Halten wir an einem gegliederten Schulsystem fest und ver treten die Auffassung, dass zu Verlierern gestempelte Schüle
Oder vertreten wir die Auffassung, dass Lernen in heteroge nen Lerngruppen den Schwächeren und den Stärkeren nützt?
Glauben wir, dass Eltern sich von der Hauptschule abwenden und sich in Klasse 6 mit einer erneuten Hauptschulempfeh lung abfinden werden?
(Zurufe von der SPD: Nein! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gut auswendig gelernt! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da kommt man sich ja vor wie auf dem Volkskongress!)
Die grüne und die rote Landtagsfraktion haben da eine klare Position, und diese heißt: Längeres gemeinsames Lernen nutzt den Leistungsschwächeren und den Leistungsstärkeren. Wir stehen für mehr Bildungsgerechtigkeit und nicht für weniger.
Das sehen übrigens auch die Realschulrektoren, die GEW als die stärkste Interessenvertretung der Realschullehrer sowie die internationale Forschung gleichermaßen.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei Kultusminister Andreas Stoch und seinen Mitarbeitern im Kultusministerium zu bedanken. Sie haben mit diesem Ge setzentwurf ein weiteres Mal die richtigen Weichen für eine nachhaltig positive Entwicklung der Schullandschaft in Ba den-Württemberg gestellt.
Die Änderungsanträge der CDU lehnen wir ab. Sie sind der neuerliche Versuch, die unsägliche und verkorkste Kampag ne „Wir sind die Retter der Realschule“ nachträglich zu recht fertigen.
Den Änderungsantrag der FDP/DVP lehnen wir ebenso ab. Er zeigt einmal mehr, dass diese Partei Freiheit mit Beliebigkeit verwechselt.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr gut! – Glo cke der Präsidentin)
(Abg. Klaus Käppeler SPD: Tut mir echt leid für Sie, Herr Dr. Kern! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Politik des Gehörtwerdens! – Zuruf: Herr Kern kann ja Redezeit abgeben!)
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich wiederhole mich gern noch ein mal: Beim vorliegenden grün-roten Realschulgesetz handelt es sich keinesfalls um ein Realschul-Upgrade, sondern viel mehr um einen Gemeinschaftsschul-Trojaner, liebe Kollegin nen und Kollegen.
Die Regierungsfraktionen haben diese Einschätzung damals heftig bestritten. Aber man kann ja tatsächlich einmal fragen, was das grün-rote Realschulgesetz eigentlich vom Trojani schen Pferd unterscheidet. Das Trojanische Pferd der Antike war so kunstvoll gearbeitet, dass die Trojaner ganz begeistert waren und es in ihre Stadt holten. Was dann passierte, ist be kannt.
Beim grün-roten Gemeinschaftsschul-Trojaner ist der Mum menschanz allerdings recht bald aufgeflogen. Der Verband Bildung und Erziehung sprach bereits im Dezember 2014 in einer Pressemitteilung von einer „Mogelpackung“, mit der die Realschulen „quasi von innen heraus zur Gemeinschaftsschu le gemacht werden sollen“.
Soziale Wunschvorstellungen und Sozialromantik sind ein schlechter Ratgeber, und die Frage ergibt sich an dieser Stelle zwangsläufig: Wird es künftig qualitätsorientierte Bildung nur noch an Privatschulen geben?
Große Sorgen macht sich ferner auch die Wirtschaft, die die Schülerinnen und Schüler und ihre an den Realschulen erwor bene Bildung überaus schätzt.
Im Unterschied zu den griechischen Verbündeten vor Troja wollen die Realschulen also den Gemeinschaftsschul-Troja ner gar nicht haben. Das dürfte nach dem Bekanntwerden der Studie mit dem katastrophalen Ergebnis der GeschwisterScholl-Gemeinschaftsschule Tübingen auch nicht besser wer den.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was kann es für die Koali tion eigentlich Schlimmeres als einen Trojaner geben, den Grüne und SPD für unwiderstehlich hielten, der sich aber zum Ladenhüter entwickelt? In ihrer Not fiel der Koalition nur noch die Methode „Zuckerbrot und Peitsche“ ein. Dabei ist das Zuckerbrot kein Zubrot, sondern ein notwendiges Grund nahrungsmittel für die Realschulen.
Insbesondere durch die überstürzt und unvorbereitet abge schaffte Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung stehen die Realschulen vor einer enormen Bandbreite hinsichtlich des Leistungsvermögens ihrer Schüler. Es ist im Grunde in erster Linie die schlechte Bildungspolitik von Grün-Rot, die zwingend eine bessere Ausstattung mit Personal und Finanz mitteln für die Realschule erforderlich macht, zumal die Re alschule bislang mit der bescheidensten Ausstattung auskom men musste – vielleicht gerade weil sie so verlässlich, ge räuschlos und auch erfolgreich gearbeitet hat.
Damit nicht zahlreiche Schüler ihre Schullaufbahn ohne Ab schluss abbrechen, haben die Realschulen gefordert, neben dem Realschulabschluss auch den Hauptschulabschluss an bieten zu können. Diese Forderung unterstützen wir Libera len aus Einsicht in die Notwendigkeit.
Notwendig, aber eigentlich pädagogisch selbstverständlich wäre auch, den Realschulen Kurse auf unterschiedlichen Leis tungsniveaus zu ermöglichen. Das pädagogisch Naheliegen de ist aber das von Grün-Rot Ungewollte. Man muss schon verbissen an das Bildungsparadies glauben, das die Gemein schaftsschule bringen soll, wenn man den Realschulen jetzt noch Differenzierung nach Leistungsniveaus untersagt.
Grün-Rot tut dies aber und verordnet den Realschulen darü ber hinaus noch für die Klassen 5 und 6 eine Orientierungs stufe ohne Sitzenbleiben. Offenbar misstraut Grün-Rot den Lehrerinnen und Lehrern. Dabei haben diese mittlerweile al len Grund, dieser Landesregierung zu misstrauen.
Die FDP/DVP-Fraktion appelliert eindringlich an die Koali tion: Vertrauen Sie endlich den Lehrerinnen und Lehrern. Trauen Sie ihnen endlich zu, zu entscheiden, was für ihre Schülerinnen und Schüler das Beste ist. Lassen Sie den Real schulen die pädagogische Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie Kurse auf unterschiedlichen Niveaustufen anbieten wol len oder nicht; das begehrt der erste Änderungsantrag der FDP/DVP-Fraktion. Überlassen Sie ihnen die Entscheidung, ob sie eine Orientierungsstufe ohne Sitzenbleiben einrichten wollen oder nicht; das begehrt unser zweiter Änderungsan trag. Außerdem hat die Realschule wie jede andere Schulart auch einen eigenen Bildungsplan verdient; das begehrt unser Entschließungsantrag.