Protokoll der Sitzung vom 29.10.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 141. Sitzung des 15. Landtags von Ba den-Württemberg.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Graner und Herrn Abg. Hitzler erteilt.

Krankgemeldet sind Herr Abg. Bayer, Frau Abg. Brunnemer, Herr Abg. Kunzmann, Frau Abg. Lindlohr und Herr Abg. Wald.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Frau Staatsrätin Gisela Erler, Frau Staatssekretärin Dr. Gise la Splett und Herr Minister Peter Friedrich, ab 13:30 Uhr Frau Ministerin Theresia Bauer, ab 14:30 Uhr Frau Staatssekretä rin Marion von Wartenberg und ab 15 Uhr Herr Minister Dr. Nils Schmid.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Innenministeriums – Einrichtung von Transitzonen – Drucksache 15/7488

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Fraktionsvorsit zendem Dr. Rülke.

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Das Zitat der letzten Wochen lautet:

Wir schaffen das.

Aber immer mehr Menschen in diesem Land zweifeln daran, dass wir es tatsächlich schaffen, bzw. fragen sich, was zu schaffen ist. Sicherlich schaffen wir es, 800 000 bis eine Mil lion Flüchtlinge in einem Jahr zu integrieren. Wir schaffen dies aber mit Sicherheit nicht, wenn jedes Jahr eine Million Flüchtlinge kommen und noch dazu unbegrenzt Familiennach zug möglich wird.

Deshalb ist es neben einer Willkommenskultur und neben den notwendigen Anstrengungen zur Integration auch notwendig, über begrenzende Maßnahmen nachzudenken. Wir begrüßen, dass Bundesinnenminister de Maizière den Vorschlag gemacht hat, über Transitzonen nachzudenken.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Wir begrüßen auch, dass sich der Innenminister des Landes Baden-Württemberg auf unsere Anfrage hin prinzipiell auf geschlossen gezeigt hat und für die Landesregierung die Be reitschaft bekundet hat, dies ernsthaft zu prüfen.

Wir würden uns allerdings auch wünschen, dass sich der Mi nisterpräsident zu dieser Frage deutlich positioniert. Denn es ist notwendig, dass die gesamte Landesregierung hinter sol chen Anstrengungen steht und nicht Teile der Landesregie rung auf anderem Weg solche begrenzenden Maßnahmen tor pedieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist notwendig, die Verfahren zu beschleunigen. Es ist not wendig, diejenigen, die keine Bleibeperspektive haben, rasch zurückzuführen. Es ist auch notwendig, Druck auf andere EUStaaten auszuüben.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Klaus Bur ger CDU)

Es stimmt nicht, meine Damen und Herren, dass über Rück führung bzw. Abschiebung nicht mehr nachgedacht werden müsse, weil alle Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskon vention kämen. Ich habe einmal die Zahlen für meine Heimat stadt Pforzheim abgefragt: Knapp die Hälfte derjenigen, die dorthin gekommen sind, kommen aus sicheren Herkunftslän dern. Im ganzen Land Baden-Württemberg liegt dieser Wert bei rund einem Drittel. Deshalb ist es nicht richtig, nun zu er klären, dass man über solche Maßnahmen nicht nachzuden ken brauche, weil sowieso alle, die jetzt kommen, aus Syrien kämen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben beim Gemeindetag eine denkwürdige Rede gehalten

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

und in dieser denkwürdigen Rede die Schweiz als Hort der Demokratie gelobt. Die Schweiz schafft es innerhalb von 48 Stunden, eine Entscheidung zu treffen. Ich würde mir wün schen, dass Sie sich auch an dieser Stelle an der Schweiz ein Vorbild nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Im Übrigen, Herr Ministerpräsident, werden Sie ja nicht mü de – bis hin nach China –, die Kanzlerin zu loben. In der letz ten Plenardebatte, in der Aussprache über Ihre Regierungser klärung zu diesem Thema, haben Sie mich gerügt,

(Zuruf von den Grünen: Zu Recht!)

weil ich es mir erlaubt habe, die Kanzlerin zu kritisieren. Ich darf zitieren:

Zum Schluss lassen Sie mich noch sagen, Herr Rülke: Ih re Vorwürfe gegenüber der Bundeskanzlerin haben mich schon etwas befremdet. Ich finde, die Bundeskanzlerin ist eine gute und bewährte Krisenmanagerin.

Beifall verzeichnet das Plenarprotokoll an dieser Stelle nur bei Abgeordneten der CDU. Kollege Mack hat sogar „Bra vo!“ gerufen.

(Unruhe)

Die Bundeskanzlerin, Herr Ministerpräsident, hat sich zur Fra ge der Transitzonen aber eindeutig positioniert. Am 16. Ok tober hat die Kanzlerin erklärt, sie werde nicht ruhen und ras ten, bis auch die Sozialdemokraten davon überzeugt seien. Wir würden uns, Herr Ministerpräsident – wenn Sie die Kanz lerin schon bis hin nach China loben –, also auch an dieser Stelle Gefolgschaft erwarten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Noch haben wir keine Mo narchie, Herr Rülke!)

Stattdessen setzen Sie sich mit Ihrem einstmaligen Kronprin zen Boris Palmer auseinander, der auf Facebook erklärt hat:

Sollten die hohen Standards bei der Unterbringung und bei den Integrationsbemühungen beibehalten werden, dann muss man Maßnahmen ergreifen, die die Zugangs zahlen begrenzen.

Das sagte Boris Palmer.

In den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 23. Oktober erklärte er:

Allein zu sagen, wir schaffen das, wie es die Bundeskanz lerin tut, damit ist es nicht geschafft.

Jetzt haben Sie ja vorgestern Herrn Palmer abgewatscht und haben in ähnlicher Manier wie bei Ihrem Auftritt beim Ge meindetag erklärt, ein Oberbürgermeister solle sich da her aushalten, ein Oberbürgermeister solle sich um die Dinge kümmern, die ihn angehen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Herr Ministerpräsident, das ist genau das, was die Bürgermeis ter im Land angeht.

(Beifall der Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP und Claus Paal CDU)

Es sind nämlich die Kommunalpolitiker, die dieses Problem zu lösen haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Da kann man nicht überheblich erklären, ein Oberbürgermeis ter solle sich heraushalten.

Im Übrigen erklären dann die inquisitorischen Ideologen aus Ihrer Partei – z. B. Frau Peter im SWR –:

(Vereinzelt Lachen)

Boris Palmer ist bei uns Grünen eine Einzelstimme,...

Ist er wirklich eine Einzelstimme? Ich habe auch noch Rezzo Schlauch gehört – ich zitiere –:

(Zuruf: Wer ist das? – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

... Palmer habe mit seinen Aussagen... „die Wahrheit ge sagt“, auch wenn das bei den Grünen... auf Unverständ nis stoße.

... „Boris Palmer ist Mathematiker. Der rechnet die Zah len hoch,... und kommt... zu dem Ergebnis, dass in ab sehbarer Zeit der Punkt erreicht ist, an dem nichts mehr geht.“