu Erfreulichem: Grün-Rot handelt auch. Wir haben als Erstes nicht nur die Unterzeichnung der Erklärung und den heutigen Beitritt mit vorbereitet – zu dieser Veranstaltung sind Sie alle eingeladen –, sondern wir haben auch beschlossen, dass ab 2015 das Qualitätszeichen Baden-Württemberg auch für Gentechnikfreiheit bei den Futtermitteln stehen soll.
Gentechnikfreie Futtermittel gibt es in Zukunft auch in den landwirtschaftlichen Anstalten des Landes; das war bislang nicht der Fall. In Boxberg befindet sich dies in Umsetzung, in Aulendorf ist es bereits erfolgt.
Wir werden das Zeichen für die Gentechnikfreiheit zusammen mit der MBW entsprechend bewerben. Wir werden darauf hin weisen, dass Gentechnikfreiheit ein Marktvorteil ist. Es wird ein wichtiger Bestandteil unserer Politik sein, aktiv dafür zu werben, dass es ein positives Zeichen für das Land und die Lebensmittelproduktion im Land ist, dass wir ohne Gentech nik auskommen.
Wir werden weiterhin konsequent Überwachungen und Kon trollen durchführen. Denn wir wissen alle, dass weiterhin Gen
technik in Lebensmitteln vorkommt. Der Agrarausschuss des Landtags wird im nächsten Jahr nach Brasilien reisen,
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wohin? Brasilien? – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Kollege Drexler im Präsidium dagegen gestimmt hat!)
um sich gemeinsam vor Ort u. a. über das Thema Gentechnik und Gentechnikimporte nach Europa sowie über die Situati on vor Ort zu informieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich, Herr Kollege Dr. Rös ler, ist heute ein schöner Tag – wir hoffen es jedenfalls – hin sichtlich der Witterung und auch der inhaltlichen Arbeit, die wir hier in diesem Gremium machen.
Natürlich gratulieren wir zum schönen Tag. Dieser ist nur möglich, weil der Wechsel, den Sie angekündigt haben, nicht vollzogen wurde. Sie können heute auf 58 Jahre erfolgreiche Agrarpolitik in Baden-Württemberg aufbauen, und deshalb können Sie diese Argumentation über Gentechnikfreiheit in dieser Form der Öffentlichkeit verkünden.