Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Herr Kollege Schwarz, herzlichen Dank, dass Sie im Gegensatz zum Minister die Souveränität haben, Zwischenfragen zuzulassen.

(Beifall des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Sie haben die Zahlen für den Landesstraßenbau zitiert: In den Jahren 2012 bis 2014 waren es 158 bis 211 Millionen €. Neh men Sie zur Kenntnis, dass im Jahr 2009 214 Millionen €, im Jahr 2010 192 Millionen € und im Jahr 2011 197 Millionen € investiert wurden und dass damit in diesen drei Jahren deut lich mehr investiert wurde, als in den folgenden drei Jahren unter Ihrer Regentschaft investiert wurde?

Zweite Frage: Können Sie sagen – –

Zwischenfrage!

Können Sie sagen, wie der Haushaltsansatz in der mittelfristigen Finanzplanung 2017 für den Erhalt sowie den Aus- und Neubau im Straßenbau aus sieht? Einfach um zu verdeutlichen, ob die Mittel, die Sie in den Jahren 2015 und 2016, auch finanziert über Sonderpro gramme, zur Verfügung stellen, auch in den Jahren 2017 ff. ebenso für den Straßenbau zur Verfügung stehen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber selbstverständ lich!)

Herr Kollege, ich kann Sie beruhigen. Über den Haushalt des Jahres 2017 wird die Koa lition im Herbst 2016 entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Ich kann Ihnen für meine Fraktion zusagen, dass wir für den Erhalt des Straßennetzes, einen maßvollen Aus- und Neubau, einen guten ÖPNV und den Radverkehr wie in den vergange nen Jahren auch in den Jahren 2017, 2018, 2019, 2020, 2021 eintreten. Das ist gar keine Frage, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Zusammen mit der SPD, selbstverständlich in dieser be währten Form. Herr Kollege Schmiedel, dieser Hinweis „in dieser bewährten Form“, wie es Herr Haller, der Verkehrsmi nister und ich sowie die gesamte Koalition in den vergange nen vier Jahren gemacht haben, ist wichtig. So werden wir es auch in den nächsten vier Jahren tun, Herr Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/4948. Der Antrag ist ein reiner Be

richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu.

Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des In nenministeriums – Präventionsarbeit in Baden-Württem berg – Drucksache 15/4980

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort zur Begründung Herrn Abg. Frey.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die Landesregierung für diese ausführliche Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion GRÜNE. Sie macht dreierlei deut lich: Es gibt ein vielseitiges Angebot an Prävention im gan zen Land; es gibt eine ganz bemerkenswerte geschichtliche Entwicklung von Prävention in den letzten Jahren mit den Maßnahmen, die wir daraus ableiten, und hier – auch das zeigt die Stellungnahme – sind weitere Schritte notwendig.

Die Aufzählung der vielen Angebote füllt bereits sechs der 17 Seiten dieser Stellungnahme. Das zeigt die Vielfalt und das große Engagement im Bereich Prävention im Land BadenWürttemberg auf. Gleichzeitig wird aber auch die Problema tik dieses bunten Blumenstraußes von Präventionsarbeit deut lich: Wer weiß heute noch genau, wo es welche Angebote wann gibt?

Der bundesweit praktizierte und erfolgreich evaluierte Prä ventionsansatz HaLT der Villa Schöpflin in Lörrach fehlt z. B. in der Aufzählung. Dieses Projekt wird in über 170 deutschen Städten umgesetzt. Wenn z. B in Ravensburg, Mannheim, Ludwigsburg oder Lörrach ein Minderjähriger mit Alkohol vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wird, dann wird dort vom Krankenhaus die Rufbereitschaft von HaLT in der jewei ligen Stadt informiert und schon im Krankenhaus der Erst kontakt zwischen dem Betroffenen, den Eltern und der Sucht hilfe, der Suchtberatung hergestellt. Das Ergebnis dort ist ganz konkret: zurückgehende Einweisungszahlen bei Minderjähri gen aufgrund von Alkoholmissbrauch.

Wer nimmt nach vielen Kriterien bei den vielen Angeboten denn eine wirkungsorientierte Qualitätskontrolle für all diese Programme, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme aufzählt, vor? Denn wir wissen: Prävention bringt der Gesell schaft und dem Einzelnen nur dann etwas, wenn sie auch bei den Menschen ankommt und eine Wirkung erzielt. Diese Fra gen bleiben in der jetzigen Situation häufig dem Zufall über lassen, und wären sie zu beantworten, hätten wir einen weite ren Paradigmenwechsel, wie er schon auf Seite 7 der Stellung nahme der Landesregierung beschrieben wird.

Doch leider brauchen diese Paradigmenwechsel häufig äuße re Anlässe, wie z. B. der schreckliche Amoklauf von Winnen den einer gewesen ist. Denn vor allem durch diesen bedauer lichen Vorfall und durch die parallel laufenden wissenschaft lichen Diskussionen orientierte sich die Prävention grundle gend um. Stand noch in den Siebzigerjahren bis in die Neun

zigerjahre oft die defizitorientierte Prävention mit Program men nach dem Prinzip der Abschreckung von unerwünschtem Verhalten im Vordergrund, wandelte sich in den letzten Jah ren die Prävention und rückte zunehmend die Frage ins Zen trum: Welche Fähigkeiten und Eigenschaften erhalten die Menschen gesund?

Wir wissen eigentlich seit der Jahrhundertwende, dass eine Prävention, die ihren Fokus auf die Ressourcen der Menschen legt, diese viel besser erreicht und viel bessere Wirkungen er zielt. Wenn wir alle rechtzeitig damit anfangen und dabei mit einem umfassenden Präventionsbegriff arbeiten, läuft es noch besser. Abgrenzungsleistungen zwischen Berufsdisziplinen oder Ministerien sind hier überflüssig. Es ist mittlerweile auch erwiesen, dass eine gleichberechtigte Kombination von ver haltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen die Wirksam keit von Präventionsmaßnahmen erhöht. Das heißt, wir müs sen die gesundheitsfördernden Verhältnisse verbessern – z. B. ein gutes Klima in den Schulen schaffen –, gleichzeitig aber auch die individuellen Schutzfaktoren der Kinder und Jugend lichen stärken.

Mit „stark.stärker.WIR.“, aber auch mit den nun implemen tierten Ansätzen der Präventionsmaßnahmen nach dem Run den Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ von unserem Mi nisterpräsidenten zeigt das Land, dass es die neuesten wissen schaftlichen Erkenntnisse in sein politisches Handeln mit ein bezieht. Die enge Zusammenarbeit aller Ministerien ist hier für unerlässlich.

Politik und Gesellschaft müssen heute ihre Anstrengungen auf einen umfassenden Präventionsansatz konzentrieren und dür fen nicht wie früher mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Welt laufen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Wir freuen uns, dass die Landesregierung in den Ziffern 7 und 8 ihrer Stellungnahme den Handlungsbedarf für eine bessere Koordination und Qualitätssicherung in diesem Handlungs feld anerkennt. Sie macht auch deutlich, dass Prävention min destens kostendeckend ist. Es gibt Studien, die sogar einen Faktor 4 für Prävention errechnen. Das heißt, jeder Euro, den Sie heute in eine wirksame Prävention einsetzen, erspart 4 € Folgekosten. Für die betriebliche Gesundheitsförderung – das kann man in dieser Stellungnahme auch nachlesen – errech net die Landesregierung sogar einen Faktor von 16. Also, un sere grün-rote Landesregierung weiß: Prävention rechnet sich.

Um die Effizienz noch mehr zu steigern, ist eine vernetzte Zu sammenarbeit aller beteiligten Verwaltungsstellen, aber auch aller Kooperationspartner in der Zivilgesellschaft und in den Verbänden notwendig. Dies gelingt in einzelnen Fällen auf kommunaler Ebene schon ganz gut. Mit dem Präventionskon zept „Lebenswerter öffentlicher Raum“ unseres Ministerprä sidenten befähigen wir ab diesem Jahr mit Haushaltsmitteln weitere Kommunen dazu, und auf Landesebene können wir uns an den funktionierenden interdisziplinären kommunalen Präventionsansätzen ein gutes Beispiel nehmen und dieses ko ordinierte Sucht-, Kriminalitäts- und Gewaltpräventionsmo dell auf die Landesebene übertragen. Das, was lokal auf der untersten Ebene klappt, könnte auch auf der oberen, auf Lan desebene, funktionieren.

Ein Landespräventionsrat könnte hier sicherlich eine zentra le Rolle spielen. Er hätte z. B. die Aufgabe, das Land, aber auch die kommunalen Gremien zu unterstützen; er könnte Konzepte entwickeln; er könnte die Sicherung und Verbesse rung von Qualität in Sucht-, Kriminalitäts- und Gewaltprä vention vorantreiben, und er könnte einen Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Disziplinen herstellen. Er könn te auch mit Institutionen der Sucht-, Kriminalitäts- und Ge waltprävention auf Landes- und Bundesebene kooperieren. Auf Bundesebene wird ja gerade ein Bundespräventionsge setz entwickelt.

Wir sollten im Rahmen der anstehenden Gesetzesvorhaben auf Bundes- und Landesebene tatsächlich ernsthaft prüfen, ei nen Landespräventionsrat einzusetzen, in den aus meiner Sicht natürlich auch zivilgesellschaftliche Akteure mit ihrem Knowhow einbezogen werden müssen.

Wir danken der Landesregierung für diese qualitativ gute und umfassende Stellungnahme und sind sicher, dass wir in unse ren gemeinsamen Anstrengungen in dieser wichtigen Ange legenheit nicht nachlassen werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Throm das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Die Fraktion GRÜNE hat mit dem Antrag eine umfassende Darstellung der Präventionsarbeit in Baden-Württemberg begehrt und auch die Begründung eines Landespräventionsrats ins Spiel gebracht. Ganz so eilig scheint es die Fraktion jedoch nicht gehabt zu haben, nachdem der Antrag über ein Jahr in der Schublade lag.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das ist doch normal! Die kommen nach den Drucksachennummern auf die Tagesordnung, lieber Herr Kollege!)

Aber zur Sache: Richtig und gut ist, dass in Baden-Württem berg Prävention in vielfältiger Art und Weise stattfindet. Prä vention ist wichtig. Und wenn die Präventionsmaßnahmen gut, fachkundig, mit einem langen Atem angegangen werden, dann haben sie eine hohe Wirkung bei den betroffenen Perso nenkreisen, aber insbesondere auch eine hohe ökonomische Effizienz. Auch dies wird in der Stellungnahme deutlich dar gestellt.

Wir wollen dies schon zum Anlass nehmen, allen Personen, die sich hier einbringen – sei es beruflich, also hauptamtlich, aber auch ehrenamtlich –, Danke zu sagen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wie aus der Stellungnahme der Landesregierung deutlich wird, gibt es in Baden-Württemberg eine große Vielfalt an Präventionsmaßnahmen. Das ist zunächst die Kriminalprä vention, also Präventionsmaßnahmen gegen Jugendkrimina lität, gegen Rechtsextremismus – ich will hier aber auch den Linksextremismus ansprechen –, gegen sexuelle Gewalt und – ganz aktuell – selbstverständlich auch in Bezug auf Woh

nungseinbrüche. Weiter nenne ich die Maßnahmen zur Ver meidung alkoholbedingter Jugendgewalt und die Verkehrs prävention, die ebenfalls ganz unterschiedliche Zielgruppen hat: Biker, Motorradfahrer, Schüler, aber auch Radfahrer. Es geht hier also um ganz unterschiedliche Themengruppen und Zielgruppen.

Dann geht es weiter mit dem Bereich des Gesundheitswesens, und zwar mit der Landesinitiative „Gesund aufwachsen und leben in Baden-Württemberg“ oder – hier liegt der Schwer punkt insbesondere auf der Suchtprävention – mit psychoso zialen Beratungsstellen, Kontaktläden sowie kommunalen Suchtbeauftragten. Aber ich will hier auch die Tabakpräven tionskampagne „Be Smart – Don’t Start“ nicht unerwähnt las sen. Es sind also ganz unterschiedliche Themengruppen.

Wenn Sie, Herr Kollege Frey, jetzt fragen: „Wer hat denn hier noch den Überblick über die ganze Vielfalt?“, dann hoffe ich doch, Ihre Landesregierung hat diesen Überblick nicht verlo ren. Da Sie aber offensichtlich die Befürchtung haben, dass der Überblick verloren gehen könnte, bringen Sie einen Lan despräventionsrat ins Spiel. Ich will Ihnen nicht verheimli chen, dass der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich dies gelesen habe, war: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis.“ Hier soll er eben Präventionsrat heißen.

Die Landesregierung sagt Ihnen freundlich eine ergebnisoffe ne Prüfung zu, um dann aber durchaus eine eher zurückhal tende Position einzunehmen. Denn auch die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Vernetzung und Ressourcenbün delung, die Ihrer Begründung zufolge durch einen Präventi onsrat entstehen soll, auch durch eine gute Kooperation der einzelnen Ministerien und eine entsprechend auskömmliche Ausstattung dort möglich ist. Ich hoffe doch, dass in Ihrer Landesregierung die Kommunikation funktioniert. Die Aus stattung mit Ressourcen ist in der Tat Sache der Landesregie rung und der sie tragenden Fraktionen.

Herr Kollege Frey, ich möchte aus der Stellungnahme zu Zif fer 5 des Antrags zitieren:

Aus fachlicher Sicht sind von einer weiter gehenden fä cherübergreifenden Bündelung der ressortspezifischen Präventionsbereiche keine darüber hinausgehenden po sitiven Effekte zu erwarten. Vielmehr bestünde die Gefahr, dass durch eine Verbreiterung des Gremiums und ihren Aufgaben die jeweilige fachliche Spezifizität abnimmt.