Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

(Widerspruch bei den Grünen)

Natürlich. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Landwirte müs sen sich, wie Sie wissen, dem Markt stellen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

Ihr geplantes Umbruchverbot widerspricht der Ankündigung der Landesregierung, die Grünlandnutzung aktiver zu betrei ben. Ich hoffe, dass sich dies in nächster Zeit ändert. Deshalb bin ich gespannt, wie verantwortungsvoll die künftige Dis kussion in diesem Hause läuft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Bravo!)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Hahn.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Vielleicht zur Einstimmung ein paar Bilder vom Grünland – denn ich finde, das gehört dazu –: im zeitigen Frühjahr ein zartes Grün, bald Wechsel zu Knallgelb, dann in voller Blüte, Heimat für viele Pflanzen. Über 2 000 Arten sind in dem Grünland in Ba den-Württemberg zu Hause, die uns signalisieren, was für ein Boden, was für ein Standort dort zugrunde liegt.

Der Geruch von Heu während der Silage zeigt, es ist bald Sommer. Das Grünland ist Heimat für viele Tiere, bedeutsam für das Wild beim Absetzen der Jungtiere – pralles Leben zu jeder Jahreszeit. Es hat eine extrem hohe Wasserhaltefähig keit, auch bei Starkregen; Schmelzwasser kann ihm nichts an haben, aber auch bei Hochwasser und Überflutung sichert es unsere Mutter Erde.

Grünland hat den niedrigsten Nährstoffaustrag von allen land wirtschaftlichen Nutzflächen, Stickstoff aus der Luft ist dort jederzeit bindefähig. Dort gibt es eine ganz hohe CO2-Bin dungsfähigkeit und ganz wenig Austrag.

Damit ist es unser größter Aktivposten im Klimaschutz. Ich sage, unser Grünland ist unser Regenwald. Der baden-würt tembergische Regenwald ist das Grünland, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von den Grünen: Bravo! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Urwald!)

Leider kein Urwald, Herr Bullinger. Wir sind uns einig: Wir befinden uns natürlich in einer Kulturlandschaft und nicht im Urwald, aber von der Funktion und von der Vielfalt her ist es ganz ähnlich. Übrigens wurde es geschaffen und gestaltet von unseren Müttern und Vätern, geschaffen in der Einheit mit der Natur – ein Kulturgut erster Klasse, ein Kulturgut, das uns verpflichtet.

So, wie wir von Brasilien und Südamerika erwarten, dass sie zugunsten unserer CO2-Bilanz nicht weiter Regenwälder ab holzen, können diese Länder von uns erwarten, dass wir un ser Grünland schützen,

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Frank Men trup SPD)

auch schützen vor Begehrlichkeiten der Betriebswirtschaft. Wir alle haben gelernt – wer in Baden-Württemberg oder an derswo in Deutschland gelernt hat, weiß das –: Grünland ver ursacht für die Betriebswirtschaft und die Ökonomen nur Kos ten, Kosten wie in einem Betrieb. Herr Bullinger, Sie werden das wissen: Wir haben noch nie etwas anderes gehabt; wir pro duzieren Kosten. Darum hat es auch eine sehr problematische Wertigkeit.

Dass der Anbau von Mais als dem größten Konkurrenten ge genüber dem Grünland in letzter Zeit in der Erwartung, damit werde ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, begünstigt und durch das neue EEG noch zusätzlich forciert wurde, macht es zwingend notwendig, dass wir die Notbremse ziehen, diese ökonomische Wettbewerbssituation ausgleichen und jetzt den Klimaschutz im Bereich Grünland mit dem Stopp, dem Ver bot des Grünlandumbruchs ausführen.

Ich finde, das Wichtigste am Grünlandumbruchverbot ist Fol gendes: Es sind jede Menge Ausnahmen darin enthalten, und das Gesetz, Herr Rombach, ist bis zum Jahr 2015 befristet; es ist also nicht auf Ewigkeit angelegt, sondern es stellt eine tem poräre Situation dar. Es hat zum Ziel, die Wettbewerbssitua tion des Grünlandanbaus, die sich gerade spürbar verschlech tert, zu verbessern und die Erzeuger in eine bessere Position zu bringen. Damit soll der Notwendigkeit entsprochen wer den, Nachbesserungen beim Grünland und in der Milcherzeu gung zu erreichen.

Dadurch wird eine Art Moratorium geschaffen, um das Grün land wieder in eine bessere betriebswirtschaftliche Position zu bringen. In der Einschätzung, dass das nötig ist, gebe ich Ihnen, Herr Kollege Rombach, völlig recht. Zudem haben wir durchgesetzt, dass den Erfordernissen der betrieblichen Fle xibilität, die für die meisten Betriebe notwendig ist, entspro chen wird.

Natürlich stellt dieses Gesetz letztlich eine Einschränkung für die Bauern dar. Aber ich stelle den Bezug noch einmal her: Durch die Funktion, die das Grünland für uns in Baden-Würt

temberg hat, ist diese Einschränkung in dem genannten Zeit raum notwendig und richtig.

Dass uns Grünen Grünland lieber ist und wir dessen Ausbau in Baden-Württemberg eher noch intensivieren wollen, statt Schwarzbrache zu haben, werden Sie uns sicher nachsehen. Wir, die Regierungskoalition, sehen es schlicht als unsere Auf gabe an, uns für blühende Landschaften in unserem Land ein zusetzen.

(Beifall bei den Grünen)

Die Verabschiedung dieses Gesetzes im Jahr 2011 ist leider notwendig. Die Zusammenhänge habe ich dargestellt. Aber für mich – das möchte ich deutlich sagen – ist eine gesetzli che Regelung nur die zweitbeste Lösung. Um die Probleme wirklich zu lösen, müssen wir eine aktive Politik betreiben und damit die Politik von Gerhard Weiser fortsetzen. Wir müs sen eine aktive Politik für das Grünland in Baden-Württem berg betreiben. Das heißt, wir müssen bei der kommenden GAP-Reform die Aufnahme der Grünlandförderung in die ers te Agrarsäule forcieren; wir müssen wieder auf die Poleposi tion gelangen. Was die zweite Säule betrifft, müssen wir mit einander um die notwendigen Fördermittel kämpfen, damit wir unser Grünland in dieser Position halten können. Ich glau be, das erfüllt eine ganz wichtige Funktion.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Karl Rombach CDU – Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit angezeigt.)

Ich sehe, die Lampe leuchtet schon.

Herr Rombach, sicherlich ist das gesetzliche Umbruchverbot eine Einschränkung. Aber machen wir uns doch nichts vor: Dieser Weg ist zum jetzigen Zeitpunkt notwendig. Darum ste he ich dazu. Ich habe selbst 60 ha Grünland.

(Zuruf des Abg. Karl Rombach CDU)

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die gesetzliche Regelung richtig; denn der Druck auf das Grünland ist vorhanden, und zwar in hohem Ausmaß. Ich hoffe, Sie gehen mit uns gemeinsam den Weg, dieses Verbot umzusetzen und in den kommenden Jah ren das Grünland wieder in eine ökonomische Situation zu bringen, die es erlaubt, das Gesetz 2015 außer Kraft treten zu lassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Winkler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Rombach, Sie ha ben vorhin den Begriff „Käseglocke“ verwendet und in recht scharfer Form kritisch darauf hingewiesen, welche Nachteile dieses Gesetz mit sich bringen kann.

Ich darf eine Äußerung zitieren, die aus Ihren Reihen stammt:

Er unterstrich, dass es ökologisch durchaus sinnvoll sein könne, Grünland zu erhalten.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das Landeswap pen hängt schief!)

Es war Ihr Kollege Müller, der dies in einem Gespräch mit Landwirten gesagt hat.

Ich darf Ihnen Folgendes darlegen: Die Bundesregierung hat beschlossen, den Grünlandumbruch zu untersagen, sobald in den nächsten Jahren der Anteil des umgebrochenen Grünlands auf 7 % gestiegen sein wird. Wir sind inzwischen bei 3,8 %. – Es geht wohlgemerkt immer um umgebrochenes Grünland und nicht um umgebrochene Ackerflächen. – Wenn es zutrifft, dass die Bundesregierung einen Umbruchstopp für Grünland plant, dann ist das, worüber wir heute beraten, genau das Glei che. Wir handeln jedoch schon, bevor die Marke von 7 % er reicht ist. Wenn wir selbst keinen solchen Stopp anordnen und die 7 % nicht berücksichtigen, dann gäbe das doch keinen Sinn, und dann könnten wir es weiterlaufen lassen. Das ist al so überhaupt nichts Neues. Auch die Bundesregierung hat ge sagt: Wir wollen Maßnahmen zum Klimaschutz und zum Ar tenschutz umsetzen. All das will dieses Gesetz auch, nur eben etwas früher.

Die Bundesregierung – die von Schwarz-Gelb getragene Bun desregierung – hat damit keineswegs den Hinweis verbunden, es gebe Grund zu der Befürchtung, damit werde eine Käse glocke übergestülpt.

Worum geht es? Wir haben Gespräche mit den Landwirt schaftsverbänden sowie auch etliche Gespräche mit Landwir ten geführt. Viele Landwirte kommen zu uns und sagen: Stoppt diesen Grünlandumbruch und stoppt den vermehrten Anbau von Mais für Biogasanlagen. Wir können angesichts der Bodenpreise im Wettbewerb nicht mehr mithalten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das sind zwei Paar Stiefel!)

Es ist sehr wohl im Sinne der Landwirtschaft selbst, wenn wir hier eine Korrektur vornehmen. Denn die Unterschiede in den wirtschaftlichen Bedingungen für die Landwirtschaft – wirt schaftlich gesehen gibt es große Unterschiede zwischen dem Anbau von Energiepflanzen und dem Nahrungspflanzen- oder Futtermittelanbau – wären sonst am Ende nicht mehr zu über brücken. Insofern glauben wir nicht, dass wir der Landwirt schaft mit diesem Gesetz eine Käseglocke überstülpen, son dern wir glauben, dass wir ihr helfen, die aus dem Ruder ge laufenen Wettbewerbsbedingungen wieder zu korrigieren.

Noch ein Satz dazu: Wenn viel umgebrochen wird, dann wird es Zeit für uns, ein Umbruchverbot zu verhängen.

(Vereinzelt Beifall)

Wenn jedoch wenig umgebrochen wird, gibt es auch kein Pro blem. Insofern stellt auch dieses Gesetz kein Problem dar. Es ist kein Gesetz, das Schaden anrichtet. Es sind genügend wich tige Ausnahmetatbestände enthalten. Dabei ist zunächst ein mal die Befristung zu nennen. Es gibt nicht viele Gesetze, die befristet sind; dieses Gesetz ist befristet, und zwar aus gutem Grund. Betriebliche Härten werden vermieden; eine Bagatell grenze ist enthalten usw. Es gibt also keinen Grund, vor die sem Gesetz zu warnen oder Schreckensbilder zu entwerfen.

Es geht in diesem Gesetz noch um etwas anderes, nämlich um Kurzumtriebsplantagen und Weihnachtsbaumplantagen. Auch dort haben wir die Situation, dass in manchen Landstrichen diese Probleme überhaupt nicht existieren, in anderen Land

strichen aber landwirtschaftliche Nutzflächen oder Grünflä chen zum Zweck der Anlage von Kurzumtriebsplantagen um gebrochen werden. Auch zu diesem Thema gibt es vor Ort Stimmen, Menschen, die dies nicht wollen.

Deshalb sieht dieses Gesetz vor, dass es nicht automatisch das Recht gibt, solche Anpflanzungen vorzunehmen. Vielmehr soll die Gemeinde mitbestimmen können, ob auf ihrer Gemarkung Kurzumtriebsplantagen angelegt werden können oder nicht. Das ist vernünftig. Denn auch eine Landschaft oder ein Land schaftsschutzgebiet können Eigenschaften aufweisen, die es zu erhalten gilt, sodass es notwendig werden kann, darüber zu befinden, ob ein bestimmter Anbau genehmigt werden soll oder nicht.

Der Grund für den verstärkten Druck auf Grünlandflächen liegt zurzeit sicherlich vornehmlich in dem Bedarf an Ener giepflanzen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Grünlandflächen kommt noch mehr Druck zu, nämlich auf grund des steigenden Bedarfs an Eiweißpflanzen, die bei uns angebaut werden. Bislang beziehen die Landwirte die Eiweiß pflanzen vor allem aus Übersee, aus Amerika, aus Brasilien und aus Argentinien. Die Preise für solche Importe sind je doch sprunghaft angestiegen, und hier gibt es natürlich einen Zusammenhang zu den Energiepreisen: Von der Energie, die für den Anbau dieser Eiweißpflanzen benötigt wird, stehen in diesen Pflanzen noch 60 % zur Verfügung. Diesen stehen dann 40 % gegenüber, die über die Fleisch- und Milchleistung der Kuh an Energiegehalt übrig bleiben. Es ist also die teuerste Form der Fütterung, hierfür Eiweißpflanzen zu importieren.

Insofern denkt die Landwirtschaft zu Recht darüber nach, wie es gelingen kann, vermehrt Eiweißpflanzen und Kraftfutter im Land selbst anzubauen, statt aus der ganzen Welt zu importie ren. Wenn der Anbaudruck also noch zunimmt, wirkt sich das hauptsächlich auf die Grünlandflächen aus. Deshalb ist es sinnvoll, diese Flächen jetzt mit einem Umbruchverbot zu be legen. Wir bewegen uns dabei an der Seite der Naturschutz verbände und gehen auch konform mit einer Reihe von Ein zelinteressen der Landwirte selbst. Vor allem jedoch sind wir – das ist gar nicht schlecht – auf einer Linie mit dem Vorha ben der Bundesregierung, das Umbruchverbot zur Verhinde rung der Überschreitung eines bestimmten Grenzwerts einzu setzen. Wir sind dabei nur ein paar Jahre früher dran.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber gegen die praktizierenden Landwirte!)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.