Protokoll der Sitzung vom 16.04.2015

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/6618 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 5 ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Ba den-Württemberg und Änderung anderer Vorschriften – Drucksache 15/6654

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Innenminister Gall.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen! Ich darf Ihnen heute in der ersten Le sung den Gesetzentwurf der Landesregierung vorstellen, der, wie Sie der Drucksache entnehmen können, die Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg zum Inhalt hat.

Wir alle wissen – wir waren in den unterschiedlichen Aus schüssen und auch im Parlament schon vielfältig damit be schäftigt –, dass in den vergangenen Jahren die IT-Landschaft unserer Landesverwaltung und der Behörden häufig in der Kritik gestanden hat. So wurde u. a. immer wieder vorge bracht, dass es, außer in den beiden Rechnungszentren, zu vie le, nämlich rund 4 500 Server gibt. Es gibt an zu vielen Stand orten zu viele und im Durchschnitt auch zu gering ausgelas tete Server. Man muss ehrlicherweise sagen: Wir wissen gar nicht genau, wie viele Standorte es genau sind. Wir gehen aber von etwa 1 300 aus. Es wird vorgebracht, dass ein zentrales, also ein übergreifendes, Lizenzmanagement fehlt und dass bislang wirklich fast jede Fachverwaltung ihr eigenes Soft warehaus, um nicht zu sagen Softwarehäuschen, zur Verfah rensentwicklung und -pflege unterhält.

Alles in allem war festzustellen, dass wirklich Handlungsbe darf besteht. Ich denke, das ist auch unstrittig. Ich meine es gar nicht böse, ich stelle nur fest, dass auch die alte Landes regierung wiederholt Anläufe unternommen und versucht hat, dies zu ändern.

Langer Rede kurzer Sinn: Jetzt wird es gelingen. Mit dem vor liegenden Gesetzentwurf zur Errichtung der Landesoberbe hörde IT Baden-Württemberg mit der Kurzbezeichnung BITBW soll zum 1. Juli dieses Jahres ein Landesbetrieb ge schaffen werden, der nach Abschluss eines mehrstufigen Mi grationsprozesses – darauf lege ich wirklich großen Wert, denn durch das Umlegen eines Schalters wird es nicht funk tionieren können – schließlich das gesamte IT-Portfolio an bieten wird.

Die Errichtung der BITBW ist neben der Ernennung eines hauptamtlichen Beauftragten zur Informationstechnologie, ei nes CIO – das scheint mir auch wirklich zwingend zu sein; hier haben wir uns die Erfahrungen anderer Länder, aber auch beispielsweise die der Wirtschaft sehr genau angeschaut – der zentrale Baustein der IT-Neuordnung in der Landesverwal tung Baden-Württemberg.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, mit der Errichtung der BITBW verfolgen wir zum einen das Ziel, si cherzustellen, dass wir hier mit der raschen Weiterentwick lung der IT Schritt halten können. Die öffentliche Verwaltung, die Landesbehörden dürfen nicht von dieser Entwicklung ab gehängt werden. Wir wollen sicherstellen und – da bin ich mir sicher – werden sicherstellen, dass auch in Zukunft eine qua litativ gute Aufgabenerledigung erfolgen kann. Das gewähr leisten wir bisher. Das wird uns auch von nun wirklich renom mierten Wissenschaftlern, die über Ländervergleiche verfü gen, bestätigt.

Wir möchten auch sicherstellen, dass wir den immer wichti ger werdenden Anforderungen an die IT-Sicherheit zukünftig noch besser als bisher Rechnung tragen können, und zwar, wenn Sie so wollen – das sage ich ausdrücklich –, in den be währten Händen unseres Hauses.

Zum anderen wollen wir – das ist auch eines der Ziele und wurde ebenso angemahnt – Synergieeffekte erzielen. Wir wol len Spielräume für weitere Modernisierungen unserer IT und für Kosteneinsparungen eröffnen. Deshalb hat sich die Lan desregierung in der mittelfristigen Finanzplanung – das kann man den Haushalten schon entnehmen – auf ressortübergrei

fende Einsparungen in der Landes-IT in Höhe von 40 Millio nen € verständigt. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Das weiß ich sehr wohl. Wir haben uns aber dieses Ziel gesteckt, weil wir es auch für realistisch erreichbar halten. Wir erreichen es aber nur – das will ich ausdrücklich sagen –, wenn wir stan dardisieren, automatisieren und auch wirklich effektive Struk turen aufbauen.

Deswegen wird es originäre Aufgabe der BITBW sein, die in formationstechnische Grundversorgung in der Landesverwal tung sicherzustellen und darüber hinaus ebenfalls für die Lan desverwaltung auf der Grundlage von Arbeitgeber- und Ar beitnehmerverhältnissen Dienstleistungen der Informations technik anzubieten.

Meine Damen und Herren, die Dienststellen und Einrichtun gen der unmittelbaren Landesverwaltung werden grundsätz lich – sonst wird das, was ich gerade gesagt habe, nicht gelin gen – zur Nutzung der Dienstleistungen der BITBW verpflich tet. Dies ist erforderlich, um auch wirklich einen stabilen Auf bau der neuen Einrichtung mit qualitativ guten und wirtschaft lichen Dienstleistungen zu ermöglichen und die angestrebten Synergieeffekte tatsächlich zu erreichen.

Gesetzliche Ausnahmen von der Nutzungspflicht – ich denke, das ist auch unstrittig – wird es aus verfassungsrechtlichen Gründen in besonderen Bereichen geben müssen. Ich nenne hier nur einmal Teile der Steuerverwaltung als Beispiele.

Dennoch, meine Damen und Herren, bietet der Gesetzentwurf unseres Erachtens genügend Flexibilität, um in schwierigen Einzelfällen – die gibt es in der Tat auch in bestimmten Fach bereichen – sinnvolle Lösungen zu finden. Umgekehrt gilt, dass diese Flexibilität nicht zu weit geht, sondern dass das Ziel der konsequenten Bündelung nicht unterlaufen werden kann. Aber auch da haben wir, denke ich, mit den entsprechenden Formulierungen Vorsorge getroffen.

Darüber hinaus werden wir sicherstellen, dass die Ressorts auch weiterhin ihre Interessen über ihre Vertretung im Ver waltungsrat der BITBW einbringen können. Wir sind hier nicht nur im Zweifelsfall, sondern tatsächlich darauf angewie sen, dass diese Interessen auch Berücksichtigung finden. Der Bündelungsprozess wird deshalb in sorgfältig geplanten Mi grationsschritten vollzogen werden. Wie ich schon gesagt ha be, wird es mit dem Umlegen eines Schalters nicht getan sein.

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen gestaffelten Umsetzungs fristen sind erforderlich; die Ausarbeitung von ressortspezifi schen Stufenplänen muss ermöglicht werden. Diese wird es auch in Zukunft geben müssen, jedenfalls teilweise.

Meine Damen und Herren, die IT-Neuordnung in der Landes verwaltung soll aber nicht nur der Landesverwaltung dienen, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern, denn für diese arbeitet die Landesverwaltung letztendlich auch, und sie soll logischerweise auch der Wirtschaft entsprechende Vorteile bringen. Das heißt, die Technik soll auch so eingesetzt wer den, dass eine optimale Kommunikation – wenn man so will – in alle Richtungen möglich ist und erfolgen kann. Der Aus bau eines Dienstleistungsangebots im Sinne eines E-Govern ments spielt dabei wirklich eine herausragende und wichtige Rolle und ist ein Wesenszeichen der neuen Landesoberbehör de.

Meine Damen und Herren, es ist aber zweifelsohne auch klar, dass die Veränderungen, die diese Einrichtung mit sich brin gen wird, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in un terschiedlichen Ressorts auch etwas abverlangen wird. Die gegenwärtige persönliche Arbeitssituation wird sich für Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter verändern.

An dieser Stelle sage ich aber ausdrücklich: Wir werden auch bei diesem Umwandlungsprozess, bei diesem Neuaufstel lungsprozess, das machen, was wir bei bisherigen Verände rungen auch gemacht haben, nämlich die berechtigten Inter essen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so weit wie irgend möglich berücksichtigen. Das heißt, wir werden für eine so zial verträgliche Umsetzung sorgen.

In diesem Sinn bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich freue mich auf eine konstruktive Beratung in dem damit befassten Ausschuss. Das wird der Innenausschuss sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion darf ich das Wort Herrn Abg. Dr. Löff ler erteilen.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wenn die Landesregierung durch Ge setz eine neue Landesoberbehörde mit dem schönen Namen BITBW errichtet, sind Befürchtungen nicht unbegründet, es entstehe ein bedrohungsbürokratischer Verwaltungsapparat wie in Kafkas „Schloss“.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Unsere Wirtschaft erlebt täglich die gleichen leidvollen Er fahrungen wie der Landvermesser in Kafkas Roman. Aber so schlimm wird es nicht. Denn Entwarnung ist angesagt. Ange lehnt an die Erfahrungen der Wirtschaft soll ein CIO, ein Chief Information Officer, dezentrale Strukturen auflösen, Rechen zentren konsolidieren, einheitliche Standards setzen, Betriebs- und Anwendungssoftware vereinheitlichen, Open Source vo rantreiben sowie durch Kooperationen mit anderen Bundes ländern Entwicklungsausgaben minimieren und die Beschaf fung zentral organisieren.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie hät ten ja eine Systemlösung anbieten können!)

Wir halten das für gut, weil es nur um organisatorische und nicht um inhaltliche Änderungen geht. Die politische Verant wortung der Ministerien bleibt unangetastet, und alle Kom petenzen – auch die dezentralen wie beispielsweise in Karls ruhe für die Hochwasservorhersage und für die Kernreaktor sicherheit oder beim Statistischen Landesamt – bleiben unbe rührt.

Wir nehmen in den Ministerien Abschied vom Flickenteppich unterschiedlicher IT-Systeme und Anwendungen und sorgen für IT-Dienstleistungen aus einer Hand. Dadurch lassen sich

bessere Synergieeffekte und mehr Qualität erreichen. Auch die Einsparziele sind plausibel und realistisch. So weit, so gut.

Aber – dieses Gesetz zeigt es erneut – die Landesregierung agiert nur mäßig ambitioniert und bleibt weit hinter den Mög lichkeiten zurück. Zwar soll E-Government erweitert werden – eigentlich eine Selbstverständlichkeit –, aber ich erwarte, dass auch Cloud-Computing und Big Data zum Aufgabenport folio gehören. Dazu sagt der Entwurf nichts. Mit Big Data, der Nutzbarmachung großer Datenmengen, böten sich der Ver waltung ungeahnte Möglichkeiten der Prozessverbesserung bei allen Infrastrukturaufgaben der Daseinsvorsorge. Riesige Datenmengen ungenutzt in Aktenschränken zu stapeln, das haben wir schon im 18. Jahrhundert gemacht, und das machen wir immer noch.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Open Data heißt es aber, nicht Big Data!)

Letzte Woche führte ein Hackerangriff auf den französischen Sender TV5MONDE zu einem Blackout. Der Innenminister verkündete leicht naiv, Baden-Württemberg sei gut gerüstet, das LKA kümmere sich darum. Nur: Er führte Beispiele aus der repressiven Polizeiarbeit auf, wie bei uns die Internetkri minalität bekämpft wird. Da macht die Polizei eine gute Ar beit, doch darum geht es nicht. Es geht um Cybersicherheit, um präventiven Schutz und intelligente Sicherheitsarchitek turen im Netz.

Vor zwei Tagen trat der Ministerpräsident vor die Presse und erklärte, er habe jetzt strukturell Cybersicherheit in der neu en Stabsstelle „Digitale Revolution“ seines Staatsministeri ums angesiedelt. Sicherheit im Netz, ein Zankapfel, ein Kom petenzgerangel um Cybersicherheit, können wir uns nicht leis ten, sonst haben wir eine Sicherheitslücke im Netz.

Wenn die Landesregierung glaubt, sie könne mit einem schwä bischen „NSA’le auf der Reitzenstein“ den internationalen Cy berterrorismus bekämpfen, setzt sie fahrlässig die Sicherheit des Landes aufs Spiel und wird selbst zum Sicherheitsrisiko. Präventive Cybersicherheit wäre deshalb bei der neuen Be hörde als Clusteraufgabe mit dem LKA bestens aufgehoben, es sei denn, das Staatsministerium will digital meine E-Mails ausforschen. Wie neugierig das Staatsministerium in der ana logen Welt ist, hat uns Frau Staatsministerin Krebs im „Och sen“ in Hardheim gezeigt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Alex ander Salomon GRÜNE: Was hat denn das noch mit dem Gesetz zu tun?)

Dort wurde vordergründig von einem Marktforschungsinsti tut eingeladen, und dann wurden die Bürger von Mata Hari alias Frau Staatsministerin Krebs hinter einer spanischen Wand belauscht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die analoge Politik des „Ab-Gehörtwerdens“ muss nicht noch digital im Staatsministerium verortet werden.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sehr gut, dass Sie das Gesetz so ernst nehmen!)

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung ge sagt: Wir wollen in der digitalen Zukunft eine Spitzenstellung einnehmen. Was macht die Regierung? Wir haben die inno vativste Wirtschaft Europas, aber unsere Verwaltung verharrt in der analogen Welt der stein-hardenbergschen Verwaltungs reformen. Es wäre wichtig, dass die BITBW die Digitalisie rung unserer Verwaltungsprozesse vorantreibt. Sonst wach sen wegen Medienbrüchen mit der digitalen Wirtschaft die Bürokratiekosten. Es ist Zeit für „Stein-Hardenberg 2.0“ als Pendant zu Industrie 4.0. Das ist die Herausforderung. Die Wirtschaft wird sich auch ohne die Verwaltung der digitalen Zukunft anpassen.

Die CDU wird diesem Gesetz zustimmen.

(Zuruf von der SPD: Oi!)

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ehrgeizigere Ziele und Inhalte wären wünschenswert. Wir wollen ein Land, in dem unsere Wirtschaft und alle Bürgerinnen und Bürger an den Vorteilen und den Möglichkeiten der technischen Welt si cher und effektiv teilhaben werden. Diese Chance dürfen wir nicht verpassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)