Dann haben die Befürworter Praxisbeispiele von zwei benach barten Gemeinschaftsschulen eingeholt, haben auf einem In formationsabend Filmsequenzen vorgeführt, wie schülerzen triertes Lernen funktioniert, indem man Gruppen gesehen hat, die von den Lernbegleitern allein gelassen wurden. Es ist im Grunde auch das System, dass Schülerinnen und Schüler von einander lernen und so versuchen, ihre Bildungsziele zu er reichen.
Dieses System kann man durchaus befürworten. Deswegen stelle ich überhaupt nicht infrage, dass es auch Eltern gibt, die dies für ihre Kinder wünschen. Das haben Sie eben auch be legt.
Nehmen Sie, Herr Dr. Mentrup, doch bitte auch zur Kenntnis, dass genau diese Veranstaltung dazu geführt hat, dass es vie le Eltern vor Ort gibt, die sagen: „Das ist nicht die Art des Un terrichtens, wie wir sie uns für unsere Kinder vorstellen. Wir wollen eine fachliche Anleitung durch einen qualifizierten Pä dagogen, und wir wollen nicht, dass die Kinder von Anfang an auf sich allein gestellt sind.“
Das ist doch im Grunde das alternative pädagogische Kon zept, das der Gemeinschaftsschule gegenübersteht. Wenn Sie von fairem Wettbewerb sprechen, müssen Sie die Schulen – beispielsweise die Realschulen, die Gymnasien oder auch die Werkrealschulen –, die nicht Gemeinschaftsschule werden können, doch so ausstatten, dass sie ihren pädagogischen Auf trag im Rahmen ihrer Bildungspläne, ihrer Ziele so umsetzen können wie die Gemeinschaftsschulen. Aber Sie lassen sie im Regen stehen, und Sie unterstützen nur die Gemeinschafts schulen.
die genau diese Absicht durchschauen. Deswegen können wir nur dazu ermuntern, dass Sie die Diskussion vor Ort zulassen
und dass die Diskussion auf gleicher Augenhöhe geführt wird. Dann wird die Anzahl der Skeptiker zunehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wacker, das, was Sie gerade zur Gemeinschaftsschule und zur Pädagogik einer Gemein schaftsschule gesagt haben, zeigt, dass Sie noch nie an einer Gemeinschaftsschule waren.
Das selbst organisierte Lernen ist sicherlich ein Teil der Ge meinschaftsschule, aber es ist nicht alleiniger Gegenstand der Gemeinschaftsschule. Selbstverständlich findet an der Ge meinschaftsschule in Teilen auch Frontalunterricht statt. Es gibt Lerngruppen, die untereinander arbeiten,
es gibt Lernen von anderen – Themen, die Sie auch an ande ren Schulen finden. Aber die Gemeinschaftsschule macht aus, dass eben nicht nach der vierten Klasse entschieden wird, wel cher Abschluss für das Kind möglich ist. Vielmehr wird das Kind in seiner individuellen Begabung gefördert. Das ist es, was die Eltern begeistert, dass den Kindern nicht von vornhe rein gesagt wird: „Du bist ein Hauptschulkind“, „Du bist ein Realschulkind“ oder „Du bist ein Gymnasialkind“, sondern am Ende der bestmögliche Abschluss in Aussicht steht. Das, meine Damen und Herren, ist es, was die Eltern an der Ge meinschaftsschule überzeugt.
Hier spricht die Opposition ständig von Zwang, Verordnung oder dergleichen. Mich würde ein Fall interessieren, bei dem das Kultusministerium verordnet hat, dass die Schule am Ort eine Gemeinschaftsschule wird. Diesen Fall werden Sie nicht finden. Denn das alles sind Angebote, die wir machen und von denen der Gemeinderat überzeugt ist.
(Abg. Peter Hauk CDU: Zwangsangebote! Sonst gibt es keine! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das an dere wird doch abgelehnt!)
Was haben Sie beispielsweise in Bad Saulgau dem Gemein derat und der Bürgermeisterin nach dem Bürgerentscheid ge sagt? Welche Möglichkeiten haben Sie der Gemeinde aufge zeigt? Die Haupt- und Werkrealschule weiß, dass sie in ein paar Jahren nicht mehr existiert. Die Schülerinnen und Schü ler haben keine Möglichkeit mehr, den Haupt- oder Werkre alschulabschluss vor Ort zu machen. Es gibt nur noch die Re alschule und das Gymnasium. Sie haben doch bisher gar kei ne Antwort darauf gegeben.
Was die Kampagne in Bad Saulgau angeht und Ihre Aussage, Herr Dr. Kern, die Gemeinschaftsschule sei dort „auf Herz und Nieren geprüft“ worden: Die Kampagne der CDU wurde
mit einem Plakat geführt, auf dem „Einheitsschule“ stand. Da wurde nicht einmal der Titel „Gemeinschaftsschule“ genannt.
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist die Wahrheit! Das ist doch so! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Jeder wusste, was gemeint ist! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Eine Schule für alle!)
Wenn Sie das „auf Herz und Nieren geprüft“ nennen, ist das eine falsche Bezeichnung einer Schulart, die wir anbieten. „Einheitsschule“ hat überhaupt nichts mit Gemeinschaftsschu le zu tun. Das ist unmöglich.
Mit genau dieser Polemik gehen Sie im ganzen Land umher. Sie verunsichern die Leute auf breiter Linie.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das ist keine Polemik! Das ist Aufklärung! – Glocke des Präsidenten)
Im SWR-Fernsehen wurde in der letzten Woche im Rahmen der Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg!“ auch ein Bei trag zum Thema „Demonstration gegen die Gemeinschafts schule in Lauda-Königshofen“ ausgestrahlt. Da war ein Mit glied der CDU zu sehen, das erklärte: „Wir sind gegen die Ge meinschaftsschule.“ Wo waren denn die Eltern, die das unter stützt haben?
Das wurde alles von der CDU initiiert: eine Kampagne gegen die Gemeinschaftsschule, um zu verunsichern, und nicht, um das Konzept zu begleiten.
Geben Sie hier im Parlament endlich einmal eine Antwort auf die Frage, wie Sie mit dem demografischen Wandel, mit den Anforderungen der Eltern umgehen. Diese Antwort haben Sie bis heute nicht gegeben.
Irgendwie stimmt etwas nicht. Ich würde Ihnen empfehlen: Reden Sie einmal mit Ihren Leuten an der Basis. Ich habe vor hin vergessen, mich bei Gerhard Kleinböck für die Informa tion zu bedanken. Offensichtlich hat Herr Kleinböck im Rhein-Neckar-Kreis das Ohr an den Menschen – selbst bei Ih ren Parteimitgliedern, und das mehr als Sie, Herr Wacker. Das muss ich Ihnen einmal mitgeben.
Zum Thema „Wettbewerb, Wettbewerbsverzerrung“: Das In teressante ist immer wieder: Es existiert der Mythos, die Ge meinschaftsschule sei mit sehr vielen Mitteln ausgestattet. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich hätte gern mehr. Die Mittel stel len sich ganz anders dar, wenn ich abschichte: Was gibt es an Zuschlägen für die Ganztagsschule, was gibt es an Zuschlä gen für die Inklusion, was gibt es an Zuschlägen auch in ei ner Phase des Übergangs für die Organisationsentwicklung? Ich komme von einer OES-Schule. Auch das ist ja kein unüb liches Verfahren.
Die Gymnasien haben von uns eine Poolstunde mehr erhal ten. Die Realschulen haben von uns erstmals eine Poolstunde mehr erhalten – von Ihnen die ganze Zeit nichts mehr.
Ich will auch die alten Kamellen nicht aufwärmen, dass wir jetzt seit 31 Tagen z. B. die Klassenteilersenkung, für die 230 Millionen € nötig wären, nicht finanziert haben – dank Ihrer in keiner Weise vorausschauenden Finanzpolitik. Das haben wir alles schon abgefrühstückt.
lieber Frank, ich werde dich vermissen; ich habe es dir schon gesagt – gedacht: Hat die CDU jetzt ihr strategisches Dilem ma kapiert? Nach Ihren Ausführungen nicht. Aber Sie wissen ja gar nicht – – Es ist ja noch viel schlimmer.