Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Zunächst erteile ich aber gemäß § 82 Absatz 3 der Geschäfts ordnung dem Präsidenten des Rechnungshofs, Herrn Mun ding, das Wort.

Sehr geehr te Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie bei der Novellierung Ihrer Geschäftsordnung die Möglichkeit ge schaffen haben, dass der Rechnungshof Ihnen nicht nur im Ausschuss, sondern auch hier im Plenum Rede und Antwort stehen kann. Wir sehen darin einen Ausdruck der Wertschät zung für den Rechnungshof und ein Zeichen der Verbunden heit sowie einen Ausdruck dessen, wie wichtig Ihnen unsere Arbeit ist.

Besonders danke ich auch den Mitgliedern des Ausschusses. Sie haben, ungeachtet ihres ohnehin schon sehr umfangrei chen Arbeitsprogramms, mit hoher Intensität jeden einzelnen Beitrag durchgearbeitet. Dafür herzlichen Dank auch dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Klein, auch im Namen meiner Senatskolleginnen und -kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Danken möchte ich auch dafür, dass Sie die für Mai vorgese hene Debatte mit Rücksicht auf meine Erkrankung verscho ben haben.

Gerade in den letzten Tagen sind eine Reihe von Themen des Rechnungshofs auf der politischen Agenda gestanden. Wir be grüßen es, dass die Zentralisierung der IT, die wir seit Jahren fordern, nun doch in Gang kommt. Herr Staatssekretär Rust

und Herr Zinell mussten dafür in den letzten eineinhalb Jah ren sicherlich einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Der An fang ist gemacht. Die Richtung des Grobkonzepts stimmt.

Angesichts der Vielzahl der Einzelinteressen und Beteiligten wird die Umsetzung jedoch kein Selbstläufer werden. Dies zeigen die bisherigen Erfahrungen. Umso wichtiger ist es, dass wir die politische Rückendeckung im Ausschuss für dieses Anliegen auch bei den letzten Beratungen immer wieder er halten haben.

Der Rechnungshof wird – wie auch Sie – am Ball bleiben. Wir setzen darauf, dass die Regierung bald in die Umsetzung ein steigt. Nach dem schwierigen Vorlauf sollten wir aber keinen Attentismus mehr fördern, sondern kompatible Projekte – ich erinnere an die Beratungen im Ausschuss zur DV-Stelle der Justiz – zu einem möglichst frühen Zeitpunkt anpacken.

Wir können nur ermuntern, die IT des Landes unter einheitli cher Verantwortung konsequent zu bündeln und bei der spä teren Umsetzung nicht bei der bloßen besseren Koordination stehen zu bleiben.

Bei der IT muss endlich das Landesinteresse die erste Priori tät haben und nicht mehr die Ressortinteressen.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Nebenbei bemerkt: Auch wir, der Rechnungshof, gehen unter das gemeinsame Dach. Wir lassen unsere IT vom Informatik zentrum der Landesverwaltung betreiben. Wir fordern nicht nur, sondern wir machen es auch.

Ein zweites Thema, das in den letzten Tagen erörtert wurde, ist das Klinikum Mannheim. Hier war unsere Denkschrift der Katalysator, um den Dauerkonflikt zwischen dem Uniklini kum Mannheim und dem Land zu lösen, mit Einsparungen in Millionenhöhe für das Land. Das ist durchaus ein gutes Er gebnis.

Meine Damen und Herren, die größte öffentliche Aufmerk samkeit war unserem Beitrag zur demografischen Entwick lung der Schülerzahlen und ihre Auswirkungen auf den Lehr kräftebedarf beschieden. Im Grunde haben wir nur bekannte Zahlen thematisch aufbereitet. Dies hat aber den Blick dafür geöffnet, dass der seit Jahren stattfindende Rückgang der Schülerzahlen nicht ohne Auswirkungen auf die Lehrerstel len bleiben kann und – mehr noch – bleiben darf.

2003 hatten wir mit insgesamt über 1,2 Millionen die höchs te Schülerzahl. Während die Zahl der Lehrerstellen seither um 8 % gestiegen ist, sank die Zahl der Schüler um 10 %. Die Zahl der Schüler pro Lehrer ging von 17,2 auf 14,2 zurück.

Der Schülerzahlenrückgang wird sich weiter fortsetzen, und zwar auf nur noch rund 900 000 Schüler im Schuljahr 2021/2022. Da ran kann man mit Blick auf den Haushalt nicht vorbeigehen.

Es ist erfreulich, dass der Ministerpräsident und die Regie rung postwendend reagiert haben und bis zu 11 600 k.w.-Stel len streichen wollen.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das muss man vor der Wahl sagen!)

Uns ist bewusst: Kürzungen im Bildungsbereich fallen nie mandem leicht. Wir haben daher durchaus Respekt und Aner kennung für diese Entscheidung.

Bei einem Personalkostenanteil von rund 42,5 %, wenn man die Landesbetriebe hinzunimmt – und das muss man tun –, ist jedoch auch ein weiterer allgemeiner Stellenabbau in der ge samten Landesverwaltung erforderlich. Hier hätten wir es be grüßt, wenn der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft nicht nur ein Personalentwicklungskonzept beschlossen hätte, son dern entsprechend unserer Empfehlung auch ein Konzept zum Stellenabbau vorgesehen hätte. Denn trotz aller Bemühungen nimmt das Personal in der Landesverwaltung nach wie vor noch nennenswert zu. Wir werden dies bei unserer nächsten Denkschrift aktuell beleuchten.

Außerdem: Personalveränderungen sind bekanntlich nur mit tel- bis langfristig erreichbar. In diesem Jahrzehnt erreicht je der vierte Beamte die Altersgrenze für den Eintritt in den Ru hestand. Werden aber alle diese frei werdenden Stellen wie der neu besetzt, dann beschneiden Sie auf Jahrzehnte Ihren Gestaltungsspielraum. Man wird den Landeshaushalt auch nicht allein mit punktuellen Sparrunden bei Beamten und ei ner zurückhaltenden Tarifpolitik sanieren können. Deshalb kommen wir um einen Stellenabbau nicht herum. Ich will es zugespitzt formulieren: nicht nur am Personal sparen, sondern auch Personal sparen. Dies macht den Haushalt auf Dauer tragfähig.

Wenn dann aber keine bloße Arbeitsverdichtung stattfinden soll, heißt dies: Aufgabenkritik und nochmals Aufgabenkri tik. Dieser Sisyphusarbeit müssen wir uns stellen, in der Hoff nung, dass es uns nicht wie dem antiken Protagonisten geht und unsere Arbeit vergeblich ist.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, fordert der Rech nungshof seit Jahren die Verankerung der Nullneuverschul dung in der Landesverfassung. Bei der Vorstellung der letzt jährigen Denkschrift hatte ich ausgeführt, dass wir es nicht kritisieren würden, wenn Sie die Nullneuverschuldung im In teresse der Gewinnung einer für die verfassungsrechtliche Verankerung notwendigen breiten Mehrheit nicht sofort in der Landesverfassung verankern; dies darf allerdings auch nicht erst 2020, sozusagen auf den letzten Drücker, erfolgen, son dern muss zu einem Zeitpunkt dazwischen geschehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Die Regierungskoalition hat sich jedoch auf die Änderung der Landeshaushaltsordnung beschränkt und einen breiten Ver schuldungskorridor bis 2020 eröffnet. Bei einer stabilen Wirt schaftslage haben wir – trotz der kleinen Korrektur bei der Mai-Steuerschätzung – nach wie vor wachsende Steuerein nahmen, die inzwischen eine Rekordhöhe erreicht haben. Bei dieser Ausgangslage muss mehr drin sein, und das Land darf nicht zu kurz springen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Der Finanzplan 2020 soll nach dieser Änderung der Landes haushaltsordnung das zentrale Element zur Einhaltung der Schuldenbremse werden. Die Regierung macht es zurzeit ja

noch ein bisschen spannend. Wir hoffen und erwarten, dass der Finanzplan über eine Ziel- und Wegbeschreibung deutlich hinauskommt und dass er notwendige Einsparungen konkret benennt.

Ein Argument der Regierung war, dass die alte Fassung der Landeshaushaltsordnung nur eine punktuelle Betrachtung an stelle und darüber strukturelle Einsparungen aus dem Blick verliere. Um den damals postulierten Forderungen gerecht zu werden, sollte der Finanzplan mit konkreten strukturellen Maßnahmen unterlegt werden. Auch absehbare Risiken und neue Aufgaben müssen in das Deckungskonzept einbezogen werden. Ich nenne die neuen Zensuszahlen mit Auswirkun gen in Höhe von grob 100 Millionen € auf den Länderfinanz ausgleich. Weitere Stichworte sind die Fluthilfe, die Ausfinan zierung der Polizeireform oder neue Aufgaben wie der Nati onalpark Nordschwarzwald.

Wir dürfen nicht nur über neue Aufgaben reden, sondern wir müssen auch darüber sprechen, auf welche Aufgaben wir ver zichten oder bei welchen wir wenigstens kürzertreten. Aufga benabbau ist nicht nur kompliziert und kleinteilig, sondern auch eine enorme politische Herausforderung. Nicht alles, was mit guten Gründen zu einer öffentlichen Aufgabe gemacht worden ist, und nicht alles, was sich entwickelt hat, wird sich das Land dauerhaft leisten können. Die Politik braucht daher den Mut, aus finanzpolitischen Gründen nicht nur Prioritäten zu setzen, sondern auch Posterioritäten.

2020, das hört sich nach ferner Zukunft an. Strukturelle Ver änderungen sind aber in der Regel nicht kurzfristig umsetz bar und brauchen einen längeren Zeitraum, bis sie greifen. Die Zeit zum Handeln ist deutlich kürzer, als die Jahreszahl 2020 suggeriert.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Meine Damen und Herren, der Landtag hat in der Vergangen heit immer wieder gute Erfahrungen mit Enquetekommissio nen gemacht. Diese haben zum Teil zu einem legislaturperio denübergreifenden Konsens über wichtige Vorhaben geführt. Angesichts dieser positiven Erfahrungen und der Tatsache, dass wir bei der Haushaltskonsolidierung eine lange Strecke vor uns haben, sollte vielleicht auch bei diesem Thema ein mal über einen solchen Weg nachgedacht werden.

Meine Damen und Herren, Ihre Beratungen waren für uns sehr ermutigend. Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit.

Lassen Sie mich abschließend noch einen kleinen Punkt her vorheben, der mir wichtig ist. Bei aller Kritik, die wir in un serem Prüfungsgeschäft üben, stoßen wir auf engagierte und aufgeschlossene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lan desverwaltung. Diese handeln verantwortungsbewusst und ha ben durchaus eine hohe Sensibilität für Haushaltsfragen. Auch dies sollte ruhig einmal festgestellt werden, auch vom Rech nungshof.

Ich bedanke mich für Ihre Geduld und Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herzlichen Dank, Herr Munding, für die Premiere, dass hier der Rechnungshofpräsi dent gesprochen hat.

Jetzt erteile ich in der Aussprache Herrn Abg. Dr. Löffler für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Mit der Denkschrift 2012 zur Haus halts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württem berg will der Rechnungshof die Regierung des Landes zum Nachdenken anregen. Das ist eine subjektive Unmöglichkeit, gewiss.

(Heiterkeit der Abg. Wolfgang Reuther CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Aber dennoch danken meine Fraktion und ich dem Rech nungshof – Ihnen, Herr Munding, und Ihren Mitarbeiterin nen und Mitarbeitern – für diese Anregungen ganz herz lich. Wir freuen uns auch, dass Sie wieder genesen sind bzw. auf dem Weg der Genesung sind. Ich hoffe, das setzt sich fort.

Der Rechnungshof nimmt diese für die Regierung nicht im mer angenehme Arbeit im Land seit 60 Jahren unbeirrt und objektiv wahr. Das hat dem Land auch gutgetan. Lassen Sie in Ihrer Kritik nicht nach, bleiben Sie unangenehm. Schauen Sie uns auf die Finger, und sagen Sie uns ungeschminkt, wo die Schwachstellen und Defizite sind. Wir danken es Ihnen, auch wenn wir es nicht immer so zeigen können.

(Heiterkeit der Abg. Arnulf Freiherr von Eyb und Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Die Menschen im Land danken es Ihnen auch. Es ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Die Politiker sollten so damit umgehen, als wäre es ihr eigenes Geld.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das vergessen wir manchmal.

Zum wiederholten Mal und zu Recht mahnt der Rechnungs hof an, endlich die Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern. Das tut er, wie ich meine, mit einem guten Ar gument. Der Rechnungshof sagt:

Die verfassungsmäßige Verankerung erschwert nicht die Haushaltssanierung, sondern erleichtert sie.

Das sehen wir auch so. Die Landesregierung will das nicht, obwohl Rekordeinnahmen von 29 Milliarden € von den Bür gerinnen und Bürgern und der Wirtschaft in die Haushaltskas sen geflossen sind. Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht? Beides dürfte zutreffen. Es fehlt der Mut zum konzeptionel len Sparen.