(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Aber nur im Monolog, nicht im Dialog!)
Unsere bildungspolitischen Ziele lassen sich in der Ge meinschaftsschule für alle Kinder bis Klasse 10 am bes ten erreichen. Sie erschließt ein großes Potenzial: Sie schafft mehr Chancengleichheit, gewährleistet mit einer guten Ressourcenausstattung die bestmögliche individu elle Förderung und sichert insbesondere in ländlichen Räumen wohnortnahe Schulstandorte...
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der Vorlesetag ist erst am 20. November, Herr Kollege! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ich fange gleich an zu weinen!)
Nein. Es muss Ihnen nicht unangenehm sein, dass Sie das nicht mehr wissen: Das ist Ihr Koalitionsvertrag.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Zuruf von der SPD: Zu 90 % umgesetzt!)
Mit der Gemeinschaftsschule verspricht Grün-Rot der Bevöl kerung eine eierlegende Wollmilchsau. Die soll nicht nur pä dagogisch alles können, sondern auch Schulstandorte bündeln und gleichzeitig sichern.
Aber trösten Sie sich, meine Damen und Herren von GrünRot, die eierlegende Wollmilchsau ist auch sonst noch nir gends gefunden worden. Dafür haben Sie jedoch den sprich wörtlichen Bock nicht nur zum Gärtner gemacht, Sie behaup ten sogar, ohne rot zu werden, der Bock pflege den wohlbe stellten Garten einfach viel besser, als es zuvor der Gärtner getan hat.
Das zeugt schon von einem sehr stark ausgeprägten Selbstbe wusstsein, um es einmal zurückhaltend zu formulieren.
Was der Bock dann tatsächlich im Garten anstellt, zeigt sich beispielhaft auf der Laichinger Alb. Eine Gemeinschaftsschu le am zentralen Ort würde höchstens den umliegenden und von Grün-Rot ohne Privilegien ausgestatteten Haupt- und Werkrealschulen das Wasser abgraben. Dass das breite schu lische Angebot für den ländlichen Raum erhalten bleibt, er klärt Grün-Rot so: Die Gemeinschaftsschule bietet, zumindest theoretisch, alle Schulabschlüsse an. Also braucht man Haupt- und Werkrealschulen eigentlich nicht mehr – im Grunde ja Realschulen und Gymnasien am liebsten auch nicht mehr.
Mit den Gymnasialeltern sollte man sich aber im Angesicht herannahender Wahlen besser nicht anlegen, wie uns der Mi nisterpräsident immer wieder erklärt. Aber praktischer wäre es in den Augen von Grün-Rot halt schon, wenn die Gymna sien aufgeben würden.
Dann könnten nämlich die Gemeinschaftsschulen auf die be gehrten Gymnasiasten hoffen. Diesen Traum hat Grün-Rot aus wahltaktischen Gründen vorläufig auf Eis gelegt und spricht von einem Zweisäulensystem,
ohne aber wirklich plausibel darlegen zu können, welchen Mehrwert diese Zweisäuligkeit eigentlich bringen soll.
Was für den Erhalt eines möglichst vielfältigen Schulangebots in der Fläche des Landes aber tatsächlich nötig wäre, sind mehr Flexibilität und mehr Eigenverantwortung vor Ort. Grün-Rot liefert indes ausschließlich das starre Einheitsangebot, das nicht nur das Schulsterben beschleunigt, sondern auch schu lische Vielfalt verhindert.
Zu einer umfassenden regionalen Schulentwicklung und ei ner fairen Ausstattung der Schularten fehlt Grün-Rot der Mut. Womöglich hätten sich dann die Verantwortlichen vor Ort nur in Ausnahmefällen für die Gemeinschaftsschule entschieden.
... die untere Schulverwaltung dazu zu bevollmächtigen, Ausnahmen von den starren Mindestschülerzahlen ent sprechend der räumlichen Gegebenheiten zuzulassen.
Nach § 30 b Absatz 2 Satz 4... erfolgt die Aufhebung ei ner Schule trotz zweimaliger Unterschreitung der Min destschülerzahlen dann nicht, wenn ein entsprechender Bildungsabschluss nicht in zumutbarer Erreichbarkeit von einer anderen öffentlichen Schule angeboten wird. Ande re Ausnahmen von den Mindestschülerzahlen sind vom Gesetz nicht vorgesehen.
Hier haben wir es schwarz auf weiß: Grün-Rot will die Flexi bilität schlicht nicht zulassen. Statt aber zu sagen: „Das ist un
ser Wille“, verstecken Sie sich lieber hinter der abstrakten For mulierung im Gesetz. Dabei hätten Sie die Mehrheit, das Ge setz zu ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen von GrünRot.
Vielleicht dämmert es Ihnen aber auch allmählich, dass die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg Ihre bildungs politische Bevormundung und Irreführung satt haben und sich dagegen auch zu wehren beginnen. Denn Bildung und Eman zipation sind schließlich zwei Seiten derselben Medaille, und das sollten Regierende nie vergessen.
Ihre Vorstellung von Wahlfreiheit – weil Sie ja immer sagen, niemand werde gezwungen, eine Gemeinschaftsschule einzu richten – heißt bei Ihnen für viele Gemeinden im ländlichen Raum: Gemeinschaftsschule oder keine Schule.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Sehr gut, Kollege Kern!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir soll ten uns alle einig sein, dass es Aufgabe einer verantwortlichen, aber vor allem auch nachhaltigen Politik ist, in den verschie denen gesellschaftlichen Bereichen – im Kern natürlich zwin gend auch in der Bildungspolitik – dafür Sorge zu tragen, dass Menschen in Baden-Württemberg gleichwertige Lebensver hältnisse vorfinden. Niemand soll durch seinen Wohnort grund legende Vor- oder Nachteile haben, unabhängig davon, ob der Mensch in einer eher ländlichen oder in einer eher städtisch geprägten Region lebt, das heißt unabhängig davon, ob er im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb, in Mannheim oder in Stuttgart zu Hause ist.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss es unser Anliegen sein – in allen politischen Bereichen, in allen gesellschaftlichen Bereichen und vor allem natürlich auch im Bildungsbereich –, dass gute Bildungsangebote für Menschen in unserer Wissensgesellschaft erreichbar sind. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht die Verfügbar keit von Schulen im Kern der Frage, ob wir für gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Land Baden-Württemberg sor gen können.
Diese Balance, meine sehr geehrten Damen und Herren, droh te durch die Entwicklung der vergangenen Jahre – Ihnen al len ist das Thema Demografie bereits seit einigen Jahren be kannt – aus dem Gleichgewicht zu geraten. Jetzt gehen wir einmal in das Jahr 2011 zurück und betrachten die Schulland schaft in Baden-Württemberg, diese Schullandschaft, die näm lich Gefahr lief, genau diese Gleichwertigkeit der Lebensver hältnisse nicht mehr abbilden zu können. Denn vielen Schü lerinnen und Schülern gerade in ländlich geprägten Regionen drohte beispielsweise durch die Schließung von Schulstand
orten, weitere Schulwege absolvieren zu müssen. Deswegen war es der Wille dieser Landesregierung und der sie tragen den Landtagsfraktionen, diesen Prozess zu stoppen und Per spektiven für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg zu geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Politik und verant wortliche Politik bedeuten, dass man diese Prozesse nicht ein fach geschehen lässt. Wenn ich mir die Rede von Herrn Kol legen Traub hier am Pult anhöre,
dann habe ich jedoch das Gefühl, dass seit den Siebzigerjah ren irgendwie der Rollladen verklemmt ist. Man hat damals das Fenster geschlossen und seither die Realität vollkommen ausgeblendet.