dann habe ich jedoch das Gefühl, dass seit den Siebzigerjah ren irgendwie der Rollladen verklemmt ist. Man hat damals das Fenster geschlossen und seither die Realität vollkommen ausgeblendet.
Denn, sehr geehrter Herr Kollege Traub, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit den Siebzigerjahren ist in diesem Land et was passiert. Seit dieser Zeit hat sich leider die Geburtenrate in diesem Land, einem reichen, entwickelten Industrieland, in einem Maß reduziert, dass wir alle bereits heute mit den Fol gen zu kämpfen haben. Wir wissen, dass heute die Geburten rate bei knapp 1,4 Kindern liegt, während sie in den Siebzi gerjahren noch bei 2,5 Kindern lag. Daraus resultiert, dass wir bereits jetzt Schwierigkeiten haben, die Schulstruktur auf rechtzuerhalten und die Schulstandorte zu sichern.
Herr Kollege Traub, wenn Sie hier behaupten, das habe 2011 begonnen, negieren Sie sämtliche Fakten. Sie reden an der Wirklichkeit vorbei, oder, kurz gesagt, Sie sagen die Unwahr heit.
Sogar in Ihrer Fraktion war bereits ein Erkenntnisgewinn vor handen. Denn bereits in Ihrer Fraktion – ich zitiere z. B. die frühere Kultusministerin Annette Schavan – wurde sinnge mäß bereits vor gut sieben bis acht Jahren gesagt: Den Trend „Weg von den Hauptschulen“ – oder später Werkrealschulen – werden wir innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems nicht stoppen. Wir brauchen ein anderes Schulsystem. Wir brauchen ein zweigliedriges Schulsystem.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Aber keine Ge meinschaftsschule! – Zurufe der Abg. Karl Zimmer mann CDU und Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Darin wird Ihnen doch bereits deutlich, dass es Schulen ge ben muss, die mehrere Bildungsabschlüsse anbieten. Oder wollen Sie die Zahl der Bildungsabschlüsse reduzieren?
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Nein! Wir wollen keine Ver heißungsschule!)
Herr Kollege Traub, Sie haben die Laichinger Alb herausge griffen und Beispiele angeführt. Viele der Kollegen hier im Landtag, insbesondere von SPD und Grünen, kennen Situati
onen in ihren Landkreisen mit Kommunen in der Größe von 3 000, 4 000, 5 000 Einwohnern. Diese Kommunen haben si cherlich vor einigen Jahren noch weiterführende Schulen ge habt.
Wenn Sie aber wissen, dass bei 10 000 Einwohnern derzeit statistisch 83 Kinder im Geburtsjahrgang vorhanden sind, und wenn Sie wissen, dass diese Zahlen in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen, können Sie doch bei einer Kommune mit 3 000 Einwohnern, also ca. 25 Kindern im Geburtsjahr gang, von denen wahrscheinlich 10 Kinder das nächstgelege ne Gymnasium besuchen, nicht behaupten, dass Sie im drei gliedrigen System oder überhaupt eine weiterführende Schu le allein in dieser Kommune halten werden. Wir brauchen die Zusammenarbeit von Kommunen, und die regionale Schul entwicklung ist ein Verfahren, wie wir diese Zusammenarbeit erreichen können.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Dafür brauchen wir aber keine Gemeinschaftsschule! – Zurufe der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Karl Zimmermann CDU)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dass dann, wenn diese Schulen ihr pädagogisches Konzept aufstellen, natürlich auch die Frage auftauchen muss: „Wie werden wir den Kindern in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht?“, sollte für jeden, der ein mal eine Schule von innen gesehen hat, logisch sein. Es wird nicht ausreichen – auch nicht bei einer Quote von 25 %, die es zuletzt im Bereich der Werkrealschulempfehlung gegeben hat –, dass wir nur die Kinder, die mit einer Haupt- oder Werk realschulempfehlung aus der vierten Klasse kommen, für die se Schularten, die Haupt- und Werkrealschulen, haben. Denn dann wird in einer Kommune in der von Ihnen genannten Grö ße nie eine weiterführende Schule zu halten sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zahl 16 ist nicht von uns festgelegt worden. Diese Mindestzahl zur Ausstat tung einer Klasse stammt aus dem Schulgesetz Ihrer Regie rungszeit. Es braucht doch Qualität, und Qualität muss sich auch durch die Größe einer Schule definieren. Deswegen brau chen wir auch genügend Schüler, um überhaupt Qualität an unseren Schulen zu behalten.
Unsere Erfahrungen mit der regionalen Schulentwicklung und dem Verfahren, das wir aufgelegt haben, sind äußerst positiv. Wir haben dieses Verfahren auch nicht über die Köpfe der Kommunen hinweg entwickelt, sondern wir haben dieses Mo dell gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden ent wickelt. Die kommunalen Landesverbände haben damals, als dieses Gesetz hier im Parlament beschlossen worden ist, deut lich gemacht, dass sie sich als Partner auf Augenhöhe verstan den wissen und dass sie als Partner auf Augenhöhe jetzt aktiv in die Planungen einbezogen sind. Das ist Politik für den länd lichen Raum und nicht das, was Sie bisher getan haben.
wieder über die Gemeinschaftsschule herzuziehen. Sie wis sen ganz genau, dass wir bei einer Schulstrukturentwicklung mit den demografischen Zahlen, die wir heute feststellen, ge rade für Räume wie die Laichinger Alb die Gemeinschafts schulen dringend brauchen, wenn wir den Kindern und Ju gendlichen möglichst wohnortnah ein attraktives Angebot ma chen wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die regionale Schul entwicklung und die Einführung der Gemeinschaftsschulen waren für den ländlichen Raum in Baden-Württemberg ent scheidende Schlüssel für Qualität im Bildungswesen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Aufgrund der knappen Redezeit kann ich nur noch zwei Ar gumente ansprechen.
Erstens: Mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern im ländlichen Raum, dass Sie die regionale Schulentwicklung nur deshalb eingeführt haben, um die Gemeinschaftsschule im Land Baden-Württemberg flächendeckend zu implemen tieren.
Zweitens: Herr Minister, damit knüpfe ich an Ihre letzte Aus sage an. Ihre Zahlen haben es selbst ergeben: 49 % der Ge meinschaftsschulen im Regierungsbezirk SüdwürttembergHohenzollern erreichen die Mindestschülerzahl von 40 nicht. Das ist eine gescheiterte regionale Schulentwicklung.
Mit dieser regionalen Schulentwicklung kannibalisieren Sie durch die Gemeinschaftsschulen die anderen Schularten.
Jetzt kommt der letzte Satz: Sie kannibalisieren Ihre eigenen Gemeinschaftsschulen, und damit haben Sie ein Problem mit Ihrer eigenen Politik.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/5225 (Geänderte Fassung). Abschnitt I des Antrags ist ein Berichtsteil und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.
Abschnitt II des Antrags ist ein Beschlussteil, der ein Hand lungsersuchen enthält. Wird Abstimmung über Abschnitt II gewünscht? – Das ist der Fall.
Enthaltungen? – Damit ist Abschnitt II mehrheitlich abgelehnt und Punkt 10 der Tagesordnung erledigt.