Es geht darum, weder Druck noch Zwang ausüben zu wollen. Ökolandbau erfolgt freiwillig. Ökolandbau ist eine emotiona le Angelegenheit für Landwirte. Ökolandbau ist mit Überzeu gung verbunden. Das soll auch so bleiben. Ökologischer Landbau soll für die Landwirte eine Alternative, eine Option sein. Jeder, der diesen Weg beschreiten will, soll diesen Weg beschreiten können. Dazu soll er von uns die dafür notwendi ge und gerechtfertigte ökonomische Unterstützung erhalten.
Sie haben noch Redezeit, Herr Kol lege. Sie dürfen auch die Redezeit des nachfolgenden Red ners in Anspruch nehmen.
Ich habe mir noch ein Thema no tiert, das mit ökologischem Landbau und der weltweiten Er nährung in der Zukunft zusammenhängt. 30 % bis 40 % der Energie, die unsere Pflanzen, hauptsächlich unsere Futter pflanzen, liefern, werden diesen Pflanzen zunächst einmal per Kunstdünger zugeführt.
Die Herstellung von Kunstdünger ist die energieintensivste Form der Düngerherstellung. Kunstdünger ist nur mit großem Energieaufwand herzustellen. Wenn Energie in Zukunft teu rer wird, dann wird auch die Herstellung von Kunstdünger teurer. Außerdem wird es teurer, den Pflanzen Kunstdünger zuzuführen, um die Erträge zu steigern. Der Landwirt kommt also an die Grenze, wegen der Kosten von zusätzlichem Kunst dünger auf höhere Erträge zu verzichten. Das bedeutet, die Erträge in der Landwirtschaft gehen zurück, weil wir uns teu ren Kunstdünger, der mithilfe teurer Energie hergestellt wor
den ist, nicht leisten können. Das sagen Ernährungsexperten schon heute. Wir wissen außerdem, dass vom Kunstdünger keine Leistungssteigerung mehr zu erwarten ist.
Was bedeutet das? Ich möchte es am Beispiel der Milchleis tung veranschaulichen. Ungefähr 40 % der Energieleistung – des Futters – von Kühen werden „von außen“ zugeführt, kom men also aus dem Ausland. 60 % des Futters kommen von hier. Das Futter aus dem Ausland, das den Kühen zugeführt wird, führt zu einer Milchleistung von 8 000 bis 9 000 Litern pro Jahr. Damit ist eine Grenze erreicht, jenseits derer die Milchviehhaltung unter Tierschutzaspekten kaum noch ver tretbar ist.
Wenn wir diesen Weg weitergehen, werden wir an eine Gren ze kommen. Das ist vergleichbar mit Doping. Das olympische Prinzip – schneller, höher, weiter – gilt bei Tieren und in der Natur insgesamt nicht.
Deshalb sagen Ernährungsexperten, dass die ökologische Landwirtschaft in der Zukunft die Landwirtschaft sein wird, die als Einzige ohne große Mengen von Kunstdünger und da mit ohne große Mengen von zukünftig teurer Energie auskom men wird.
In Zukunft werden wir die ökologische Landwirtschaft nicht nur unter dem Blickwinkel gesunder Nahrungsmittel betrach ten, sondern auch unter dem Blickwinkel der sicheren Nah rungsmittelherstellung weltweit. Wenn wir das schon heute unter diesem Gesichtspunkt betrachten, dann sind wir bereits ein Stück weiter. Diesen Schritt müssen wir aber noch ma chen. So weit sind unsere Verbraucher noch nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kol legen! Lieber Kollege Winkler, der Begriff Kunstdünger hat nichts mit Kunst zu tun. Vielmehr handelt es sich um Mine raldünger. Wer in der Berufsschule von Kunstdünger spricht, der sollte lieber einen anderen Beruf ergreifen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der ökologische Landbau hat in Baden-Württemberg eine sehr lange Traditi on. Wenn die Fraktion GRÜNE heute fordert, die Chancen des ökologischen Landbaus zu nutzen, dann ist es sicher gut, darüber einmal am Vormittag eines Plenartags zu diskutieren. Das ist jedoch wahrlich nichts Neues; denn Baden-Württem berg hat diese Traditionen. Wer das nicht glaubt, der sollte sich einmal kundig machen. Bereits vor 50 Jahren wurden in der Bauernschule Hohenlohe in Weckelweiler Kurse dazu abge halten. Das wissen auch Sie, Herr Kollege Hahn, sehr genau. Baden-Württemberg ist das Pionierland des ökologischen Landbaus schlechthin, und zwar schon seit sehr langer Zeit; zu Anfang gab es die Grünen noch nicht.
Die praktisch ausgebildeten Landwirte müssen wissen: Man kann auch im ökologischen Landbau Fehler machen. Auch hier gilt das, was Paracelsus von Hohenheim klar und deut lich gesagt hat, nämlich: Die Dosis macht’s. Auch im ökolo gischen Landbau kann es Überdüngung geben, auch dort kann man etwas falsch machen.
Meine Damen und Herren, in Baden-Württemberg wurde, wie gesagt, Pionierarbeit im ökologischen Landbau geleistet, und es wurde auch Geld damit verdient. Unsere Landwirte haben damit nicht auf einen grünen Minister gewartet, sondern sie haben – nun bereits in der zweiten und dritten Generation – die Höfe umgestellt, zum Teil mit Hofläden, mit Ökolandbau, mit Direktvermarktung. Das alles ist nichts Neues.
Baden-Württemberg war auch das erste Bundesland, das den ökologischen Landbau gezielt finanziell unterstützte. Auch hierzu bedurfte es keines grünen Ministers. Ich darf Sie nur daran erinnern: Als Gerhard Weiser dies schon unterstützte, da haben andere erst noch sinngemäß „gegoogelt“ – obwohl es damals Google noch gar nicht gab –,
Meine Damen und Herren, die Förderung des ökologischen Landbaus erfolgt in Baden-Württemberg zum einen über die Agrarumweltprogramme wie das MEKA, zum anderen gibt es weitere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Was die Vermarktung angeht, sind die Ökolandbaubetriebe mit an deren landwirtschaftlichen Unternehmen gleichberechtigt.
Wollen Sie jedoch industrielle Landwirtschaft anschauen, dann müssen Sie in andere Bundesländer gehen. Ich nenne hier nur einmal Nordrhein-Westfalen. Man sollte nicht ver gessen, wer dort über 50 Jahre regiert hat.
Wer hingegen eine flächendeckende umweltschonende Land wirtschaft sehen möchte, ist bei uns in Baden-Württemberg richtig.
Baden-Württemberg war auch das erste Bundesland, das zu sammen mit den Ökoverbänden – ich betone: zusammen mit den Ökoverbänden – ein Gütezeichen für baden-württember gische Bioprodukte geschaffen hat: das Bio-Zeichen BadenWürttemberg.
Sie sehen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, unser Bundesland ist bei der Entwicklung des ökologischen Land baus vornewegmarschiert.
Warten Sie einmal. – Noch vor 20 Jahren war der Biomarkt ein Nischenmarkt mit einem Anteil von weniger als 0,5 %; wir haben es gerade gehört. Zwischenzeitlich wirtschaftet ein erheblicher Teil der Betriebe in diesem Bereich. Allein in den
Ich freue mich, dass die grundsätzliche Bereitschaft in der Be völkerung besteht, mehr für Lebensmittel – Mittel zum Leben – auszugeben. Allerdings – das ist, glaube ich, wichtig zu wis sen – klafft die Lücke zwischen der Absichtserklärung und dem tatsächlichen Kaufverhalten an der Ladentheke leider noch viel zu weit auseinander.
Ich sage auch: Es geht auch darum, dass man noch viel mehr in der Aufklärung und in der Bildung tut, als man bisher ge tan hat. Dies muss über die Arbeit in den Bildungszentren und Ernährungszentren hinausgehen – gegen die Sie damals übri gens waren, wenn ich es richtig weiß.
Noch sitzt der Geldbeutel bei Auto, Freizeit, elektronischen Medien oder Sonstigem viel lockerer als bei der Grundversor gung, der Ernährung. Hier muss sich etwas ändern.
Bedauerlicherweise können meines Erachtens auch immer we niger junge Menschen mit diesem Thema umgehen. Das ist, glaube ich, mit eine Ursache dafür, dass wir uns in eine „Mi krowellenkultur“ hineinmanövriert haben.
Deshalb sage ich, Frau Kultusministerin: Ich bin der Auffas sung – sehr konservativ, nicht nur, weil ich selbst gern koche –, Kochen und Hauswirtschaft gehören wieder in die Schulen. Denn damit lernt man für das Leben, und auch das gehört in die Schulen, nicht nur der Computer, meine Damen und Her ren.
Die guten Marktchancen des ökologischen Landbaus nutzen viele junge Landwirte. Allerdings ist festzustellen, dass die Nachfrage nach diesen Produkten zu einem nicht unerhebli chen Teil von außerhalb Baden-Württembergs bedient wird. Die Produkte stammen etwa von großen Anbauflächen in den neuen Bundesländern oder in Osteuropa, kombiniert mit bil ligsten Arbeitskräften und unter Missachtung von europäi schen Standards; es entsteht sogar Konkurrenz aus China.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher verbinden mit den Pro dukten des ökologischen Landbaus Eigenschaften wie gesun de Ernährung, umweltschonende Produktionsweise, artgerech te Tierhaltung und kurze Transportwege. Die Menschen sind, wie gesagt, bereit, spürbar höhere Preise für ökologische Pro dukte zu zahlen. Ich sage allerdings auch: Bei einem Famili envater mit zwei Kindern, der ein Monatseinkommen von 2 400 € brutto hat, ist der Geldbeutel oft schon am 20. eines Monats leer. Man muss sehen, dass man dann auch dort ent sprechende Prioritäten setzt und dass man den Kauf von öko logischen Produkten auch solchen Käuferschichten ermög licht.
Meine Damen und Herren, die Folgen des Imports von Bio lebensmitteln in den letzten Jahren sehe ich als ein Thema, das lange missachtet wurde. Es ist richtig, dass man die Wert schöpfung vor Ort lässt, dass man das vor Ort forciert. Das dient der Ökobilanz. Wenn man Bioprodukte und andere Pro dukte durch ganz Europa karrt oder gar aus China, aus Süd afrika oder auch aus Südamerika importiert, ist dies ökolo gisch nachteilig. Wenn etwa argentinische Äpfel mit dem Flugzeug
(Zuruf von den Grünen: Dann müsst ihr die Wirt schaftspolitik ändern! Das haben wir seit Jahren be klagt!)
hierher transportiert werden, werden pro Kilo 5 bis 8 kg Ke rosin verbraucht. Nun bilanzieren Sie einmal den CO2-Aus stoß!
Meine Damen und Herren, die Umstellung von konventionel ler Landwirtschaft auf ökologischen Landbau erscheint mir vor diesem Hintergrund als eine große Chance. Ich möchte aber eines ganz klar sagen: Die Entscheidung über die Pro duktionsweise, darüber, wie produziert wird und was produ ziert wird, müssen der Landwirt und seine Familie selbst tref fen, und zwar in Abstimmung mit dem Markt und auf freiwil liger Basis.
Es darf keine Benachteiligung, aber auch keine staatliche Be vorzugung von ökologischem gegenüber dem konventionel len Landbau geben, meine Damen und Herren. Das ist ein fai rer Wettbewerb. Fortführung einer Ökologisierung: ja. Grüne Ideologisierung der Landwirtschaft: nein.
Ob die konventionelle oder die ökologische Produktion bes ser ist, hängt von der spezifischen betrieblichen und familiä ren Situation ab. Beide haben ihre Berechtigung. Auch hatten wir noch nie, meine Damen und Herren, so rückstandsarme Nahrungsmittel – und zwar in beiden Produktionsarten – wie heute.