Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

Vertrauen Sie doch einfach einmal den Lehrerinnen und Leh rern in Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Dann muss man es ihnen doch nicht vorschreiben, wenn man ihnen ver traut! Das ist doch der Witz! Sie sagen, was gemacht wird! Das ist doch ein Widerspruch in sich!)

Wir haben einen Bildungsplan auf den Weg gebracht, der kompetenzorientiert ist, der Bildungsinhalte mit auf den Weg gibt. Dass aber den Lehrerinnen und Lehrern – – Das war beim Bildungsplan 2004 genau das Gleiche wie beim Bil dungsplan 2014. Wie diese Bildungsinhalte im Unterricht und bei den Schülerinnen und Schülern dargestellt werden, liegt im Verantwortungsbereich der Lehrerinnen und Lehrer

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig!)

und im Gestaltungsspielraum der Lehrerinnen und Lehrer.

(Zurufe der Abg. Georg Wacker CDU und Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Da bitte ich die Opposition, den Lehrerinnen und Lehrern das Vertrauen entgegenzubringen,

(Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU)

dass sie die Unterrichtsthemen genau so aufbereiten, dass sie für die Schülerinnen und Schüler passen und zukunftsorien tiert sind. Da möchte ich doch einmal an Sie appellieren – vielleicht klappt es ja noch –, vielleicht auch einmal etwas Po sitives aus dem neuen Bildungsplan zu bringen und nicht im mer nur alles in die Kritik zu ziehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Kollegen Kleinböck das Wort.

(Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger und Andre as Glück FDP/DVP)

Kein Neid, lieber Kollege Dr. Bullinger. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren! Kollege Wacker hat mich mit seinen Ausführungen schon ein bisschen an den zün delnden Feuerwehrmann erinnert, der dann als Erster an der Brandstelle ist, um zu löschen.

(Heiterkeit des Abg. Manfred Kern GRÜNE)

Aber ich will einmal zu dem Thema reden, das hier angesagt ist. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben – ich zi tiere –:

Die Zeit des Durchregierens von oben ist zu Ende. Gute Politik wächst von unten, echte Führungsstärke entspringt der Bereitschaft zuzuhören.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Für uns ist die Einmischung der Bürgerinnen und Bürger eine Bereicherung. Wir wollen mit ihnen im Dialog regie ren und eine neue Politik des Gehörtwerdens praktizie ren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Des Über hörtwerdens!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch mittlerweile hin reichend bekannt, dass die neue Landesregierung diesen Pas sus aus dem Koalitionsvertrag entschlossen umsetzt und über all, wo es möglich ist, die Bürgerinnen und Bürger, die Be troffenen bei Entscheidungen beteiligt. Das passiert auch bei der Bildungsplanarbeit.

Wie diese Beteiligung im Einzelnen erfolgt, hängt auch von der jeweiligen Aufgabe ab, die zu lösen ist. Nicht jedes Betei ligungsverfahren eignet sich gleichermaßen für alle Entschei dungsprozesse.

Das Onlineportal, um das es hier geht, ist nur eine von vielen Beteiligungsmöglichkeiten. Kollege Wacker, ich weiß von Menschen, die sich über dieses Beteiligungsportal ans Minis terium gewandt haben und auch eine Antwort dazu bekom men haben.

Wer schon einmal einen Bildungsplan in der Hand hatte, weiß, welche Mammutaufgabe sich hinter der Neufassung verbirgt, insbesondere dann, wenn alle Beteiligten gehört werden sol len.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in der Bildungspo litik sind wir darauf angewiesen, das Wissen und die Erfah rungen der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler, der kommunalen Entscheidungsträger, der Schullei tungen, der Mütter und Väter in die Entscheidungen einflie ßen zu lassen.

Die Massenmails, die wir in unterschiedlichem Umfang dazu bekommen, die uns dazu erreichen,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

sind allerdings wenig hilfreich.

(Abg. Georg Wacker CDU: Da haben Sie recht!)

Die Beteiligung bei der Bildungsplanarbeit selbst ist vielfäl tig. Das war ja großteils auch der Stellungnahme des Kultus ministeriums zu entnehmen. Neben dem üblichen Anhörungs verfahren gibt es den Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, den Landeselternbeirat, den Landesschülerbeirat, den Landes schulbeirat, die Lehrerverbände – alle sind integriert worden.

Die Kollegin Boser hat aus der Arbeit im Beirat berichtet. Das brauche ich an dieser Stelle nicht zu wiederholen.

Die systematische und fortlaufende Abstimmung der Arbeits fortschritte der Bildungsplankommissionen – ich lege hier Wert auf den Plural – mit Experten aus Wissenschaft und – – Es ist ganz wichtig, dieses Beteiligungselement, das wir heu te sehen, an dieser Stelle nochmals zu erwähnen.

Es gibt die Möglichkeit, sich über das E-Mail-Postfach für Bürgerinnen und Bürger einzubringen. Schließlich ist auch die Erprobung von Arbeitsfassungen an Erprobungsschulen ein wichtiges Element, um auftretende Fragen, Ungereimthei ten zu beseitigen und letztlich einen schlüssigen Bildungsplan zu erhalten.

Wir wissen: Wenn man in Entscheidungsprozessen die Men schen mitnimmt, werden die Entscheidungen auch nachhaltig wirken – dies auch dann, wenn nicht alle Vorschläge aufge griffen und umgesetzt werden können.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin alt genug, um in diesem Bereich zahlreiche Erfahrungen gesammelt zu haben. Mit diesem Vorgehen – das kann ich Ihnen an dieser Stelle auch sagen – habe ich nicht nur in meiner Schule, sondern auch in verschiedenen Gremien bislang nur positive Erfah rungen gemacht. Gleichwohl räume ich ein, dass dieses Vor gehen in der Regel mit einem größeren Arbeits- und Zeitauf wand verbunden ist.

Auch eines kann ich nicht verhehlen: Gelegentlich war ich un geduldig. Aber ich weiß: „Basta“ ist keine Handlungsalterna tive. Da muss man viel lernen. Einige haben das begriffen, an dere eben noch nicht. Aber wir sind ja noch im Prozess.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss: Ich bin si cher, dass die neue Politik des Gehörtwerdens, die Beteiligung der Betroffenen, ein wichtiger Baustein ist, um der Politik- und der Parteienverdrossenheit entgegenzuwirken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Eines steht fest: Grün-Rot hat ein Pro blem.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Jetzt werden Sie einwenden, es sei völlig normal, dass man, wenn man regiert, auch Probleme hat.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Die FDP hat mehr!)

Aber was ich meine, ist ein ganz grundsätzliches, ein elemen tares Problem. Wie kam es dazu? Am Anfang dieses Problems steht eine Weltsicht, der es, einmal vorsichtig ausgedrückt, an Selbstbewusstsein nicht mangelt. Da gibt es die schwarzen, die bösen Ritter, die für alles Schlimme in der Welt stehen und in ihrer Regierungszeit alles getan haben, was moralisch ver werflich ist. Dann kamen im Jahr 2011 auf einmal die weißen Ritter, die Guten, an die Regierung, und die riefen das Gehört werden zu ihrem Motto aus, so als hätte bis dahin nie irgend jemand irgendeinem anderen je zugehört.

Ich glaube, es fehlte nicht viel, und Grüne und SPD würden die Akustik für eine Erfindung von Herrn Kretschmann hal ten. Das grün-rote Problem ist die Überheblichkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn man nämlich glaubt, zu wissen, was gut ist für einen selbst wie für alle anderen Menschen, dann macht einen das unfähig, den anderen so etwas wie Entwicklungsfähigkeit zu zutrauen oder die eigenen Positionen offen zu hinterfragen und sich gegebenenfalls von einer besseren Position überzeu gen zu lassen. Ein Gehörtwerden, das diesen Namen auch ver dient, ist unter solchen Voraussetzungen von vornherein so gut wie ausgeschlossen.

An der verkorksten Bildungsplanreform lässt sich dieses grünrote Problem geradezu beispielhaft studieren. Der Umstand, dass die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteili gung eine Aufnahme der Bildungsplanarbeit ins Beteiligungs portal angekündigt hat und das Kultusministerium bis heute nicht auf diesen Zug aufgesprungen ist, ist nach meiner An sicht kein Zufall und auch kein Lapsus, so, als hätte man halt versäumt, sich abzustimmen. Der Vorgang zeigt vielmehr das tief empfundene Misstrauen der grün-roten Landesregierung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern,

(Abg. Georg Wacker CDU: Genau!)