Ich darf Ihnen sagen: All das, was Sie heute hier als Beden ken vorgetragen haben, sind Scheinprobleme, sind Schimä ren.
Es funktioniert einfach nicht, dass Sie diese Vereinbarung über den Ausbau der Ganztagsschulen hier negativ kommentieren. Das ist nicht verständlich. Denn das lässt sich auch in keiner Weise an der Vereinbarung festmachen. Wir geben die Verant wortung vor Ort. Wir lassen die Entscheidung über das jewei lige Ganztagskonzept vor Ort. Freiheitlicher und bürgernäher kann man eine solche Vereinbarung nicht ausgestalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausbau von Ganztagsschulen ist ein wichtiger Schritt – das wurde bereits von den Vorrednern gesagt – hin zu mehr Bildungsgerechtig keit. Wenn Sie sich irgendwann einmal die Mühe machen wür den, pädagogische Studien zu diesem Thema zu lesen, wür den Sie feststellen, dass die Frage der Ganztagsbeschulung auch unter dem Gesichtspunkt des pädagogischen Mehrwerts einer der Schlüssel in der Frage ist, weshalb wir in BadenWürttemberg dringenden Nachholbedarf haben, um den Ab stand zwischen den Chancen von Kindern aus sozial schwä cheren Elternhäusern und Kindern aus anderen Elternhäusern möglichst zu verringern und ihnen gleiche Chancen zu gewäh ren. Wir müssen es schaffen, allen Kindern gute Zukunfts chancen zu geben, und dafür ist die Ganztagsschule ein zent rales Instrument.
Schon im Koalitionsvertrag haben wir Folgendes ausgeführt – Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich –:
Ganztagsschulen leisten einen wertvollen Beitrag zur ganzheitlichen Bildung der Schülerinnen und Schüler, zur sozialen Gerechtigkeit, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zu besseren Lernleistungen.
So haben wir es im Koalitionsvertrag formuliert. Dass dies so ist, wird wohl kaum von irgendjemandem hier in diesem Par lament bestritten werden.
Unser Ziel ist es daher, mit dem Ausbau von Ganztagsange boten die Schule als Lern- und Lebensort insgesamt zu stär ken und mittelfristig jeder Schülerin und jedem Schüler die
In einem ersten Schritt – das ist auch der finanzpolitischen So lidität geschuldet – sollen sich vor allem die Grundschulen zu Ganztagsschulen weiterentwickeln. So stellen wir sicher, dass nach dem Ausbau der Betreuung im frühkindlichen Bereich keine Betreuungslücke entstehen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass diese Regie rung mit den kommunalen Landesverbänden bereits in einem weiteren Feld, nämlich im Bereich der Ganztagsschulen, ei ne Einigung unter Beachtung der beiderseitigen Interessen ge schafft hat, reiht sich ein in eine Serie von Vereinbarungen, die auf gegenseitigem Vertrauen und dem Ziel gemeinsamer Lösungen jenseits parteipolitischer Zugehörigkeit, jenseits parteipolitischen Streits angestrebt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn nach dem Pakt für Familien mit Kindern und nach den Gesprächen und der Einigung zur Systematik im Bereich der regionalen Schulent wicklung nun innerhalb eines Jahres bereits das dritte Groß projekt gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden ausgehandelt und, so hoffe ich, auf eine erfolgreiche Strecke geschickt wird, dann ist das ein großer Erfolg. Da darf ich den Präsidenten des Gemeindetags, Herrn Kehle, zitieren, der meinte, eine solche Einigung wäre mit der früheren Landes regierung nicht möglich gewesen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Deutliche Worte!)
Deswegen würde es Ihnen, glaube ich, gut zu Gesicht stehen, wenn Sie bei diesem Thema, bei dem Sie lange nichts hinbe kommen haben, einfach einmal sagen würden: „Ja, es ist ein Erfolg. Ja, es ist richtig, diesen Weg zu gehen.“ Sie können dann auch gern sagen, dass sich in der Umsetzung zeigen müs se, ob diese Konzepte dann vor Ort auch die notwendige Nachfrage finden. Aber, meine sehr geehrten Damen und Her ren, die Ganztagsschulen finden dort, wo sie eingerichtet sind, einen erheblichen Zuspruch.
Herr Kollege Kern, gestatten Sie mir, folgendes Bild zu zeich nen – daran hat mich Ihr Beitrag vorhin ein bisschen erinnert –: Draußen herrscht strahlender Sonnenschein, die Schüler ge hen in die Schulen, die angeboten werden, vermehrt auch in die Ganztagsschulen, aber Sie fahren nach wie vor in der Geis terbahn spazieren und sehen dort Zerrbilder und Dinge, die sonst eigentlich niemand anderes sieht, nämlich eine Ver schlechterung an allen Ecken und Enden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht das re alistische Bild von Baden-Württemberg. Ich glaube, es ist auch Ihre Verantwortung, dass Eltern nicht durch derartige Kommentierungen von guten Entscheidungen verunsichert werden und damit in ihrer Entscheidung, was das Richtige für ihr Kind ist, verunsichert werden. Meine sehr geehrten Da men und Herren, wir müssen den Eltern in diesem Land auch das Vertrauen in dieses Schulsystem geben.
Ganztagsschulen – das spielt bei der Ganztagsschule neben der Pädagogik natürlich eine Rolle, und deswegen ist es auch eine wichtige Aufgabe für den Wirtschaftsminister dieses Lan des gewesen – spielen auch eine wichtige Rolle hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie alle wissen, dass bei der Frage, ob junge Familien sich auch für Kinder ent scheiden, sehr oft auch eine Rolle spielt, ob diese jungen El tern dann auch gute Betreuungs- und vor allem gute Bildungs angebote vorfinden.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben na türlich auch alle Wirtschaftsverbände laut Applaus geklatscht und haben gesagt: Es war lange überfällig, dass eine solche Vereinbarung, die den Kommunen und auch den Eltern Pla nungssicherheit gibt, zustande kommt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen ist die Unterzeichnung dieses Pakts auch ein ganz wichtiges Ereignis für die Wirtschaft in diesem Land Baden-Württemberg gewesen.
Wir werden nun auf der Basis dieser Eckpunkte die Schulge setzänderung vorbereiten und damit einen nunmehr schon 50-jährigen Schulversuch beenden und in die Regelform im Schulgesetz überführen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich fangen wir – Herr Kollege Wacker hat es angesprochen – nicht bei null an. Natürlich gibt es auch schon Ganztagsschulen in BadenWürttemberg. Aber, Herr Kollege Wacker, diese Ganztags schulen müssen sich auch an dem messen lassen, was in an deren Bundesländern bereits vorhanden ist. Wir stellen da ein fach fest, dass wir in Baden-Württemberg eben noch einen schwächeren Ausbaustand haben.
Herr Kollege Kern, wenn Sie sich auch einmal mit den Stu dien beschäftigen, dann stellen Sie fest, dass da sehr wohl auch nach der Qualität der Ganztagsschule gefragt wird. Da wird nämlich gefragt: Ist das eine bloße Ganztagsbetreuung, oder ist das eine Ganztagsschule, die diesen Namen verdient, weil sie tatsächlich auch von Pädagogen getragen wird? Denn dadurch können wir für die leider geringer werdende Zahl von Kindern und Jugendlichen gewährleisten, dass möglichst al le ihre Potenziale auch wirklich ausschöpfen können.
Deswegen ist mit gutem Grund an der Gemeinschaftsschule aufgrund dieses dort sehr anspruchsvollen pädagogischen Konzepts die Ganztagsschule die Regelform, weil – das stel len Sie dort auch fest – die Lehrerinnen und Lehrer sagen: Wir brauchen diese zusätzlichen Stunden, um die Schülerinnen und Schüler in dieser Heterogenität auch erfolgreich zum je weiligen Bildungsabschluss zu führen.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, spielt da keine ideologische Frage – Familie hier und Schule dort – ei ne zentrale Rolle, sondern die zentrale Rolle spielt die Frage: Was ist für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land das Beste?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gesellschaftliche Re alität ist es, dass immer mehr Kinder nachmittags, weil ent weder die Mutter oder der Vater alleinerziehend ist oder bei de Elternteile berufstätig sind, auf sich allein gestellt sind.
Deswegen ist die Ganztagsschule eine wichtige Chance auch für die Herausbildung von Persönlichkeiten bei Kindern und Jugendlichen.
Jetzt kommt Ihr Fehlschluss. Wir haben nämlich in unserem Konzept gewährleistet, dass diese Entscheidung vor Ort ge troffen wird, gemeinsam getragen von der Schulgemeinschaft,
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Walter Heiler SPD: So ist es! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: SPD wählen! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wie sieht es mit der Wahlfreiheit bei anderen Schulen aus? Denen wird sie vorenthalten?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen, wie ich gerade betont habe, größtmögliche Flexibilität für alle Betei ligten gewährleisten und damit auch die Wahlfreiheit der El tern in den Mittelpunkt stellen. Die Einrichtung von Ganz tagsangeboten an Grundschulen und den Grundstufen der För derschulen wird nach klaren einheitlichen Regeln ablaufen. Gleichzeitig sichert das neue Konzept Städten und Gemein den als Schulträgern sowie den Schulen selbst maximale Fle xibilität.
Ganztagsangebote an der Grundschule und den Grundstufen der Förderschulen können künftig an drei oder vier Tagen mit sieben oder acht Stunden in verbindlicher Form oder in Wahl form eingerichtet werden.
Eine größere Flexibilität ist kaum denkbar. Die verbindliche Form bedeutet, dass die gesamte Schule auf Ganztagsbetrieb umstellt und das Angebot für alle Schüler verpflichtend ist. Aber es muss gewährleistet sein – das werden auch die kom munalen Diskussionen vor Ort zeigen, sonst hätten doch Städ tetag, Gemeindetag und Landkreistag diesem Konzept nicht zugestimmt –, dass Eltern, die ein Ganztagsangebot nicht wünschen, dort auch ein gutes Angebot für eine Halbtagsbe schulung bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz ehrlich: Diese Diskussionen, die wir hier im Landtag zu diesem Thema füh ren, versteht in ganz Europa kein Mensch. Denn in ganz Eu ropa – Sie können nicht sagen, dass in den anderen Ländern den Eltern das Wohl ihrer Kinder weniger wert wäre – ist die Ganztagsschule eine Regelschule und ein wichtiges pädago gisches Instrument hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Qualität in der Bildung.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Und wo ist die Qualität in die sen Ländern? Nennen Sie mal ein Land, das diese Qualität hat!)
Gleichzeitig – Kollege Fulst-Blei hat darauf hingewiesen – ist auch die Einbindung der außerschulischen Partner ein ganz wichtiger Teil dieses Konzepts.
Denn wir wollen, dass Ganztagsschulen nicht ein Fremdkör per in unserer Gesellschaft sind, sondern wir wollen mit Ganz tagsschulen auch einen wichtigen Schritt hin zu einem höhe ren Engagement von Kindern und Jugendlichen auch in den Vereinen und Verbänden gehen.
Wie kann das gelingen? Wir stellen doch heute fest, dass im mer weniger Kinder und Jugendliche, teilweise auch aufgrund der schulischen Belastung, die Wege in die Vereine und Ver bände finden. Deswegen ist es doch richtig, dass die Partner in der Arbeitsgruppe der außerschulischen Kooperationspart ner ein großes Interesse daran haben, ihr Angebot auch in der Schule zu verankern und damit auch Jugendlichen wieder den Weg z. B. in einen Sportverein oder einen Musikverein zu eb nen,
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Ganztagsschule gerade im Grundschulbereich auch für die au ßerschulischen Partner, für die Vereine und Verbände unserer Gesellschaft keine Gefahr, sondern eine riesengroße Chance.