Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

(Abg. Werner Raab CDU: Sehr gut! Man muss auch bibelfest sein! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Mit diesem Satz tue ich mich immer schwer!)

Matthäus 6, 26 und Lukas 12, 24.

Meine Damen und Herren, warum sage ich das am Anfang? Ich spreche das deshalb am Anfang an, weil wir, wenn wir über den ländlichen Raum, über Agrarpolitik sprechen, auch über die sprechen müssen, die heute hier noch nicht angespro chen wurden. Ich schließe mich nicht nur dem Dank an alle an, die sich am Naturschutz beteiligen, vor allem an die, die in den Behörden, in den Amtsstuben sehr gute Arbeit leisten, sondern ich spreche hier auch einmal die an, denen wir unse re Kulturlandschaft zu verdanken haben. Diese sind hier noch nicht genannt worden. Ich bedanke mich – ich glaube, auch in Ihrem Namen – bei den Bäuerinnen und Bauern, die unse re Kulturlandschaft erhalten,

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE – Abg. Karl Rom bach CDU: Sehr gut!)

die tagtäglich früh aufstehen, die sich bücken, die unsere Streuobstwiesen erhalten, die auch dann, wenn ihr Einkom men nicht hoch ist, nicht sagen: „Wir legen die Arbeit nieder.“ Bei diesen möchte ich mich – ich glaube, auch in Ihrem Na men, meine Damen und Herren – bedanken; denn das sind die Wichtigsten, nämlich die Handwerker im ländlichen Raum, und nicht die „Mundwerker“ von irgendwelchen Verbänden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe von der CDU: Sehr gut! – So ist es!)

Zunächst: Das, was Paul Locherer gesagt hat, kann ich ohne irgendwelche Änderungen unterschreiben. Auch dem, was du, lieber Alfred, in aller Sachlichkeit angesprochen hast, kann ich fast ausnahmslos zustimmen. Ich möchte aber eines, lie ber Alfred, korrigieren. In einem Punkt hast du, glaube ich, einen kleinen Fehler gemacht. Und zwar: Die Dinge, die gut sind, sind nicht neu – ELR, Städtebauförderung, Wissenschaft, Forschung, Wirtschaftspolitik für den ländlichen Raum.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: MEKA! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: FSC ist neu! National park ist neu!)

Das, was die Landesregierung neu macht, ist in der Regel nicht gut: Neuverschuldung, Einstellung der Förderung der Gewerbeschauen, Erhöhung der Grunderwerbsteuer, Zerstö rung der Bildungslandschaft,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: He, he, he! – Un ruhe)

Schuldenmacherei, Personalpolitik. Diese Maßnahmen sind falsch bzw. diese Punkte hast du, glaube ich, einfach verges sen. Ich gehe davon aus, du stimmst mir zu.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Halt, halt, halt! – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Dr. Bullin ger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Rös ler?

Ja, aber am Ende.

Wir behandeln die Fra ge dann kurz vor dem Ende Ihrer Redezeit.

Ich habe gelegent lich, Herr Minister, den Eindruck, dass der Arbeitsstil zwi schenzeitlich etwas anders ist.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Ich auch! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Besser! Besser!)

Wenn ich mir beispielsweise die Novellierung des Landes jagdgesetzes anschaue – wobei ich gar keinen Bedarf für ei ne Novellierung sehe, meine Damen und Herren –, dann stel le ich fest, dass das nach dem Muster geht:

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist der Fehler! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Letztes Jahrtau send! – Unruhe)

Die Fachbeamten erstellen einen durchaus brauchbaren Ent wurf.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Breite Beteili gung!)

Die Zentralstelle, NABU und BUND korrigieren ihn. Danach gibt es eine Scheinanhörung.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das ist jetzt wirk lich unter aller Kanone!)

Dann wird die Anhörung womöglich noch so gestaltet, dass einzelne Verbände mit 300 Mitgliedern mehr Gewicht haben als die, die die ganze Jagd in Baden-Württemberg sehr natur verträglich machen, nämlich die 30 000 Jägerinnen und Jäger, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Bedauerlicherweise ist heute – ich möchte weniger wiederho len als vielmehr auch noch andere Gedanken einbringen – die Vollerwerbslandwirtschaft nicht angesprochen worden. Da geht es um diejenigen, die von der Landwirtschaft leben müs sen, die schauen müssen, wie sie betriebswirtschaftlich durch kommen, egal, ob in der Milchwirtschaft, bei der Schweine produktion, beim Getreide oder bei den Sonderkulturen. Auch diese – sie wurden bisher nicht angesprochen – müssen wir in dem Rahmen, den wir vorgegeben haben, begleiten. Da wäre es für viele hier im Haus sehr lehrreich gewesen, wenn sie ein mal zu dem Junglandwirte-Kongress nach Denkendorf gegan gen wären

(Abg. Thomas Reusch-Frey SPD: Da war ich doch! – Vereinzelt Heiterkeit)

ich habe gesagt: hier im Haus –, so wie der Kollege ReuschFrey und ich es getan haben.

(Unruhe – Zuruf: Zuhören!)

Wir sind schon fair hier. Es wäre vor allem wichtig, auch ein mal zu wissen: Es geht nicht nur um Nischen, es geht nicht nur um Teilaspekte im Ernährungsbereich, sondern es geht auch um Ernährungssicherung. Es geht darum, dass wir im Land Baden-Württemberg 10,8 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben, die mit guten Nahrungsmitteln versorgt wer den wollen und versorgt werden. Das heißt für mich auch, dass diese Leistung entsprechend honoriert werden muss.

Ich möchte heute nicht über die Themen Gentechnik, GAP, demografischer Wandel und Naturschutz sprechen. Darüber haben wir in den letzten drei Monaten in diesem Haus sehr gut diskutiert. Meine Damen und Herren, mir geht es um den ländlichen Raum als Ganzes. Da ist für mich wichtig, dass wir eine Politik für den ländlichen Raum machen, um der demo grafischen Entwicklung und dem Trend der Urbanisierung – zurück zur Stadt – gegenzusteuern. Wir müssen solche Rah menbedingungen schaffen, dass die jungen Menschen nach dem Studium wieder zurückkommen, dass sie im ländlichen Raum Arbeitsplätze vorfinden. Das ist Wirtschaftspolitik. Ag rarpolitik ist nicht Bauernpolitik, sondern ist Politik für den ländlichen Raum. Das ist Wirtschafts-, Gesellschafts- und Na turschutzpolitik. Daran müssen wir arbeiten.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das machen wir doch!)

Aber bloß, wie.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Gut!)

Meine Damen und Herren, zur Situation im Land: Ich glau be, es ist auch wichtig, zu sehen, dass es nicht überall so toll ist. Es gibt Einbrüche beim Einkommen, vor allem auch im Obstbau. Das heißt, hier müssen wir sehen, wie wir die Rah menbedingungen entsprechend gestalten können. Wir müssen

auch schauen, wie wir den Absatz entsprechend fördern kön nen, damit die Produkte vor Ort gekauft werden.

Herr Minister Bonde, ich glaube, es ist schon wichtig, dass man bei den Vollerwerbslandwirten sieht, dass sie als Unter nehmer etwas unternehmen wollen, dass sie etwas erwirt schaften wollen, und dass man im Naturschutz nicht immer mehr draufsattelt. Wer als Bauer ordentlich und nachhaltig wirtschaftet, macht automatisch das, was die Natur auch braucht, nämlich nachhaltige Landwirtschaft. Natürlich gibt es über all – wie auch in der Politik, wie auch bei Ihnen von den Grü nen – Ausnahmen.

Ich will noch eines sagen, meine Damen und Herren: Es wä re auch wichtig, Herr Bonde, dass Sie jetzt vor allem mit dem Landesbauernverband – das sind die Vertreter der Bäuerinnen und Bauern – und zusammen mit der Kanzlerin in Richtung Brüssel agieren und nicht den Eindruck erwecken, man wür de hier in Stuttgart etwas entscheiden können. Man muss viel mehr an den Hintergrund denken, dass diese Förderung von 2013/2014 bis 2018/2020 in Europa entsprechendes Gewicht behält, dass wir die gute Agrarpolitik, die wir bisher im Land gemacht haben, auch weiterhin machen können und dazu den erforderlichen finanziellen Rahmen bekommen. Die große Ag rarpolitik ist für uns und unser Land eine Nummer zu groß.

Ferner ist wichtig, in der Milchmarktpolitik ehrlich zu blei ben. Die Entscheidungen sind gefallen, Herr Bonde. Deshalb kann man jetzt nicht populistisch sagen, man könnte hier fai re Preise verlangen. Was sind eigentlich faire Preise, Herr Mi nister?

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Für wen sind die denn fair? Das hätte ich ganz gern einmal gewusst. Die Antwort sind Sie uns bisher schuldig geblieben.

Meine Damen und Herren, die grün-rote Landesregierung ist beim schnellen Versprechen hervorragend. Man kann sich den Koalitionsvertrag anschauen, man kann sich das vergegen wärtigen, was Sie überall erzählen. Wenn man aber die Rea lität anschaut, stellt man fest: Forst und Naturschutz gegen Stellenabbau. Wenn zwischen NABU, Schwarzwaldverein und den Forstbetriebsgemeinschaften eine Allianz besteht, sollte man nicht an einer Stelle, an der man dringend Bera tung braucht, an einer Stelle, bei der es um Ökonomie und Ökologie geht, abbauen. Ich höre immer nur Ökologie, Öko logie, Ökologie.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Warum habt ihr denn das so beschlossen?)

Wir brauchen Ökologie und Ökonomie. Beides muss man zu sammenbringen. Von Ihnen höre ich immer nur Ökologie und nicht Ökonomie. Nur mit beidem geht es, und das ist auch bei der Personalpolitik der Fall.

Wie wollen Sie denn die Staatseinnahmen aus dem Staatswald erhöhen, wenn Sie die Beratung abbauen, wenn Sie Täler gar zuwachsen lassen, so wie es der Finanz- und Wirtschaftsmi nister will? Dadurch kann man natürlich Personal sparen. Das ist aber auch nicht im Sinne der Energiepolitik. Auch das ist ein Punkt: Unsere Landwirte sind nicht nur für den Nahrungs bereich,

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

für die Kulturlandschaft wichtig, sondern sie sind auch für die Energiewende wichtig. Das gilt etwa für das Holz. Da haben wir viele freie Möglichkeiten, zu puschen, nicht um Energie wälder anzubauen, sondern um eine nachhaltige Waldwirt schaft, wie sie jetzt ist, zu organisieren, damit man den tollen Stoff Holz stofflich und energetisch besser verwertet. Da hat man noch Möglichkeiten. Da können Sie, Herr Minister, mehr tun, als Sie bisher tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Ein Wort zum Thema Gastronomie. Wir haben schon gehört, dass die Gastronomie, die Beherbergungswirtschaft ein wich tiger Faktor ist: 280 000 Arbeitsplätze, nicht verlagerbar, Aus bildungsplätze. Das sind unsere Gastronomen, das sind unse re Beherbergungsbetriebe. Da ist es wichtig, dass man in die sem Bereich – – Jetzt komme ich einfach einmal darauf zu sprechen: Ich finde den Gourmetgipfel, den Sie veranstaltet haben, toll. Das war nett. Das ist ein Aushängeschild.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das haben wir auch schon gemacht!)

Diese Gastronomie ist für das Image des Landes Gold wert, sie ist sehr wichtig. Aber ich sage Ihnen auch klar und deut lich: Diese Gastronomie können sich nicht 10,8 Millionen Bürgerinnen und Bürger leisten. Deshalb müssen wir vor al lem im Landgasthofbereich mehr tun. Wir müssen in diesem Bereich mehr tun, indem wir auch die Gastronomie und spe ziell die Landgasthöfe flächendeckend fördern. Das ist ein Punkt, der bisher eindeutig zu kurz gekommen ist, meine Da men und Herren.