Noch etwas: Hier im Land haben die Vorgängerregierungen – da schließe ich auch die Große Koalition in den Jahren 1992 bis 1996 nicht aus – gewusst, dass man in einem Hightech land wie Baden-Württemberg Landwirtschaft und ländlichen Raum braucht, um die vielfältigen Aufgaben wahrnehmen zu können. Es war klar, dass man kein „Bauernministerium“ braucht, sondern ein Ministerium für den ländlichen Raum.
Deswegen wäre es gut, wenn nicht nur der Minister für Länd lichen Raum und Verbraucherschutz hier wäre, sondern auch der Minister für Finanzen und Wirtschaft sowie der Minister, der für die Infrastruktur zuständig ist. Er fehlt aber, ebenso wie der für die Bildungspolitik zuständige Fachminister. All diese Minister wären heute bei diesem für unser Land BadenWürttemberg wichtigen Thema gefordert. Sie fehlen wieder einmal.
So lange, wie das Land Baden-Württemberg nun besteht, so weit reicht auch das Verdienst zurück, das Entwicklungspro gramm Ländlicher Raum auf den Weg gebracht und ein Mi nisterium für Ländlichen Raum, für den ländlichen Raum als Wirtschaftsraum, aufgebaut zu haben. Das ist das Verdienst des ehemaligen Landwirtschaftsministers Gerhard Weiser, der von der Basis kam, der vom Land kam und der die Landwirt schaft und den ländlichen Raum verstanden hat, meine Da men und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Hahn GRÜNE: Das ist richtig! Aber was ist seitdem gewesen?)
Der ländliche Raum ist eben mehr als nur eine Ausgleichsflä che für Naturschutz; er ist auch ein Wohn- und Wirtschafts raum. Schauen Sie sich einmal die Entwicklung des Landes dort an, wo wir im Land Infrastrukturpolitik betrieben haben. Ich sage nur rechts und links, seit 1980/1984 A 6, A 3. In den typischen ländlichen Räumen sieht es so aus: Oberschwaben: niedrigste Arbeitslosigkeit, Weltmarktführer. Hohenlohe-Fran ken: das Gleiche, Facharbeitermangel. Das ist die Entwick lung der Strukturpolitik, und die müssen wir weiterführen und dürfen sie im Bereich Verkehr, Bildung und Infrastruktur nicht vernachlässigen.
Der Mittelstand, die kleinen und mittleren Unternehmen sind das Rückgrat im ländlichen Raum. Darum bin ich der Auffas sung, dass es dringend erforderlich ist, nicht nur das ELR-Pro gramm fortzuführen, sondern gerade Existenzgründungen und Übernahmen zu fördern. Ich spreche einmal jemanden an, der sich mit Wirtschaftspolitik viel beschäftigt hat: Wer heute Morgen beim Wirtschaftsmagazin hingehört hat, hat gehört: Über 10 % der Betriebe haben aktuell niemanden, der bereit wäre, den Betrieb zu übernehmen – Thema Betriebsübernah men. Ich hoffe, dass der Wirtschaftsminister endlich wach wird und dies unterstützt, damit die ländlichen Räume stabil bleiben.
Die FDP/DVP tritt für die Stärkung der Eigenverantwortung in der Landwirtschaft statt der Bevormundung von Landwir ten, Handwerkern, Mittelständlern und Gastronomen ein. Wir sind für weniger Bürokratie statt für immer mehr Auflagen, die über Richtlinien und Vorschriften immer häufiger am Par lament vorbei bis hin zu den Verwaltungsgerichten die Wirt schaftenden an ihrer Arbeit hindern. Wir sind für Marktöff nung statt Abschottung, für Fachlichkeit statt Ideologie und für Ökologie u n d Ökonomie und nicht nur eines davon.
Meine Damen und Herren, gerade diese Politik, die bisher so erfolgreich war, muss fortgesetzt werden. Ich wiederhole das, was ich auf der Landespressekonferenz im August zu diesem Thema gesagt habe. Ich fordere, dass wir für dieses Land ei ne Koordinierungsstelle für den ländlichen Raum bekommen. Herr Ministerpräsident, es wäre wichtig, dass man hier end lich eine Koordinierungsstelle schafft, in der genau diese ein zelnen Ressortegoismen für ein Ganzes im ländlichen Raum koordiniert werden. Dazu gehören nicht neue Stellen.
Ich sage noch einmal: Wir brauchen eine Koordinierungsstel le, die vom Staatsministerium als Stabsstelle ausgewiesen wird. Dazu brauchen wir keine neuen Beamten, sondern wir brauchen nur die hervorragenden Leute aus den einzelnen Ressorts, die das koordinieren und entsprechend umsetzen.
Die Frage kann ich nicht mehr zulassen. Sie haben keine Redezeit mehr. Das ist in der Geschäftsordnung so geregelt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Der ländliche Raum ist eine der Stärken Ba den-Württembergs. Baden-Württemberg ist in der positiven
Situation, dass die ländlichen Räume, was die Wirtschaftsstär ke und die Lebensqualität angeht, bei uns nah an den städti schen Räumen liegen. Es ist eines der zentralen Ziele dieser Landesregierung, diese Stärke in der Fläche aufrechtzuerhal ten. Wir wollen, dass Baden-Württemberg so stark bleibt, wie es ist, und arbeiten deshalb hart daran, dass der ländliche Raum in Baden-Württemberg so stark bleibt, wie er ist.
Nach anderthalb Jahren grün-roter Regierung kann man sa gen: Der ländliche Raum ist in guter Hand. Grün-Rot ist bes ser für das Land.
Ich glaube, die heutige Diskussion hat gezeigt, dass wir hier aktiv an den zentralen Fragen des ländlichen Raums arbeiten. Wir brauchen keine neuen Gremien und Bürokratien, sondern wir machen das, was wir tun sollen, nämlich eine gescheite Politik für das Land.
Ich glaube, der Kern der Kritik, der übrig bleibt, ist die Fra ge, ob es ein Gremium mehr oder weniger gibt. Das belegt, dass wir in diesen Politikbereichen auf einem guten Weg sind und eine gute Bilanz haben, gerade für das Land.
Der ländliche Raum bei uns ist ein starker Wirtschaftsstand ort. Er ist geprägt vom Mittelstand, von Unternehmerinnen und Unternehmern, die in der Fläche Wertschöpfung generie ren, und dies in den unterschiedlichsten Bereichen: von der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft über den Tourismus bis hin zum produzierenden Gewerbe.
Wir haben eine Struktur der Wirtschaft im ländlichen Raum, die im Export stark ist – gerade auch in unseren Kernbranchen Automobilzulieferung, Maschinenbau –, die aber auch stark ist, was Handwerk und vieles andere angeht.
Wir, die Landesregierung, haben deshalb – gemeinsam, quer durch die Koalition, durch alle Ressorts – eine Reihe von spannenden Angeboten für den ländlichen Raum. Die Ener giewende wurde hier schon angesprochen. Wir müssen sie ak tiv angehen, und das tun wir, die Landesregierung, im Gegen satz zur Bundesregierung. Die Energiewende ist das gigan tischste Innovationspaket, das der ländliche Raum in BadenWürttemberg jemals erlebt hat.
Dann muss man bereit sein, diese Aufgabe anzunehmen. Man darf nicht wie die Bundesregierung versuchen, die erneuerba ren Energien abzuwürgen und in eine alte Struktur von zent raler Energieerzeugung zurückzukommen, die eben gerade nicht dem ländlichen Raum und seinen Akteuren dient, die nicht dem Handwerk im ländlichen Raum dient, die nicht da zu beiträgt, dass die Landwirtschaft hier ein zusätzliches Standbein hat, und die eben nicht zu Wertschöpfung in der Fläche beiträgt und dafür sorgt, dass wir Lebensqualität und attraktive Jobs halten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir betreiben eine aktive Politik, um unsere Kulturlandschaften und unsere Na turschätze zu erhalten. Was den ländlichen Raum bei uns be sonders auszeichnet, ist ein breites Angebot an landwirtschaft lichen Produkten, an unterschiedlichsten Natur- und Kultur landschaften, ist ein breites Angebot für Erholung, aber auch für touristische Inwertsetzung. Das ist ein Bereich, den wir zentral angehen.
Der Tourismus ist ein ganz wichtiger Faktor bei uns im länd lichen Raum. Denn wir wissen, dass wichtige Angebote für die örtliche Bevölkerung, Handelsstrukturen, aber auch ande re Angebote im sozialen und kulturellen Bereich in Regionen vielfach davon abhängen, dass wir einen erfolgreichen Tou rismus in der Fläche haben.
Wir sind froh über die guten Tourismuszahlen, die wir haben. Wir sind auch froh darüber, dass der ländliche Raum mit et wa der Hälfte an den 45 Millionen Übernachtungen in BadenWürttemberg partizipiert. Darüber erhalten wir die Struktu ren, die wir brauchen, damit die Mittelständler in den ländli chen Räumen in Baden-Württemberg eine Chance haben, auch die Fachkräfte zu überzeugen, in den ländlichen Raum zu kommen, wenn die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist.
Da kommen wir jetzt aber zu einer Frage, die wichtig wird: Halten wir unsere Kulturlandschaften intakt? Sind wir in der Lage, den Bäuerinnen und Bauern in unserem Land die Un terstützung zu geben, die sie brauchen, um hier neben der Pro duktion von Lebensmitteln und von regionalen Spezialitäten ihre gesellschaftlichen Leistungen für den Naturschutz, für den Erhalt unserer Kulturlandschaften zu erbringen?
Jetzt wird die Entscheidung in Brüssel getroffen. Da geht es jetzt um den Schwur: Haben wir die Mittel, um die wichtigen Programme – Agrarumweltmaßnahmen, Landschaftspflege richtlinie –, um die Regionalförderung im positivsten Sinn mit LEADER, um innovative Maßnahmen für Frauen im ländli chen Raum weiterzuführen?
Wir hatten gerade eine Kabinettssitzung in Brüssel. Wir ha ben uns in unterschiedlichsten Gesprächen noch einmal be stätigen lassen, dass die Bundesregierung hier nicht unsere In teressen vertritt. Uns wurde von Kommission bis Parlament geschildert, wie die Bundesrepublik, vertreten durch Bundes kanzlerin Merkel, in den aktuellen Verhandlungen eine Stra tegie verfolgt, die massive Kürzungen im europäischen Haus halt einfordert. Die Bundesregierung verhandelt mit einer Strategie, die diese Kürzungen ausgerechnet in der zweiten Säule des Agrarbudgets, also dort, wo genau diese Maßnah men – Regionalentwicklung,
ländlicher Raum – im positivsten Sinn finanziert werden, kon zentriert. Genau da drängt die Bundesregierung auf Kürzun gen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das ernst meinen, wonach Sie, die Opposition, in Ihrem Antrag fragen, dann muss unser gemeinsames Handeln jetzt darauf ausge richtet sein, diese Katastrophe für den ländlichen Raum abzu wenden und Frau Merkel in die Hand zu fallen.