Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 56. Sit zung des 15. Landtags von Baden-Württemberg.
Krankgemeldet sind Kollege Heiler, Kollege Pix, Kollege Rüeck, Kollege Schreiner und Kollege Schwehr. Wir wün schen ihnen gute Besserung.
Vielleicht schaffen wir es, dass wir heute das parlamentari sche Jahr mit einer würdigen Sitzung zum Abschluss bringen.
Sie ist mit Schreiben vom 17. Dezember dienstlich verhin dert gemeldet für die Zeit von 13:15 Uhr bis 14:45 Uhr.
Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2013/14 (Staatshaushaltsgesetz 2013/14 – StHG 2013/14) – Druck sachen 15/2720, 15/2721
Für die Dritte Beratung des Haushalts 2013/2014 hat das Prä sidium eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion festgelegt.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wir sind heute am Ende der Beratungen des Doppelhaushalts 2013/2014, wahrscheinlich der kürzes ten Haushaltsberatungen, die wir in den letzten Jahrzehnten in Baden-Württemberg hatten.
Erstmals wird der Haushalt vor Ablauf des alten Haushalts jahrs beschlossen. Allerdings ist dem dann auch der wahnsin nige Zeitdruck geschuldet, dem wir in diesem Jahr unterla gen. Aber damit halten wir die Bestimmung ein, dass ein Haushalt vor Beginn des jeweiligen Haushaltsjahrs verab schiedet werden muss.
Das ist im Übrigen eine Bestimmung, die auch in der Gemein deordnung steht, aber die auch in vielen Gemeinderäten, de nen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak tionen, angehören, nicht eingehalten wird.
Wir sind aber auch am Ende von Haushaltsberatungen, die ei ne historische Wende in Baden-Württemberg bedeuten, näm lich eine historische Wende weg von der soliden, zukunftsori entierten und generationengerechten Haushaltspolitik von CDU und FDP/DVP hin zu einer Haushaltspolitik mit mehr Verschuldung und höheren Lasten für künftige Generationen.
Nach nur eineinhalb Jahren Regierungszeit werden Sie bereits von Ihren eigenen Altlasten eingeholt. Warum? Sie haben zu nächst mit dem Vierten Nachtrag 2011 und dann mit dem Haushalt 2012 das Haushaltsvolumen deutlich aufgebläht, die Ausgaben gesteigert und damit eine Deckungslücke produ ziert, die Sie heute wortreich beklagen. Ich möchte das an Fak ten deutlich machen.
Mit dem Vierten Nachtrag 2011 stieg das Haushaltsvolumen gegenüber dem Dritten Nachtrag auf 36,8 Milliarden € und erhöhte sich damit um 1,5 Milliarden € oder 4,2 %. Das Vo lumen des Haushalts 2012 stieg gegenüber 2011 um 2,1 Mil liarden € auf 38,9 Milliarden € und erhöhte sich damit um 5,7 %. 2013 steigt das Volumen des Haushalts erneut. Es er höht sich um 1,8 Milliarden € auf 40,7 Milliarden €. Das ist eine Steigerung gegenüber 2012 um 4,6 %, und das, obwohl man immer wusste, dass die Pensionsverpflichtungen steigen, obwohl man wusste, dass die Konjunkturprogramme aus den Jahren 2009 und 2010 refinanziert werden müssen. Sie haben in den beiden Haushalten ein strukturelles Defizit aufgebaut, das Sie selbst verschuldet haben und jetzt fälschlicherweise uns anlasten.
Sie streichen mit dem Haushaltsbegleitgesetz die Schulden bremse in der Landeshaushaltsordnung und schreiben: „Der
Abbau der Neuverschuldung beginnt im Jahr 2013...“ In Wirklichkeit hat der Abbau der Neuverschuldung 15 Jahre frü her begonnen.
Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche strukturelle Ein sparmaßnahmen vorgenommen, die sich tatsächlich auch jetzt noch auswirken: die Verwaltungsreform, durch die jährlich über 100 Millionen € eingespart werden, mehrere Stellenab bauprogramme, Abbau von Zuschüssen für rein kommunale Aufgaben und auch Einschnitte bei den Beamten. Das Ergeb nis war: Nullneuverschuldung 2008, Nullneuverschuldung 2009, Verschuldung im Krisenjahr 2010, Nullneuverschul dung 2011, und 2012 konnten Sie ebenfalls eine Nullneuver schuldung ausweisen, weil noch ein Überschuss von 2011 vor handen war. Wir haben in den vergangenen 15 Jahren bewie sen – die Zahlen zeigen das eindeutig –: Wir können einen Haushalt entschulden.
Frau Sitzmann, Sie haben in der letzten Woche davon gespro chen: Dass 2011 und 2012 keine neuen Kredite aufgenommen wurden, war eigentlich nur Sondereffekten geschuldet. Ja wohl, da haben Sie recht. Das war Sondereffekten geschuldet, nämlich dem Sondereffekt, dass Sie auf eine solide Finanzpo litik von CDU und FDP/DVP zu Beginn dieses Jahrzehnts auf bauen konnten.
Die größte finanzpolitische Untat dieser Regierung ist aller dings am letzten Freitag erfolgt. § 18 Absatz 3 der Landes haushaltsordnung lautete bisher sinngemäß, dass neue Schul den über den am 31. Dezember 2007 erreichten Betrag hin aus nur aufgenommen werden dürfen, wenn die Steuereinnah men gegenüber dem Vorjahr um mehr als 1 % sinken. Basis ist die jeweils letzte Steuerschätzung.
2013 werden gegenüber 2012 500 Millionen € mehr an Steu ereinnahmen erwartet; das sind 1,7 % mehr. Und was tun Sie? Sie haben in der vergangenen Woche die Schuldenbremse im Landesrecht einfach gestrichen, damit der von der Regierung vorgelegte Haushalt, der gegen die von mir zuvor sinngemäß zitierte Bestimmung verstößt, rechtmäßig wird. Meine Damen und Herren, das ist genau so, als ob man im Halteverbot parkt und, statt ein Bußgeld zu bezahlen, einfach das Halteverbots schild entfernt.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Dr. Fried rich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)
Sie fügen mit Artikel 10 des Haushaltsbegleitgesetzes eine neue, komplizierte Regelung in die Landeshaushaltsordnung ein, die nach Aussagen des Rechnungshofs bis zum Jahr 2019 bis zu 8 Milliarden € neue Schulden ermöglicht.
Als der heutige Ministerpräsident Kretschmann zusammen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Oettinger die Ver handlungen in der Föderalismuskommission II geführt hat, war er maßgeblich daran beteiligt, dass im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert wurde. Man hatte dabei das Land
Baden-Württemberg mit Sicherheit nicht gleichrangig mit den Schuldenländern Nordrhein-Westfalen, Berlin, RheinlandPfalz oder Bremen als Schlusslichter im Ländervergleich vor Augen. Man hat nie daran gedacht, dass Baden-Württemberg erst im Jahr 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden vorle gen wird. Das Einzige, was man uns tatsächlich vorwerfen kann, ist, dass wir die Schuldenbremse nicht schon früher in der Landesverfassung verankert haben. Aus heutiger Sicht ist das sicherlich ein Fehler, den wir durchaus beklagen.
Sie haben in der vergangenen Woche angesprochen, dass wir eine hohe Zinslast haben. 43 Milliarden € beträgt der gesam te Schuldenstand des Landes.
Nur: Im nächsten und im übernächsten Jahr nehmen Sie ins gesamt 3,3 Milliarden € neue Schulden auf. Das heißt, ab dem Jahr 2015 hat das Land jedes Jahr etwa 70 Millionen € zusätz lich an Zinsen zu zahlen, ohne dass sich die Zinssätze auch nur um ein Promille geändert haben würden. Auch das zählt zur Wahrheit, meine Damen und Herren.
Am Ende der Dekade, in der Sie neue Schulden aufnehmen wollen, im Jahr 2019, werden Sie bis zu 8 Milliarden € neue Schulden aufgenommen haben: Das heißt, im Jahr 2020 müs sen im Haushalt 160 Millionen € mehr an Zinsausgaben ver anschlagt werden. Sie treiben die Zinsbelastung künftiger Jah re deutlich in die Höhe.
Dann sagen Sie, Sie wollten den Haushalt strukturell entlas ten. Was haben Sie denn gemacht? Herr Finanzminister, Sie sagen – das haben Sie auch in der vergangenen Woche getan –, im Jahr 2013 sparten Sie strukturell 582 Millionen € und im Jahr 2014 strukturell 642 Millionen €.
Was sind Ihre sogenannten strukturellen Einsparungen? Im kommunalen Finanzausgleich entnehmen Sie 325 Millionen € und sagen, das gelte nur bis zum Jahr 2016. Was ist danach? Bei der LBBW entnehmen Sie jährlich 120 Millionen €, egal, wie die Bank insgesamt gerade dasteht. Das ist doch keine strukturelle Einsparung. Auch eine Limitabsenkung um 56 Millionen € ist keine strukturelle Einsparung. Den Beam ten sagen Sie: „Wir werden jetzt einmal die Eingangsbesol dung absenken.“ Hier erklären Sie, dass das strukturell für im mer erfolgen solle.
Meine Damen und Herren, diese von mir genannten über 500 Millionen € sogenannter struktureller Einsparungen sind kei ne strukturellen Einsparungen, sondern sind Kosmetik im Haushalt nur für die nächsten zwei, drei Jahre.
Ansonsten ist die Großzügigkeit das durchgängige Prinzip in diesem Landeshaushalt. Für die Kleinkindbetreuung gibt es 325 Millionen € mehr für die Kommunen –