Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Ich bedaure dies deshalb, weil ich Ihnen wiederholt in diesem Haus angeboten habe, dass Sie sich mit Teilen unserer Struk turen intensiver befassen. Wir sind gern bereit, dass die Ver antwortlichen in unserem Haus über die jeweiligen Teilpro jekte – Bildung und Einsatz sind Teilprojekte bzw. Quer schnittsprojekte – informieren. Ich habe bisher noch nicht zur Kenntnis nehmen dürfen, dass Sie Interesse gezeigt haben, sich diese Informationen direkt vor Ort zu holen und Ihre In formationsmängel damit auszugleichen. Vielmehr fallen Sie immer wieder in die alten Muster zurück, irgendwo etwas auf zuschnappen und in parlamentarische Initiativen münden zu lassen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Zweifelsohne wird die Nachwuchsgewinnung bei der Polizei in Zukunft ein größeres Problem sein als in der Vergangen heit. Ich glaube, Einzelheiten hierzu muss ich nicht ausfüh ren. Der öffentliche Dienst – wir haben auch gestern über die ses Thema debattiert – steht in harter Konkurrenz zur soge nannten freien Wirtschaft.

Deshalb ist es natürlich unser Ansinnen, dafür zu werben, die besten Köpfe für den Polizeidienst zu gewinnen. Das ist in der Tat eine große Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.

Gerade mit dieser Polizeistrukturreform stellen wir uns die ser Aufgabe. Wir haben damit etwas gemacht, was Sie in den zurückliegenden Jahren nicht gemacht haben, obwohl dieses Problem aus den Reihen der Polizei wiederholt an Sie heran getragen worden ist.

Durch die neue Struktur bilden wir z. B. bei der Hochschule für Polizei den Bereich Personalgewinnung. Damit machen wir deutlich, dass wir alles in Bewegung setzen, dass wir Auf gaben bündeln, dass wir Kompetenzen bündeln, um Nach wuchswerbung zu betreiben, um zu optimieren, damit wir uns den zukünftigen Herausforderungen stellen können. Das ha ben Sie unterlassen. Wir machen es.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Meine Damen und Herren, durch diese Organisationsverän derung, durch die Anbindung dieses Institutsbereichs an den künftigen Bildungsträger der Polizei, verknüpfen wir die Ein stellung mit der Ausbildung. Das heißt, wer ausbildet, stellt zukünftig auch ein und umgekehrt. Das war bislang nicht der Fall.

Dies unterstreicht die hohen Anforderungen an eine professi onelle und zukunftsfähige Personalgewinnung. Das müssen wir ändern. Die jungen Menschen werden nicht mehr auto matisch zur Polizei strömen. Das gilt übrigens auch für die anderen Bereiche des Landesdienstes. Darum müssen wir uns in anderer Form kümmern, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Auch deshalb beschreiten wir diesen Weg.

(Beifall der Abg. Petra Häffner GRÜNE)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Standortkonzeption für die zukünftigen Ausbildungseinrichtungen, die Sie jetzt kriti sieren, der Attraktivität des Polizeiberufs nicht zuwiderläuft. Ich will zugestehen, dass eines der Entscheidungskriterien die Nähe zum Ausbildungsort ist. Das ist aber nur ein Kriterium. Ich glaube, die Polizei kann in der Gegenwart und in der Zu kunft mit anderen Bereichen punkten.

Ich will an dieser Stelle auf die Reformziele hinweisen, die wir mit dieser Umstrukturierung verfolgen und die bei der heutigen Diskussion völlig vergessen worden sind. Wir wol len die Polizei auf die zukünftigen Herausforderungen aus richten. Im Bildungsbereich ist z. B. die Institutsbildung zu nennen. Aber auch in anderen Bereichen besteht der Bedarf, die Strukturen insgesamt zu verändern. Deshalb kann man nicht nur an der einen oder anderen Stelle an einem Schräub chen drehen, so wie Sie es gemacht haben, was am Ende da zu geführt hat, dass unsere Polizei durch ineffiziente Struktu ren insgesamt teurer geworden ist.

Herr Kollege Sckerl hat es schon angedeutet: Bislang bildet die Polizei in Baden-Württemberg in drei Ausbildungseinrich tungen an acht Standorten aus. Baden-Württemberg ist im Prinzip das einzige Bundesland, das noch so verfährt. Das ist nun einmal ineffizient, und es ist daher teuer. Auch bei den Kosten versuchen wir, gewisse Veränderungen herbeizufüh ren. Die neuen Strukturen sehen vor, zukünftig die Polizeian wärter aller Laufbahngruppen an drei Standorten im Land aus zubilden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zimmermann?

Nein. – Das heißt, VillingenSchwenningen bleibt Hochschulstandort, und Biberach und Lahr bleiben Ausbildungsstandorte, so wie bisher; sie bleiben im Prinzip auch Standorte für die Vorausbildung auf dem Weg in den gehobenen Dienst.

Nebenbei gesagt – ich verstehe nicht, dass Sie dies ein wenig despektierlich bewerten, Herr Kollege Dr. Goll –: Natürlich – das habe ich immer wieder gesagt – haben wir polizeifachli che Belange etwa gegen liegenschaftliche Belange abgewo gen. Wir sind da tatsächlich in einen Abwägungsprozess ge gangen.

Wenn wir an den erwähnten beiden Ausbildungsstandorten nun Kapazitäten haben, die es uns erlauben, jeweils bis zu 750 junge Menschen dort unterzubringen, dann wäre es doch ge radezu fahrlässig, dies nicht in die Gewichtung, in die Abwä gung einfließen zu lassen. Letzteres würde bedeuten, dass po litische Entscheidungen gegen polizeifachliche Belange und gegen liegenschaftliche Erwägungen getroffen würden, so wie dies in der Vergangenheit – nicht nur gelegentlich, sondern häufig – gemacht worden ist. Das hat der Sache, der Polizei nicht gedient, sondern es hat deren Arbeit in der Regel sogar erschwert.

Meine Damen und Herren, ich haben von Trümpfen gespro chen, die die Polizei heute und auch in Zukunft haben wird. Wir – die Polizei und ich – sind jedenfalls davon überzeugt: Auch das Stichwort „sicherer Arbeitsplatz“ sollten wir nicht außer Acht lassen. Auch dies wird in der Zukunft eine Rolle spielen. Der Wettbewerb wird hart sein. Wir wissen aber auch, dass selbst attraktive Arbeitsplätze in der Wirtschaft nicht au tomatisch sicher sind. Sie sind teilweise durch Konzernent scheidungen gefährdet, die weitab von sachlichen Erwägun gen dazu führen, dass dort Standorte in Heimatnähe aufgege ben werden müssen. Die Sicherheit des Arbeitsplatzes wird also auch in der Zukunft ein Argument für den Polizeidienst sein. Ein weiteres Stichwort sind die umfassenden Sozialleis tungen.

Nach wie vor zieht, wie ich finde, das noch immer hohe An sehen, das der Beruf Polizist in der Bevölkerung genießt. Denn für die berufliche Wertigkeit spielt das Ansehen in der Bevölkerung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Es ist wich tig, das Gefühl zu haben, dass die Arbeit, die man macht, die Arbeit im Dienst des Staates, geachtet und geschätzt wird. Dies ist, meine ich, auch zukünftig gegeben und wird bei der Berufswahl junger Menschen eine Rolle spielen.

Zudem konnte erreicht werden – dies ist nicht erst der Fall, seitdem wir an der Regierung sind; wir werden dies aber noch verbessern –, dass es bei der Polizei interessante Karrieremög lichkeiten gibt. Dort gibt es Durchlässigkeit in den Laufbah nen, und zwar durch Qualifizierung, durch Weiterbildung und durch entsprechende Erfahrungen, die man im Polizeidienst, im beruflichen Alltag gewinnen kann.

Wir werden – Sie haben das Thema Tarifkräfte angesprochen, Herr Kollege Goll – durch diese neuen Strukturen Flexibili sierungen einführen können. Wir werden den Bereich der Te learbeitsplätze ausweiten können und damit gerade der Per sonengruppe entgegenkommen, die offenbar – darüber freue ich mich – auch Ihnen wichtig ist, nämlich den Tarifkräften und dabei insbesondere Frauen, die in Teilzeit arbeiten wol len.

Ich glaube also, meine Damen und Herren, dass der Ausbil dungsstandort nicht das entscheidende Kriterium darstellt.

Was das Thema „Ursprungsabsicht Böblingen“ betrifft, haben meine Vorredner bereits deutlich darauf hingewiesen, dass tat sächlich die Absicht verfolgt wurde, im Ballungsraum junge Menschen zu gewinnen. Diese Rechnung ist unter dem Strich nicht aufgegangen. Deshalb ist es allemal richtig, aus Erfah rung zu lernen. Es bringt nichts, etwas, was man vor 20 Jah ren für richtig erachtet hat, was sich aber im Ergebnis so nicht eingestellt hat, einfach per se weiterzuführen, nur, weil es ei nem politisch in den Kram passt.

Auch dass wir dual ausbilden, sollten wir, meine Damen und Herren, zur Kenntnis nehmen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, entschul digen Sie bitte noch einmal. Gestatten Sie eine Zwischenfra ge des Herrn Abg. Zimmermann?

Nein.

Er gestattet keine Zwi schenfrage, Herr Abg. Zimmermann. – Bitte, Herr Innenmi nister.

Was bedeutet es, wenn hier von der dualen Ausbildung die Rede ist? Herr Kollege Blen ke, es ist einfach nicht wahr, dass wir die Ausbildung theore tisierten. Es besteht bisher schon die Möglichkeit, dass neun Monate lang direkt im Heimatrevier oder in der näheren Um gebung ausgebildet werden kann. Das heißt, die regionale Ver bundenheit, die Ortsverbundenheit bleiben gewahrt.

Ich hoffe, Sie haben auch zur Kenntnis genommen, dass wir im Moment auch intern darüber nachdenken, die Ausbildung insgesamt noch einmal zu verändern. Es wird ein größerer Schwerpunkt auf die Praxis gelegt. Wie man dann von einer Theoretisierung der Ausbildung sprechen kann, bleibt Ihr Ge heimnis.

Meine Damen und Herren, setzen Sie einfach einmal die Aus bildungszeit ins Verhältnis zur normalen Lebensdienstzeit ei ner Polizeibeamtin bzw. eines Polizeibeamten. Die Ausbil dungszeit macht etwa 5 % der Gesamtlebensdienstzeit aus. Worin da das große Problem liegen soll, ist mir völlig schlei erhaft.

Ich glaube, wir haben nach wie vor Trümpfe in der Hand, um junge Menschen für diesen Beruf begeistern zu können. Wo rauf kommt es aber an? Es wird darauf ankommen – da ha ben Sie völlig recht –, dass wir diesen Beruf attraktiv halten. Wenn Sie dazu Vorschläge haben, bin ich außerordentlich dankbar. Dann können wir dies gern auch in unsere Entschei dungsfindungen einfließen lassen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Beispiele haben wir schon aufgezeigt. Auch da könnten Sie vielleicht von uns lernen. Das heißt, wir werden die Durch lässigkeit der Laufbahnen weiter verbessern.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Zum Beispiel!)

Wir werden die Arbeitszeitbelastung der älteren Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer, der Polizeibeamtinnen und -be amten berücksichtigen. Auch das haben Sie während Ihrer Re gierungszeit ignoriert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Deshalb sind wir in diesem Bereich auch ganz gut unterwegs.

Noch einmal zu dem Vorschlag in Ihrem Antrag. Da haben Sie wieder relativ reflexhaft eine Forderung übernommen, was in Bayern gegenwärtig gemacht wird. Sie wollen mit dem Vor halt punkten, wir würden das Gegenteil von dem tun, was in Bayern vermeintlich gemacht wird. Jetzt höre ich zum ersten Mal, dass wir bezüglich der Polizeistrukturreform von Bay ern etwas lernen könnten. Wir machen die Erfahrung, dass Vertreter aus Bayern allenthalben bei uns quasi hospitieren und schauen, was wir in diesem Bereich machen, weil Bay ern bei seiner Polizeireform gravierende Fehler gemacht hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist ge wiss wahr!)

Bayern hat beispielsweise nicht, was die Verteilung in der Flä che anbelangt, zwölf Präsidien eingerichtet, wie wir es getan haben, sondern fünf Präsidien. Bayern hat damit seine eige nen effizienten Präsidien kaputt gemacht. Bayern hat eine Im mobilitätsgarantie gegeben, was bedeutet, dass die Beamtin nen und Beamten dort bleiben konnten, wo sie zum Stand der Umsetzung waren. Die Struktur ist aber eine völlig andere. Deswegen ist Bayern jetzt gezwungen, Personal einzustellen – das hat wohl auch etwas mit dem Wahlkampf in Bayern zu tun –,

(Abg. Winfried Mack CDU: Der kommt auch hier!)

macht aber die Effizienz völlig kaputt. Das ist der Hauptgrund, warum dort die sogenannten sortenreinen Standorte wieder aufgegeben werden, die wohlgemerkt aber bisher unter dem Dach der Bereitschaftspolizei waren. Bayern hat nämlich Aus bildung und Bereitschaftspolizei nicht getrennt. Warum macht Bayern in diesem Fall die Rückabwicklung? Weil dort keine Kapazitäten vorhanden sind, um diejenigen unterzubringen, die jetzt vermehrt eingestellt werden. Wir haben diese Kapa zitäten, weil wir entsprechende Vorsorge getroffen haben.

Meine Damen und Herren, ich will am Schluss ganz offen die Reaktionen ansprechen. Herr Blenke, ich will ausdrücklich

unterstreichen, was Kollege Sckerl gesagt hat. Sie sollten jetzt wieder in die Phase des Dialogs eintreten,

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das können die doch gar nicht!)

was dieses Thema anbelangt. Was Sie in diesem Haus immer vollziehen, kommt mir so vor, als ob es eine Trotzreaktion wä re, vergleichbar mit kleinen Kindern, die die Welt verstehen wollen, aber hinsichtlich des betreffenden Bereichs noch nicht geschickt und kompetent genug sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Innenminister, ich frage Sie jetzt zum dritten Mal, ob sie eine Zwischenfrage zu lassen. Diesmal hat nicht Herr Kollege Zimmermann, sondern Herr Kollege Rech gefragt, ob er eine Frage stellen darf.

Nein.