Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Denn Sie sehen doch, dass die Schulform angenommen wird und dass die Eltern den Pädagoginnen und Pädagogen in die sem Land vertrauen. Dann lassen Sie uns doch darüber nach denken, wie wir nachhaltige Antworten auf die Fragen geben,

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

die sich aufgrund der Schulentwicklung schon für die nächs te Jahre abgezeichnet haben: Wie stelle ich eine ortsnahe Ver sorgung mit einer leistungsfähigen weiterführenden Schule si cher? Wie können wir Antworten auf die neuen Herausforde rungen im tatsächlichen und im beruflichen Leben geben? Wie bereiten wir junge Menschen darauf vor? Dafür bedarf es ei ner modernen Pädagogik. Wir haben dafür das Know-how im Land, und wir lassen sie endlich zu.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist ein Land, das in vielen Bereichen der Wirtschaft die Modernisierung im mer vorangetrieben hat. Nur in der Bildungspolitik sind wir in den letzten Jahren weit unter unseren Möglichkeiten ge blieben, was Entwicklungsprozesse angeht. Da haben wir ei nen Nachholbedarf. Wir haben diesen Bann endlich gebro chen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir werden zeigen, dass wir Chancengerechtigkeit und gute, herausragende Leistungen in diesem Land weiterhin entwi ckeln und tragen können. Damit halten wir dieses Land an der Spitze.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Schauʼn wir mal!)

Meine Damen und Herren, ich möchte im Folgenden kurz auf die wichtigsten Eckpunkte des Gesetzentwurfs, die auch durchaus schon Gegenstand der Debatte im Bildungsaus schuss waren, eingehen:

Die Gemeinschaftsschulen umfassen im Kern die Sekundar stufe I mit den Klassen 5 bis 10. Sie können auch die Grund schule umfassen. Die Sekundarstufe II kann ab einer Mindest schülerzahl von 60 Schülern eingerichtet werden.

Die Gemeinschaftsschule muss in der Regel zweizügig sein; ausnahmsweise kann sie auch einzügig sein. Aber wir haben gesehen, dass dann, wenn das Angebot vorhanden ist, die Nachfrage so groß ist, dass die Menschen in der Tat mit den Füßen abstimmen.

An der Gemeinschaftsschule wird nach den Bildungsstandards der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums unter richtet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wie geht das?)

Selbstverständlich arbeiten an der Gemeinschaftsschule Leh rer aller Schularten.

Gearbeitet und gelernt wird in heterogen zusammengesetzten Lerngruppen, und es werden innovative pädagogische Kon zepte angewandt und weiterentwickelt.

Das Entscheidende ist ein wirklich funktionierender Mix aus Lehrerinput, Selbstlernphasen und konsequenter individuel ler Förderung der Stärken jedes Schülers und jeder Schülerin.

An der Gemeinschaftsschule können deshalb auch alle wei terführenden Schulabschlüsse gemacht werden. Nicht zuletzt das macht die große Attraktivität dieser Schule gerade auch im ländlichen Raum aus.

Die Noten werden durch differenzierte Leistungsbeurteilun gen ergänzt. Es gibt verbale Rückmeldungen zum konkreten Lernfortschritt. Das ist ein sehr großes Plus nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, sondern gerade auch für die Eltern, weil sie auf diese Weise viel besser als nur über Noten ein schätzen können, was ihre Kinder tatsächlich können und wo sie noch Nachholbedarf haben.

Eine Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse wird es nicht geben, allein deshalb, weil das Sitzenbleiben keinen wirklich positiven Effekt hat. Wenn es denn so ist, dass Schülerinnen und Schüler in einem Bereich Schwächen haben, dann macht es keinen Sinn, dass sie letztlich den gesamten Stoff einer Schulklasse wiederholen müssen. Wir werden durch konse quente Unterstützung und individuelle Förderung zeigen, dass sich jeder Schüler optimal entfalten kann.

Die Gemeinschaftsschule ist eine verbindliche Ganztagsschu le. Wir haben heute gerade darüber gesprochen. Selbstver ständlich ist das ein wichtiger Entwicklungsbaustein in unse rer Schullandschaft. Denn all die Kinder, die in eine Gemein schaftsschule gehen, haben einen verlässlichen, rhythmisier ten Ganztag – genau so, wie wir uns das vorstellen, um opti male pädagogische Effekte zu erzielen. Das wird zu besseren Leistungen führen. Davon bin ich überzeugt, und das ist heu te auch schon angesprochen worden.

Im Übrigen sollte man gerade in einem Land wie Baden-Würt temberg – auch das ist ein wichtiger Beitrag – nicht die Ver einbarkeit von Familie und Beruf vergessen. Denn viele El tern haben sich bei den Anmeldungen zur Gemeinschaftsschu le sehr genau überlegt: Wo bekomme ich im Anschluss an die Grundschule eine tatsächliche, den ganzen Tag gesicherte, und zwar auch qualitativ gesicherte, Betreuung und Versorgung meiner Kinder?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben selbst schon verschiedentlich darauf hingewiesen – auch heute –, dass wir im Bereich des Ganztagschulausbaus einen erhebli chen Nachholbedarf haben. Ja, natürlich haben wir das. Das ist etwas, was Sie der neuen Landesregierung nicht zuletzt als Entwicklungsstau hinterlassen haben. Ich fordere Sie in die sem Zusammenhang ausdrücklich auf – wie ich es gerade in der Debatte um die Jugendbegleiter gemacht habe –: Lassen Sie uns gemeinsam die Schritte gehen. Es ist klar, dass wir das nur in gemeinsamer Anstrengung mit den Kommunen tun können. Alle positiven Bausteine, die wir haben, z. B. das Ju gendbegleiterprogramm, werden wir selbstverständlich ein binden. Das ist überhaupt keine Frage.

Es ist richtig – dazu stehe ich –, dass die Gemeinschaftsschu le eine Schulform ist, die wir fest im Gesetz verankern. Ganz bewusst werden wir die Gemeinschaftsschule nicht als Mo dellversuch etablieren, schon allein deshalb nicht, weil es nichts zu versuchen, nichts zu erproben gibt. Wir wissen, dass das Konzept der Gemeinschaftsschule funktioniert, und wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir die Einfüh rung der Gemeinschaftsschule anstreben, aber dabei auf eine andere Art und Weise vorgehen, als Sie das immer gemacht haben. Wir überlassen den Kommunen die Entscheidung da rüber,

(Abg. Winfried Mack CDU: Das stimmt gar nicht! Das stimmt definitiv nicht!)

wie ihre Bildungs- und Schullandschaft vor Ort aussehen soll.

Jetzt kommen wir einmal zu Weil im Schönbuch. Dazu sage ich gern etwas. Genau so verstehe ich meine Rolle als Kultus ministerin. Wenn ich von einer Schule ein Superkonzept vor gelegt bekomme und sehe, dass es dort so viele Elemente gibt, dass sie sich nur noch einen kleinen Schritt weiterentwickeln müssten, um sich auf den Weg zur Gemeinschaftsschule ma chen zu können,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: „Dann leh ne ich es ab“!)

dann berate ich doch die Schulen in diese Richtung.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Dann müssen Sie noch „Gemeinschaftsschule“ darüberschreiben!)

Ich bin ganz sicher, ich werde von dieser Schule, die wirklich gut ist, eine Antwort bekommen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Was wollen sie denn anderes machen?)

Dann sehen wir, ob wir die Entwicklung dort nicht noch wei ter vorantreiben können, als bisher diese Schule schon gedacht hat. Wir unterstützen die Schulen dabei, besser zu werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Wie Sie es wollen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Entwicklung zur Gemeinschaftsschule ist für Sie spitze! Sonst gar nichts!)

Es ist klar – da habe ich als Kultusministerin in der Tat eine andere Auffassung als die kommunalen Landesverbände –: Die Gemeinschaftsschule ist eine Schule, die wir wollen. Wir wissen, dass sie funktioniert. Deshalb gehört sie ins Gesetz. Denn wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Kommunen, die sich auf den Weg machen wollen.

(Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Im Übrigen möchte ich noch einmal deutlich betonen, Herr Wacker: Die kommunalen Landesverbände haben ausdrück lich die Einführung der Gemeinschaftsschule begrüßt,

(Abg. Karl Klein CDU: Oje!)

es gibt Kritikpunkte; ich sage gleich etwas dazu –, und zwar vor folgendem Hintergrund: Die kommunalen Landesverbän de sagen unisono: „Ja, die Schulstruktur in Baden-Württem berg muss weiterentwickelt werden.“ Wir müssen die Frage stellung beantworten: Wie können wir insbesondere im länd lichen Raum eine tragfähige, bezahlbare und leistungsstarke Schulstruktur im weiterführenden Bereich sicherstellen? Die kommunalen Landesverbände haben mir schriftlich ausdrück lich bestätigt, dass sie die neue grün-rote Landesregierung da bei unterstützen wollen,

(Abg. Georg Wacker CDU: Wenn Sie etwas Vernünf tiges machen!)

dass die Gemeinschaftsschule tatsächlich gelingt. Ich höre den Verbänden sehr wohl zu. Deshalb werden wir – Sie wissen, dass es dort schon eine Arbeitsgruppe gibt – u. a. ein Konzept zur regionalen Schulentwicklungsplanung erarbeiten. Natür lich brauchen wir das. Das brauchen wir, wenn wir in einem Prozess, der den kommunalen Sachverstand und die Verant

wortung des Landes zusammenbringen will, tatsächlich gute und verlässliche Schulstrukturen entwickeln wollen. Das wer den wir auch gemeinsam hinbekommen. Wir sind in unserem Gesetzentwurf u. a. darauf eingegangen.

Ein Hauptkritikpunkt der kommunalen Landesverbände be ruht auf einer Entwicklung, die Sie in der früheren Landesre gierung selbst verursacht haben. Es gibt nämlich nur eine un zureichende Finanzierung der Ganztagsschule.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Die kommunalen Landesverbände sagen: „Liebe Kultusmi nisterin, bevor du die Gemeinschaftsschule auf den Weg bringst, musst du erst einmal die Finanzierung der Ganztags schule regeln.“ Ich sage: „Wir wollen die Gemeinschaftsschu le einführen. Wir wollen, dass die innovativen pädagogischen Konzepte auch tatsächlich Anwendung finden können. Wir haben ausreichend gute Schulen im Land. Wir versprechen euch, dass wir die Finanzierung der Ganztagsschule gemein sam angehen werden.“ Denn es steht ja eine gesetzliche Re gelung in dieser Frage aus. Wir lösen dieses Problem dadurch, dass wir den Kommunen sagen: „Ihr könnt euch entscheiden, ob ihr schon unter den gegenwärtigen Bedingungen eine Ge meinschaftsschule errichten wollt oder nicht.“ Darum geht es.

Sie hätten das Thema Ganztagsschulfinanzierung regeln kön nen. Das wäre doch gar kein Problem gewesen. Die Haupt kritik, die im Augenblick an uns herangetragen wird, beruht in der Tat auf einem Entscheidungsdefizit aus der Zeit, in der Sie an der Regierung waren. Es wird nicht einfach, diese Schwierigkeit zu beheben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen durch aus auch insofern auf die kommunalen Schulträger eingehen – das haben wir sehr ausführlich miteinander besprochen –, als wir uns den Verbundschullösungen durchaus nicht voll ver schließen wollen. Sie werden die betreffende Formulierung im Gesetzentwurf sicherlich gesehen haben. Ich habe – ich sa ge es heute zum zweiten Mal – als ehemalige kommunale Bil dungsbürgermeisterin

(Zuruf des Abg. Alexander Throm CDU)

Verständnis dafür, wenn Entwicklungszwischenschritte ange gangen werden sollen. Man muss die Leute ja überzeugen.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber das Ziel muss immer die Gemeinschaftsschule sein; das ist doch klar.

(Abg. Georg Wacker und Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Klar!)