Protokoll der Sitzung vom 08.05.2013

Im Prozess der Entwicklungspolitik müssen wir darauf ach ten, dass die jeweiligen Eigenheiten und Gegebenheiten un serer Partnerländer berücksichtigt werden.

Wenn wir – wie geplant – das Partnerschaftsabkommen mit Burundi im Herbst unterzeichnen, gilt es genau dies mit zu bedenken. Herr Lasotta, das ist, denke ich, nicht nur eine par lamentarische Aufgabe. Eine tatsächliche Partnerschaft be ginnt von der Basis her. Da müssen alle mit einbezogen wer den. Man sieht ja, was jetzt auch schon privat und durch Kir chen passiert. Das ist eine sehr wertvolle Arbeit,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Da widerspreche ich Ihnen nicht!)

und da haben wir die tragende Säule in diesem Bereich.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Über die SEZ und ihre Servicestelle haben wir eine gute An laufstelle, die den Austausch von Wissen und Hilfe mit Bu rundi koordiniert. Wir können dabei von der großen Erfah rung der SEZ in der Begleitung vieler Projekte der Zivilge sellschaft profitieren.

Gelungene Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi, Äthi opien, Ghana oder irgendeinem anderen Land ergibt sich nur, wenn auch wir hier umdenken, wenn auch wir hier in Deutsch land und in Baden-Württemberg uns entwickeln.

Die entwicklungspolitische Aufklärung der eigenen Gesell schaft hat deshalb für uns und für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Das Wissen um globale Zusammenhänge – kurz globales Lernen – ist sehr wichtig. Wir wollen dieses Wissen in globalen Klassenzimmern und fächer- und jahr gangsübergreifend in den Lehrplänen der Schulen verankern. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung muss sich als roter Faden durch den Bildungsplan ziehen. Dazu sind auch Anpas sungen im Curriculum, in den Lehreraus- und -fortbildungen für alle Studiengänge nötig.

Kinder und Jugendliche, aber auch wir Erwachsenen sollen stärker die globalen Zusammenhänge unseres Tuns oder un seres Unterlassens als Verbraucherinnen und Verbraucher ken nen und Verantwortung dafür übernehmen. Wir müssen zu kri tischen Konsumentinnen und Konsumenten werden, und das nicht nur kurzfristig etwa nach einer Katastrophe, wie sie jetzt in einer Textilfabrik in Bangladesch passiert ist. Das heißt, lie ber weniger Kleider kaufen, dafür aber welche, die unter öko logisch und sozial fairen Bedingungen produziert worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das ist ein wichtiges Lernziel, das sich gar nicht immer so einfach umsetzen lässt. Dies heißt dann auch Verzicht auf T-Shirts oder Hosen und auf Schnäppchen, wenn sie in Fa briken zur Versorgung des Weltmarkts zu Billigstpreisen und unter sozial und ökologisch katastrophalen Bedingungen pro duziert worden sind. Auch hier geht die Landesregierung ei nen guten Weg, wenn sie das öffentliche Beschaffungswesen

weiterentwickelt und partnerschaftlich und im Sinne fairen Handelns ein an ökologischen und sozialen Kriterien orien tiertes Vergaberecht installiert.

Die Umsetzung der Leitlinien hat inzwischen begonnen. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Lasotta: Nicht alles wird von heu te auf morgen zu bewerkstelligen sein. Wir müssen da Schritt für Schritt vorangehen.

Dennoch: Das Promotorenprogramm, mit dem die entwick lungspolitische Bewusstseinsbildung im außerschulischen Be reich gestärkt wird, hat zum 1. April begonnen. Der Bund hat seine Zusage zum vorläufigen Maßnahmenbeginn gegeben. Das Land und der Bund finanzieren diese Maßnahme, mit der in Baden-Württemberg insgesamt elf Stellen finanziert wer den. Damit fördern wir institutionell das Netzwerk im Land. Auch die Servicestelle Burundi bei der SEZ wird künftig über das Promotorenprogramm gefördert. Eine weitere ist geplant. Der DEAB, das EPiZ, Engagement Global und einige mehr: Viele Bewerbungen liegen vor. Bis zum Herbst sollen alle Stellen besetzt werden.

Die erste Landeskonferenz Entwicklungspolitik auf der dies jährigen Messe FAIR HANDELN und die Messe selbst wa ren ein voller Erfolg. Das Land bezuschusste die Messe FAIR HANDELN mit 75 000 € – also in gleicher Höhe wie im Vor jahr.

Erfreulich ist, dass die Messe Stuttgart durch faire Preise und differenzierte Standgebühren die Aussteller unterstützt hat. Die Messe hat sich als ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Ideenentwicklung vieler Engagierter herauskristalli siert.

Eine schwierige Entscheidung – Herr Lasotta ist eben schon darauf eingegangen – gab es zu treffen: Die notwendig gewor dene Schließung des IfB in Mannheim hat uns alle nicht er freut. Wir sehen in der beruflichen Bildung junger Menschen eine große Aufgabe und Chance für die Entwicklungspolitik, die gerade die Bundesländer mit ihrer Kompetenz in diesem Bereich wahrnehmen können. Ich denke, auch ein Ende, ein Neustart kann eine Chance sein, um hier neue Wege zu gehen.

Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, das Ministe rium für Finanzen und Wirtschaft sowie das Staatsministeri um suchen nun mit entsprechenden Partnern nach neuen Strukturen für die Ausbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Handwerksbereich. Gut ausgebildete Handwerker sind eine wichtige Basis für wirtschaftliche Ent wicklung und damit von enormer Wichtigkeit. Das wissen wir hier in Baden-Württemberg sehr gut. Deswegen sehe ich uns auch in der Verantwortung, dass wir, das Land, Handwerks betrieben und Unternehmen eine Plattform bieten. So können Produkte, aber auch technisches Know-how und Erfahrungen ausgetauscht und für die Entwicklungszusammenarbeit frucht bar eingesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Mit dem Dialogprozess haben wir bei der Zivilgesellschaft und den entwicklungspolitischen Akteuren hohe Erwartungen geweckt. Das merken wir auch als Abgeordnete des Landtags. Wir erhalten verstärkt Anfragen aus der Zivilgesellschaft z. B. mit der Aufforderung, dass der Landtag die Global Marshall Plan Initiative unterstützt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns das Anliegen der Global Marshall Plan Initiative mit unseren Zielen aus den entwicklungspolitischen Leitlinien zusammenführen und ge meinsam einen Antrag erarbeiten, um global auf eine ökolo gisch und sozial gerechte Zukunft hinzuwirken. Dies ist ein wichtiges Zeichen, um die entfachte Dynamik im Land zu un terstützen und zu zeigen, dass es uns ernst ist. Entwicklungs politische Arbeit ist die Politik des Wandels und die Verpflich tung, Verantwortung zu übernehmen. Beginnen wir heute da mit!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Rita Haller-Haid das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir haben heu te schon ausführlich über Europa diskutiert, über die beste henden Probleme und darüber, welche Verantwortung das Land Baden-Württemberg hier übernimmt. Ich denke, wir müssen jetzt noch einen Schritt weiter gehen und uns auch überlegen, welche Verantwortung wir in der Welt überneh men. Wie schnell uns die Probleme außerhalb Europas einho len können, sieht man z. B. – wir haben das heute Morgen in Bezug auf Griechenland und andere Länder angesprochen – bei den Flüchtlingen, die dann bei uns landen und die für die Länder eine große Belastung bedeuten. Es wäre manchmal sinnvoller, außerhalb anzusetzen, bevor man da in der EU Pro gramme fährt. Aber das nur ganz nebenbei.

Die Problemlagen in der Welt haben sich natürlich sehr ver ändert. Es gibt heute auf der einen Seite Schwellenländer, die uns mit ihrer wirtschaftlichen Dynamik fast überholen, und auf der anderen Seite gibt es Länder, die von dieser Entwick lung völlig ausgeschlossen sind und komplett abgekoppelt sind. Das stellt uns natürlich vor neue Herausforderungen. Da bei, Herr Lasotta, stimme ich Ihnen zu, dass wir bezüglich der Probleme Nordafrikas und anderer Länder, die Sie angespro chen haben, aktiver werden müssen, als wir es bisher viel leicht gewesen sind. Das geht uns alle an.

Grob vereinfacht kann man sagen: Wir stehen vor zwei Her ausforderungen. Das ist zum einen die Frage, wie man dem Trend zu einer weiteren ökologischen Zerstörung begegnen kann, und zum anderen die Frage, wie wir es schaffen, zu mehr sozialer Gerechtigkeit in der Welt zu kommen.

Der Global Marshall Plan, der angesprochen wurde, ist sicher ein ganz wichtiges Thema. Wie ich gehört habe, hat der Fi nanz- und Wirtschaftsausschuss jetzt eine Arbeitsgruppe ein gerichtet, um das Anliegen der Global Marshall Plan Initiati ve zu unterstützen, die Millenniumsziele der Vereinten Nati onen durchzusetzen. Das finde ich sehr gut. Der Ausschuss für Europa und Internationales wird sich da mit Sicherheit an schließen. Ich hoffe auch, dass wir dann gemeinsam eine Dis kussion im Landtag darüber führen können, wie wir auch in Baden-Württemberg die Millenniumsziele umsetzen können und was wir dazu beitragen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Bei dieser schwierigen Gemengelage in der Welt kann man ganz grob auch sagen: Wir brauchen mehr Kooperation ins

gesamt zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Ak teuren. Das war letztlich auch der Grund, warum man diesen Dialogprozess, der ein voller Erfolg ist, angestoßen hat. Her ausgekommen ist eine einzigartige Vernetzung, und zwar, Herr Dr. Lasotta, nicht nach dem Motto „Wünsch dir was“. Genau so war es eben nicht, sondern es sind sehr realistische Vor schläge erarbeitet worden, die sich entsprechend umsetzen lassen.

Was das Geld anbelangt: Zum ersten Mal wurde der Topf wie der kräftig erhöht. Wir haben jetzt immerhin 1 Million €.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Wir waren durch die Vernetzung gleichzeitig in der Lage, zu sätzliches Geld zu rekrutieren. Das, finde ich, ist das Entschei dende, auf das es ankommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Was ist seitdem passiert? Vor allem ist erkannt worden: Ent wicklungszusammenarbeit ist eine Querschnittsaufgabe, die nicht allein beim Staatsministerium ansetzt, sondern zu der auch alle anderen Ministerien Überlegungen anstellen; sie ha ben Beauftragte für dieses Thema und überlegen, was sie ma chen können.

Es gibt eine Geschäftsstelle im Staatsministerium. Es gibt ei nen Fachbeirat, der schon angesprochen worden ist. Ich bin sicher, dass jetzt auch in den Einzelministerien entsprechen de Vorschläge erarbeitet werden.

Das Thema „Globales Lernen“ ist angesprochen worden. Das Kultusministerium ist dabei, dieses Thema mit den zivilge sellschaftlichen Akteuren anzugehen. Es läuft also eine gan ze Menge.

Was die Berufsbildung anbelangt: Auch bei dem betreffenden Zentrum in Mannheim muss es weitergehen. Heute Morgen im Rahmen der ersten Aktuellen Debatte ist das Thema „Du ale Ausbildung“ bereits angesprochen worden: Wir unterstüt zen die Fachhochschule in Esslingen hinsichtlich der Ausbil dung zu diesem Thema. Das gilt genauso für Bereiche der Ent wicklungszusammenarbeit. Da macht das Land eine ganze Menge, und es wird auch in Mannheim mit Sicherheit in ir gendeiner Form etwas nachkommen. Auch darüber wird im Moment diskutiert.

Wie geht es in der Zukunft weiter? Wir müssen auch im Zu sammenhang mit dem Vergabegesetz und einem möglichen Beschaffungsgesetz überlegen: Wie macht man das? Vor al lem bedarf es dafür ganz eindeutig des Dialogs mit der Wirt schaft. Wenn man immer sagt, man müsse künftig die gesam te Produktionskette ins Auge fassen, ist das ja gut und richtig, aber in der Praxis gar nicht so einfach.

Genau aus diesem Grund wollen wir auch in den Dialog mit der Wirtschaft treten und uns dabei überlegen: Wie schaffen wir es, dass wir z. B. die ILO-Richtlinien stärker berücksich tigen? Da reicht es wahrscheinlich nicht aus, dass man sich künftig immer auf die Eigenauskunft der Betriebe verlässt, sondern vielleicht bedarf es dafür tatsächlich mehr.

Diese Diskussion müssen wir an entsprechender Stelle füh ren. Das gilt genauso im Zusammenhang mit der Initiative zum Global Marshall Plan, die im Moment vorbereitet wird.

Ein anderes wichtiges Thema ist die faire Beschaffung. Im mer mehr Städte werden Fair-Trade-Stadt. Die erste liegt in meinem Wahlkreis. Das ist Rottenburg.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die letzte war Ludwigs burg!)

Die erste in Baden-Württemberg war Rottenburg. Darauf le ge ich Wert.

(Beifall des Abg. Gernot Gruber SPD)

Zu Burundi will ich noch etwas ansprechen. Im November wird eine Partnerschaftserklärung unterzeichnet. Es wird zu Burundi auch einen ganz wichtigen Schwerpunkt geben: Das ist das Gesundheitswesen. Im Bereich Gesundheit ist es na türlich beispielsweise wichtig, dass man mit den Leuten vor Ort ihre traumatischen Erfahrungen im Bürgerkrieg aufarbei tet. Das Deutsche Institut für ärztliche Mission – Difäm – hat viele Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Die ses Institut ist hierbei mit im Boot. Das halte ich für eine gu te und wichtige Erfahrung.

Es gibt darüber hinaus in Burundi auch sehr viele duale Aus bildungsprojekte. Da können wir uns immer noch steigern – in vielen anderen Ländern auch. Aber auf die duale Ausbil dung wird in diesem Zusammenhang sehr viel Wert gelegt. Das Land arbeitet da auch mit anderen Bundesländern zusam men, die uns dabei schon manche Erfahrung voraushaben. So kooperiert z. B. Rheinland-Pfalz sehr eng mit Ruanda als Be treuungsgebiet; die arbeiten aufs engste zusammen.

Zum Abschluss möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die an diesem Prozess mitgewirkt haben: bei den Kirchen, der SEZ, der GIZ und vor allem bei den vie len Initiativen, die sich beteiligt haben, sowie bei den Bürge rinnen und Bürgern. Wir sind ihnen zu großem Dank ver pflichtet. Ich bin mir sicher, dass die Zusammenarbeit, die jetzt in diesem Prozess begründet wurde, ein guter Anfang für ei ne hervorragende weitere Zusammenarbeit ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)