Es ist wie in der Erziehung: Wenn Sie den Kindern zu viel verbieten, ist das auch nichts. Ich denke, es wäre eher Vertrau en in die Kommunalverantwortlichen angebracht. Sie wissen auch, um was es geht; sie wissen schlichtweg, dass Spekula tionsgeschäfte verboten sind. Das wissen Kämmerer, Gemein
derätinnen und Gemeinderäte, das wissen Bürgermeister, Ober bürgermeister – egal, welcher Couleur –: Spekulationsge schäfte sind verboten. Das ergibt sich aus den §§ 77 und 91 der Gemeindeordnung, es ergibt sich aus vielen GPA-Berich ten. Insofern bedarf es, denke ich, nicht noch einer zusätzli chen Aufnahme in die Gemeindeordnung.
Zudem ist es ein ziemlich unbestimmter Rechtsbegriff. Das Wort „spekulieren“ kommt aus dem Lateinischen von dem Wort „speculari“; es bedeutet erspähen, darüber nachdenken, wie etwas, von dem man nicht viel Ahnung hat, sich entwi ckeln wird, und entsprechend handeln. Das ist die Definition von „spekulieren“. Lassen wir es so stehen. Es ist also relativ problematisch, diesen Begriff in das Gesetz zu schreiben.
Zum Schluss will ich nur noch auf eines aufmerksam machen. Ich denke, dass ein ganz wichtiges Instrument in der badenwürttembergischen Kommunalverfassung die kommunale Selbstverwaltung ist. Das heißt, die Gemeinden entscheiden über die Konditionen einer genehmigten Kreditaufnahme im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Sie treffen die Entscheidung, sie haben Vorteile und Risiken abzuwägen.
Kommunale Selbstverwaltung ist gerade in Baden-Württem berg mit seiner langen Tradition ein hohes Gut, das man nur dann einschränken sollte, wenn es dafür dringende Bedürfnis se gibt.
Dieses dringende Bedürfnis gibt es unseres Erachtens nicht, weil im Prinzip schon alles klar geregelt ist: Spekulationsge schäfte waren verboten und sind verboten. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! So ganz, Herr Kollege Hol lenbach, habe ich Ihre Argumentation nicht verstanden. Sie haben einerseits gesagt: „Darüber, was Spekulation ist, kann man streiten. Wer ein Risiko eingeht, muss dann in Gottes Na men auch mit den Folgen leben.“ Andererseits haben Sie aber den Innenminister dazu aufgefordert, den Derivateerlass zu überarbeiten.
Der Derivateerlass hat ja das Ziel, solche Spekulationsge schäfte zu unterbinden. Insofern, Herr Kollege Hollenbach, müssen Sie sich schon entscheiden: Wollen Sie, dass die Rechts aufsicht auf solche Geschäfte einwirkt, um sie zu unterbinden – wenn Sie das wollen, kann man das über den Derivateerlass oder über eine Klarstellung in der Gemeindeordnung tun –, oder wollen Sie es nicht, indem Sie sagen, man müsse in Got tes Namen dann eben mit den Folgen leben? Ganz konsistent ist Ihre Argumentation an dieser Stelle nicht.
Herr Kollege Schwarz, Sie sagen – sinngemäß –, es wäre völ lig absurd, dies zu beantragen. Dann müssen Sie mir aber ein mal erklären, warum die hessischen Grünen zusammen mit der CDU im Hessischen Landtag genau diese gesetzliche Vor gabe beschlossen haben. Offensichtlich gibt es also auch in Ihrer eigenen Partei unterschiedliche Meinungen zu dieser Notwendigkeit.
Was die Nichtigkeit anlangt: Es geht nicht darum, nun irgend jemanden – einen Kämmerer oder einen Bürgermeister – so zusagen vor seinen eigenen Geschäften zu schützen, sondern es geht darum, den Steuerzahler davor zu schützen, dass Kom munalpolitiker fehlerhaft handeln und mit dem Geld des Steu erzahlers spekulieren. Darum geht es.
Ich glaube, da wäre eine Nichtigkeit eines solchen Geschäfts durchaus hilfreich. Dann hätten nämlich Banken – oder wer auch immer solche Spekulationsgeschäfte anbietet – keine Motivation mehr, ein solches Angebot zu machen, wenn sie dann vor Gericht die Feststellung der Nichtigkeit fürchten müssten.
Herr Kollege Heiler, ich bin dankbar für Ihre Fürsorge für FDP-Bürgermeister. Sie haben natürlich all jene aus der eige nen Partei unterschlagen, die ebenfalls solche Geschäfte ge macht haben und dabei auf die Nase gefallen sind.
Das habe ich mir gedacht. Deshalb habe ich auch ein bisschen nachgeforscht, Herr Kollege Heiler. Ich empfehle Ihnen zur Lektüre einen ZEIT-Artikel vom 12. März 2009 mit dem Ti tel „Für dumm verkauft“. Mit „dumm“ waren einige Sozial demokraten gemeint. Darin wird z. B. der Fall Bochum be schrieben, wo 90 Millionen €
Moment, ja, ja; nur die Ruhe – von einer sozialdemokrati schen Oberbürgermeisterin versenkt wurden. Sie hat das dann mit Termindruck begründet.
Die Grünen, ihr Koalitionspartner, versuchten, das Ge schäft mit Blick auf den damals bevorstehenden Irakkrieg sogar zur guten Tat zu veredeln. Jeder Dollar, der so dem „amerikanischen Kriegshaushalt“ entgehe, sei „ein Bei trag für den Frieden“...
Jetzt sagen Sie: Baden-Württemberg! Auch in Stuttgart gab es Vergleichbares: Verkauf des Kanalnetzes im Jahr 2002. Stuttgart gehört zu Baden-Württemberg. Sind wir uns da ei nig, Herr Kollege Heiler?
In diesem ZEIT-Artikel wird der damalige SPD-Fraktionsvor sitzende des Stuttgarter Gemeinderats, Manfred Kanzleiter, zitiert:
So distanzieren sich in Stuttgart SPD und Grüne inzwi schen von den Geschäften, denen sie zuvor begeistert zu gestimmt hatten. Selbstkritisch räumt Manfred Kanzlei ter, der SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, ein, dass „die Risiken nicht voll überschaubar“ seien und dass es sich um „moralisch fragwürdige“ Geschäfte handle, „zu lasten der öffentlichen Hand...“
Sie sehen also, Herr Kollege Heiler: Eine selektive Wahrneh mung mag zwar im Landtag von Baden-Württemberg gele gentlich erlaubt sein,
aber es liegt offensichtlich nicht in den Genen von Liberalen, dass nur Liberale solche Geschäfte machen. Vielmehr tauchen, wenn man nur ein bisschen an der Oberfläche kratzt, auch So zialdemokraten auf, die bei solchen Geschäften erwischt wer den.
Frau Präsidentin, werte Kol leginnen, werte Kollegen! Ich möchte das Pforzheimer Trau ma des Kollegen Rülke nicht näher betrachten.
Denn der Diskussion und dem Thema kann man jetzt, glaube ich, nun wirklich nicht mehr viel Neues abgewinnen.
Es geht bei Ihrem Gesetzentwurf im Kern, wie gesagt, um zwei Dinge: darum, ein gesetzliches Verbot spekulativer Fi nanzgeschäfte anders zu formulieren, als es schon formuliert ist, und um Fremdwährungsdarlehen.
Ich will ausdrücklich noch einmal unterstreichen: Spekulati onsgeschäfte sind verboten. Das muss man nicht neu formu lieren; das ist so. Jemand, der sich an solche Verbote nicht hält, wird sich letztendlich auch von neuen Regelungen nicht abhalten lassen.
Wir beziehen uns da auch auf die kommunalen Landesverbän de, die glasklar erklärt haben: Eine solche Regelung ist we der erforderlich noch sinnvoll. Kollege Goll hat in einer Dis kussion vor Kurzem einmal gesagt, sie hätten nur nicht rich tig begriffen, um was es gehen soll. Ich muss ausdrücklich sa gen: Wir bauen auch in diesem Fall auf den Sachverstand der kommunalen Landesverbände und schließen uns diesem Ar gument ausdrücklich an.
Herr Kollege Hollenbach, Sie haben darauf hingewiesen: Da zu, ob ein Rechtsgeschäft spekulativ ist oder nicht, gibt es in der Tat Interpretationsspielraum. Ich habe in Diskussionen deutlich gemacht, dass sich beispielsweise die Frage stellt: Ist die Entscheidung, in festverzinsliche Darlehen oder in flexi ble Darlehen zu gehen, schon ein Spekulationsgeschäft, ja oder nein? Aber ich denke, darüber gibt es keinen großen
Streit. Dies liegt in der Tat im Bereich dessen, was wir für möglich erachten und nicht als klassische Spekulation betrach ten.
Deshalb kommt es immer darauf an, ein spekulatives Geschäft ganz konkret am Rechtsgeschäft festzumachen. Dazu taugt meines Erachtens eine gesetzliche Regelung nicht. Deshalb ist der Derivateerlass erforderlich; denn die Finanzbranche ist flexibel und reagiert relativ schnell, und eine Verwaltungsvor schrift ist wesentlich flexibler als ein Gesetz. Wir können nicht auf jede Änderung dort mit einem Gesetz reagieren, mit Ver waltungsvorschriften schon.
Deshalb haben Sie recht: Dieses Thema müssen wir jetzt sehr intensiv gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden angehen und entsprechende Formulierungen finden.
Der zweite Teil sind Fremdwährungsdarlehen. Auch da will ich, was die Notwendigkeit einer Regelung anlangt, in Erin nerung rufen: In Baden-Württemberg beträgt der Anteil von Fremdwährungsdarlehen 0,8 % der Darlehen aller Kommu nen. Ein Vergleich mit NRW: Die Gesamtsumme der Darle hen, die die Kommunen in Baden-Württemberg in diesem Be reich aufgenommen haben, beträgt gerade einmal ein Fünf undzwanzigstel der entsprechenden Darlehenssumme in NRW. Wir sehen also auch in diesem Bereich keinen Handlungsbe darf. Deshalb würden wir seitens der Regierung empfehlen, dem Gesetzentwurf der Landesregierung,