Diese regionale Schulentwicklungsplanung, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, war dringend notwendig. Damit schaffen wir Qualität in der Fläche. Damit schaffen wir Mög lichkeiten einer langfristigen Planung für die Schulträger, die nämlich auch in der Zukunft mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind wie beispielsweise Ganztagsschule und In klusion. Wenn man ihnen suggeriert, dass alle Schulen erhal ten bleiben und dass jeder darauf hoffen kann, dass auch bei zwei Schülerinnen und Schülern noch die Unterstützung ei ner CDU-geführten Landesregierung erfolgen würde, dann tut es mir leid, dann belügen Sie die Wählerinnen und Wähler vor Ort, nur um wieder an die Macht zu kommen.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute ei nen Antrag der CDU aus dem August 2012. Das ist zweiein halb Jahre her. Dabei wirft der Antrag Fragen auf, zu denen die CDU die Antworten eigentlich längst im Rahmen des be reits abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens zur regiona len Schulentwicklung gehört haben sollte.
Die Antwort auf einen erheblichen Rückgang der Schülerzah len, vor allem im ländlichen Raum, und die Antwort auf ein verändertes Schulwahlverhalten kann nicht in einem Festhal ten am dreigliedrigen Schulsystem bestehen.
Die regionale Schulentwicklung setzt deshalb in dieser Frage klare Leitplanken für den Bereich der allgemeinbildenden Schulen. So sehen wir – nicht nur wir, sondern auch die ehe malige Kultusministerin Annette Schavan von Ihrer Partei – die Zukunft in einem zweigliedrigen Schulsystem, bestehend aus einer integrativen Säule und aus dem Gymnasium als zweiter Säule. Denn nur durch eine Ausweitung integrativer Schularten wie der Gemeinschaftsschule ist es überhaupt mög lich, verlässlich sämtliche Schulabschlüsse in der Fläche an zubieten. Auch die Realschule wird in Zukunft dabei eine wichtige Rolle spielen.
Im Zuge der regionalen Schulentwicklung ändert sich zudem der Blickwinkel: weg von der einzelnen Schulart hin zu den Schulabschlussmöglichkeiten. Das Schlüsselwort heißt „ab schlussbezogen“.
Wir gehen diesen Schritt gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden, auch wenn das vor Ort nicht immer leich te Entscheidungen mit sich bringt.
Denn künftig gilt, dass nur noch Schulstandorte genehmigt werden, die sich dauerhaft über eine Mindestgröße von 40 Schülern in den Eingangsklassen auszeichnen.
Zugleich gilt, dass Schulträger, deren Standorte wiederholt keine Eingangsklasse mit mindestens 16 Schülern bilden kön nen, aufgefordert sind, gemeinsam mit Nachbarkommunen ei ne regionale Schulentwicklung anzustoßen und im Konsens zu verabschieden.
Hätten Sie sich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mit der Problematik ernsthaft befasst, hätten Sie frühzeitig ein Instrument in die Hand genommen, das Ih nen und den Kommunen Hinweise auf notwendige und nicht notwendige Investitionen gibt. Wie anders, Herr Röhm, lässt es sich erklären, dass z. B. in meiner Nachbarkommune Hayingen noch vor zehn Jahren mit Unterstützung des Landes die Hauptschule aufwendig saniert wurde und wenige Jahre spä ter die Schule mangels Schüler geschlossen werden musste –
Regionale Schulentwicklung ist besonders im ländlichen Raum eine Herausforderung an die kommunalen Mandatsträ ger, weil sie eine Abkehr von der eigenen Kirchturmpolitik fordert. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, weil im Ergebnis eine nachhaltige Schullandschaft sicherge stellt werden kann. Denn schlussendlich profitieren von die ser Lösung alle Beteiligten. Ohne eine Einigung bzw. ohne Gesetz wäre hingegen zu erwarten gewesen, dass Schulstand orte nur in größeren Städten auf Dauer abgesichert werden können.
Regionale Schulentwicklungsplanung bedeutet auch für man chen Bürgermeister und viele Gemeinderäte, nackte Zahlen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn schon kurzfristig nur noch 40 Kinder im Jahr in zusammen drei Gemeinden geboren wer den, dann haben die weiterführenden Schulen vor Ort ein Pro blem. Selbst wenn nur zehn Kinder ins Gymnasium in der Nachbarstadt gehen, kann die Verbundschule aus Haupt- und Realschule nicht mehr jeweils einzügig betrieben werden.
Da frage ich Sie: Welche Lösungen haben Sie für diese Kom munen parat, außer gegen Gemeinschaftsschulen zu polemi sieren?
Lieber Herr Traub, Sie haben das Schulkonzept der CDU ge rade vorgestellt. Da kann ich nur sagen: Gute Nacht, BadenWürttemberg. Die Art und Weise, wie Sie das gemacht haben, tut schon weh: Eltern werden gegeneinander ausgespielt; es wird behauptet, der Minister habe nichts getan, die regionale Schulentwicklungsplanung sei unausgegoren, es sei Augen wischerei betrieben worden, veränderte Übergangszahlen hät ten nichts mit der demografischen Entwicklung zu tun. Herr Traub, wo leben Sie denn? Sie sagen, Qualität spiele keine Rolle. Vom „Fallbeil“ der Zahl von 16 Schülerinnen und Schü lern sprechen Sie. Die Vorgabe einer Mindestschülerzahl von 16 ist keine Erfindung von uns; die gab es zu Ihrer Zeit schon. Wenn nicht mindestens 16 Schüler eine Klasse gebildet ha ben, mussten Klassen zusammengelegt werden. Das ist keine neue Erfindung von uns. Das möchte ich einfach einmal in Er innerung bringen.
Und dann zu behaupten, dass es ein reines Schulschließungs programm wäre, was von uns aufgelegt wurde – –
Ich war kürzlich an einer Grundschule. Dort habe ich gefragt: „Wie viele Schüler haben Sie denn?“ Da wurde mir geantwor tet: „Wir haben 35 Schüler, aber vor wenigen Jahren hatten wir noch über 100.“ Dann habe ich gefragt: „Wie viele Schü ler haben Sie denn im nächsten Schuljahr?“ Dann hieß es: „25 Schüler. Könnten Sie uns nicht eine Familienklasse genehmi gen?“ Daraufhin habe ich gesagt: „Familienklasse? Habe ich noch gar nie gehört.“ Da hieß es: „So wie früher in der Volks
schule, wo die Klassen 1 bis 4 beieinander waren.“ Den Kol legen Schulleiter habe ich dann beiseitegenommen und habe ihn gefragt: „Können Sie sich ernsthaft vorstellen, so zu un terrichten?“ Dann hat er etwas betrübt den Kopf gesenkt und hat gesagt: „Nein, ich kann es mir nicht vorstellen.“
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Eine solche Schu le haben Sie vielleicht schon besucht und ich auch! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Die Forderung „Lassen Sie kleinen Schulen eine Chance“ ist schnell und leicht ausgesprochen, aber mit Qualität hat es dann letztendlich nichts zu tun.
Für das Thema Inklusionskonzept fehlt mir jetzt leider die Zeit. Bei diesem Thema könnte ich mich auch noch ein biss chen austoben. Aber vielleicht macht es der Minister dann an schließend.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Bei diesem Thema wird wieder ein mal in bestechender Weise dokumentiert, in welch grotesker Weise das grün-rote Gehörtwerden in den Sonntagsreden und das grün-rote Gehörtwerden im Alltag auseinanderklaffen.
Der Umfang der Stellungnahme der Regierung zum Antrag beläuft sich nicht einmal auf die Hälfte des Umfangs der Fra gen der CDU. In Textzeichen gemessen bedeutet dies: 972 Zeichen Stellungnahme
zu 2 399 Zeichen Fragen und Beschlussteil, jeweils ohne Leer zeichen. Dabei weiß schon jeder Unterstufenschüler, dass es schwierig wird, wenn die Antworten kürzer als die Fragen sind.
Die Ausrede, man sei in Gesprächen mit den kommunalen Landesverbänden und könne deshalb nichts sagen, macht es nicht besser. Schließlich hätte die Regierung problemlos über die eigenen Planungen zur regionalen Schulentwicklung be richten können.
Zweitens dokumentiert der Antrag ein ausschlaggebendes Cha rakteristikum der grün-roten Landesregierung: ihre Scheinhei ligkeit. Mit dem Beschlussteil unter Abschnitt III wird ver sucht, zu verhindern, dass zuerst mithilfe des Arguments der
demografischen Not allenthalben Gemeinschaftsschulen ein gerichtet werden und dann die regionale Schulentwicklung ein Feigenblatt darüberlegt
Genau in dieser Reihenfolge ist die grün-rote Landesregie rung vorgegangen: Zuerst hat sie die Verantwortlichen der re gionalen Schulentwicklung mit der Einrichtung von Gemein schaftsschulen vor vollendete Tatsachen gestellt. Denn wor über sollen die Bildungsregionen danach noch entscheiden? Stattdessen soll ein regionaler Abstimmungsprozess stattfin den, wenn eine Haupt- oder Werkrealschule unter die vorge gebene Mindestgröße rutscht, also wenn die Schließung für die Landesregierung bereits mehr oder weniger beschlossene Sache ist.