Protokoll der Sitzung vom 10.04.2013

aller Ruhe und mit der nötigen Zeit prüfen werden. Dies tun wir übrigens zusammen mit den anderen Bundesländern, die mit denselben Fragen konfrontiert sind.

Eine zweite Empfehlung lautet, für die Sekundarstufen I und II ein gemeinsames Lehramt einzuführen. Alle Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Bildungsgänge sollen so ge fördert werden, dass ihnen die Anschlüsse sowohl der beruf lichen Bildung als auch der Sekundarstufe II offenstehen. Die Lehrkräfte sollen sowohl die Lehrbefähigung für die Sekun darstufe I als auch die für die Sekundarstufe II besitzen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Also! Das ist der Einheitslehrer!)

Ich weiß nicht, warum man diese Forderung so diskreditieren muss und mit solchen Kampfparolen und Schlagworten ver sehen muss und die Menschen in Angst und Schrecken ver setzt.

(Zurufe der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch und Karl- Wilhelm Röhm CDU)

Die Kommission empfiehlt in aller Deutlichkeit die Erhöhung des Niveaus im fachwissenschaftlichen Bereich für die bishe rigen nicht gymnasialen Lehrkräfte und empfiehlt für die gym nasialen Lehrkräfte die Erhöhung des Niveaus im fachdidak tischen und im bildungswissenschaftlichen Bereich. Was ist das Problem? Wie kann man sich an dieser Stelle darüber so aufregen?

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber braucht es deshalb ei nen Lehrer für alle?)

Ich glaube, das ist ein grundkonstruktiver Gedanke, ein sinn voller Gedanke, den die Fachwelt begrüßt. Ich stelle zunächst einmal fest, dass wir über die Empfehlungen der Kommissi on reden und dass seitens der Kommission in keiner Weise für eine Niveauabsenkung geworben wurde, sondern dass für ei ne Erhöhung des Niveaus für alle geworben wurde. Ich bitte Sie, diesen Gedanken zu würdigen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Experten raten dazu, diesen Gedanken umzusetzen, in dem man ausschließlich den Lehramtstyp IV – also Sekundar stufe II und Gymnasium – für die Lehrkräfte aller allgemein bildenden Schulen im Sekundarbereich in Baden-Württem berg anbietet. Wir halten diesen Gedanken und insbesondere den Grundsatz, der dahintersteckt, für eine interessante Opti on, und wir werden prüfen, inwieweit sich diese Option in das baden-württembergische Bildungs- und Ausbildungssystem einpassen lässt. Diese Debatte werden wir bis zum Sommer führen, und zwar in aller Differenziertheit, die dabei erforder lich ist.

Naheliegend ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Univer sitäten und Pädagogischen Hochschulen im Lehramt für die Sekundarstufen I und II auch in dieser Hinsicht verstärkt in den Blick genommen werden muss und auch kann. Für die Landesregierung steht dabei im Zentrum, dass die Lehrkräf te fachwissenschaftlich, fachdidaktisch und pädagogisch auf den gleichen Stand gebracht werden, damit sie auf diese Wei se besser auf den Auftrag vorbereitet werden können, der sie

an den Schulen erwartet. Dies gilt unabhängig von der Schul art.

Selbstverständlich ist damit verbunden, dass die Lehrerbil dung so ausgerichtet sein muss, dass in den Gemeinschafts schulen optimal vorbereitete Lehrkräfte zur Verfügung stehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist der wahre Grund! Ja! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Lassen Sie auch den Kultusminister noch reden?)

Des Weiteren empfiehlt die Expertenkommission, eine ein heitliche und verbindliche Kooperation zwischen den Hoch schularten, also zwischen den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten, anzugehen. Insbesondere in der Mas terphase soll für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II nach dem Vorbild einer Professional School of Education ein gemeinsames Masterangebot entwickelt werden, sodass dar auf aufbauend verstärkt Maßnahmen im Bereich der Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer entstehen können. Denn auch dies – darauf wurde zu Recht hingewiesen – ist ein wichtiges Element für eine künftige Lehrerbildung. Es ist wichtig, dass nicht bereits zu Beginn des Weges die Festle gung auf eine singuläre Ausbildung erfolgt und der so Ausge bildete für den Rest seines Lebens mit dem klarkommen muss, was er zu Beginn seiner Bildungsbiografie gelernt hat.

Die Bündelung der jeweiligen Stärken von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in der Lehrkräfteausbildung im Rahmen einer strukturierten und organisierten Kooperation wird von der Landesregierung begrüßt. Dabei können wir auf einzelne Modelle und Erfahrungen aufbauen, die in der Ko operation zwischen Universitäten und Pädagogischen Hoch schulen bereits heute gemacht werden. Ich verweise hier als Beispiel auf die Kooperation zwischen der Universität Kons tanz und der PH Freiburg sowie auf eine länderübergreifende Kooperation mit einer Pädagogischen Hochschule in der Schweiz. Es gibt Erfahrungen im Rahmen einer Kooperation zwischen der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der Universität Stuttgart, und es gibt gute Konzepte, die in Freiburg und in Heidelberg entwickelt werden.

Ich freue mich sehr, dass die Vorlage der Empfehlungen bis zu diesem Zeitpunkt bereits in den Hochschulen dazu geführt hat, dass die Anstrengungen dabei verstärkt wurden, zu zei gen, an welchen Punkten und an welche Erfahrungen man an knüpfen kann, welche Kooperationen man ausweiten kann. Ich freue mich über die konstruktive Grundhaltung, die ich bislang an den Hochschulen erlebt habe, und ich würde mich sehr freuen, wenn diese konstruktive Begleitung von allen Fraktionen dieses Hauses mitgetragen und forciert würde.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Eine weitere Empfehlung wurde zum Thema Sonderpädago gik gegeben: Die Kommission empfiehlt, die sonderpädago gische Grundbildung in allen Lehramtsstudiengängen zu eta blieren. Sie empfiehlt, statt eines eigenständigen Lehramts Sonderpädagogik den Schwerpunkt Sonderpädagogik im Rah men des Studiums für das Lehramt Primarstufe sowie Sekun darstufe I und II sowie für das Lehramt an den berufsbilden den Schulen zu integrieren. Diese Grundausbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer ist notwendig; sie ist ein Erfordernis der Inklusion. Wir haben uns im Rahmen der UN-Konventi

on alle miteinander dazu verpflichtet, und daher halten wir diesen Grundgedanken für sinnvoll und unverzichtbar.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wenn wir über Chancengleichheit und die gleichberechtigte Teilhabe aller reden, dann müssen wir alle Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzen, dies in ihrer Schulpraxis, in ih rer Unterrichtspraxis zu implementieren. Deswegen stehen wir hinter diesem Grundgedanken.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja, aber doch nicht in der Einheitsausbildung! Sagen Sie doch einmal einen Grund, der für eine Einheitsausbildung spricht! – Ge genrufe von den Grünen)

Lassen Sie diese Kampfbegriffe doch einfach einmal aus dem Spiel.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Das steht doch da! Das ist doch ein Be griff, den Sie geprägt haben! – Zurufe von den Grü nen)

Herr Hauk!

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist Ih re eigene Formulierung! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU – Unruhe)

Herr Hauk, wenn wir im Rahmen der gestuften – –

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie haben von einer Stufenlehrerausbildung gesprochen! – Zuruf von den Grünen – Anhaltende Unruhe)

Hören Sie doch bitte einmal zu.

Das Bolognasystem bietet im Studium beste Möglichkeiten, Fächer flexibel zu kombinieren, Vertiefungsfächer und unter schiedliche Profile sowie Schwerpunkte zu bilden, sowohl was die Fächerwahl angeht, als auch was die weitere pädagogische oder sonderpädagogische Expertise angeht. Die Bolognare form bietet im Rahmen eines gemeinsamen Studiensystems, bei einer gestuften Studienstruktur einen wunderbaren Instru mentenkasten genau dafür, unterschiedliche Profile auszubil den. Deswegen mache ich mir überhaupt keine Sorgen, dass jeder und jede das Gleiche lernen wird. Vielmehr werden wir den Rahmen dafür schaffen, dass wir die unterschiedlichen Anforderungen, die wir in den Schulen brauchen, auch in der Zukunft abbilden können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Sehr gut!)

Wir werden überprüfen – das ist sicher keine ganz banale Auf gabe –, wie wir die Forderungen nach Inklusion und Beteili gung aller Schularten angesichts unserer Konzentration auf zwei sonderpädagogische Standorte umsetzen können. Wir werden ergebnisoffen prüfen, ob und, wenn ja, in welchem Umfang wir ein eigenständiges Lehramt Sonderpädagogik in Zukunft für notwendig halten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Unverzichtbar ist das!)

Lassen Sie uns die Zeit nehmen, dies gründlich zu prüfen. Wir in Baden-Württemberg haben im Vergleich zu anderen Bun desländern ein großes Gut, indem wir sonderpädagogische Expertise in besonderer Weise gehalten haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Und dann ma chen wir es nicht leichtfertig kaputt! – Gegenruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das hat doch kein Mensch gesagt!)

Wir werden damit verantwortlich umgehen.

Noch ein Wort zum weiteren Vorgehen: Wir werden uns – ich sagte es vorhin schon – bis zum Sommer Zeit nehmen, die Empfehlungen der Kommission zu bewerten. Wir freuen uns auf die Bewertung von Ihrer Seite. Wir werden Lehrerinnen und Lehrer, Vertreter von Verbänden, Hochschullehrer einla den, mit uns über die Empfehlungen zu diskutieren und uns Rückmeldung zu geben. Wir werden dazu eine Fachtagung am 7. Mai dieses Jahres veranstalten. Diese bietet die erste Gelegenheit, öffentlich gemeinsam zu diskutieren. Bis zum Sommer werden wir festlegen, wie die weiteren Schritte der Umsetzung aussehen.

Im Interesse unserer Schulen, im Interesse unserer Hochschu len und nicht zuletzt im Interesse der Kinder würde ich mich sehr freuen, wenn wir diese Debatte gründlich, in aller Ruhe und an der Sache orientiert miteinander führen. Darum möch te ich Sie bitten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Sehr gut!)

Für die FDP/DVP-Frak tion darf ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort erteilen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Vom „Dschun gelcamp“ zur Sachlichkeit!)

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Lehmann, über Ihre Re de habe ich mich sehr gefreut.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Echt?)

Ihre Rede war wirklich erfreulich, weil Sie keinen einzigen Ton zum Thema Einheitslehrer gesagt haben.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Dazu sage ich gleich noch etwas! In der zweiten Runde!)

Ich hoffe, wir können davon ausgehen, dass sich die Fraktion GRÜNE von diesem Unsinn distanziert. Das wäre ein sehr er freuliches Ergebnis dieser Debatte.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Über die anderen Fragen zur Reform der Lehrerausbildung, der Lehrerfortbildung können wir natürlich reden. Das ist überhaupt keine Frage. Das ist ein Bereich, in dem es auch zu unserer Regierungszeit immer wieder Reformen gegeben hat. Natürlich muss man darüber reden, wie man beispielsweise

Gymnasiallehrer pädagogisch besser qualifiziert und wie man die Aus- und Weiterbildung optimiert.