Ich fasse zusammen: Mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 ge ben wir in Baden-Württemberg so viel Geld für Bildung aus wie nie zuvor. Dennoch erreichen wir es, dass der Bildungs bereich seinen Beitrag für die Sanierung des Landeshaushalts leistet.
Mit dem Einzelplan 04 für die nächsten beiden Haushaltsjah re schaffen wir den Beginn einer soliden Sanierung der über
nommenen Altlasten in der Größenordnung von insgesamt ei ner Dreiviertelmilliarde Euro sowie eine weitere Stärkung des Primar- und Elementarbereichs durch zusätzliche Lehrerstun den für die Grundschulen und durch die Entfristung der Ar beitsverträge von Pädagogischen Assistentinnen und Assis tenten an den Grundschulen. Damit bringen wir die Bildungs gerechtigkeit einen großen Schritt voran. Die Weiterfinanzie rung großer Teile von Maßnahmen und Projekten, die die Vor gängerregierung begonnen und nicht konsequent finanziert hat, können wir auch garantieren und retten somit die Klas senteilersenkung und die Freistellung für die Schulleitungen.
Wir gehen sorgfältig und nachhaltig mit den Landesfinanzen um. Nichts wird auf Pump finanziert, jeden Euro wollen wir dort einsetzen, wo er den größten Nutzen bringt. Wo immer möglich, verbessern wir deshalb Prozesse und Strukturen. Wir sorgen für Antworten auf die Frage, wie das baden-württem bergische Bildungssystem unter veränderten demografischen Bedingungen gut aufgestellt werden kann. Jeder junge Mensch soll auch weiterhin die Möglichkeit haben, in erreichbarer Nä he seinen gewünschten Bildungsabschluss zu erlangen.
Wir setzen uns ein für ein sozial gerechtes und gute Leistung förderndes Bildungssystem in Baden-Württemberg. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Haushaltsplan.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich kann nicht auf alles eingehen, was Sie von sich gegeben haben. Aber ein Begriff ist mir wirklich sehr in Erinnerung. Sie spra chen davon, dass die Kinder, die in der Vergangenheit den durch die verbindliche Grundschulempfehlung vorgegebenen Weg durchlaufen haben, „deformiert“ wurden.
Man muss sich nur einmal diesen ungeheuerlichen Begriff auf der Zunge zergehen lassen. Frau Ministerin, wenn Sie immer wieder von einem sozial gerechten System sprechen, das Sie einführen wollen, muss ich an dieser Stelle noch einmal sa gen: Schauen Sie sich doch einmal die Bildungsbiografien der Kinder und Jugendlichen an, die Sie als deformiert bezeich net haben. Wie ist denn das Ergebnis der letzten Jahre gewe sen, das Ergebnis eines differenzierten Bildungssystems, das stets aufstiegsorientiert war? Am Ende haben 77 % der Ju gendlichen, die im Jahr 2010 einen Bildungsabschluss ge macht haben, mindestens die mittlere Reife absolviert. Es wur de jeder zweite Hochschulzugang nicht über ein allgemein bildendes Gymnasium erworben. Selbst fast 50 % der Haupt schulabsolventen haben hinterher die mittlere Reife erreicht. Sind das deformierte Kinder? Das sind erfolgreiche Kinder, die hier ein Bildungssystem durchlaufen haben, Frau Minis terin.
Ich möchte ein Weiteres ansprechen. Damit möchte ich end lich einmal mit einer Legende aufräumen. Lieber Kollege Fulst-Blei, Sie persönlich nehme ich davon aus, weil Sie in der letzten Legislaturperiode noch nicht dem Landtag ange hörten. Aber die Opposition der Vergangenheit hätte natürlich sehr gern regiert.
Die Opposition der Vergangenheit hat für sich stets in An spruch genommen, konstruktive Haushaltsvorschläge einzu bringen, wie Sie, Herr Ministerpräsident, das im Zuge dieser Haushaltsberatungen seinerzeit auch immer wieder betont ha ben.
Jetzt sage ich Ihnen aber eines: Wenn wir all das, was Sie zur Personalausstattung an unseren Schulen beantragt haben,
einmal addieren, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir, um es einmal vorsichtig zu sagen, in unserem Bildungssystem heute das Dreifache an Personalstellen hätten, die heute ab gebaut werden müssten. Auch das gehört zur Wahrheit.
In der Plenardebatte am 28. Juni 2006, nachzulesen im Ple narprotokoll auf Seite 70, hat der Vorsitzende der Fraktion GRÜNE, Winfried Kretschmann, gefordert – das hat sich in Anträgen niedergeschlagen; Zitat –:
Wir brauchen knapp 2 000 Stellen für Ganztagsschulen, damit 40 % aller Schulen bis 2011 zu Ganztagsschulen ausgebaut sind, sowie 800 Stellen für Haupt- und Real schulen entsprechend den Poolstunden an den Gymnasi en, damit wir auch diese Schulen besser fördern können.
Das sind schon einmal 2 800 Stellen, die Sie damals zusätz lich gefordert haben. Hätten Sie die Mehrheit gehabt, hätten wir sie heute in unserem Budget der Personalstellen.
Ein zweites Beispiel: Die Abg. Zeller und Dr. Mentrup be gründeten ausweislich der Landtagsdrucksache 14/1508 und des Plenarprotokolls vom 11. Juli 2007 ihre Forderung nach zusätzlichen Lehrerstellen wie folgt – Zitat –:
Durch 1 150 zusätzliche Lehrerstellen verbessern sich ne ben der Unterrichtsversorgung an den Schulen auch die Einstellungschancen der Junglehrerinnen und -lehrer.
Jetzt, lieber Herr Kollege Schmiedel – er ist leider nicht da, aber ich weiß, dass er das mit Interesse nachlesen wird –: Sie haben sich ja bekanntermaßen zu den kleinen Schulstandor ten geäußert. Sie stellen diese kleinen Schulstandorte offen sichtlich infrage. Kollege Schmiedel hat in der Plenarsitzung
Wir brauchen auch und gerade in Zeiten kleiner werden der Klassen mehr Lehrer und nicht weniger Lehrer.
Meine Damen und Herren, hört, hört! Wo sind die Aussagen von damals heute, wenn Sie über den Stellenabbau reden? Aber es ist nun Heuchelei, wenn Sie heute so tun, als hätte es für Sie niemals eine Vergangenheit gegeben.
Das sind schon einmal 4 000 Stellen. Nächstes Mal präsentie re ich Ihnen weitere Beispiele. Dann kommen wir allmählich auf eine sehr beachtliche Zahl, die Sie damals gern beschlos sen hätten.
Jetzt möchte ich eine weitere Rechnung aufmachen. Weder Sie, Frau Ministerin, noch Sie, Frau Kollegin Boser – ich hät te da gern die Zwischenfrage gestellt, aber es war Ihr gutes Recht, diese nicht zuzulassen –, haben mir erklären können, wie Sie die 2 600 Deputate für die Gemeinschaftsschulen, die im Doppelhaushalt ausgewiesen sind, finanzieren wollen.
Ich erinnere mich sehr gut, dass, als Sie die Starterschulen ein gerichtet haben, alle Redner der Regierungsfraktionen sich hier vorn hingestellt und gesagt haben: „Was wollen Sie denn? Das sind ja nur 60 Deputate für die Starterschulen. Deren Fi nanzierung ist überhaupt kein Problem.“
Jetzt erkennen wir die Wahrheit: im Doppelhaushalt 2 600 De putate durch Umschichtung. Sie haben es selbst zugegeben: Die demografische Rendite oder die verbleibenden 3 300 Lehrerstellen – dies haben Sie im Finanzausschuss selbst be stätigt – können diese Gemeinschaftsschulen nicht finanzie ren.
Jetzt ziehen Sie den Bestand der bestehenden Werkrealschu len ab. Da sagt Ihr Haus: „50 % sind bereits in den bestehen den Schulen. Ziehen wir die einfach einmal ab.“ Aber das sind ja bereits aufwachsende Schulen. Das heißt, dieser Lehrerbe darf steigt von Jahr zu Jahr bei den jetzt zu genehmigenden Gemeinschaftsschulen in den Jahren 2013 und 2014. Es kom men aber noch die dazu, die in den nächsten Jahren folgen werden. Wo wollen Sie die Stellen hernehmen?
Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt entlarven Sie sich. Sie wollen die Realschulen kaputt machen. Sie wollen die beruflichen Schulen kaputt machen.
Sie wollen die Gymnasien kaputt machen. Sonst erbringen Sie diese Lehrerstellen nicht. Das ist doch die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Richtig! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Tabula rasa!)
Frau Ministerin, nun zu den Ganztagsschulen. Wir sind uns ja eigentlich einig, dass wir den Ausbau der Ganztagsschulen wollen. Ich erinnere mich – da muss ich Sie allerdings von der persönlichen Kritik ausnehmen, weil Sie in der letzten Legis
laturperiode keine Verantwortung getragen haben –: Es ver ging im letzten Jahr vor der Landtagswahl so gut wie keine Debatte, in der nicht entweder von den Grünen oder von der SPD ein Antrag eingereicht wurde mit dem Ziel, das Schul gesetz endlich einmal zu novellieren, um die Ganztagsschu len verbindlich einzuführen, sodass ein Rechtsanspruch für jede Schule besteht, eine Ganztagsschule einzurichten. Davon sagen Sie heute keinen Ton mehr. Auf Nachfrage im Bildungs ausschuss sagen Sie: Eine Schulgesetznovellierung gibt es frü hestens im übernächsten Doppelhaushalt. Das ist auch Heu chelei.
Sie sagen, Sie wollen die Ganztagsschulen ausbauen. Wie wollen Sie sie denn finanzieren? 150 Deputate sind es im Durchschnitt, die aus Ihrem Haus in den Ausbau der Ganz tagsschulen einfließen, wenn Sie den Ausbau so fortsetzen, wie es die frühere Landesregierung getan hat. Selbst diese 150 Deputate können Sie schwerlich aus der verbleibenden demo grafischen Rendite finanzieren. Wie wollen Sie da mehr ma chen? Das geht doch gar nicht. Natürlich haben die Gemein schaftsschulen den Anspruch, verbindliche Ganztagsschulen einzurichten, aber die anderen lassen Sie damit allein.
Meine Damen und Herren, nach und nach erkennen das die Menschen in der Fläche des Landes. Die Eltern, die Gesamt elternkonferenzen, die Lehrkräfte, die Schulleitungen, die Lehrerverbände durchschauen mittlerweile in zunehmendem Maß die Details und die Offenbarungseidliste Ihrer Bildungs politik. Das ist natürlich letztlich auch die Bildungspolitik der gesamten Landesregierung und nicht nur Ihrer Person.
Jetzt darf ich noch eines zu den Realschulen sagen. Ja, Sie ha ben die Realschulen durch die Poolstunden gestärkt: zunächst einmal 200 Deputate. Das ist aber auch nur die halbe Wahr heit. Nicht einmal 100 Deputate kommen den Schulen für den Unterricht zugute, weil die anderen etwas mehr als 100 De putate in die Umsetzung der Kompetenzanalyse fließen. Also ein Tropfen auf den heißen Stein – wobei alle Realschulen sa gen: Die Heterogenität hat in den Eingangsklassen maßgeb lich zugenommen, gerade durch den Wegfall der verbindli chen Grundschulempfehlung. Dazu sagen Sie nichts.
Im Übrigen gehört auch zur Wahrheit, dass durch die Senkung des Klassenteilers in den letzten Jahren fast 900 Unterrichts deputate nur den Realschulen zugutegekommen sind. Deswe gen wäre es auch heute in der Tat außerordentlich schwierig, wenn diese Deputate den Schulen nicht zur Verfügung stehen würden.
Jetzt kommt noch eines: Man muss sich einfach einmal die parlamentarischen Vorgänge genau anschauen. Auch die Ant worten auf Große Anfragen der Fraktionen, Herr Ministerprä sident – das ist eine gute Tradition; das ist auch heute noch so –, werden letztlich vom Ministerrat verabschiedet. Das heißt, die Beantwortung der Großen Anfragen erfolgt durch das Kabi nett.