Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bis zum Jahresen de!)

bis zum Jahresende. Ich gehe einmal davon aus, dass diese Zahl inzwischen schon wieder korrigiert werden muss. Aber wenn wir diese Vielzahl sehen, dann bleiben wir bei unserer Forderung, dass wir natürlich auch unsere Verwaltungsgerich te jetzt endlich stärken müssen, dass man es nicht nach wie vor darauf zurückführen kann – –

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Machen wir doch!)

16 Stellen. Entschuldigung! 16 zusätzliche Stellen. Toll! Aber angesichts dieser Zahl muss doch nachgelegt werden. Wenn ich weiß, dass 12 000 Verfahren anhängig sind – –

(Zuruf von den Grünen: Wie viele wollen Sie denn?)

So viele, dass es reicht, lieber Kollege, dass es schneller geht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

„Ja, wie viele wollen Sie denn?“ Es muss schneller gehen. Ich meine, wenn dann hier so vielschichtig argumentiert wird – „wenn es uns endlich gelingt, die Verfahren zu beschleunigen, brauchen wir über das Taschengeld doch nicht mehr zu reden“ –, dann stellen Sie endlich die Weichen, dass die Verfahren nachhaltig beschleunigt werden.

Der zweite Punkt zu dieser Verfahrensbeschleunigung: Sie lehnen sich zurück mit Verweis auf das Modellprojekt „Dreh kreuz Heidelberg“, das ja schon ein Vorläufermodell der Ein reisezentren gewesen sein soll. Die Einreisezentren haben ei ne ganz andere Zielrichtung. Da geht es um klassische Be schleunigung. Das hat mit dem Drehkreuz in Heidelberg nichts zu tun. Also auch da gilt natürlich die Devise dessen, was wir immer gesagt haben: dass wir alle Zuständigkeiten an einem Ort bündeln, so wie es einst bei den Bezirksstellen für Asyl der Fall war – von der Erstaufnahme, von der Regis trierung bis zur verwaltungsgerichtlichen Abwicklung, bis zur Abschiebung alles an einer Stelle räumlich verbinden. Anfang der Neunzigerjahre konnten wir den Beleg liefern, dass Asyl verfahren dadurch deutlich beschleunigt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Reden Sie nicht nur, Herr Ministerpräsident, handeln Sie auch.

Dann noch einmal zu der Umstellung von Geld- auf Sachleis tungen: Ja, da wird das Paket in Berlin gelobt und hier auch vor dem Parlament vorgetragen; man lässt sich für den gro ßen Schulterschluss feiern. Sie konnten uns auch heute nicht überzeugen, dass Sie wirklich gewillt sind, diesen Umstieg von Geld- auf Sachleistungen konsequent zu betreiben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Sie haben sich wieder hinter der Bemerkung „nur bei zumut barem Verwaltungsaufwand“ versteckt, Herr Ministerpräsi dent.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Mir würden in der Landespolitik viele Bereiche einfallen, in denen diese grün-rote Regierung einmal zum Entbürokratisie rer der Nation werden könnte, aber bei der Umstellung von Geld- auf Sachleistungen ist das nun wirklich der falscheste aller denkbaren Ansätze.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Niko Reith FDP/ DVP)

Was die Einführung der Gesundheitskarte angeht, halte ich den Zeitpunkt für absolut ungeeignet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn es darum geht, falsche Anreize abzubauen, dann ist jetzt nicht der Zeitpunkt gegeben, neue Anreizsysteme einzufüh ren.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Deswegen sind wir gegen die Einführung dieser Gesundheits karte. Vielleicht sollten Sie sich einmal die Zeit nehmen, mit niedergelassenen Ärzten, deren Wartezimmer heute schon überquellen, einfach zu reden, wie sie zur Einführung der Ge sundheitskarte stehen. Vielleicht würde das Ihre Einschätzung etwas erden. Also wollen wir doch nicht in dieser Zeit, in der es darum geht, falsche Anreize zu vermeiden, weitere Effek te dieser Art erzielen. Deswegen sind wir gegen die Einfüh rung der Gesundheitskarte zum jetzigen Zeitpunkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl Zim mermann CDU: Sehr gut!)

Dann kommen wir zum Thema Abschiebung. Das ist nun ganz eindeutig Ländersache, und zwar ausschließlich Ländersache. Auch da wurden im Paket der Großen Koalition Erleichterun gen beschlossen: weniger ankündigen, zügigere Verfahren. Wenn ich dann die Zahlen in Baden-Württemberg anschaue, stelle ich fest: Da besteht durchaus noch Optimierungsbedarf. Wir wollen den Innenminister ausdrücklich unterstützen, wenn er hier die Zügel anzieht, wenn er die Zahl der Abschie bungen deutlich erhöht. Da hat er unsere Unterstützung. Aber was uns nach wie vor stutzig macht, ist, dass Sie so sehr mit dem Begriff „Rückkehrmanagement“ argumentieren. Mir ist jeder recht, der freiwillig zurückgeht.

(Zuruf von den Grünen: Na also! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Aber allein mit Freiwilligkeit wird es nicht getan sein. Wir brauchen bei denen, die nicht freiwillig gehen, auch das Sig nal einer konsequenten Rückführung, einer konsequenten Ab schiebung. Das heißt, Rückführmanagement und Abschiebe management, beides gehört zusammen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie kennen nicht einmal die Rechtsbegrif fe!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es da rum geht, Verantwortung wahrzunehmen und Zuwanderung

zu begrenzen, ist die Landespolitik in dieser Zeit maximal ge fordert, auch den Schulterschluss mit den Kommunen zu üben.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau das machen wir!)

Wir können diese große Herausforderung nicht meistern, wenn Land und Kommunen hier nicht Seite an Seite und vor allem auf Augenhöhe unterwegs sind. Da hat mich schon ir ritiert, dass Sie, Herr Ministerpräsident, die Kommunen qua si zu unteren Verwaltungsbehörden – was sie nach dem Ge setz sind – degradiert haben,

(Vereinzelt Lachen bei den Grünen)

ihnen aber in Ditzingen ausdrücklich die Augenhöhe abge sprochen haben.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Falsch! Falsche Wahrnehmung!)

Das hat die Kommunen tief getroffen.

Herr Ministerpräsident, kritisieren Sie sich selbst, lassen Sie sich von den Kommunen für diese Einschätzung zu Recht kri tisieren. Sie brauchen die Augenhöhe mit den Kommunen. Wenn Sie die Kommunen nicht als gleichberechtigte Partner bei der Bewältigung dieser Aufgabe im Boot haben, dann wird die Landesregierung und dann wird auch der Bund bei der Be wältigung dieser großen Herausforderung scheitern. Augen höhe zwischen Land und Kommunen, das muss das Gebot der Stunde bei dieser großen Herausforderung sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Die Kommunen werden in den kommenden Wochen und Mo naten natürlich auch die Grenzen der Belastbarkeit erfahren. Es gibt Signale, dass gegen Ende Januar, Anfang Februar die Liegenschaften erschöpft sind, dass es einfach nichts mehr gibt, wo man noch Flüchtlinge unterbringen kann. Deshalb, finde ich, muss man auch diese faktische Erschöpfung in vie len Kommunen und in den Möglichkeiten der Unterbringung thematisieren, aus der heraus sich ergibt, dass es so nicht end los weitergehen kann.

Verantwortung wahrnehmen heißt auch, die Helferinnen und Helfer besser zu unterstützen. Da will ich gern anbieten, Herr Ministerpräsident, dass wir das auch im Schulterschluss tun. Was würden wir vermissen, wenn wir diese vielen Flüchtlings kreise, Asylhelfer, Rettungsdienste in dieser schwierigen Si tuation nicht hätten? Deshalb, finde ich, haben diese Men schen eine noch größere Unterstützung verdient. Wir liefen sonst Gefahr, dass diese Hilfsbereitschaft auch ausblutet.

Wir brauchen professionelle Begleitung und Unterstützung für diese Helferkreise. Wir brauchen Supervision, denn sie er leben oft schwierige Situationen, die man im Nachgang be wältigen muss. Wenn wir diesen vielen Ehrenamtlichen nicht die notwendige, auch professionelle Unterstützung zukom men lassen, dann wird das Ehrenamt ausbluten, und das kön nen wir uns bei dieser großen Herausforderung zuallerletzt leisten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn ich von „Verantwortung wahrnehmen“ spreche, dann spreche ich auch über unsere Polizei. Unsere Polizei ist mehr denn je gefordert, auch ihren Beitrag zu leisten. Wir alle wis sen, dass diese Aufgabe rings um die Flüchtlingsunterbrin gung für unsere Polizei neu hinzugekommen ist. Wenn die Po lizei ausrückt, um Konfliktsituationen in Erstaufnahmeein richtungen zu bewältigen, dann sind das nicht Streifenwagen, dann sind das Mannschaftswagen, und dann ist da ein hohes Maß an Kompetenz und Einsatzbereitschaft gefordert. Des halb brauchen wir eine Stärkung der Polizei. Wir brauchen ei ne bessere Ausstattung der Polizei, und vor allem müssen wir der Polizei vermitteln, dass wir ihr vertrauen und ihr nicht misstrauen. Die Polizei ist ein wichtiger Partner bei der Be wältigung dieses großen Problems.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, Sie haben davon gesprochen, nur einen bescheidenen Einfluss auf diese Thematik zu haben. Ich würde das Wort Einfluss erset zen durch das Wort Bilanz: Es ist eine bescheidene Bilanz der grün-roten Landesregierung, was die Bewältigung dieser Auf gabe angeht.

(Lachen des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Ich möchte Sie dringend bitten, bei allem, was man auf den Weg gebracht hat, bei allem, was man miteinander getan hat, bei allem, was an den Aktionen der grün-roten Landesregie rung richtig sein mag, sich jetzt nicht in Selbstzufriedenheit zurückzulehnen. Die Menschen in Baden-Württemberg emp finden anders,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das stimmt!)

und sie wollen eine Regierung erleben, die sich der Sorgen und Ängste bewusst ist und darauf auch die richtigen Antwor ten gibt.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Rülke, bitte.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Sie haben, Herr Ministerpräsi dent, zunächst einmal die großen Linien dieser Herausforde rungen gezeichnet. In der Tat, ich stimme mit Ihnen in der Ein schätzung überein, dass es sich um eine Zeitenwende handelt, dass wir selten in der europäischen Geschichte eine derartige Herausforderung hatten wie das, was jetzt in den letzten Wo chen und Monaten auf uns zugekommen ist. Es gibt durchaus Chancen in dieser Krise, aber es gibt auch große Gefahren. In der Tat, diese Krise könnte sich zu einer großen europäischen Krise ausweiten, und der Zusammenhalt, das Zusammenwir ken Europas steht infrage.