Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Wir wissen – Sie haben es angesprochen –, dass eine Quote sowieso nicht infrage kommt, weil sie den Artikeln 21 – Par teien – und 38 – Wahlen – des Grundgesetzes widerspricht. Möglicherweise kann es die Doppel- und Mehrfachbelastung sein, die die Menschen heute im Beruf und dann im Ehrenamt und in der Familie haben, die dazu führt, dass man die Über nahme eines Amts ablehnt und sich nicht zur Verfügung stellt. Möglicherweise ist es aber auch so, dass die Wähler gegen über den Mandatsträgern immer fordernder werden und zu nehmend kritisch auftreten. Ich glaube, das wollen sich viele nicht antun. Das zeigten auch die im Vorfeld geführten Ge spräche. Noch nie habe ich so viel Zeit und Kraft aufgewen det, um Bürgerinnen und Bürger für eine Kandidatur zu be wegen, wie bei der vergangenen Wahl.

Wenn wir nun noch weiter gehende Bürgerrechte haben, die Entscheidungen des Gemeinderats außer Kraft setzen können, wie wir das heute in der Kommunalverfassung durch Ihre Mehrheit beschlossen haben,

(Beifall des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! So ist es!)

dann werden imperative Tendenzen verstärkt,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dann wird die Be reitschaft noch geringer! Jawohl!)

die die Bereitschaft für eine Kandidatur schmälern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Das Ehrenamt wird somit unattraktiver.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das haben wir gemeinsam verabredet! Da klatschen die! Das haben wir doch gemeinsam verabredet!)

Herr Schmiedel, wenn es gelingen soll, mehr Frauen in Ge meinde- und Kreisräte zu bringen, dann müssen Frauen Men torinnen sein. Sie müssen vor allem Frauen ermuntern, zu kan didieren, und sie begleiten. Dann müssen Frauen auch strate gisch vorgehen. Sie müssen noch mehr lernen, sich zu vernet zen, und bei der Kandidatenaufstellung muss darauf geschaut werden, wie die Frauen in der Kommune verhaftet sind. Denn

es hat sich oft gezeigt, dass manche Listen so aufgestellt wa ren, dass zwar 50 % Frauen kandidiert haben, dass es dann je doch nicht gelungen ist, 50 % der erreichten Sitze mit Frauen zu besetzen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was wollen Sie da mit sagen? – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Daher, denke ich, müssen wir noch strategischer vorgehen.

Ganz unverständlich ist mir: Es gibt 30 Gemeinden – ich ha be auch eine solche Analyse durchgeführt –, die immer noch keine Listen haben, 30 kleine Gemeinden. In diesen Gemein den, wo jeder Wähler den Kandidaten, die Kandidatin ganz frei benennen kann, ist kaum eine Frau gewählt worden. Da zeige ich mit dem Finger auf die Frauen selbst. Was für ein Bild haben denn die Frauen von ihrem eigenen Geschlecht? Da haben wir also noch einiges zu lernen.

Ich denke, dass wir bei der Besetzung der Gemeinderäte un bedingt eine ausgewogene Zusammensetzung brauchen. Die Kollegin Wölfle hat es deutlich gemacht. Überall, wo Frauen mitwirken, sind die Beschlüsse, denke ich, ausgewogener und werden auch verschiedene Gesichtspunkte mit einbezogen. Frauen sind im kommunalen Umfeld unverzichtbar. Sie ken nen dieses besser, behaupte ich, als etwa die Männer, weil sie in den Sozialisationsinstanzen unterwegs sind, weil sie wis sen, wo es Verkehrsprobleme gibt, weil sie einschätzen kön nen, wie die Nahversorgung ist und wie vielleicht die ärztli che Versorgung gefährdet ist. Insgesamt geht es darum, dass wir Menschen brauchen, die vor Ort Kompetenzen haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Böhlen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin GurrHirsch, was ich von Ihnen gerade gehört habe, war eine Re de an Ihre eigene Fraktion und wohl auch an Ihre eigene Par tei, weil Sie völlig außen vor gelassen haben, dass es in ande ren Parteien und Fraktionen andere Resultate gibt. Besonders erschreckt hat mich, dass Sie Mentorinnen nur für Frauen möchten. Ich glaube, Männer und Frauen können gleicherma ßen Mentoren und Mentorinnen gebrauchen. Nicht nur Frau en müssen also auf dem Weg in die Politik begleitet werden, sondern alle.

Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen. Ich bin schon sehr lange in der Kommunalpolitik und Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat der Stadt Baden-Baden. Als meine Kinder noch klein waren, habe ich mich einmal über eine unsägliche Ter minierung beschwert. Dann hat mir eine Kollegin von Ihnen gesagt: „Ja, Frau Böhlen, Sie hätten sich entweder für Kinder oder Politik entscheiden müssen.“

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oi! – Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Ich kann Ihnen gern das Protokoll dazu geben, Herr Kunz mann.

In Artikel 3 Absatz 2 unseres Grundgesetzes heißt es:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat för dert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechti gung von Frauen und Männern und wirkt auf die Besei tigung bestehender Nachteile hin.

Uns, meiner Fraktion, ist es ein Anliegen, dass Frauen und Männer tatsächlich gleichberechtigt Politik machen können. Leider ist das in den Gremien auf kommunaler Ebene, wie Sie es gerade auch beschrieben haben, noch nicht möglich. Es be steht großer Nachholbedarf – besonders bei Ihrer Partei und generell bei der FDP.

Bei den Gemeinderatswahlen im letzten Jahr und bei den Kreistagswahlen im Kreis Rastatt gab es keine FDP-Frauen, weder im Gemeinderat noch im Kreistag. Die ersten zehn Plät ze waren jeweils nur mit Männern besetzt. Deshalb fehlt da noch einiges.

Die vom Innenministerium mitgeteilten Zahlen machen es deutlich – die Zahlen wurden schon genannt –: 2014 waren von den Mitgliedern in den Gemeinderäten knapp ein Viertel Frauen. In den Kreistagen lag ihr Anteil bei nur 19 %, einem Fünftel. Dabei machen Frauen mehr als die Hälfte der Bevöl kerung aus. Deshalb sollten sie, finden wir, paritätisch in den Räten vertreten sein.

Die richtige Aufstellung von Wahllisten, sehr geehrte, liebe Frau Gurr-Hirsch, machen Ihnen z. B. die Grünen seit 30 Jah ren vor. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie eben ausge führt haben, ist falsch. Die Quote ist der Weg zur paritätischen Besetzung in den Kreistagen und Gemeinderäten.

(Beifall bei den Grünen)

Wir haben im vergangenen Jahr ein Signal gesetzt. Es ist ei ne Sollbestimmung, und man hätte sich daran halten können. SPD und Grüne haben es getan.

(Abg. Peter Hauk CDU: Und wie viele wurden ge wählt? – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Das sagt sie gleich!)

Dazu komme ich gleich. – Meine Partei geht da mit gutem Beispiel voran, und das schon von Anfang an. Wir haben schon immer weitgehend paritätisch besetzte Listen gehabt. 50 : 50 gelingt nicht immer, aber im 40-%-Bereich befinden wir uns immer. Wir haben 47 % der Plätze bei den Gemein deratswahlen mit Frauen besetzt. 45 % der tatsächlich Ge wählten sind Frauen. Das heißt, das Ziel, das wir alle uns im vergangenen Jahr gesetzt haben, haben die Grünen erreicht.

Bei der Kreistagswahl sieht es ähnlich aus: Hier sind 44 % der gewählten Mandatsträger der Grünen Frauen.

Bei uns sind Frauen nicht nur in den Gremien gleichberech tigt vertreten, sie stellen auch 38 % des Führungspersonals in den Gremien. 37 % der als Fraktionsvorsitzende gewählten Mandatsträger sind Frauen.

Düster sieht es in dieser Hinsicht leider bei Ihnen aus – wenn ich Ihnen die Zahlen sagen darf –: Bei Ihnen liegt der Frau enanteil beim Führungspersonal in den Gremien bei nur 12 %. Das heißt, Sie haben einen Männeranteil von 88 %. Es wäre

spannend, zu erfahren, wie viele Ihrer Geschlechtskollegin nen dort den Fraktionsvorsitz innehaben. Aber ich denke, wenn Sie sich das einmal verinnerlichen, besteht Einigkeit: Wir müssen weiter gemeinsam – gerade für Frauen – voran gehen.

Ich möchte auch einmal kurz auf den Petitionsausschuss hin weisen: 23 Mitglieder, davon eine Frau. Auch hier wäre es schön, wenn der gesunde Menschenverstand von Frauen in diesem wichtigen Ausschuss stärker vertreten wäre. Ich bitte Sie einfach, darauf hinzuwirken, dass es so weit kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Änderung der Gemeindeordnung, die wir heute beschlos sen haben, trägt sehr viel dazu bei, das Mandat auch für Frau en attraktiver zu gestalten.

(Abg. Karl Rombach CDU: Ha!)

Herr Kollege Rombach weiß es besser.

Die Erstattung der Kosten für die Betreuung von Kindern oder zu pflegenden Angehörigen oder auch die Verbesserung der Mitwirkungsrechte der Rätinnen und Räte werten doch das Mandat auf.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!)

Sie sagen, viele Frauen könnten nicht, weil sie ihre Angehö rigen zu pflegen oder ihre Kinder zu betreuen haben, und machten es deswegen nicht. Herr Rombach, die Frauen sind immer noch im Nachteil. Das haben wir mit der Änderung der Gemeindeordnung verbessert. Deswegen würde es mich freu en, wenn wir nächstes Jahr sehr viel mehr Frauen hier sitzen haben werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es in der Stellungnahme zum Antrag gesehen: Die Frauenanteile in den Kommunalgremien steigen langsam, aber stetig. Das ist nach wie vor kein Ruhmesblatt im internationalen Vergleich, kei ne Frage. Die Einführung der erwähnten Sollvorschrift war zweifellos ein erster positiver Schritt.

Ich will heute weitere positive Aktivitäten ansprechen und auch die Landeszentrale für politische Bildung nennen, die mit dem Fachbereich „Frauen in der Politik“ seit Jahren viel fältige Maßnahmen durchführt, und zwar mit dem Ziel, den Anteil von Frauen in politischen Gremien zu erhöhen.

Das geschieht beispielsweise durch Folgendes: das Projekt TiP – Tandem in der Politik –; die Veröffentlichung „Mento ring für Frauen in der Kommunalpolitik“; die Veranstaltungs reihe „Unsere Stadt braucht Frauen – Unser Kreis braucht Frauen“; Seminare vor den Kommunalwahlen und nach den Kommunalwahlen für Frauen, die neu in den Gemeinderat oder in den Kreistag gewählt wurden; „Mehr Frauen in die

Politik“, ein Motto eines landesweiten Kongresses; der sehr gefragte E-Learning-Kurs „Mit Gender Mainstreaming zur Chancengleichheit“; verschiedene Publikationen und Bro schüren wie etwa „Bestimmen Sie mit. Informationen für kommunalpolitisch interessierte Frauen und Kandidatinnen für die Kommunalwahlen“.