Siegfried Lehmann
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Vielen Dank, Herr Kol lege. – Ihre Aussage hat mich schon sehr verwundert.
Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass Baden-Württemberg das Flüchtlingsproblem, das wir in Europa und im Nahen Osten haben, lösen kann, nur weil die FDP/DVP meint, das wäre möglich? Welche Instru mente haben wir in Baden-Württemberg, um die Flüchtlings ströme zu beeinflussen?
Kurze persönliche Erklä rung, Herr Dr. Kern. Ich habe auf diesem Kongress gesagt: Dass man sich bundesweit zwischen den Bundesländern nicht auf eine einheitliche Schulstruktur verständigen kann, das ist Schrott. Nach so vielen Jahren haben die Bürger in Deutsch land ein Anrecht darauf, dass die Schulzeit in einem Gymna sium in Baden-Württemberg gleich lang ist wie in RheinlandPfalz oder wo auch immer, dass die Schulstruktur bundesweit einheitlich sein sollte. Es ist Schrott, wenn man das in Deutschland nicht hinbekommt.
Vielen Dank. – Herr Mi nister, Sie sind sicher mit mir einer Meinung, dass der große Konsens der Enquetekommission in den fünf Jahren frakti onsübergreifend politisch getragen hat. Das ist – Herr Wacker hat es gesagt – an und für sich schon ein Wert. Das ist auch gut so.
Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass wir, wenn diese Maß nahmen in diesen fünf Jahren auch nicht gänzlich umgesetzt wurden – das wäre auch zu viel des Guten gewesen –, an al len möglichen Stellen doch große Fortschritte erreicht haben, auch was die Unterrichtsversorgung angeht.
Herr Wacker, ich bin eigentlich ganz froh darum, dass wir jetzt zum Ende der Legislaturperiode die Frage, wie wir das duale System stärken können, sowie auch den Aspekt der Unterbrin gung der Blockschüler zu einer Lösung führen, die jenseits der Diskussion um die Drittellösung liegt. Vielmehr bekom men wir gemeinsam mit den Kammern und den Betrieben ei ne Lösung hin, die natürlich auch im Interesse der Auszubil denden liegt. Das ist gut so.
Meine Frage, Herr Minister, ist folgende: Wir haben es in den fünf Jahren ja nicht geschafft, das Erodieren des dualen Sys tems ernsthaft aufzufangen. Auf diesem Gebiet wird noch ei ne große Aufgabe vor uns liegen. Was brauchen wir aus Ihrer Sicht neben den Maßnahmen, die wir angegangen sind, ange fangen bei den Maßnahmen zur Ausweitung des Englischun terrichts an den beruflichen Schulen als Pflichtbereich bis hin zum Erwerb der Fachhochschulreife im dualen System – zwei ter Berufsschultag –, um das duale System zu stärken?
Herr Minister, pflichten Sie mir bei, dass die Frage von Herrn Wacker bezüglich der Minderheitenvoten eigentlich eine Frage an die damaligen Op positionsfraktionen darstellt?
Und pflichten Sie mir in meiner Analyse bei – denn ich kann Herrn Wacker ja nicht direkt antworten –,
dass wir aufgrund der Situation, die Sie gerade beschrieben haben – wir hatten in den letzten Jahren einen Aufwuchs im vollzeitschulischen Bereich –, und dadurch, dass wir die be ruflichen Gymnasien in vielen Landkreisen erheblich ausge baut und nun in einer Reihe von Landkreisen eine 100-pro zentige Versorgung haben, zusammen mit der Lehrereinstel
lungssituation das Ziel einer 100-prozentigen Versorgung in dieser Legislaturperiode fast erreicht haben? Stimmen Sie mir darin zu?
Werter Kollege Kern, Sie sind ja auch Pädagoge. Wie kommen Sie zu der Aussage, dass offene Lernformen in der Schule zum Schaden der Schüler sind? Das hat mich sehr verwundert. Ich bin auch Lehrer. Da Sie noch jünger sind als ich, hätten Sie in Ihrer Lehrerausbil dung eigentlich etwas anderes lernen müssen.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Es hat sich mir aus Ihren Wortbeiträgen nicht erschlos sen, worin für Sie der Unterschied besteht, kein eigenständi ges Fach einzuführen oder ein Fach abzuschaffen. Ist Ihrer Ansicht nach der Titel dieser Aktuellen Debatte richtig? Wird ein Fach abgeschafft, oder soll ein Fach abgeschafft werden? Sie sind doch, denke ich einmal, ein vernunftbegabter Mensch. Das müssen Sie mir einmal erklären.
Vielen Dank, Herr Wa cker. – Ich bin viele Jahre als Fachberater unterwegs gewe sen, eben auch im Bereich der Informationstechnik. Wenn ein Fach abgeschafft wird und man es dann integrativ vermitteln möchte, Herr Wacker, dann muss man das natürlich so umset zen, dass ein Bildungsplan nicht „Dichtung und Wahrheit“ ist, sondern Wahrheit wird.
Das Problem der Bildungsreform von 2004 ist, dass man ei ne Dichtung gemacht, aber keine Aussage darüber getroffen hat, wie man es umsetzt.
Das ist die Verantwortung, die Sie damals getragen haben. Sie haben das nicht operativ umgesetzt.
Das ist nicht getan worden. Alle Untersuchungen belegen die sen Mangel, den wir in Baden-Württemberg haben.
Doch. So ist es.
Vielen Dank, Herr Kol lege Kern. – Sie haben vorhin erwähnt, ich hätte schon am Anfang der Legislaturperiode irgendetwas gesagt,
was gegen das Gymnasium gerichtet gewesen wäre. Sie ha ben dazu dann aber nichts ausgeführt. Dazu hätte ich gern ei ne konkrete Stellungnahme.
Wenn Sie aber damit meinen, dass die Fragen des Ausbaus von Ganztagsschulen auch an Gymnasien und der Rhythmi sierung von Unterricht – das haben Sie hier als Kritik ange führt – des Teufels wären,
dann verwundert es mich bei Ihnen – als doch noch relativ junger Lehrer –, dass Sie kein Verständnis für diese Themen haben.
Vielen Dank, Herr Kol lege Röhm. – Wir führen jetzt eine Debatte über die Weiter entwicklung des Gymnasiums, über das Papier „Gymnasium 2020“. Mich würde interessieren – ich habe gedacht, dass ich heute eine Antwort darauf bekomme –, wie eigentlich die CDU zum G 8 und zu der – so sage ich einmal – missglück ten G-8-Reform steht, die Sie ja damals mit verantwortet ha ben.
Welche Zukunftsperspektive haben Sie für das Gymnasium? Wird es ein G-8-Gymnasium sein, ein G-9-Gymnasium oder ein „Wünsch dir was“-Gymnasium? Was wollen Sie?
Doch, doch, alle dürfen Zwischenfragen stellen. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen vor etwas ausgedünnten Rängen! Ich bin Ihnen, der FDP/DVP-Fraktion, dankbar, dass Sie diese Anträge ge stellt haben. Wenn wir sie gestellt hätten, hätten Sie gesagt: „Jetzt wollen Sie wieder alles abschieben, was in der Vergan genheit schiefgelaufen ist.“ Die IQB-Studien für die Primar stufe 2011 und für die Sekundarstufe I 2012 waren noch ein mal eine schöne Bilanzierung der Bildungspolitik der vergan genen Jahre.
Ein Ergebnis ist – das haben wir vorgefunden, und darauf ha ben wir auch reagiert –, dass fachfremder Unterricht an Schu len in Baden-Württemberg ein Problem ist – nicht am Gym nasium; da haben Sie, Herr Dr. Kern, völlig recht.
Aber wir wissen ja, wie viele Fächerverbünde es gab. Ich will es Ihnen ersparen, aus den bestehenden Bildungsplänen vor zutragen, wie viele Fächerverbünde es gab, welche Kreativi tät die alte Kultusverwaltung dabei an den Tag gelegt hat. Al lein an den Werkrealschulen – das muss man sich einmal zu Gemüte führen – ist man ständig dabei gewesen, neue Fächer verbünde zu kreieren. Warum hat man das gemacht, und wa rum nicht am Gymnasium, Herr Dr. Kern? Diese Frage muss man auch einmal beantworten.
Es ist klar: Natürlich ist es viel einfacher, viel günstiger und viel wirtschaftlicher, wenn man Fächerverbünde macht. Dann kann man Lehrer schön hin- und herschieben.
Das war ein wesentliches Element der Bildung von Fächer verbünden.
Wir haben im Koalitionsvertrag schon gesagt: Wir stellen das auf den Prüfstand. Wir haben mit der neuen Bildungsplanre form, die 2016 greift, Tabula rasa gemacht.
Jetzt kommen Sie darauf zu sprechen, dass wir in den Klas sen 5 und 6 noch einen Fächerverbund haben. Auf die Klas sen 5 und 6 haben Sie sich bezogen. Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob es richtig ist, die Biologie hier nicht ext ra als Fach zu nehmen und das andere jetzt als „Naturphäno mene“ zu fahren. Aber wir haben uns in der Bildungsplanre form vorgenommen – – In den Bildungsplänen steht vor al lem auch, dass hier eine Qualitätssicherung und ein richtiger Einsatz der Fachlehrer erfolgen. Denn das ist die Konsequenz, die wir aus den IQB-Studien zu ziehen haben, Herr Dr. Kern.
Frau Kurtz, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier auf die neu en Bundesländer rekurrieren. Wenn ich das gesagt hätte, hät ten Sie gesagt: „Das sagen Sie natürlich, weil Sie nicht so toll fanden, was wir im alten System an Bildung gemacht haben.“ Aber es ist natürlich Fakt. Wenn man die Studie genau liest, erkennt man: Eine wesentliche Voraussetzung für die fachli che Qualität von Unterricht ist, dass weniger fachfremder Un terricht gemacht wird. Das ist ganz klar.
Wir müssen bei diesem Thema jetzt aber auch noch einen Punkt beachten, den Sie in Ihren Anträgen mit aufgeführt ha ben. Das ist die Frage: Wie können wir heute, in einer Zeit, in der wir in der naturwissenschaftlichen und mathematischen Ausrichtung vorankommen wollen, entsprechende Lehrer ge winnen, die jetzt in die Lehrerausbildung und nicht in die freie Wirtschaft gehen? Diese Lehrer brauchen wir. Wir brauchen eine hohe Fachlichkeit in diesem Bereich. Das ist keine Auf gabe, die einfach – –
Ja, das sagt gerade der Richtige, derjenige, der die erste Ab senkung der Eingangsbesoldung vorgenommen hat.
Ich bin ja mit Ihnen dabei. Wir haben auch fortgeführt, dass wir in den Mangelfächern Zulagen brauchen. Andernfalls be kommen wir die entsprechenden qualifizierten jungen Leute nicht, die da reinkommen müssen.
Wir haben noch eines gemacht – das ist auch wichtig –: Es ist ein wesentliches Grundprinzip der Lehrerbildungsreform, die wir aufsetzen, dass wir an den Grundschulen Deutsch und Ma thematik als eigenständige Ausbildung stärken. Das machen wir, und das ist zwingend erforderlich. Denn in der IQB-Stu die für den Primarbereich war zu lesen, dass im vierten Schul jahr 45 % der Lehrer im Bereich der Mathematik eingesetzt werden, die dafür eigentlich gar nicht ausgebildet sind. Das ist ein Riesenproblem. Denn da fangen die Probleme an, wenn die jungen Leute danach in die Sekundarstufe I gehen und im vierten Schuljahr einen Lehrer vorgesetzt bekommen hatten, der, sage ich einmal, Mathematik fachfremd unterrichtet hat. Das ist ein Unding.
Das werden wir mit der Lehrerbildungsreform jetzt beenden. Wir werden auch die Fachlichkeit in der Ausbildung der Leh rer in der Sekundarstufe I erhöhen. Das ist auch eine wesent liche Erkenntnis aus den IQB-Studien, die wir mit der Bil dungsplanreform umsetzen.
Das machen wir, Herr Dr. Kern. Da sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg. Aber wir können natürlich nichts dafür, dass Sie so viele Fächerverbünde eingeführt haben. Wir schaffen diese jetzt ab.
Jetzt führen wir in den Klassen 5 und 6 einen neuen ein, Herr Röhm. Ich will es Ihnen wirklich ersparen, alles vorzulesen, was Sie in diesem Bereich angerichtet haben. Wir machen das nicht. Wir schaffen das ab. Wir bringen mehr Fachlichkeit hi nein.
Wir werden auf die neue Bildungsplanreform aber auch ein vernünftiges Fortbildungs- und Weiterbildungskonzept auf setzen, damit hier nachher wirklich die Fachlichkeit gestärkt wird.
Danke, Herr Kollege. – Sie haben gesagt, die Landesregierung bzw. der Minister ha be wegen des Fluglärms nur einen Brief nach Berlin geschickt. Was soll er denn machen? Soll er mit der Kavallerie einmar schieren?
Wissen Sie nicht, dass die Kompetenzen und die Zuständig keit für die staatsvertragliche Regelung in Berlin liegen? Wir haben genügend Beschlüsse gemeinsam hier im Landtag ge fasst. Jetzt muss die Bundesregierung handeln. Es sind Ihre Kollegen in Berlin, die da handeln müssen. Mehr können wir hier nicht machen. Da müssen Sie einfach die Gewaltentei lung, die Kompetenzen, die wir in Baden-Württemberg haben und die der Bund hat, zur Kenntnis nehmen und müssen
Ihre Kontakte zur Bundesregierung auch einmal spielen las sen.
Sie haben gesagt: nur ein Brief. Was soll die Landesregierung machen, außer Briefe zu schreiben? Was soll sie machen?
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Es verwundert mich jetzt schon sehr, dass Sie, die Sie für den Rückkauf der EnBW-Anteile verantwortlich sind, sich jetzt hier einen schlanken Fuß machen und sagen: „Dafür ha ben wir keine Verantwortung mehr zu tragen.“ Denn Sie hat ten doch damals kein Konzept, was Sie mit dem Rückkauf machen, weder energiepolitisch noch finanziell.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie diese Debatte auf der Basis eines Antrags aus dem Jahr 2013 stattfinden wird.
Ich habe mir gedacht, Sie setzen sich vielleicht einmal mit Ih ren eigenen Fragen und den Antworten des Ministeriums aus einander. Aber nein. Was haben Sie gemacht? Sie haben Ihre Textbausteine, die Sie in jeder bildungspolitischen Debatte vortragen,
durch einen Zufallsgenerator geschickt und anschließend Ih re Rede zusammengestellt.
Mehr ist das nicht. Ich bin selbst Pädagoge und war in der Lehrerfortbildung und als Fachberater zu der Zeit tätig, als die CDU hier noch das Sagen hatte. Wenn ich mit dieser Diktion, die in Ihren Fragen und in der Begründung dieses Antrags steht, eine Lehrerfortbildung gemacht hätte, hätten Sie mir als Staatssekretär wahrscheinlich damals gesagt: Das geht ja über haupt nicht, so eine hinterwäldlerische Position,
einfach zu sagen, es gebe nur den Frontalunterricht, und die ser müsse geschützt werden wie ein Biotop.
Herr Wacker, die Vorwürfe, die Sie hier erheben, treffen doch gar nicht zu. Schule war in den vergangenen zehn bis 20 Jah ren noch nie so, wie Sie das in Ihrer Anfrage formuliert ha ben. Das müssen Sie doch selbst einmal reflektieren. Sie wa ren doch Staatssekretär.
Ich muss Ihnen sagen: Da bin ich fassungslos.
Es gehört vielleicht auch zum Bildungsprogramm der CDU, dass Sie Dinge behaupten, die gar nicht stattfinden,
nämlich dass ausschließlich offene Unterrichtsformen zur An wendung kämen. Herr Wacker, jetzt haben Sie das in der Ant wort gelesen. Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal ei ne Gemeinschaftsschule angeschaut und festgestellt, wie die se tatsächlich funktioniert und arbeitet.
Wo findet das Zerrbild Ihrer Vorstellung statt, Herr Röhm und Herr Wacker? Das findet in der Praxis doch gar nicht statt.
Nein. Das findet in der Praxis nicht statt, weil die Lehrer schon immer anders ausgebildet worden sind. Herr Röhm und Herr Wacker, der Unterschied ist der – –
Natürlich Methodenmix.
Der Unterschied ist, dass die Gemeinschaftsschule vom ein zelnen Kind her denkt.
Sie bemängeln, das Kind wisse in der siebten Klasse der Ge meinschaftsschule immer noch nicht, welchen Abschluss es macht.
Wir wissen genau, dass viele Schüler, die jetzt auf die Real schule oder das Gymnasium gehen, auch nicht wissen, ob sie den Realschulabschluss oder das Abitur machen können, weil sie das aufgrund ihrer Leistungen vielleicht doch nicht schaf fen werden. Dabei hat man die Kinder in der Vergangenheit einfach zurückgelassen. Mit der Gemeinschaftsschule haben wir ein Angebot geschaffen, das ein angstfreies und leistungs orientiertes Lernen ermöglicht.
Darum geht es, Herr Wacker. Ich bezweifle jedoch, dass Sie das verstehen. Hätten Sie doch einmal die Studie von John Hattie und vor allem dessen Kommentierung der Interpreta tion der Daten gelesen! Sie haben bereits darauf hingewiesen, dass es sich um eine Metastudie handelt, in die 250 Millionen Schüler einbezogen worden sind.
Weltweit haben alle Schulen unterschiedliche Schulstruktu ren
und unterschiedliche Rahmenbedingungen.
Hattie hat selbst gesagt, dass die Interpretation mit Vorsicht zu genießen ist. Nach seinen Kennzahlen hat z. B. die sozia le Herkunft keinen Einfluss auf den Bildungserfolg. Er hat selbst gesagt, das dürfe man nicht falsch interpretieren. In die ser Metastudie mit 250 Millionen Schülern ist nämlich nicht untersucht worden, wie die 136 Einflussfaktoren untereinan der korrelieren. Es ist nicht untersucht worden, welche Schul formen, welche Unterrichtsformen usw. mit welchen Einfluss faktoren korrelieren. Das ist doch gar nicht erhoben und un tersucht worden.
Lesen Sie doch einmal Hattie und führen Sie hier keine De batte über einen „Fast-Food-Hattie“, der sich selbst dagegen verwahrt, dass man seine Daten so interpretiert. Das geht nicht.
Es kommt natürlich auf den Lehrer an.
Das habe ich schon immer gewusst. Das ist aber eine Binsen weisheit. Wenn es nicht auf den Lehrer ankommen würde, dann könnte man auch einen Bildschirm in den Klassenraum stellen
und sagen: „Macht mal. Ihr bekommt jetzt einen Frontalun terricht über den Bildschirm.“ Alles super. – Herr Röhm, ma chen Sie so Unterricht in Ihrer Schule?
Garantiert nicht. Es kommt natürlich auf den Lehrer an. Es kommt aber natürlich auch darauf an, ob der Lehrer eine Be ziehung zu den Schülern aufbauen kann. Dazu braucht er den individuellen Kontakt zu den Schülern und muss den Schüler als Ganzes begreifen und eine Beziehung aufbauen.
Ihr hehres Loblied auf den Frontalunterricht hat mich als Leh rer wirklich tief getroffen.
Ich will Ihre kruden Fragen und Begründungen hier nicht vor lesen, weil sie wirklich unterirdisch sind. Deswegen möchte ich Sie bitten, endlich mit Ihrer rückwärtsgewandten Debatte aufzuhören und sich dem zu stellen, was heute an den allge meinbildenden Schulen Standard ist, und dies zur Kenntnis zu nehmen.
Auch was in den Gemeinschaftsschulen läuft, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, um endlich zu einer seriösen Debatte zu kommen.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich war schon gespannt, wie die Be gründung des vorliegenden Antrags erfolgt, der ja vor zwei Jahren gestellt wurde. Dieser gehört übrigens in eine denk würdige Kategorie von Anträgen. Man muss sich die Titel ein mal auf der Zunge zergehen lassen: „Was geschieht mit den Lehrern einer Schule, die es nicht mehr geben soll?“ Dann gab es noch einen Antrag mit dem Titel: „Was geschieht mit den Schülern einer Schule, die es nicht mehr geben soll?“ sowie einen Antrag mit dem Titel: „Was geschieht mit den Absol venten einer Schule, die es nicht mehr geben soll?“ Der Auf schlag, den Sie hier gemacht haben, war ja sehr fantasievoll.
Was besonders bemerkenswert ist: Ihre Regierung, Herr Mül ler, hat 2010 die Lehrerausbildung reformiert, hat das Ver bundlehramt abgeschafft und ein eigenes Lehramt für Grund schulen sowie für Haupt- und Werkrealschulen und Realschu len eingerichtet. Was Sie aber nicht gemacht haben trotz Ih rer Ankündigung, Sie würden die tolle Leistung, die an den Hauptschulen erbracht wird, würdigen – – Das stimmt; diese wird so erbracht, aber die notwendigen Laufbahnregelungen haben Sie nicht getroffen. Die Lehrkräfte in den Haupt- und den Werkrealschulen sind, was Veränderungen angeht, sehr viel gewohnt, weil sie in der letzten Legislaturperiode zwei Reformen über sich ergehen lassen mussten. Sie haben im Prinzip zwei Reformen aufgesetzt, was die Haupt- und die Werkrealschule angeht. Die eine ist nicht einmal umgesetzt worden, da kam schon die nächste ins Land.
Sie haben damals bei der Lehrerausbildungsreform die Frage nicht geklärt, wie die Lehrer nachher besoldet werden, wenn sie dann ein gemeinsames Lehramt für Hauptschule, Werkre alschule und Realschule haben. Das haben Sie nicht geklärt, das haben Sie vernachlässigt.
Wir werden das entsprechend umsetzen. Es ist klar, dass Leh rer, die eine gleiche Ausbildung haben, nicht unterschiedlich bezahlt werden können.
Sie tragen seit einigen Jahren immer nur den Begriff der Wert schätzung wie eine Monstranz vor sich her, Herr Müller. Wa rum bekommen denn die Hauptschullehrer weniger als die Realschullehrer? Das geht doch nicht auf Grün-Rot zurück, sondern auf Ihre Bildungspolitik.
Das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass Sie festgelegt ha ben: „Wir haben hier Schüler an der Hauptschule, an der Re alschule und an den Gymnasien.“ Sie haben doch die gleiche Einteilung auch bei den Lehrkräften vorgenommen. Das muss man hier doch einfach einmal sagen. Das haben wir von Ih nen übernommen, und wir werden schrittweise diese Unge rechtigkeiten, die hier im Bildungssystem vorhanden sind, ab bauen.
Es ist klar, dass die Lehrer, die ein einheitliches Lehramt ha ben, auch die gleiche Bezahlung bekommen. Das ist selbst verständlich, und wir werden das umsetzen.
Herr Müller, wir haben uns, als wir die Gemeinschaftsschule eingeführt haben, sicher nicht leichtgetan mit der Frage, wie wir es mit der Besoldung halten. Es ist ja immer die große Fra ge, warum bei einem gleichen Arbeitsplatz und einer gleichen Tätigkeit nicht die Bezahlung gleich sein soll. Aber klar ist, dass wir in dem Zweisäulenschulsystem, an das wir uns hinentwickeln, auch, was die Bezahlung der Lehrer angeht, eine Konvergenz bekommen müssen. Das wird so kommen, Herr Müller.
Das sagt gerade der Richtige. Bei Ihnen ist es die Gnade der späten Geburt. Ich habe Herrn Müller gesagt, dass wir diese ungelöste Frage, die uns die Vorgängerregierung hinterlassen hat, beantworten werden.
Es ist auch klar, Herr Müller, dass wir, wenn zusehends auch Lehrer mit einer Ausbildung für Haupt- und Werkrealschulen an Realschulen eingesetzt werden, ihnen auch Aufstiegsmög lichkeiten über Fortbildung schaffen werden. Das liegt auch in der Sache begründet.
Zu dem Mythos, den Sie seit Langem verbreiten, wir seien schuld am Sterben der Haupt- und Werkrealschulen:
Fragen Sie einmal die Ihrer Partei angehörenden Bürgermeis ter im ländlichen Raum, was sie da machen. Die wollen die Gemeinschaftsschule. In Ihren Pressemitteilungen verbreiten Sie immer, sie wollten deswegen die Gemeinschaftsschule, weil sie den Schulstandort retten wollen.
Herr Wacker, schauen Sie einmal in der Schulstatistik, wie viele Hauptschulen heute weniger als 16 Schüler in der fünf ten Klasse haben. Deren Zahl wird immer höher. Es ist völlig klar, dass wir mit der regionalen Schulentwicklung kein Schul schließungsprogramm gemacht haben, sondern mit der regi onalen Schulschließung auch im Flächenland – das war längst überfällig – eine Absicherung von Schulen im ländlichen Raum geschaffen haben.
Das haben Sie nie gemacht; dieser Frage haben Sie sich nie gestellt.
Das war Ihnen eigentlich schlichtweg egal – trotz der Reden, die Sie immer wieder zur Hauptschule gehalten haben.
Wir stehen im gesamten Bildungsbereich, was die Lehrkräf te angeht, vor einer großen Herausforderung, weil ein großer Teil der Lehrkräfte in diesem Bereich über 55 Jahre alt sind. Da ist es natürlich bei den Reformen, die hier angesichts der größeren Heterogenität in allen Schulen anstehen, eine große Herausforderung, dass wir auch für die Lehrkräfte, die im Schulsystem sind, in den nächsten Jahren sehr viel für Quali fizierung und Bildung aufbringen müssen. Das ist ganz klar. Da brauchen wir entsprechende Anpassungen, damit die Leh rer diese Arbeit auch gut machen können. Deswegen werden wir auch ein breit gefächertes Fortbildungsangebot für die Lehrer aufsetzen, das den Lehrern nicht bloß die zusätzlichen Qualifikationen ermöglicht, sondern auch Aufstiegschancen eröffnet, auch im Rahmen eines einheitlichen Besoldungssys tems, das wir in der zweiten Säule natürlich durchgängig brau chen. Das werden wir in den nächsten Jahren zügig umsetzen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kol lege Kern.
Ihr Konzept, dass Sie sagen, Rhythmisierung wäre doch viel besser, wenn man vormittags „paukt“ und nachmittags ein bisschen in Sportvereinen und in Sachen Kultur macht, ist doch wirklich absurd. Wir wissen doch, dass gerade eine Rhythmisierung extrem wichtig ist und dass Rhythmisierung eben nicht nur heißt, vormittags auch Vereine einzubinden. Vielmehr bedeutet Rhythmisierung, dass man das, was an Schule stattfindet, den ganzen Tag über anbietet und man nicht nur zwischen „Pauken“ und Freizeitangeboten wechselt. Das ist ein Konzept, das Sie offensichtlich machen wollen, um Lehrern am Nachmittag Unterricht zu ersparen. Das kann ich ja verstehen, aber das ist nicht im Interesse der Kinder.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Ist die FDP ernsthaft der Ansicht, dass Baden-Würt temberg als Flächenland vor dem Hintergrund des demogra fischen Wandels ein dreigliedriges Schulsystem überhaupt noch vertragen kann? Was machen Sie im ländlichen Raum mit einem dreigliedrigen Schulsystem? Wollen Sie Schulen schließen? Das ist offensichtlich Ihre Antwort darauf. Alle Bundesländer entwickeln sich in Richtung eines Zweisäulen systems, und Ihre Antwort ist das Dreisäulensystem.
Vielen Dank, Herr Kol lege Hauk. – Sie haben gesagt, dass Förderbeträge nach der Schulhausbaurichtlinie nur nach Gefallen möglich seien und vom pädagogischen Konzept abhingen. Das Neue ist doch vielmehr, dass nun in die Schulhausbaurichtlinie aufgenom men worden ist, dass die Weiterentwicklung des pädagogi schen Konzepts zur weiteren Förderung führen kann. Das ist neu in der Schulhausbaurichtlinie. Ich möchte Sie fragen, wie Sie dazu stehen. Lehnen Sie das ab?
Herr Kollege Wacker, Sie haben vorhin das Thema G 8/G 9 angesprochen. Ich habe in den vergangenen Wochen immer wieder vernommen, dass die CDU da ziemlich unentschieden ist. Steht die CDU eigentlich noch zum G 8, oder ist sie mittlerweile für ein Wahlrecht? Das ist eine Frage, die die Menschen hier im Land interessiert. Wo steht die CDU beim Gymnasium? Gibt es mit der CDU eine Beliebigkeit, oder bleibt die CDU beim G 8?
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Sie haben gefragt, warum die Landesregierung oder das Kultusministerium die Gemeinschaftsschulen nicht in die Freiheit entlassen. Ist Ihnen eigentlich entgangen, dass sich die Gemeinschaftsschulen aus freier Entscheidung zu Gemein schaftsschulen entwickelt haben und sie somit frei sind? Wo ist da die Gängelung? Das kann ich nicht verstehen.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Ihre Ungeduld kann ich verstehen. Aber warum hat es eigentlich die letzte Bundesregierung, an der die FDP ja be teiligt war, nicht geschafft, dass es hier zu einer vernünftigen Regelung, nämlich zu einem Fracking-Verbot, kommt?
Ich habe das Herumgeeiere zwischen FDP und CDU im letz ten Jahr sehr wohl nachvollzogen. Wir sind ein Jahr weiter, sind aber in dieser ganzen Angelegenheit noch kein Stück vo rangekommen. Das ist für alle in Baden-Württemberg eigent lich unbefriedigend.
Herr Kollege Mack, wenn 40 Milliarden € Schulden keine Erblast sind,
was ist denn sonst eine Erblast? Und wer ist für diese Schul den verantwortlich?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Grimm, wir wissen, dass Ihre Frak tion eigentlich niemanden mehr hat, der sich wirklich mit dem Thema „Berufliche Bildung“ auskennt. Jeder, der Frau Ber roth kennt, weiß: Es ist schon eine schmerzliche Tatsache für mich, dass ich Frau Berroth in dieser Debatte zurückwünsche.
Denn Sie haben keine Ahnung.
Frau Schütz, auch Sie waren in der letzten Legislaturperiode dabei. Wir waren gemeinsam in der Enquetekommission. Auch Sie haben all die in großem Konsens gefassten Be schlüsse der Enquetekommission mitgetragen. Was wir zur beruflichen Orientierung und zur Stärkung des dualen Sys tems tun, geht auch auf Ihre Vorschläge zurück. Was Sie nun hier in dieser Debatte vorgetragen haben, ist wirklich unterir disch.
Sie haben als Argument angeführt, dass nur die Gemein schaftsschule und das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel ei nes Hochschulstudiums für 50 % der Schulabgänger an der Situation schuld wären. Schauen Sie sich aber doch einmal die Zahlen an – Sie kennen sie doch auch –: 2008 gab es in Baden-Württemberg 82 000 Ausbildungsplätze. Schauen Sie sich einmal an, wie viele es jetzt noch gibt: Es sind noch 72 000. Das sind 10 000 Ausbildungsplätze weniger. Ist die grün-rote Landesregierung schuld daran, dass die Zahl der Ausbildungsplätze zurückgegangen ist?
Was haben Sie beim Übergangsbereich getan, um die prekä re Lage für junge Leute, die keinen passgenauen Ausbildungs platz bekommen, zu verbessern?
Sie haben nichts gemacht. Mit dem Ausbau des Übergangs bereichs haben Sie das duale System, ohne eine echte Quali fizierung auszubauen, geschwächt.
Deutschlandweit haben wir mit die geringste Übergangsquo te ins duale System direkt nach dem allgemeinbildenden Schulsystem. Das haben nicht wir zu verantworten, Frau Schütz; dafür tragen Sie die Verantwortung und nicht die Ge meinschaftsschule. Denn die Schüler der Gemeinschaftsschu le haben die Schule noch gar nicht verlassen und können des halb auch noch gar nicht auf dieser Stufe angekommen sein. Das sind Ammenmärchen, die Sie hier erzählen.
Herr Grimm, fast 5 000 Ausbildungsplätze sind nicht besetzt. So ist es. Wissen Sie, wie viele ausbildungsbereite junge Men schen Alternativen suchen müssen, weil sie keinen Platz be kommen? Es sind 8 000 junge Menschen. 23 000 junge Men schen haben sich schon im letzten Jahr um einen Ausbildungs platz beworben und keinen bekommen. Das sind ernste Pro bleme – nicht dieses Geschwafel, das Sie beim Thema „Be rufliche Bildung“ an den Tag legen.
Wir haben angefangen, den Übergangsbereich zu reformie ren. Ich sage Ihnen: Jeder, der sich an dieser Reform versün digt, versündigt sich an den jungen Menschen. Denn wenn wir die jungen Menschen nicht direkt nach der allgemeinbilden den Schulausbildung in einer dualisierten Ausbildung unter bringen können, dann verlieren viele nach ein, zwei Jahren den Anschluss in der beruflichen Ausbildung. In Baden-Würt
temberg haben 15 % der 25- bis 35-Jährigen keine anerkann te berufliche Ausbildung. Das ist so, und auch das haben Sie und nicht wir zu verantworten. Aber das ist ein Problem, dem wir uns in Baden-Württemberg natürlich stellen müssen. Und das hält man auch nicht mit verquasten Reden mit dem Tenor „50 % sollen einen Hochschulabschluss machen“ auf.
Wir waren gemeinsam der Meinung – darin waren wir uns ei nig, Frau Schütz –, dass wir das duale Ausbildungssystem stär ken müssen, indem wir auch die Allgemeinbildung stärken. Es war ein gemeinsamer Vorschlag von uns allen in der En quetekommission, Englisch vermehrt als obligatorisches Un terrichtsfach im Berufsschulunterricht einzuführen. Das ha ben wir umgesetzt. In 1 500 Klassen in der dualen Ausbildung wird jetzt Englisch unterrichtet. Das ist ein Erfolg. Dazu könn ten Sie wenigstens einmal sagen: „Das haben wir gemeinsam gemacht.“ Stattdessen wird alles kleingeredet.
Das Bündnis für Ausbildung war, finde ich, von der alten Lan desregierung gut aufgesetzt. Das war der richtige Weg. Wir sind heute im Bündnis so weit, dass wir uns darüber verstän digt haben, wie wir den Übergangsbereich reformieren, damit wir wirklich mehr Dualisierung erreichen. Das ist der richti ge Weg, gemeinsam mit den Bündnispartnern.
Wenn Sie sich als CDU und FDP jetzt dagegen stellen, dann stellen Sie sich im Prinzip gegen alle Interessenvertreter des dualen Systems. Das muss man ganz klar sagen.
Natürlich haben Sie das gesagt.
Ein großes Problem der dualen Ausbildung ist, dass keine be rufsbegleitende Fachhochschulreife möglich ist, außer am Wo chenende oder am Abend. Ein Grundproblem in der dualen Ausbildung sind – vor allem mit Blick auf diejenigen Berufe, die nicht so stark nachgefragt werden – die extrem hohen Ab brecherquoten. Im Gastronomiebereich wird jedes zweite Aus bildungsverhältnis vorzeitig beendet. Darüber muss man dis kutieren, Herr Grimm.
Das ist aber keine Sache, die das Land per Dekret lösen kann. Vielmehr sind dabei die Betriebe gefordert, die Ausbildung attraktiver zu gestalten und sich darum zu bemühen, die Ab brecherquoten zu verringern.
Das duale System muss außerdem für junge Leute attraktiver werden, die einen Aufstieg über die duale Ausbildung hinaus erreichen wollen, nämlich durch höhere allgemeinbildende Schulabschlüsse. Wenn Sie das negieren, werden Sie das du ale System an die Wand fahren.
Wir werden das nicht machen. Wir werden dafür kämpfen, dass das duale System wieder kraftvoll arbeiten kann.
Vielen Dank, Herr Abg. Hauk. – Empfinden Sie das für die Bundestagswahl geltende Zweistimmenwahlrecht als weniger demokratisch als das Lan deswahlrecht?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kurtz, nehmen wir die Daueraufre gung der Opposition im Bildungsbereich,
also das Grundrauschen, das seit fast drei Jahren mit den Schlagwörtern „Einheitsschule, Einheitslehrer, Gleichmache rei“ durchs Land geht, das alle bildungspolitischen Debatten überschattet
wie ein Filter, weg und schauen uns an, was der CDU-Lan desvorstand letztes Jahr beschlossen hat. Ich zitiere:
Junge Lehrerinnen und Lehrer sehen sich aber häufig un zureichend auf ihren beruflichen Alltag vorbereitet. Trotz der Praxisanteile im Studium stellt sich die erste Erfah rung im Beruf für sie neu und anders dar. Die Universi täten orientieren sich zu wenig an den Anforderungen des späteren Berufs der Lehramtsstudierenden; die Pädago gischen Hochschulen sind dagegen fachwissenschaftlich nicht in dem Maße ausgewiesen. Eine Vorbereitung auf die wachsende Inklusion an den Regelschulen gibt es bis lang nicht.
Die Eignungsüberprüfung für den Lehrerberuf findet noch immer nicht systematisch statt.
In diesem Papier kann ich viel unterschreiben.
Es liest sich aber so, als ob Sie 50 Jahre in der Opposition ge wesen wären, Frau Kurtz. Das ist aber nicht so.
Das ist schon verwunderlich, und deshalb auch meine Bitte, diese Aufgeregtheit aus der Bildungspolitik herauszunehmen.
Es ist klar, Sie sind nicht der Ansicht, dass man eine Gemein schaftsschule einführen und entsprechend die Lehrerausbil dung mit einbeziehen soll.
Das kann ich verstehen. Aber Sie sind doch in der Lehreraus bildung 2010 selbst so vorgegangen, als Sie die Realschulleh rerausbildung mit der Haupt- und Werkrealschullehrerausbil dung zusammengeführt haben. Damit haben Sie sich selbst vom dreigliedrigen Schulsystem verabschiedet.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch ein bisschen ehrlicher! Wir sind bei diesem Thema, was die Lehrerausbildung betrifft, mit Blick auf diesen Konsens, der in den Eckpunkten gefunden wurde, gar nicht so weit ausei nander. Das muss man doch ehrlicherweise sagen.
Ich muss Ihnen auch sagen: Wir Grünen wären beim Thema Lehramt gern noch mutiger vorangeschritten.
Herr Röhm, auch Sie wissen, dass man sich innerhalb einer Koalition politisch immer wieder verständigen muss. Ich muss auch sagen: Es ist gut, dass wir bei diesen Punkten eine Ver ständigung erreicht haben.
Einen Punkt hat die CDU offensichtlich noch nicht verstan den; Frau Kurtz, dies gilt auch für den vorliegenden Antrag. Die CDU hat noch nicht verstanden, wie wichtig die Umstel lung der Studienabschlüsse vom Staatsexamen auf Bachelor und Master ist. Diese Umstellung trägt nämlich dazu bei, dass wir in der Lehrerausbildung nun tatsächlich Polyvalenz be kommen. Jeder, der selbst in der Lehrerausbildung tätig ist oder war oder mit der Problematik der Unterrichtsversorgung durch die Kolleginnen und Kollegen befasst ist, weiß, dass diese Polyvalenz der entscheidende Dreh- und Angelpunkt ist, um die Lehrerausbildung tatsächlich zu reformieren. Denn wir müssen diese Ausbildung so reformieren, dass sie keine Sack gasse mehr ist. Frau Kurtz, die Lehrerausbildung darf nicht in eine Sackgasse führen; ein Lehrer muss die Möglichkeit ha ben, sich in anderen Bereichen zu qualifizieren, um auch ei ne berufliche Tätigkeit außerhalb der Schule ausüben zu kön nen.
Ich möchte Ihnen hierbei auch die vielen Untersuchungen, die es zum Thema Lehrergesundheit bereits gibt, ans Herz legen. Dabei geht es auch um die Frage, wie sehr sich Lehrer über fordert fühlen und inwieweit sie in ihrem Beruf tatsächlich angekommen sind. In der Lehrerausbildung müssen Alterna tiven geschaffen werden.
Durch die Reform der Lehrerausbildung, wie wir sie nun vor nehmen, wird genau dieser zentrale Punkt auf den Weg ge bracht. Ich würde mir – auch vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Bildungslandschaft – wünschen, dass alle von uns diese Prozesse mit begleiten. Denn wir alle können kein Interesse daran haben, dass, wie es die Schaarschmidt-Unter suchung ergeben hat, die Lehrerschaft zu einem Drittel aus gebrannt ist und sich die betroffenen Kolleginnen und Kolle gen in ihrem Beruf eigentlich nicht mehr zurechtfinden.
Wir müssen die große Vielfalt und die Heterogenität, die wir heute vorfinden – ich verweise auch auf das Thema Inklusion –, vernünftig in die Lehrerausbildung einbauen. Das ist ein zentraler Punkt, an dem wir arbeiten. Auch was die Fachdi daktik und die Bildungswissenschaften angeht, müssen diese Bereiche an den Hochschulen gestärkt werden. Dies ist im vorliegenden Antrag gefordert worden, und dabei sind wir uns auch einig – so, wie wir uns auch einig sind, dass an den PHs der fachwissenschaftliche Aspekt gestärkt werden muss.
Das brauchen wir.
An diesem Punkt sind wir uns auch einig. Daher meine Bitte: Lassen Sie die Aufgeregtheit, und verabschieden Sie sich bit te endlich einmal von den Grabenkämpfen, die Sie hier seit drei Jahren betreiben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wacker, ich glaube, das ist wahr scheinlich eine der letzten Schlachten, die die CDU und die FDP/DVP noch gegen die Gemeinschaftsschule führen wer den.
Es ist der Versuch, die Gemeinschaftsschule zu kastrieren und keine Oberstufe zuzulassen.
Das ist der letzte hilflose Versuch, nachdem Ihre Angstkam pagne gegen die Gemeinschaftsschule in der Fläche wirklich verpufft ist. Wir haben eher das Problem, dass wir zu viele Anträge als zu wenige Anträge haben.
Ich muss Ihnen dabei, Herr Wacker – das ist wirklich der Pa radigmenwechsel, den wir in der Bildungspolitik eingeführt haben –, noch etwas zu Ihrem Interview, das Sie letztens dem „VBE Magazin“ gegeben haben, sagen.
Ja, das habe ich sehr interessiert gelesen. – Es geht um Frei heit und Entscheidungsfreiheit für Eltern und für Jugendliche. Wir haben mit den Reformen, die wir in der Bildungspolitik eingeführt haben, genau das befördert. Das ist auch der Punkt, warum es mich so wundert, dass sich die FDP/DVP, obwohl wir auf Freiwilligkeit der Schule und des Schulträgers aufbau en, so äußert. Wir machen es eben nicht so, wie Sie, Herr Wa cker, es in Ihrem Interview gesagt haben. Sie sehnen sich im mer noch danach, dass der staatliche Durchgriff auf alle Schu len erfolgt. Wir wollen mehr Freiheit.
Sie haben zumindest eines erkannt – das sollte man auch wür digen –: Sie sagen selbst, die verpflichtende Grundschulemp fehlung werde nie wieder kommen. Wie gehen Sie denn dann bildungspolitisch mit der Situation um? Wie wollen Sie das, was an Vielfältigkeit in den Schulen vorhanden ist, anerken nen? Unsere Antwort darauf ist die Gemeinschaftsschule, weil sie die Unterschiedlichkeit anerkennt und auch dem einzel nen Lehrer den Auftrag gibt,
diese Unterschiedlichkeit wahrzunehmen und nicht nur zu sor tieren.
Das Sortieren, Herr Wacker, ist gescheitert. Deshalb wird auch Ihr bildungspolitischer Ansatz, den Sie haben, scheitern, weil Sie die Unterschiedlichkeit, die Heterogenität, die unter schiedlichen Begabungen der einzelnen Schüler in Ihren bil dungspolitischen Vorstellungen nicht wahrnehmen.
Es ist klar, die Oberstufe einer Gemeinschaftsschule braucht – das wissen Sie auch – 60 Schüler. Das heißt, das ist eine dreizügige Schule. Auf der Gemeinschaftsschule gibt es Schü ler, die einen gymnasialen Weg gehen. Es ist natürlich auch klar und folgerichtig, dass in der Gemeinschaftsschule die Oberstufe ein integraler Bestandteil sein muss.
Eltern entscheiden sich – das ist z. B. in Konstanz so – für Kinder mit einer Gymnasialempfehlung ganz bewusst für die Gemeinschaftsschule. Warum wollen Sie den Eltern das Recht vorenthalten, ihr Kind für die Oberstufe in die Gemeinschafts schule zu schicken? Da zeigt sich das Gedankengebäude Ih rer Bildungspolitik deutlich. Sie wollen es den Menschen vor schreiben. Ich glaube, das ist mit dieser Legislaturperiode der Bildungspolitik vorbei.
Die Eltern lassen sich das nicht mehr vorschreiben. Sie wol len diese neuen Freiheiten haben, und die werden sie auch durchsetzen. Auch Ihre CDU-Bürgermeister vor Ort werden das durchsetzen. Deswegen gibt es da kein Zurück mehr. Des wegen ist das wahrscheinlich wirklich eine der letzten Debat ten um die Frage der Gemeinschaftsschule.
Die beruflichen Gymnasien – da sind wir uns einig, Herr Wa cker – sind Schulen des sozialen Aufstiegs.
Die werden das immer bleiben, weil Schüler, für die die Ober stufe des Gymnasiums zu anspruchsvoll ist, über das berufli che Gymnasium mit ihrem beruflichen Profil einen adäquaten Zugang zur Hochschulreife erlangen können.
Wir haben uns in der Enquetekommission aber auch darüber verständigt, dass der Rechtsanspruch auf einen barrierefreien Übergang von der Sekundarstufe I in die Oberstufe, den wir eigentlich brauchen, wichtig ist. Das wird auch bleiben. In dieser Hinsicht befinden sich die beruflichen Gymnasien wie alle anderen Schulen natürlich in einem Bildungsmarkt. Ich meine, da müssen wir auch von den Eltern und den Schülern her denken und nicht aus der Sicht staatlich dirigierter Bil dungspolitik, dass man alles verteilt. Darum geht es nicht.
Ja, gern.
Herr Kollege Müller, hin sichtlich der Zahl 60 – Herr Wacker, die Frage, die Sie gestellt hatten, zeigt das ja auch – und hinsichtlich dessen, wie die Oberstufe zustande kommt, gibt es offensichtlich eine falsche Vorstellung. Nicht jede Gemeinschaftsschule wird eine Ober stufe haben. Das wird aus dieser Zahl auch schon deutlich.
Wir haben das klare Ziel, dass die Oberstufe der Gemein schaftsschule in der vollen Breite gymnasialen Standard hat, weil sie eben zum gleichen Abitur führt. Das muss auch so sein. Wir wollen kein „Abitur light“, analog dazu, wie Sie mit der Werkrealschule einen „Realschulabschluss light“ gemacht hätten. Wir wollen ein echtes Abitur. Das wird über die Ge meinschaftsschule gewährleistet. Deswegen war uns klar, dass diese Zahl 60 ein hartes Kriterium dafür sein wird, dass eine Oberstufe zustande kommt. Nicht jede zweizügige oder drei zügige Gemeinschaftsschule wird dieses Kriterium erfüllen. Dazu muss ich gar nicht die Mathematik bemühen.
Es wird also Schulen geben, die nur die Sekundarstufe I an bieten, aber es wird auch Schulen geben, die auch die Sekun darstufe II anbieten. Das ist auch richtig und gut so, weil es sich bei der Oberstufe entgegen der Annahme, die Sie in Ih rem Antrag getroffen haben, eben nicht um ein Ressourcen vergeudungskonzept handelt. Vielmehr handelt es sich um ei nen vernünftigen Umgang mit den Ressourcen, weil es auch fachlich erforderlich ist, dass die Oberstufe vernünftig aufge setzt wird.
Bitte.
Ich habe Ihnen schon ge sagt: Meine Prognose ist, dass eine dreizügige Gemeinschafts schule dieses Kriterium in der Regel nicht erreichen kann, es sei denn, in der Region – das ist das Thema der regionalen Schulentwicklung – findet eine Abstimmung statt. Natürlich wird man sich darüber verständigen. Es war auch eine Frage, wann das festgelegt werde. Das können wir jetzt noch nicht festlegen. Wir werden die Entwicklung abwarten und dann im Rahmen der regionalen Schulentwicklung die Entscheidung treffen, wo diese Oberstufen eingerichtet werden. Ganz klar.
Dann wird natürlich jeder Schüler, der die Sekundarstufe I an der Gemeinschaftsschule abgeschlossen hat, entscheiden, wo hin er möchte. Diese Freiheit ist auch richtig. Auch ein Schü ler der Gemeinschaftsschule wird sich möglicherweise für ein berufliches Gymnasium entscheiden, weil er beabsichtigt, ein Studium in einer bestimmten Richtung aufzunehmen. Dann ist er natürlich stärker an einem beruflichen Gymnasium ori entiert. Wenn er eher ein gleichwertiges Abitur anstrebt, wird er auch an einer Gemeinschaftsschule oder sogar an einem all gemeinbildenden Gymnasium die Oberstufe besuchen. Auch das ist eine Freiheit, die wir zulassen. Das ist auch gut so.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Ich habe einen Punkt nicht verstanden: Wenn Sie sich für den Wettbewerb aussprechen, warum wollen Sie dann ei ne Schulform, nämlich die Oberstufe für eine Gemeinschafts schule, verbieten?
Das ist dann kein Wettbewerb mehr.
Vielen Dank, dass Sie ei ne Zwischenfrage zulassen, Herr Kollege.
Ich verstehe jetzt Ihren Wortbeitrag nicht ganz. Sie sagen, die alte Landesregierung, die Sie auch mitgetragen haben, habe die Schulsozialarbeit in erster Linie nicht als bezuschussungs fähig gesehen, sondern andere bildungspolitische Projekte. Jetzt machen wir eine Drittelfinanzierung für die staatlichen Schulen, und jetzt sagen Sie, das sei zu wenig. Vorher haben Sie gesagt: „Das ist aus haushaltstechnischen Gründen nicht möglich.“
Können Sie versuchen, das einmal konsistent zusammenzu fügen? Sie selbst haben mit den k.w.-Vermerken entsprechen de Auflagen gemacht und die Anforderung gestellt, mehr zu sparen. Wo soll das passieren? Und wo soll die Landesregie rung die zusätzlichen Mittel für die Schulen in freier Träger schaft hernehmen, um auch dort bei der Schulsozialarbeit in eine Drittelfinanzierung zu gehen?
Vielen Dank, Herr Dr. Kern, dass Sie eine Zwischenfrage zulassen.
Sie haben sich jetzt noch einmal dafür ausgesprochen, dass das dreigliedrige Schulsystem Bestand haben soll. Ist die FDP/ DVP ernsthaft der Ansicht, dass im ländlichen Raum das drei gliedrige Schulsystem die nächsten zehn Jahre überstehen kann, dass dann noch ein breites Angebot an Schulabschlüs sen im ländlichen Raum möglich ist? Ist die FDP eigentlich die einzige Partei hier in Baden-Württemberg, die das immer noch will?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bündnis für Ausbildung besteht seit dem Jahr 2004 – das ist richtig –, aber wir haben mit dem Ko alitionsvertrag, den die Koalitionsparteien für die neue Lan desregierung verabschiedet haben, auch eine neue Orientie rung in das Bündnis für Ausbildung hineingebracht, nämlich den elementaren Satz, dass wir in Baden-Württemberg ein Recht auf berufliche Ausbildung verwirklichen wollen.
Warum ist das so wichtig? Herr Paal, wir reden über das du ale Ausbildungssystem. Darüber hören wir auch in Deutsch land generell immer wieder, alles sei super toll und das duale System sei ein Exportschlager. Wenn wir aber die reale Situ ation in Baden-Württemberg anschauen, sehen wir, dass wir hier seit vielen Jahren ein Problem haben: Die Zahl der Aus bildungsplätze ist in den vergangenen 25 Jahren um 30 % zu rückgegangen. Zwar sind 60 % der Betriebe ausbildungsbe rechtigt, aber nur die Hälfte davon bilden aus. Ferner befin den sich ca. 63 000 junge Menschen im Übergangsbereich, münden also direkt nach der allgemeinbildenden Schulausbil dung nicht in die duale Ausbildung ein, obwohl sie dort ei gentlich irgendwann später einmal einmünden können und dies dann auch tun. Ihre Zahl liegt in einer ähnlichen Größen ordnung wie die Zahl junger Leute, die direkt in die duale Ausbildung einmünden.
Es gibt eine Untersuchung, die aufzeigt, dass sich in BadenWürttemberg 39 % der jungen Menschen, die nicht einen Aus bildungsgang besuchen, der auf die Hochschule zielt, im Über gangsbereich befinden. 45 % gehen in das duale System. Das hört sich zunächst vielleicht noch ganz gut an, weil es mehr sind, aber der Bundesdurchschnitt sollte uns zu denken geben. Bundesweit gehen nämlich 51 % der jungen Menschen in die duale Ausbildung und 28 % in den Übergangsbereich. Wenn man Bayern zum Vergleich heranzieht, wird das Ganze noch dramatischer; denn in Bayern gehen 63 % direkt in die duale Ausbildung und ca. 16 % in den Übergangsbereich.
Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass es bei dem, was wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben und auch in das Bündnis für Ausbildung hineingetragen haben, nämlich das Recht auf Ausbildung zu verwirklichen und den Übergang von allgemeinbildender Schule und beruflicher Ausbildung ins Zentrum zu rücken, großen Handlungsbedarf gibt.
Das alte Motto – ich will es nicht kleinreden – der vergange nen Jahrzehnte, dass es keinen Abschluss ohne Anschluss ge ben soll, ist richtig und gut; das habe ich auch immer unter stützt. Das haben wir unterstützt, und das war auch eine gute Maßnahme. Das hat aber natürlich dazu geführt, dass wir in Baden-Württemberg durch diesen Anspruch den Übergangs bereich extrem ausgeweitet haben. Die Zahlen belegen es ganz klar. Hier müssen wir natürlich gegensteuern, und deswegen
ist die Reform, die diskutiert und im Konsens in den Grund zügen in das Eckpunktepapier eingebracht wurde, richtig, not wendig und gut. Denn wir müssen hier gegensteuern; das ist absolut notwendig. Dazu brauchen wir die Gemeinsamkeit. Denn für die berufliche Ausbildung sind alle zuständig.
Das Land ist zuständig, die Betriebe sind zuständig und ha ben eine Verantwortung. Alle stehen hier in der Verantwor tung, auch die Sozialpartner. Deshalb ist das Bündnis für Aus bildung auch der richtige Platz, um im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf einen neuen Ansatz zu finden.
Ja.
Vielen Dank für die Fra ge. – Sie haben in allen drei Punkten völlig recht. Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze – ich habe es gesagt –, die Betriebe haben sich aus welchen Gründen auch immer zurückgezogen. Das muss bewertet werden. Es spielt auch eine Rolle, dass junge Menschen sich heute anders orientieren. Das Erwerben höherer allgemeinbildender Abschlüsse ist eine richtige Ent wicklung. Ich möchte das nicht kleinreden. Junge Menschen, die die mittlere Reife oder auch das Abitur haben, haben bes sere Voraussetzungen, im späteren Berufsleben erfolgreich sein zu können. Das ist richtig. Das sollte nicht zurückgedreht werden. Deswegen sind wir mit dieser Reform auf dem rich tigen Weg.
In der zweiten Runde möchte ich noch etwas zu den Eckpunk ten sagen und meine Rede deshalb jetzt abschließen.
Ich lade Sie alle ein, diese Reform konstruktiv zu begleiten.
Kollege Grimm, es ist ja schon bemerkenswert, wie sich die FDP/DVP hier immer zum Thema „Berufliche Bildung und duales System“ äußert. In den letzten Jahren haben Sie eigentlich nur dadurch geglänzt – auch Ihre Vorgänger –, dass Sie zu diesem Thema relativ we nig beizutragen hatten.
Wenn Ihnen bei dem Thema „Duales System und Problemla ge“ nichts weiter einfällt, als wieder auf die Gemeinschafts schule zu schimpfen oder zu sagen: „Ein Meister ist kein Pä dagoge“, fehlt Ihnen das Grundverständnis für berufliche und für duale Ausbildung.
Mein Ausbilder – ich habe eine duale Ausbildung gemacht – hat in den Siebzigerjahren gesagt: „Ich bin nicht nur fachli cher Ausbilder, sondern auch Pädagoge. Ich habe auch eine Erziehungsfunktion.“
Die Ausbildereignungsprüfung belegt ja auch: Es geht in ei ner beruflichen Ausbildung auch um einen Erziehungsauftrag. Wenn Betriebe es nicht wieder wahrnehmen – ein Grundprob lem in vielen Betrieben ist heute, dass sie dies nicht wahrneh men –, dass sie in der beruflichen Ausbildung auch einen Er ziehungsauftrag haben – diese Aufgabe hat früher jeder Be trieb erfüllt –, werden wir bei diesem Thema nicht weiterkom men. Das ist der zentrale Punkt.
Ein weiterer zentraler Punkt ist, dass die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Ausbildung nicht nur eine Res sourcenfrage ist. Eine solche Diskussion wäre verkürzt. Die Frage ist auch: Inwiefern kann die duale Ausbildung so refor
miert werden – und inwiefern nehmen die Betriebe das auch an –, dass auch höherwertige allgemeinbildende Abschlüsse in der beruflichen Ausbildung möglich werden? Das ist ein zentrales Element.
Der Staat wird nicht dirigieren können: „Ihr müsst dies oder jenes machen.“ Vielmehr ist es die freie Entscheidung von Menschen, welchen beruflichen Bildungsweg sie gehen.
Die Reform des dualen Ausbildungssystems bedarf eben auch des berufsbegleitenden Erwerbs der Fachhochschulreife und einer echten mittleren Reife. Wenn wir dies in der Reform nicht schaffen und die Betriebe nicht bereit sind, sich hier ein zubringen, wird diese Reform nur teilweise gelingen. Das sa ge ich auch ganz klar. In diesem Punkt brauchen wir noch Be wegung.
Ein weiterer Punkt für das Gelingen der Reform ist sicher auch, dass wir das „AV Dual“ und das „BQ Dual“ auch als Ganztagsangebote ausbauen müssen, um die Gleichwertigkeit hinzubekommen. Andernfalls wird das nicht funktionieren.
Frau Schmid, eines muss ich Ihnen noch einmal mitgeben: Die Ausbildungsstatistik der Agentur für Arbeit sagt nur, wie viele Ausbildungsplätze angeboten worden sind und wie vie le nicht besetzt worden sind. Sie sagt aber nicht aus, wie vie le es eigentlich in anderen Bereichen, nämlich im Übergangs bereich, gibt. Das kümmert die Agentur für Arbeit nicht. Es ist zwar strittig, ob es genau 37 000 oder 61 000 sind, aber auf jeden Fall ist diese Zahl viel zu groß.
Es geht darum, das Thema auch wirklich ernst zu nehmen und nicht zu sagen: Es ist ja eigentlich alles in Butter; denn wir haben ca. 5 000 offene Ausbildungsstellen.
Ich muss Ihnen auch sagen: Es ist nicht für jeden jungen Men schen erstrebenswert, in der Gastronomie oder im Hotelge werbe zu arbeiten. Dafür ist vielleicht auch nicht jeder geeig net. Man kann auch jungen Leuten nicht vorschreiben, dass sie dort arbeiten müssen oder dort eine Ausbildung machen müssen.
Daher wird es in diesem Bereich immer eine Deckungslücke geben, die nicht so einfach zu schließen ist. Das muss man klar sagen.
Ja.
Zwischen uns beiden be steht offensichtlich eine Verständnisschwierigkeit,
und zwar dahin gehend, dass ich das Engagement der Bünd nispartner und vieler Betriebe überhaupt nicht negiere. Ich bin genug im Thema „Berufliche Ausbildung“ drin, dass ich sehr wohl weiß, dass vor allem die Bündnispartner, viele Betriebe hier sehr viel machen und sich sehr engagieren. Das will ich nicht kleinreden.
Aber es ist bei diesem Thema sicher nicht hilfreich, einfach zu sagen: „Es ist alles in Butter, es ist alles gut.“ Wenn das so wäre, brauchten wir nicht eine Reform des Übergangsbereichs und hätten wir nicht diese Zahlen.
Es hilft wenig, nur einen Teilaspekt zu betrachten und zu sa gen: „Das liegt daran, dass die jungen Leute nicht ausbil dungsreif sind.“ Super, damit können sich beide Seiten aus der Verantwortung stehlen.
Es hilft auch nicht weiter, zu sagen: „Es machen zu viele das Abitur.“ Wir müssen ernsthafte, gute Angebote für eine beruf liche Ausbildung machen und vor allem auch das Recht auf eine berufliche Ausbildung umsetzen. Dazu müssen alle an ei nem Strang ziehen, und über das Bündnis wird das jetzt ge macht.
In dieser historischen Situation wird wirklich ein Paradigmen wechsel eingeleitet. Ich weiß nicht, ob allen klar ist, dass wir hiermit in der beruflichen Qualifizierung einen Umbruch grundlegender Art einleiten. Da wird es noch viele Hürden ge ben, die zu überwinden sind. Aber es bedarf – auch in vielen Betrieben – einer grundsätzlich neuen Einstellung.
Frau Schmid, zum Stichwort Kleinklassen: Es ist ja ein Pro blem, dass auch im ländlichen Raum Betriebe zum Teil zu we nig ausbilden. Wenn es in einem Landkreis für einen Beruf nur noch fünf Auszubildende gibt, stellt sich natürlich die Fra ge: Wie kann eine Fachlichkeit in der Berufsschule gewähr leistet sein? Können wir das mit fünf Auszubildenden noch gewährleisten, oder müssen hier doch Landesfachklassen ge bildet werden? Das ist keine simple Frage, auf die man ein fach nur sagen kann: „Jetzt lassen wir den Berufsschulunter richt eben mit fünf Auszubildenden weiterlaufen.“ Darauf müssen wir Antworten geben, die nicht einfach sind und die auch zu einer fachlichen Qualität führen müssen.
Zu dieser Diskussion lade ich Sie ganz herzlich ein. Ich bin im Grundsatz froh, dass wir bei den vorgelegten Eckpunkten im Kern eine Gemeinsamkeit haben – trotz allen Streits –, nämlich in dem Kern, dass die Reform mit den erwähnten
Eckpunkten, die hier mit den Bündnispartnern aufgesetzt wur de, ein guter Ansatz für eine grundlegende Reform ist.
Danke.