Es liest sich aber so, als ob Sie 50 Jahre in der Opposition ge wesen wären, Frau Kurtz. Das ist aber nicht so.
Das ist schon verwunderlich, und deshalb auch meine Bitte, diese Aufgeregtheit aus der Bildungspolitik herauszunehmen.
Es ist klar, Sie sind nicht der Ansicht, dass man eine Gemein schaftsschule einführen und entsprechend die Lehrerausbil dung mit einbeziehen soll.
Das kann ich verstehen. Aber Sie sind doch in der Lehreraus bildung 2010 selbst so vorgegangen, als Sie die Realschulleh rerausbildung mit der Haupt- und Werkrealschullehrerausbil dung zusammengeführt haben. Damit haben Sie sich selbst vom dreigliedrigen Schulsystem verabschiedet.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch ein bisschen ehrlicher! Wir sind bei diesem Thema, was die Lehrerausbildung betrifft, mit Blick auf diesen Konsens, der in den Eckpunkten gefunden wurde, gar nicht so weit ausei nander. Das muss man doch ehrlicherweise sagen.
(Abg. Sabine Kurtz CDU: Sie blockieren sich gegen seitig! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sind die Sozialdemokraten die Bremser?)
Herr Röhm, auch Sie wissen, dass man sich innerhalb einer Koalition politisch immer wieder verständigen muss. Ich muss auch sagen: Es ist gut, dass wir bei diesen Punkten eine Ver ständigung erreicht haben.
Einen Punkt hat die CDU offensichtlich noch nicht verstan den; Frau Kurtz, dies gilt auch für den vorliegenden Antrag. Die CDU hat noch nicht verstanden, wie wichtig die Umstel lung der Studienabschlüsse vom Staatsexamen auf Bachelor und Master ist. Diese Umstellung trägt nämlich dazu bei, dass wir in der Lehrerausbildung nun tatsächlich Polyvalenz be kommen. Jeder, der selbst in der Lehrerausbildung tätig ist oder war oder mit der Problematik der Unterrichtsversorgung durch die Kolleginnen und Kollegen befasst ist, weiß, dass diese Polyvalenz der entscheidende Dreh- und Angelpunkt ist, um die Lehrerausbildung tatsächlich zu reformieren. Denn wir müssen diese Ausbildung so reformieren, dass sie keine Sack gasse mehr ist. Frau Kurtz, die Lehrerausbildung darf nicht in eine Sackgasse führen; ein Lehrer muss die Möglichkeit ha ben, sich in anderen Bereichen zu qualifizieren, um auch ei ne berufliche Tätigkeit außerhalb der Schule ausüben zu kön nen.
Ich möchte Ihnen hierbei auch die vielen Untersuchungen, die es zum Thema Lehrergesundheit bereits gibt, ans Herz legen. Dabei geht es auch um die Frage, wie sehr sich Lehrer über fordert fühlen und inwieweit sie in ihrem Beruf tatsächlich angekommen sind. In der Lehrerausbildung müssen Alterna tiven geschaffen werden.
Durch die Reform der Lehrerausbildung, wie wir sie nun vor nehmen, wird genau dieser zentrale Punkt auf den Weg ge bracht. Ich würde mir – auch vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Bildungslandschaft – wünschen, dass alle von uns diese Prozesse mit begleiten. Denn wir alle können kein Interesse daran haben, dass, wie es die Schaarschmidt-Unter suchung ergeben hat, die Lehrerschaft zu einem Drittel aus gebrannt ist und sich die betroffenen Kolleginnen und Kolle gen in ihrem Beruf eigentlich nicht mehr zurechtfinden.
Wir müssen die große Vielfalt und die Heterogenität, die wir heute vorfinden – ich verweise auch auf das Thema Inklusion –, vernünftig in die Lehrerausbildung einbauen. Das ist ein zentraler Punkt, an dem wir arbeiten. Auch was die Fachdi daktik und die Bildungswissenschaften angeht, müssen diese Bereiche an den Hochschulen gestärkt werden. Dies ist im vorliegenden Antrag gefordert worden, und dabei sind wir uns auch einig – so, wie wir uns auch einig sind, dass an den PHs der fachwissenschaftliche Aspekt gestärkt werden muss.
An diesem Punkt sind wir uns auch einig. Daher meine Bitte: Lassen Sie die Aufgeregtheit, und verabschieden Sie sich bit te endlich einmal von den Grabenkämpfen, die Sie hier seit drei Jahren betreiben.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kurtz, ich möchte zunächst noch einmal auf den von Ihnen immer wieder angeführten Begriff des „Ein heitslehrers“ eingehen. Ich will diesen Begriff nicht verteidi gen; ich finde ihn selbst unpassend. Aber mit welcher Aus schließlichkeit Sie auf einem Ausdruck herumreiten, der – in der Tat unglücklich gewählt – von einer einzelnen Person ge prägt wurde, um sich in dieser Sache den guten Argumenten zu verschließen,
Sie fordern differenzierte Bildungsangebote und spezifisch ausgebildete Lehrkräfte. Da sind wir uns völlig einig. Wenn nicht immer wieder der sogenannte Einheitslehrer bei Ihnen herumspuken würde, der aus Ihrer Sicht stupide und ungebil det ist und mit Scheuklappen daherkommt,
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das hat doch keiner gesagt! – Abg. Sabine Kurtz CDU: Das stimmt doch nicht! Das habe ich nie gesagt!)
dann kämen wir der Sache inhaltlich näher, und wir könnten uns tatsächlich den Themen widmen, die hier zu diskutieren sind.
Meine Damen und Herren, es gibt eine sehr interessante, län derübergreifende Studie des Bildungsforschers John Hattie, der über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg der Frage nach gegangen ist, welche Faktoren das Lernen erfolgreich machen und welche nicht. Hattie wertete dabei 50 000 Einzelstudien aus, an denen mehr als 250 Millionen Schüler beteiligt waren – ein immenses Pensum über 15 Jahre. Von den 138 Einfluss faktoren, die er ausmachen konnte, kristallisierte sich in allen Untersuchungen genau ein einziger Faktor als der wichtigste
heraus: Für den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern ist die Persönlichkeit des Lehrers bzw. der Lehrerin entscheidend verantwortlich.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Hat Sie das über rascht? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die des Lehrers und nicht des Lernbegleiters! Des Lehrers! – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Es klappt, wenn der Lehrer bzw. die Lehrerin sich als eine Art Regisseur in der Klasse versteht und den Unterricht auch mit den Augen der Kinder sehen kann und wenn er oder sie eine echte Beziehung zu den Kindern aufbaut – und natürlich das eigene Fach beherrscht. Es klappt, wenn es gelingt, Antworten auf Fragen zu finden wie: Was bedeutet Lernen im 21. Jahr hundert?
Wie können Kinder sich das aneignen, was nötig ist, damit sie ihr Leben selbstständig und verantwortungsvoll gestalten kön nen?
Wir sind mit dem Ziel angetreten, die Lehrerbildung weiter zuentwickeln, um das hohe Niveau unserer Lehrerausbildung zu halten und gleichzeitig auf die gestiegenen Herausforde rungen im Schulalltag zu reagieren, also eine erstklassige Leh rerbildung sicherzustellen, und zwar mit starken Lehrerper sönlichkeiten, die im eben beschriebenen Sinn Impulse für ein erfolgreiches Lernen geben.
Um die angehenden Lehrkräfte besser auf die veränderten Be dingungen des Lernens und des Lehrens an der Schule vorzu bereiten, sollen deren fachwissenschaftliche, fachdidaktische und pädagogische Kompetenzen natürlich weiter ausgebaut werden, und zwar in allen Studiengängen. Wir wollen, dass die zukünftigen Lehrer die Herausforderungen, die beispiels weise durch die Inklusion auf sie zukommen, gut bewältigen können, und wollen sie hierauf ganz gezielt vorbereiten.
Deshalb ist es richtig, dass Lehramtsstudenten eine sonderpä dagogische Grundbildung vermittelt wird. Gleichzeitig ist uns aber auch bewusst, dass es vielfältige Formen von Behinde rungen gibt, die spezielle Maßnahmen und Kommunikations formen erfordern. Dazu ist eine spezielle Ausbildung erfor derlich. Deshalb haben wir, die SPD, uns auch für den Erhalt des eigenständigen Studiengangs Sonderpädagogik eingesetzt und freuen uns, dass das nun auch so kommen wird.
Alle Lehramtsstudiengänge sollen auf ein gestuftes Studium mit Bachelor- und Masterabschluss umgestellt werden. Damit