Um ehrlich zu sein: Den Schluss Ihrer Rede fand ich am stärksten, und zwar den klaren Appell, dass alle, die zu uns kommen, letztlich gefordert sind, weil es zwingend ist, sich an diese eine Rechtsordnung, nämlich an die unseres Landes, zu halten. In diesem Punkt will ich Ihnen ausdrücklich zustim men.
Weil Sie noch beispielhaft die Religionsfreiheit genannt ha ben, würde ich gern ergänzen wollen, dass alle Länder, die von uns die Religionsfreiheit erwarten, den Christen in glei cher Weise ermöglichen sollten, in ihren Ländern als Chris ten leben zu können. Auch das gehört zu Toleranz und zu Re ligionsfreiheit über unser eigenes Land hinaus.
Herr Ministerpräsident, ich will, um auch diese Facette deut lich zu machen, wiederholen, dass jede Landesregierung, die im Moment mit dieser Herausforderung konfrontiert wird, na türlich vor großen Problemen steht und es bei keiner Landes regierung, egal in welcher politischen Farbkonstellation, nicht auch Holprigkeiten gäbe. Das sehen wir auch, wenn wir in an dere Länder der Bundesrepublik Deutschland schauen.
Was mir an Ihren Ausführungen gleichwohl missfällt: Ich ver misse ein gerüttelt Maß an Selbstkritik. Dass zu vieles in Ba den-Württemberg bei der Bewältigung der Unterbringung von Flüchtlingen nicht funktioniert, geht auf Ihr Konto, Herr Mi nisterpräsident. Auch darüber müssen wir sprechen.
Sie haben gesagt: „Wir betreiben Krisenmanagement so gut, wie wir es eben können.“ Das ist vielleicht das Problem.
Sie haben auch gesagt, Sie brauchten keine Brandbriefe, und weisen gleichzeitig darauf hin, Sie hätten einen Brandbrief an die Kanzlerin geschrieben. Ich denke, Sie sollten Ihr Verhält nis zu Brandbriefen klären.
Entweder machen Brandbriefe Sinn; dann war der an die Kanzlerin sinnvoll. Oder sie machen keinen Sinn; dann hät ten Sie sich auch den an die Kanzlerin sparen können.
Aber wichtiger als Brandbriefe sind Problemlösungen. Es ist natürlich völlig richtig – das diskutiert doch niemand weg –, dass da auch der Bund in der Verpflichtung ist und wir noch mehr Personal im Bundesamt benötigen.
Dass viele von den jetzt bereits bewilligten Stellen noch nicht besetzt sind, ist auch richtig. Aber, meine Damen und Herren, es ist zu kurz gesprungen, die zu lange Dauer von Asylverfah ren in diesem Land immer ausschließlich mit Defiziten beim Bundesamt zu begründen. Dafür haben Sie zu viele Möglich keiten der Verfahrensbeschleunigung in Ihren eigenen Hän den, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei der CDU – Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Dr. Markus Rösler: Haben Sie nicht zugehört? Ein tauber Wolf ist schlecht!)
Es gibt Entscheidungen, die seitens der Landesregierung auf den Weg gebracht werden können. Es gibt die Möglichkeit, bei der Unterbringung zu trennen und jene, die erkennbar kei ne Bleibeperspektive haben, gezielt an einem Standort unter zubringen und die Zuständigkeiten auf diesen Standort aus zurichten.
Herr Ministerpräsident, ich wiederhole mich. Ich verweise auf die Erfahrungen, die Anfang der Neunzigerjahre bei der Ein richtung von Bezirksstellen für Asyl gemacht wurden. Ich war damals Asylrichter und traue mir deshalb ein Urteil zu. Die Bündelung von Zuständigkeiten, die kurzen Wege über den Gang, die kurzen Wege für die Weitergabe von Akten
und die Zusammenführung unterschiedlicher Stellen tragen zur Beschleunigung des Verfahrens bei. Deshalb fordere ich Sie auf, das in Baden-Württemberg endlich auf den Weg zu bringen.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie darauf hinweisen, Zeitungs überschriften seien nicht geeignet, Defizite der Landesregie rung aufzuzeigen, dann orientieren wir uns doch einfach an den Aussagen von Kommunalpolitikern, gerade von Kommu nalpolitikern der Grünen. OB Salomon sprach von Organisa tionsversagen. Er hat das deutlich benannt.
Der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer hat nicht nur vor längerer Zeit in der „taz“, sondern auch heute etwas dazu ge sagt.
Er ist klug genug, um zu wissen, was heute passiert. Er weiß, dass heute eine Debatte im Landtag von Baden-Württemberg stattfindet. In der heutigen Ausgabe des „Mannheimer Mor gens“ war zu lesen, dass er erklärt hat:
Wir haben nicht genug Platz für alle Flüchtlinge. Und deshalb müssen wir eine klare Trennung vornehmen zwi schen den Flüchtlingen vom Balkan, die gute Gründe ha ben, um nach Deutschland zu kommen, und den Kriegs flüchtlingen, die eben noch bessere Gründe haben.
Aber nur diese Unterscheidung erlaubt es uns, für Flücht linge ohne Bleibeperspektive schnellere Asylverfahren einzuführen.
Schnellere Verfahren setzen also auch voraus, sich endlich be reit zu erklären, weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunfts ländern zu erklären, und nicht weiterhin Tauschgeschäfte und parteipolitische Spielchen zu betreiben, Herr Ministerpräsi dent.
Ebendieser grüne Oberbürgermeister Boris Palmer spricht sich auch für die Abkehr von Geldleistungen an Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern aus.
Sie müssen also noch nicht einmal das aufgreifen, was die Op position sagt. Gleichwohl finde ich, dass Sie gut beraten wä ren, angesichts einer derart historischen Herausforderung ge legentlich zu erkennen zu geben, dass nicht allein die Landes regierung die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, sondern dass es auch gute Anregungen der Opposition und der Kommunen gibt. Das wäre ein Zeichen von Größe, Herr Ministerpräsi dent.
Ich finde, Sie sollten die Sorgen und Rückmeldungen aus den Landeserstaufnahmeeinrichtungen ernster nehmen. Gestern waren es die Sozialverbände, die die Situation in Ellwangen sorgenvoll dargestellt und Abhilfe gefordert haben. Die Ein richtung in Ellwangen war für 500 bis 800 Flüchtlinge ausge legt. Nach meiner Kenntnis sind es jetzt etwa 4 000.
Ich finde, es ist nicht besonders vertrauenerweckend, wenn Sie, wie gestern in der Landespressekonferenz geschehen, sa gen, künftig würden Sie überhaupt keine Obergrenzen mehr benennen. Wer soll sich denn noch auf diese Landesregierung und das Wort eines Ministerpräsidenten verlassen können, wenn er von vornherein sagt: „Ich sage erst gar nichts mehr, dann wisst ihr nicht, auf was ihr euch verlassen müsst, und dann können wir die Dinge treiben lassen“?
Ich habe Ihnen beim letzten Flüchtlingsgipfel gesagt, dass Sie ein Getriebener sind. Sie sind bis zum heutigen Tag ein Ge triebener. Wir brauchen aber in diesem Land keinen Minister präsidenten, der sich treiben lässt, sondern einen Ministerprä sidenten, der die Probleme löst.
Wir haben heute zu Recht viel über die Rettungsdienste, über die hauptamtlich Tätigen und über die Flüchtlingshelfer ge sprochen. Übrigens ist Herr Schröder nicht das Problem. Das hat niemand gesagt. Auch wir wollen ihm herzlich für seine Arbeit danken.
Ich will noch eine weitere Personen- und Berufsgruppe be nennen – keine Zwischenfragen –, nämlich die Polizei.
Dann greife ich das gern auf, liebe Kollegin. Wenn ich das überhört habe, dann will ich das gern aufgreifen, was die Kol legin Sitzmann angesprochen hat. Ich bedaure, dass mir das entgangen ist.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das sind wir gewohnt! – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das scheint öfter der Fall zu sein!)
Die Polizei leistet angesichts dieser riesengroßen Herausfor derungen einen ungeheuren Beitrag dazu, dass die sozialen Verwerfungen in unserer Gesellschaft nicht noch größer wer den. Unsere Polizei ist in dieser Zeit gefordert wie selten zu vor.