Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist die Realschule, die mit am stärksten die Konsequenzen der von Ihnen unüberlegt und vorschnell vorgenommenen Abschaffung der Verbindlich keit der Grundschulempfehlung zu tragen hat. Die Realschu le sieht sich mit einer erheblich vergrößerten Heterogenität der Schülerschaft und deren Leistungsfähigkeit konfrontiert.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Die Entwicklung ist doch schon viel älter! Sie haben gar nichts ge macht! Ei, ei, ei!)
Die Realschule muss nun den gesamten bildungspolitischen Unverstand der Landesregierung auszugleichen versuchen,
was selbst die Realschullehrerinnen und Realschullehrer mit ihrer unaufgeregten, pragmatischen und leistungsorientierten Herangehensweise vor manche Probleme stellt.
Dass die Realschulen in Baden-Württemberg unter Druck ge raten sind, kommt Ihnen aber im Grunde genommen gerade recht.
Denn nachdem bei der zweiten Gemeinschaftsschultranche nur vier Realschulen dabei waren und ansonsten hauptsäch lich um ihren Standort kämpfende kleine Haupt- und Werkre alschulen, hat Ihnen der Gemeinschaftsschulvordenker Pro fessor Dr. Thorsten Bohl ins Stammbuch geschrieben, dass ohne Realschüler und Gymnasiasten der Gemeinschaftsschu le kein Erfolg beschieden sein wird.
Spätestens diese Nachricht hat Grün-Rot veranlasst, die Dau menschrauben an die eigensinnigen Realschulen anzulegen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das ist ja völliger Unsinn! Das ist wieder Panikpolitik pur! Keine Konzepte, aber Angst machen!)
Wie geht so etwas? Man entwirft beispielsweise einen neuen Bildungsplan, das „Grundgesetz der Schule“. Darin kommen die Realschulen gar nicht mehr vor. Wer da noch nicht ge merkt hat, dass die grün-rote Zukunftsrechnung ohne die Re alschulen stattfindet, dem wurde es spätestens klar, als der Mi nisterpräsident seine Zweisäulenlehre verkündete.
Das Wesentliche dazu steht im ersten Satz der Begründung des Antrags der CDU, pardon: der CDU-Landtagsfraktion; diese Unterscheidung ist an dieser Stelle wichtig.
Mit der Einführung des sogenannten „Zweisäulenmo dells“ ist das Ende der Realschule für GRÜNE und SPD beschlossene Sache. Künftig wird es nur noch ein Gym nasium und eine Gemeinschaftsschule im Land geben – so hat es der Ministerpräsident am 17. Juli 2012 ange kündigt.
Ich kann die CDU-Landtagsfraktion nur auffordern, an ihrer Ablehnung der Zweisäulenlehre auch in der eigenen Partei weiter festzuhalten. Alles andere bedeutete in der Konsequenz das Aus für die Realschulen und die beruflichen Schulen.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Richtig! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)
An Herrn Stoch bzw. an die Staatssekretärin, die heute da ist, kann meine Fraktion nur appellieren: Wenn es Ihnen mit ei nem vielfältigen und differenzierten Schulwesen ernst ist, wie es der neue Elternprospekt Ihres Hauses glauben machen will, dann überlassen Sie es dem freien Spiel der Kräfte, ob eine Realschule oder eine Gemeinschaftsschule vor Ort gewünscht wird.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Machen wir doch! Willkommen im Klub, Herr Kern! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE – Glocke der Präsidentin)
Wenn wir mehr über die Gemeinschaftsschulen wissen, soll ten die Verantwortlichen vor Ort die entsprechenden Entschei dungen hinsichtlich der Schulangebote treffen können. Eine regionale Schulentwicklungsplanung, die diesen Namen auch verdient, macht aus den Landeszuwendungen ein Budget, mit dem die Verantwortlichen vor Ort ihr Bildungsangebot eigen ständig gestalten können. Geben Sie den Realschulen eine Be standsgarantie. Denn anders ist in der verfahrenen Situation kein verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Vertrauen ist aber eine notwendige Voraussetzung, um etwas Tragfähiges auf die Beine zu stellen.
Sie haben sich jetzt noch einmal dafür ausgesprochen, dass das dreigliedrige Schulsystem Bestand haben soll. Ist die FDP/ DVP ernsthaft der Ansicht, dass im ländlichen Raum das drei gliedrige Schulsystem die nächsten zehn Jahre überstehen kann, dass dann noch ein breites Angebot an Schulabschlüs sen im ländlichen Raum möglich ist? Ist die FDP eigentlich die einzige Partei hier in Baden-Württemberg, die das immer noch will?
Sehr geehrter Kollege Leh mann, erstens habe ich in meiner gesamten Rede das Wort Dreigliedrigkeit kein einziges Mal verwendet. Es wäre schön, wenn die Koalition, die scheinbar zuhört, auch wirklich ein mal zuhören würde.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Was wollen Sie denn dann? Das ist noch diffuser als bei der CDU! – Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)
Zweitens: Die FDP/DVP-Landtagsfraktion ist der Meinung, dass das vor Ort entschieden werden kann, wenn die Bildungs regionen, die Entscheidungsträger vor Ort sich zusammenset zen und sagen: Hier wollen wir – –
Ich bin Ihnen außerordent lich dankbar, Frau Präsidentin. – Wenn die Verantwortlichen vor Ort sagen: „Hier möchten wir ein gymnasiales Angebot haben, hier möchten wir ein Realschulangebot haben, und hier möchten wir vielleicht ein Hauptschulangebot haben“, war um meinen Sie vom Kultusministerium dann, besser zu wis sen, was vor Ort gewünscht wird?
Überlassen wir doch den Leuten vor Ort die Entscheidung da rüber, wo sie die unterschiedlichen Angebote haben möchten. Sie verzerren den Wettbewerb, sodass es gar keinen Wettbe werb gibt, weil Sie nämlich ein einziges ideologisches Lieb lingskind haben,
und die anderen aushungern. Das müssen Sie, weil ansonsten ihr Lieblingskind stirbt, bevor es richtig gelebt hat.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Unruhe bei den Grü nen und der SPD)