Protokoll der Sitzung vom 06.05.2015

Ist klar, ja. Ich will nur vorher die Überschrift zitieren, da mit jeder auch den Antrag versteht und nachvollziehen kann, warum er überfraktionell mit unserer Fraktion gestellt wurde, Frau Kollegin.

Die Überschrift, die ich meinte, lautet: „Die UN sehen Burun di am Scheideweg“. Deshalb ist dieser Antrag ja zustande ge kommen. Da finde ich es richtig, dass alle vier Fraktionen übereinstimmend diese Dinge ansprechen, weil natürlich auch mit Burundi in der Entwicklungszusammenarbeit eine jahr

zehntelange Kooperation besteht, wir im Grunde genommen dort eine Patenstellung haben und wir diese Dinge deshalb auch thematisieren müssen. Deshalb stimmen wir diesem An trag zu, und es ist gut, dass alle vier Fraktionen in diesem Par lament diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Ich erwähne ferner TTIP; auch das wird uns bewegen. Heute wird Frau Malmström wieder eine geänderte Situation mit neuen Vorschlägen in Brüssel darstellen – übrigens im An schluss an Minister Gabriel, der ja, nachdem es ein Sachver ständigengutachten gibt, nun in dem einen oder anderen Punkt modifizierte Vorschläge unterbreitet hat, insbesondere zum Schiedsgerichtsverfahren, aber auch zum Vorsorgeprinzip. In soweit will ich hier bewusst betonen: Die Landesregierung hat jetzt im März – das ist im Bericht enthalten – ein Eckpunk tepapier verabschiedet. Ich sehe da eine große Übereinstim mung. Worum es jetzt geht, ist: Wir müssen auch dafür wer ben. Denn es gibt Kampagnen von Attac, von Campact, die Nein sagen zu TTIP. Das ist die falsche Haltung; da haben auch manche in Berlin – wie übrigens auch manche Parteien – noch Nachholbedarf, da die Wende hinzubekommen. Denn in Berlin haben wir noch keine Übereinstimmung, auch nicht zwischen Grün und Rot, bei dem Thema TTIP – zumindest nicht in Berlin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir haben auch Themen wie die EU-Erweiterung. Natürlich sind diese Makrostrategien wichtig. Jetzt ist auch die Alpen regionstrategie in der gemeinsamen Zusammenarbeit neu be gonnen worden. Wir unterstützen das. Wir finden es richtig, wenn Partner hier zusammenarbeiten. Auch die neue Linie der Kommission in der Erweiterungsstrategie halten wir für rich tig.

Allerdings will ich hier noch einmal betonen: Gründlichkeit muss bei der Erweiterung vor Schnelligkeit gehen. Jede Bi lanz, die wir gezogen haben, z. B. beim Beitritt von Bulgari en und Rumänien, wozu wir heute kritische Analysen haben, besagt: Es ist teilweise möglicherweise zu schnell vorgegan gen worden. Deshalb, glaube ich, ist es auch wichtig, dass wir zwar mit Assoziierungsabkommen beginnen, auch beim West balkan, wo noch kein Beitritt erfolgt ist wie bei Kroatien – Kroatien haben wir ja auf dem Weg in die Europäische Uni on begleitet –, dort aber sehr sorgsam darauf achten, dass vor Ort die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage vorangetrieben wird, dass die Beitrittskriterien vollständig er füllt werden und dass wir damit auch das bekräftigen, was vor uns liegt, nämlich eine sorgfältige konstruktive Begleitung in der Erfüllung der europäischen Anforderungen.

Bei der Schweiz sind die Herausforderungen ganz andere. Man muss jetzt sehen: Es gibt große Veränderungen, aber auch weiterhin offene Baustellen, übrigens seit vier Jahren auch bei dieser neuen Regierung. Es wird jetzt darauf hingewiesen, dass im vierten Regierungsjahr eine Schweizstrategie ange kündigt wird. Ich kann nur sagen: Wir haben seit Jahren nicht erledigte und nach wie vor offene Baustellen. Nehmen Sie das Thema Verkehrsprojekte, nehmen Sie das Thema Fluglärm, nehmen Sie die Landpachtproblematik, nehmen Sie die Hür den für kleinere und mittlere Unternehmen beim Handwerk

und bei anderen. Sie kennen all die Themen. Ich denke, wir müssen hier vorankommen. Denn die Schweiz ist für uns ein wichtiger Partner, war es immer und soll es auch in Zukunft sein. Deshalb müssen die Probleme endlich angegangen und gelöst werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, natürlich gilt dabei auch: Das ist immer ein Geben und Nehmen.

Wir begrüßen die Digitale Agenda der EU und die Investitions offensive. Gerade unser neuer Digitalkommissar ist hier sehr intensiv und offensiv unterwegs. Viele werden seine ein drucksvolle Rede, die er gestern beim Sparkassentag gehal ten hat, gehört haben. Wir müssen ihm hier viel Glück und Er folg wünschen, damit der Europäische Binnenmarkt gerade beim Thema Digitalunion vorankommt. Wenn die EU auch künftig eine Rolle im globalen Geschehen spielen will, dann brauchen wir auch dort einheitliche Regeln. Es gibt Proble me, da ist die Welt ein Dorf geworden. Diese Probleme und Herausforderungen sind nur grenzüberschreitend zu lösen. Dazu gehört die Umwelt, dazu gehört das Klima, dazu gehört die Energie, und dazu gehört auch eine Digitalunion. Das ist die neue Zeit, in der wir erst recht Europa im Rahmen der Zu sammenarbeit brauchen, um auch offensiv grenzüberschrei tend in die Zukunft gehen zu können.

Dazu zählt auch die Investitionsoffensive von Juncker. Grund sätzlich sind die 315 Milliarden € zu begrüßen. Investition ist wichtig. Nur wer investiert, hat Vertrauen in die Zukunft. Al lerdings muss man abwarten, ob diese Hebelwirkung auch Früchte trägt.

Meine Damen und Herren, man soll über alles reden, nur nicht zu lange reden.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Ich sehe, in dieser Sekunde ist meine Redezeit ausgeschöpft. Deshalb will ich abschließend sagen: Schuman hat am 9. Mai 1950 gesagt:

Europa... wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.

Ich denke, 65 Jahre danach haben diese Worte immer noch Geltung. Wir brauchen Europa heute mehr denn je, um die großen Fragen der Zeit lösen zu können. Deshalb sind wir al le aufgefordert, in einer solchen Europawoche daran konst ruktiv mitzuwirken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Frey.

Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an das Präsidium, dass es für die heutige Sitzung diesen Eu ropablock so gut organisiert hat, und auch noch ein Hinweis auf den Freitag, an dem der Höhepunkt hier stattfinden wird

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Mit Frey!)

mit Frey und mit den anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum, und zwar mit dem Europatag.

Ich denke, wenn man jetzt bei der Beratung dieses Europabe richts auch in die Zukunft schauen möchte, muss man fest stellen, dass Baden-Württemberg Europa mitgestaltet und ei ne wesentliche Rolle in der Europäischen Union spielt. Das macht dieser Bericht deutlich.

Es gibt immerhin noch einige EU-Kritiker, die finden, dass die elf Millionen Einwohner hier in Baden-Württemberg ge genüber den 500 Millionen Menschen, die in Gesamteuropa leben, nur eine kleine Macht sind und deswegen die Auswir kungen unserer Politik, die wir hier in diesem Landtag ma chen, auf die EU gar nicht zu spüren wären. Aber die Debat ten zeigen einige Auswirkungen. Es wurden schon einige The men angesprochen. Ich werde ebenfalls einige ansprechen.

Baden-Württemberg spielt auf der europäischen Bühne eine relevante Rolle. Wir gestalten Europa aktiv mit. Einige von uns waren vor 14 Tagen in Barcelona beim Baden-Württem berg-Tag, wo die Resonanz der katalanischen Bevölkerung, insbesondere der dort lebenden Jugendlichen, enorm war. Wenn Sie dann in die Augen von jungen Erwachsenen blicken, die in ihrer Region keine Perspektive vor Augen haben, weil dort 50 % und mehr Jugendarbeitslosigkeit herrscht, dann ist Baden-Württemberg als Partnerregion von Katalonien gefor dert, unsere europäische Verantwortung zu tragen und Solida rität zu zeigen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es zeichnen sich dort zwei Bahnen ab. Die eine ist, dass die großen baden-württembergischen Firmen in Spanien gern die duale Ausbildung anbieten und versuchen, dort auch das bei uns bewährte System zu übernehmen. Der andere Weg ist, dass wir hier bei uns in den Berufsschulen, in den Ausbil dungsstellen, Katalanen aufnehmen, die dann bei uns eine Ausbildung absolvieren, die sie sowohl bei uns als auch in Spanien verwenden können. Wenn am 13. Juli mittlerweile die dritte Gruppe katalanischer Auszubildender in der Kauf männischen Schule in Lörrach ihre Ausbildung beginnt, dann ist das ein Zeichen, dass Europa hier konkret mit seiner Soli darität umgesetzt wird und Baden-Württemberg hier auf eu ropäischer Bühne eine wirksame Rolle spielt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Vom Kollegen Reinhart wurde schon die Investitionsoffensi ve von Herrn Juncker angesprochen. Mittlerweile haben sich einige Ausschüsse im Bundesrat der Haltung der Landesre gierung im Bundesrat und der Haltung des Landtags ange schlossen, dass die Mittelumschichtung von Horizon 2020 und „Connecting Europe Facility“ in Höhe von 6 Milliarden € der falsche Weg ist. Diese Mittel fehlen uns in diesen Töpfen. Die brauchen wir in Baden-Württemberg, in Deutschland. Deswe gen freuen wir uns, dass die Ausschüsse im Europaparlament dieses starke Drängen aus Deutschland, auch aus diesem Landtag, wahrgenommen haben. Auch hier spielen BadenWürttemberg und dieser Landtag eine wichtige Rolle in der europäischen Politik, und dies wird offenbar auch wahrge nommen.

Sie wissen, dass zu TTIP ein Zwischenbericht aussteht, der die bis zum 13. April eingegangenen 898 Änderungsvorschlä ge in irgendeiner Weise verarbeiten soll. Auch Sie wissen, dass sehr umstritten ist, was hier bisher bekannt geworden ist. Doch wenn ein Einmischen eines Bundeslands Sinn machen soll, dann muss die Einmischung jetzt erfolgen und nicht erst, wenn dieses Paket im Bundesrat zur Abstimmung steht. Jetzt müs sen wir uns melden und sagen, wie wir uns diese Freihandels abkommen vorstellen. Wir sehen, dass es auch in diesem Be reich Bewegung gibt. Das Eckpunktepapier unserer Landes regierung zeigt deutlich die roten Linien auf, aber auch die Möglichkeiten, wie freier und fairer Handel aussehen könn te.

Ich danke ausdrücklich unserer Landesregierung, dass sie sich hier für eine starke Region konkret einbringt, ich denke, auch beispielhaft in ganz Deutschland. Wir sind hier stark, nicht nur in Sachen Wirtschaft, sondern auch, wenn es um Werte und Demokratie geht. Denn besonders das umstrittene Streit schlichtungsverfahren zwischen Investor und Staat ist ein No-Go. Hierdurch würde privaten Unternehmen nämlich er möglicht, Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten zu verklagen.

Wer also Rechtsstaatlichkeit und Judikative in unserer Demo kratie schwächen will, der kann nicht mit der Zustimmung dieses Hauses rechnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mittlerweile spricht sich sogar Frau Malmström für eine Über arbeitung des Systems aus – wobei sie bis heute offenlässt, wie sie nun zu den Schiedsgerichten im Rahmen des TTIP steht. Solange hier Verhandlungen laufen, müssen wir uns im mer wieder zu Wort melden und die roten Linien aufzeigen.

Im Übrigen werden diese roten Linien nicht nur von uns, son dern auch vom Städtetag, vom Bundesverband der Mittelstän dischen Wirtschaft, vom Verband der Sensor- und Messtech nik, aber beispielsweise auch vom Diözesanrat RottenburgStuttgart aufgezeigt. Dahinter stelle ich mich und stellen wir uns ausdrücklich. Der Diözesanrat bat uns in einem Schrei ben beispielsweise, darauf hinzuwirken, dass es keine Klage möglichkeiten von Unternehmen gegen Staaten geben soll; er verwies zudem auf den Verbraucherschutz und betonte, dass die Bewahrung der Schöpfung gewährleistet sein müsse, die über den Interessen von Unternehmen stehe.

Weiter bringt er zum Ausdruck, dass die Menschen einen An spruch darauf haben, dass ihre Arbeit sowie die Befriedigung ihrer täglichen Bedürfnisse nicht dem freien Spiel eines unre gulierten Marktes anheimgegeben werden. Der Diözesanrat wünscht sich ein Fair-Trade-Abkommen mit einer nachhalti gen und gerechten Wirtschaft, die einen gerechten Welthan del anstrebt. Nur mit Transparenz ließe sich eine breite Zu stimmung der Menschen erreichen.

Diesen Forderungen können wir vollumfänglich zustimmen; dem ist nichts hinzuzufügen. Baden-Württemberg steht hin ter seinen Städten und Gemeinden, ebenso wie hinter seinen Wirtschaftsunternehmen und Verbänden; Baden-Württemberg steht für das Wohl seiner Bürgerinnen und Bürger ein. Damit spielt das Land Baden-Württemberg auf der europäischen Bühne eine relevante und wirkungsvolle Rolle. Wir gestalten Europa von Stuttgart aus mit.

Zum Schluss nun noch zu dem weniger erfreulichen Teil des Europaberichts: Burundi steht vor dem Chaos – diese Mel dung kann man auch heute wieder in der Presse lesen. In Af rika gibt es Beispiele, wie die Entwicklung besser voran schreiten kann; ich nenne etwa Botswana, Südafrika oder Na mibia. In Bezug auf Burundi machen wir uns jedoch große Sorgen um die dort lebenden Menschen. Wir stehen dabei in einer besonderen Verpflichtung, weil wir im Mai 2014 eine Partnerschaftsvereinbarung unterschrieben haben, mit der wir unsere Solidarität mit diesem afrikanischen Land bekundet haben.

Burundi steht vor wichtigen Wahlen. Die UN haben mehrfach ihrer großen Sorge Ausdruck verliehen, weil es dort zu ge walttätigen Auseinandersetzungen, zu Verhaftungen und in der Folge mittlerweile auch zu Flüchtlingsbewegungen in die Nachbarstaaten Ruanda und Kongo gekommen ist. Der Rat der Europäischen Union appelliert auch an die staatlichen Stellen in Burundi, friedliche und demokratische Wahlen zu gewährleisten.

Wir schließen uns dem heute vorgelegten interfraktionellen Entschließungsantrag an, darauf hinzuwirken, dass friedliche und demokratische Wahlen gewährleistet sind, und bitten die Landesregierung darum, alles in ihrer Macht Stehende zu tun und auch ihren Einfluss bei der Bundesregierung geltend zu machen, damit die Gewalt in Burundi ein Ende hat und dort demokratische Wahlen durchführbar sind.

(Beifall bei den Grünen)

Sie sehen: Wir übernehmen auch an dieser Stelle Verantwor tung für unsere Partner. Denn Partnerschaften dürfen nicht nur Schönwetterveranstaltungen sein; die wirkliche Qualität von Partnerschaften zeigt sich in Krisenzeiten. Wir stehen in einer solchen Krisenzeit, und deswegen müssen wir hier auch öf fentlich unsere Sorge bekunden.

Wir stehen zu unseren Partnern in Burundi, zu den dort leben den Menschen, und wir geben mit diesem Antrag auch ein Si gnal an die vielen Menschen, die sich in Baden-Württemberg ehrenamtlich für Demokratie und Menschenrechte in Afrika und insbesondere in Burundi einsetzen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Niko Reith FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Funk.

Sehr geehrter Herr Präsident, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Plenartag ist eu ropapolitisch ausgerichtet. Vier Tagesordnungspunkte tragen Überschriften mit europapolitischem Bezug. Ich denke, das bietet Ihnen, Herr Minister Friedrich, ein breites Podium. Ei ne größere Reverenz kann man einem Geburtstagskind wohl kaum erweisen.

(Vereinzelt Heiterkeit)