Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

(Abg. Sandra Boser GRÜNE schüttelt den Kopf.)

Die Ministerin setzt jedoch in erster Linie das 1 : 1 um, was Grüne und SPD mit Mehrheit hier im Parlament beschlossen haben. Sie alle von Grün-Rot sind verantwortlich für den Zu stand der Bildungspolitik in diesem Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Jetzt möchte ich mich an die Adresse der SPD wenden: Ich bewundere ganz ehrlich Ihre Geduld mit Ihrem grünen Koa litionspartner. Da rennt Ihre Kultusministerin durchs Land und geißelt die alte Landesregierung, weil sie im Bildungsbereich 711 Stellen gesperrt habe, die das SPD-geführte Kultusminis terium jetzt aber wieder freigeben würde. Und was macht Ihr grüner Koalitionspartner? Mit einem Paukenschlag grätscht der Ministerpräsident der Ministerin in die Parade und ver kündet, es würden 11 600 Stellen gestrichen.

(Zurufe der Abg. Muhterem Aras und Sandra Boser GRÜNE)

Ein grobes Foul der Grünen gegenüber Ihrer Ministerin. Fak tisch lässt sich mit diesem Streichungsprogramm keine der versprochenen Bildungsreformen mehr umsetzen. Das kann die Ministerin gar nicht mehr. Anschließend heulen die Ver bände – zu Recht – auf und greifen Ihre Ministerin scharf an. Das Foul in der Koalition hat der grüne Ministerpräsident be gangen, die rote Karte bekam aber Ihre Ministerin in der Öf fentlichkeit.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Die Fouls innerhalb der Koalition gingen vonseiten der Grü nen noch weiter. Die FDP/DVP beantragte in den Haushalts beratungen die Entwicklung eines Stellenbedarfskonzepts für die Schulen in unserem Land, die Grünen begründeten dann in der Beratung wortreich, warum so ein Konzept völlig un nötig sei, und zusammen stimmten SPD und Grüne mit ihrer Mehrheit unseren Antrag nieder. Die Kultusministerin muss te sich dann öffentlich dafür rechtfertigen, dass ihre Einspa rungen im Lehrerbereich ohne vorherige Bedarfsanalyse be schlossen wurden. Auf dem Grünen-Parteitag

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Parteitag? Wissen Sie, wie ich abgestimmt habe?)

vor wenigen Tagen aber beschließen dann ebendiese Grünen exakt so ein Stellenbedarfskonzept und sonnen sich in der Öf fentlichkeit als die Helden, die der Ministerin zeigen, wie man Bildungspolitik macht. Und die SPD-Ministerin steht wieder im Regen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kommen Sie einmal zum Haushalt! Frau Präsidentin! Das ist eine Haus haltsdebatte! – Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜ NE)

Vor knapp 2 000 Jahren hat man ein solches Verhalten Phari säertum genannt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Im Übrigen haben wir unseren Antrag noch einmal gestellt. Wir freuen uns, dass sich die Grünen unserer Position ange schlossen haben, und bitten daher um Zustimmung.

Wie gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich bewundere, dass Sie diese Rollenverteilung Ihres Koalitions partners so klaglos mitmachen. Aus meiner Sicht stehlen sich die Grünen hier im Haus immer wieder aus der Verantwor tung, wenn es öffentlich unangenehm werden könnte.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Bleiben Sie einmal fair!)

Das ist nicht nur dann so, wenn es um die Diätenanpassung geht – die Sie aber mitbeschlossen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Es bleibt festzuhalten: Die gemeinsam zu verantwortende grün-rote Bildungspolitik ist gekennzeichnet durch eine un heilvolle Mixtur aus grüner Ideologie,

(Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

rotem Dirigismus und einem ordnungspolitischen Blindflug. Dass Ihnen der ordnungspolitische Kompass fehlt, zeigt sich vor allem an der Gemeinschaftsschulthematik. Sie genehmi gen lustig, fröhlich, fromm und frei munter weitere Gemein schaftsschulen, ohne dass Sie eine regionale Schulentwick lungsplanung vorlegen.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Es ist doch noch gar keine genehmigt! Was erzählen Sie denn?)

Wie soll denn eine Schulentwicklungsplanung aussehen, wenn Sie vorher Fakten schaffen?

(Beifall bei der FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Dr. Kern, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Boser?

(Unruhe – Abg. Andreas Stoch SPD: Dann könnte er nicht mehr ablesen!)

Da Sie sich des Erfolgs der Gemeinschaftsschule nicht ganz so sicher sind, statten Sie diese mit zahlreichen Privilegien aus mit der Folge, dass gut funktionierende Hauptschulen und auch Werkrealschulen kaputtgehen.

(Lachen des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Da Sie auch daran zweifeln, dass Sie genügend gymnasiale Lehrkräfte für die Gemeinschaftsschule bekommen, reduzie ren Sie neue Stellen an den Gymnasien und stellen somit die fertigen Referendare vor die Alternative:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Arbeitslosigkeit oder Gemeinschaftsschule. Sie erpressen die jungen Menschen, und das ist schäbig von Ihnen, meine Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE – Glo cke der Präsidentin)

Herr Kollege Dr. Kern, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Lehmann?

Nein. Sie müssen das auch einmal ertragen, sich das anzuhören.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das ist alles falsch, was Sie sagen! – Unruhe)

Sie nutzen die demografisch bedingte Not der Kommunen aus, um Ihr langfristiges Ziel der einen Schule für alle, also der Einheitsschule, durchzudrücken.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Die grüne Ideologie lässt sich auch bei der Gemeinschafts schule anschaulich erläutern. Beim Thema Gemeinschafts schule hat sich die SPD von den Grünen bequatschen lassen und sich deren sozialromantisches Einheitsschulmodell eben falls zu eigen gemacht. Die Grünen meinen: Wenn wir alle Schüler in einer Klasse – Entschuldigung: in einer Lerngrup pe – zusammenpacken, wenn wir durch verschiedene Maß nahmen wie beispielsweise die Abschaffung des Sitzenblei bens die Niveaus insgesamt absenken, dann schaffen wir mehr Aufstiegsmöglichkeiten.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Sie werden damit aber genau das Gegenteil erreichen: Die Ge meinschaftsschulen werden eben nicht die neuen Aufsteiger schulen werden. Die Aufsteigerschulen gibt es schon, näm lich die unterschiedlichen Wege im beruflichen Bildungswe sen und die Realschule, aber die – gerade die – wollen Sie ja plattmachen.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Wir Liberalen wollen aber keine sozialromantische Bildungs rhetorik, sondern für uns zählen in erster Linie Ergebnisse. Gerade bei denen kann sich unser bisher noch gegliedertes Bildungswesen in Baden-Württemberg sehen lassen, das Sie aber einstampfen wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn wir tatsächlich mehr Bildungsaufsteiger produzieren wollen, dann müssen wir über die Qualität an den Schulen re den, das heißt: kleinere Klassen, bessere Unterrichtsversor gung, möglichst kurze Schulwege, individuelle Betreuung von schwächeren Schülern, mehr Schulsozialarbeiter und Schul psychologen.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Aber das alles würde natürlich auch erheblich mehr Geld kos ten, und deshalb drücken Sie sich vor den eigentlich wichti gen Entscheidungen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Haben Sie eine Geld druckmaschine?)

Sie packen zu den Schwächeren einfach die Stärkeren und be ruhigen damit Ihr Gewissen. Dabei setzen Sie einseitig auf ei ne Pädagogik, bei der die Schwächeren größere Schwierig keiten haben werden als die Stärkeren.

Deshalb mein Appell: Stimmen Sie unserem heutigen Ent schließungsantrag zu. Bevor Sie weitere Gemeinschaftsschu len einrichten, müssen Sie vernünftigerweise erst eine regio nale Schulentwicklungsplanung vorlegen. Vor Ort muss ent schieden werden, wie das regionale Schulkonzept aussieht.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Mein Gott!)