Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Frau Mi nisterin Öney ab der Mittagspause, Herr Minister Friedrich ab 14:00 Uhr, Herr Minister Dr. Schmid ab 14:00 Uhr und Herr Minister Untersteller.
Aktuelle Debatte – Verbraucherinnen und Verbraucher schützen – keine Zulassung für Genmais in Europa – be antragt von der Fraktion GRÜNE
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat eine Gesamtre dezeit von 40 Minuten festgelegt. Ich darf auch die Regierung bitten, sich an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen für die Kollegialität bedanken, den Sitzungsbeginn kurz zu verschieben. Die Züge aus Heilbronn und Karlsruhe hatten am Pragsattel eine Signalstörung zu überwinden, was zu einer Verspätung von über einer halben Stunde führte.
Zur Sache: Am 16. Januar hat sich das EU-Parlament mit brei ter Mehrheit gegen eine Anbauzulassung des Genmaises 1507 ausgesprochen. Dieses Verfahren ist allerdings nur die Spitze eines Eisbergs. Anträge für fünf weitere ähnliche, mehrfach resistente gentechnisch veränderte Organismen, kurz GVO, stehen im Zulassungsverfahren.
Diese Debatte auf der EU-Ebene und damit auch auf der na tionalen Ebene, die im Augenblick sehr, sehr intensiv geführt wird, hat konkrete Auswirkungen auf uns, auf die Situation in Baden-Württemberg, und hat große Bedeutung für uns hier im Land. Denn die Gentechnikfreiheit in Baden-Württemberg und anderen Regionen sieht sich offenbar tatsächlich einer neuen Gefahr gegenüber. Sowohl die Menschen hier im Land,
die Verbraucherinnen und Verbraucher, als auch wir hier im Landtag haben einen breiten Konsens, der lautet: Wir wollen keine Gentechnik auf den Äckern, und wir wollen auch kei ne Gentechnik auf unseren Tellern. Das ist der erklärte Wille der großen Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher im Land, im Bund und in der EU.
In Baden-Württemberg und auch in vielen anderen Regionen in der Europäischen Union gibt es im Augenblick keinen An bau gentechnisch veränderter Organismen. Die grün-rote Lan desregierung, vertreten durch unseren zuständigen Minister Alexander Bonde, hat im Jahr 2012 den Beitritt zum Bündnis gentechnikfreier Regionen in Europa unterzeichnet. Auch das fand eine breite Zustimmung, weit über die Regierungskoali tion hinaus. Damit befinden wir uns auch in guter Gesellschaft mit Genießerregionen wie Burgund, Tirol, Périgord und an deren Regionen in Europa, die ebenfalls das Ziel der Gentech nikfreiheit verfolgen. Das soll auch so bleiben; denn wir ste hen für die Verbraucherinteressen.
Mais 1507 – jetzt kommt ein für diese Debatte ganz wichti ger Punkt – produziert im Kontext von Mehrfachresistenzen, die im Zuge der Gentechnik neu entwickelt wurden, ständig aktiv Insektengifte, also Insektizide, gegen Schmetterlinge, gegen Motten. Die zuständige europäische Fachbehörde EFSA hat deswegen darauf hingewiesen, dass hier ungeprüf te Risiken existieren, und hat deshalb davon abgeraten, ge nauso wie die breite Mehrheit der EU-Parlamentarier, diesen Genmais 1507 zuzulassen.
In den Pollen dieses Genmaises, über den wir heute reden und der – ganz aktuell – auch Aufhänger für die Bundestagsdebat te am heutigen Nachmittag ist, ebenso wie für Debatten im EU-Parlament in zwei Wochen bzw. in den beratenden Gre mien, in denen auch die Bundesregierung mit abstimmen wird, liegt die Toxizität, also die Giftigkeit dessen, was die Pflanze selbst produziert, um den Faktor 350 höher als bei dem be rühmten Genmais MON 810, der 2009 mit einem nationalen Anbauverbot belegt wurde, u. a. wegen der ungeklärten Risi ken.
Wir stehen zur Artenvielfalt. Aber ich muss die Kollegen von CDU und FDP schon fragen: Stehen auch Sie dazu? Ich hof fe und wünsche es, und ich hoffe auch, dies gleich in den ent sprechenden Beiträgen zu hören.
Am 16. Januar haben die EU-Abgeordneten zudem eine Re form in Bezug auf die Risikobewertung von GVO gefordert. Denn die EU-Kommission, so sagt das Parlament, soll keine weiteren Anträge stellen, so, wie das im November 2013 ge
schehen ist – was uns jetzt diese Problemlage beschert. Das EU-Parlament hat ebenso beantragt und auch beschlossen, die bestehenden Zulassungsverfahren so lange nicht erneut zu ver längern, bis diese Risikobewertungsverfahren deutlich ver bessert sind.
Dazu gehört übrigens auf dringende Empfehlung der EU-Um weltminister und in Entsprechung mehrfacher Forderungen des EU-Parlaments auch die Berücksichtigung sozioökono mischer Folgen des Anbaus von GVO.
Kurz: Die Situation bei der Zulassung von GVO in der Euro päischen Union ist völlig unbefriedigend. Von Bundesland wirtschaftsminister Friedrich erwarten wir, dass er innerhalb der nächsten zwei Wochen gegen die Zulassung von Genmais 1507 stimmt.
Es genügt nicht, bei der Grünen Woche in Berlin vor Land wirten wortreich zu erklären, dass man gegen Gentechnik auf dem Acker sei, und sich dann bei der entsprechenden Abstim mung auf europäischer Ebene zu enthalten. Das genügt nicht.
Die Richtlinienkompetenz besitzt übrigens die Bundeskanz lerin. Aber Merkels Politik der unbewegten Hand führt seit Jahren zu Stillstand und Enthaltungen bei diesem Thema. Die Bundeskanzlerin ist dafür verantwortlich, dass sich Deutsch land in den letzten Jahren bei Abstimmungen zum Thema Gentechnik mehrfach enthalten hat. Deutschland ist aber ein wichtiger Player in dieser Debatte, und ich denke, die Bot schaft, die von Deutschland ausgehen sollte, lautet: Wir wol len keine Gentechnik auf dem Acker.
Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Kollege Locherer, wir haben hier im Land doch breiten Konsens beim Thema „Gentechnikfreie Lebensmittel“. Wir waren gemeinsam in Brasilien. Wir bereiten auch gemeinsam einen interfraktionel len Antrag vor. Setzen Sie sich, Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dafür ein, dass sich auch die CDU im Bund ak tiv dafür starkmacht, dass Genmais 1507 nicht zugelassen wird.
Bringen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bund auf den rechten Weg. Die Stimme Deutschlands in der EU soll klar und vernehmlich sein. Sie soll kein Herumgeeiere darstellen, und sie soll sich nicht in Enthaltungen äußern, sondern sie soll ein klares Ja für gentechnikfreie Lebensmittel zum Ausdruck bringen.
Sehr geehrter Herr Landtagsprä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Verbraucherinnen und Verbraucher schützen – keine Zulassung für Genmais in Europa“ – das hört sich gut an. Oberflächlich betrachtet könn
te man damit bei den Verbrauchern schon punkten. Gewun dert hat mich allerdings, dass bei der von den Grünen bean tragten Aktuellen Debatte offensichtlich die Bäuerinnen und Bauern keine Rolle mehr spielen.
Doch, mit Verlaub: Kommt diese Diskussion nicht zu spät? Der Dammbruch bei diesem Thema geschah doch bereits im Jahr 2004. „Künast gibt Genmais frei“ – erinnern Sie sich an diese Schlagzeilen? „Ministerin beugt sich der EU.“ Es war die grüne Ministerin Renate Künast, die den Weg für die Mais sorte MON 810 von Monsanto frei machte.
Ich weiß, Sie werden jetzt wieder auf die EU-Gesetze verwei sen. Aber nach der damals getroffenen Entscheidung rechtfer tigte sich Renate Künast, indem sie darstellte, dass die Ver braucherinnen und Verbraucher durch die Kennzeichnungs pflicht erstmals die Wahlfreiheit bei der Entscheidung zwi schen genveränderten und nicht genveränderten Lebensmit teln hätten. Ich frage mich: Trauen die Grünen den Verbrau chern heute diese Entscheidung nicht mehr zu?
Noch eines ist grenzwertig: Damals, 2004, wurden die Land wirte mit einer unzureichenden Abstandsregelung und den nicht versicherbaren Risiken alleingelassen.
Nun, das ist lange her. Und zugegebenermaßen könnte man die heutige Diskussion aus meiner Sicht als eine Konsensdis kussion führen. Heute geht es um die Zulassung des GV-Mai ses Pioneer 1507. Zuständig ist der Bund. Im Koalitionsver trag steht zur grünen Gentechnik nur sehr wenig. Auf Seite 87 lesen wir:
Wir treten für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produk te von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, ein. An der Nulltoleranz gegenüber nicht zuge lassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Le bensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgut reinheit.
Erstens: Es ist richtig, laut Umfrage wünschen die Mehrzahl der Verbraucher keine Gentechnik. Daher sollten wir die Vor behalte der Menschen ernst nehmen und anerkennen. Aller dings möchte ich etwas an dieser Stelle kritisch hinterfragen und möchte anmerken: Die Umfragen sind das eine. Das Han deln, das Verhalten an der Kasse, spricht oft eine andere Spra che. Aber halten wir fest: Die Verbraucher wünschen keine Gentechnik.
Zweitens: Die Bauern haben in der Bewirtschaftung keine Vorteile, weder bei der Feldbewirtschaftung noch in der wei teren Abfolge bis hin zur Vermarktung. Sie haben keine Vor teile, weder in der Ökonomie noch in der Ökologie.
Drittens: Auch die Berufsverbände sehen deswegen keinen Grund für die Zulassung und fordern eine Saatgutreinheit, wie sie besonders in der kleinteilig parzellierten Landwirtschaft Baden-Württembergs auch Sinn macht.