Im Rahmen dieses Fächerverbunds spielt das Fach Biologie mit vier Stunden die mit Abstand wichtigste Rolle. Deswegen ist es völlig absurd, dass Frau Kollegin Kurtz – wahrschein lich aufgrund von Unwissen; ich behaupte: möglicherweise auch vorsätzlich –
die falsche Behauptung aufstellt, Biologie würde abgeschafft. Dies ist die Unwahrheit, Frau Kollegin Kurtz.
Es geht also überhaupt nicht darum, einem Fach irgendwie Stunden zu entziehen. Vielmehr geht es darum, ein übergrei fendes naturwissenschaftliches Arbeiten zu fördern, wo sich dies thematisch anbietet. Natürlich sind neben integrativen Themenbereichen auch eigene Themenfelder für Biologie vor gesehen. Das ist völlig klar.
Die Bildungsplankommissionen werden von Lehrkräften un serer Schulen besetzt. Die haben diese Thematik erarbeitet. Die Bildungsplankommissionen haben sich natürlich in ihrer Arbeit an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz zu ori entieren.
All diese Weltuntergangsszenarien, die Sie hier im „Reagenz glas Landtag“ zu züchten versuchen, sind – es tut mir leid – sinnlos und haltlos, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aus den Erprobungsschulen – auch dies sollte Ihnen vielleicht gewisse Aufschlüsse geben – erhalten wir bislang positive Rückmeldungen, auch genau zu der Umsetzung dieses Fä cherverbunds in der Orientierungsstufe.
Es versteht sich auch von selbst, dass wir die Lehrerinnen und Lehrer bei der Umsetzung und Ausgestaltung dieses Fächer verbunds eben nicht alleinlassen und nicht im Regen stehen lassen, sondern im Rahmen unserer breit angelegten Fortbil dungsreihe auch Module zum Unterricht gerade im Fächer verbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ anbieten, von denen die Lehrerinnen und Lehrer übrigens nicht erst – wie es bei der Bildungsplanreform 2004 der Fall war – mit mehrjähriger Verspätung profitieren, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Wie Sie wissen, befindet sich das Kultusministerium seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch Grün-Rot auch – ich halte das für einen elementar wichtigen Bestand teil – in einem engen und regelmäßigen Austausch mit der Wissenschaft, mit der Pädagogik und mit der Erziehungswis senschaft. Das war nicht immer so, habe ich mir bei diesen Begegnungen sagen lassen. Während Bildungspläne früher unter Ausschluss der Öffentlichkeit verfasst wurden – was in einigen anderen Bundesländern heute noch so gehandhabt wird –, haben wir hier von Anfang an auf größtmögliche Transparenz gesetzt
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So wie bei „Gymnasium 2020“! – Gegenruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Ja!)
In diesem Beirat ist auch die Expertise renommierter Fach- und Bildungswissenschaftler wichtig. Auch bei ihnen stößt der Fächerverbund „Biologie, Naturphänomene und Technik“ auf große Akzeptanz.
In einem Punkt, der allerdings nicht unmittelbar mit der Bil dungsplanreform zusammenhängt, müssen wir aber ganz si cherlich auch der Fachwissenschaft Gehör schenken – das wurde bereits vorhin thematisiert –, nämlich dort, wo es um den Bereich des fachfremd erteilten Unterrichts geht. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was der IQBLändervergleich 2012 ergeben hat, ist letztlich eine Zensur für Ihre Bildungspolitik. Denn wenn Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 im Jahr 2012 geprüft wurden, waren dies Schü lerinnen und Schüler des dreigliedrigen Schulsystems.
Wenn dort unzureichende Leistungen in den Fächern Mathe matik und Naturwissenschaften festgestellt wurden, war dies – meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es Sie schmerzt – die Quittung für Ihre Missachtung dieser wichti gen Thematik im Bereich der Bildungspolitik.
Deswegen reicht es nicht, im Bildungsplan die Inhalte anders zu definieren. Vielmehr geht es dann auch darum, uns stärker auf den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften, den naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu fokussieren. Wir tun dies mit verschiedenen Initiativen.
Wir haben u. a. – um die Bewerberlage in diesen Fächern zu verbessern – in den vergangenen Jahren über alle Schularten hinweg zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Wir ermöglichen beispielsweise Hochschulabsolventinnen und Hochschulab solventen von MINT-Fächern einen Seiteneinstieg in die Vor bereitungsdienste für Gymnasien, so im Fach Physik, und auch für die beruflichen Schulen sowie einen Direkteinstieg in den beruflichen Schuldienst.
Wir haben Masterstudiengänge für das gymnasiale Lehramt für Absolventinnen und Absolventen eines Fachbachelors an der Universität Stuttgart und an der Universität Konstanz in Kooperation mit der PH Freiburg eingerichtet.
Wir haben Stellenausschreibungen im Rahmen der Lehrerein stellung vorgezogen, um Bewerbern auch frühzeitig in Kon kurrenz zur freien Wirtschaft eine Zusage geben zu können.
Wir haben in Bedarfsfächern schulscharfe Sonderausschrei bungen für den Seiteneinstieg in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an beruflichen Schulen vorgenommen.
Für den Realschulbereich haben wir in Zusammenarbeit mit dem KIT in Karlsruhe und den Staatlichen Seminaren ein ein jähriges Kontaktstudium eingeführt. Schwerpunkte der Fort bildung sind genau die Fächer, die als kritisch betrachtet wur den, nämlich Biologie, Physik und Chemie, sowie themen orientierte Unterrichtsansätze, projektorientierte Unterrichts beispiele und unterrichtsrelevante naturwissenschaftliche Ver suchsanordnungen.
Seit dem Schuljahr 2013/2014 sind in Baden-Württemberg 108 Grundschulen am Programm SINUS Profil Mathematik an Grundschulen beteiligt. Im Rahmen von Fachtagungen wurden über 60 neue SINUS-Grundschulen über das Schwer punktthema „Die gute Aufgabe in Mathematik“ an dieses SINUS-spezifische Arbeiten herangeführt.
Das heißt, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in diesen Bereichen, die wir in der Vergangenheit als Mangel bereiche wahrnehmen mussten – und zwar auch aufgrund ver fehlter Politik Ihrerseits –, entscheidende Impulse gesetzt, da mit wir diese Lücken in der Zukunft schließen werden. Ich appelliere an Sie alle, dass wir im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften einen ganz erheblichen Ehrgeiz an den Tag legen, um die Voraussetzungen zu schaffen, dass wir hier in Baden-Württemberg die Kinder und Jugendlichen gut auf die Zukunft vorbereiten. Denn für die Wirtschaft in diesem Land Baden-Württemberg sind gut ausgebildete junge Men schen gerade in diesem Bereich elementar und überlebensnot wendig. Deswegen brauchen wir diese Fächer mit weit höhe rer Priorität, als dies noch in Ihrer Regierungszeit der Fall war.
Denn Sie erklären hier weit und breit und lang und ausführ lich, warum Fächerverbünde kritisch zu sehen sind. Denn es besteht die Gefahr, dass die Fachlichkeit auf der Strecke bleibt. Stimmt! Das sehen wir auch so. Nur: Warum führen Sie dann einen neuen Fächerverbund am Gymnasium ein?
Das widerspricht völlig Ihrer Argumentation, die Sie zuvor hier gemacht haben. Wir lehnen diesen neuen Fächerverbund ab. Ihr Hohelied auf die Qualität des Gymnasiums, auf die ho he Fachlichkeit, ist ein Lippenbekenntnis. Ihnen geht es um eine Vereinheitlichung, und davor warnen wir zu Recht.
Das Selbstbewusstsein, mit dem die Koalition und auch die Landesregierung heute den ganzen Tag über ihre Bildungspo litik gesprochen haben, ist angesichts der Ergebnisse von Um fragen in Baden-Württemberg, wie die Bildungspolitik von Ihnen beurteilt wird, schon bemerkenswert:
58 % der Baden-Württemberger – letzte Umfrage des SWR – sind sehr unzufrieden mit Ihrer Bildungspolitik.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Stimmt nicht! Falsch wiedergegeben! – Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP: Hört, hört!)
Aber wie Sie hier die Backen aufblasen und sagen, es sei ein neues Paradies im Bildungsbereich ausgebrochen, ist wirklich bemerkenswert. Jemand, der von außen versucht, dies nach zuvollziehen, wird feststellen: Das ist nicht nachzuvollziehen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge Drucksachen 15/4308 (Geänderte Fassung) und 15/4347 (Geänderte Fassung). Beide Anträge sind reine Be richtsanträge und können für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.
Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 2003/48/EG – Be steuerung von Zinserträgen