Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Was durch sie nicht bewältigt werden kann, sollen dann Re alschullehrer abdecken. Wie viele von ihnen mit Französisch als Fach gewonnen werden konnten, darüber schweigt sich das Ministerium in der Stellungnahme aus.

Nun wird die grün-rote Landesregierung wortreich argumen tieren, das mit dem Lehrermangel bei der zweiten Fremdspra che an Gemeinschaftsschulen werde sich mit der Zeit schon irgendwie geben, und die Opposition solle sich mal nicht so haben. Aber gerade diese zum Teil schweren Versäumnisse sind es, mit denen man den betroffenen jungen Menschen ei nen Bärendienst erweist. Denn was nützt diesen jungen Men schen alle grüne Theorie über mehr Bildungschancen, wenn ihnen im Hier und Jetzt schlicht und ergreifend Bildungschan cen versagt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen?

Auch wenn alle Ressourcenknappheit überwunden ist, zeigt sich an der zweiten Fremdsprache der fundamentale Denkfeh ler bei der Gemeinschaftsschule. Wer wählt denn Französisch als zweite Fremdsprache in Klasse 6 der Gemeinschaftsschu le? Doch sicherlich nur diejenigen, die bzw. deren Eltern be reits eine Affinität zum Fach mitbringen und das Abschluss ziel Abitur fest vor Augen haben.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Das ist unglaublich!)

Wenn der Zug der zweiten Fremdsprache einmal abgefahren ist, ist es später relativ aufwendig, das Versäumte dann nach zuholen. Mit anderen Worten: Die heimliche soziale Schran ke der grün-roten Gemeinschaftsschule ist um Längen höher als alles, was Grün-Rot an tatsächlich bestehenden sozialen Schranken zu bekämpfen vorgibt, liebe Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Der Ministerpräsident hat vor Kurzem das Bekenntnis abge legt, in der Bildungspolitik sei Grün-Rot deutlich zu schnell vorangegangen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie schon ein Bekenntnis ablegen, dann schenken Sie endlich den Kommu nen und den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes reinen Wein ein, und machen Sie ihnen klar, dass eine gymnasiale Oberstufe bei einer Gemeinschaftsschule sehr problematisch ist. Ehe sie nicht funktioniert, sollte sie besser erst gar nicht eingerichtet werden.

Umgekehrt gibt es mit den allgemeinbildenden und den be ruflichen Gymnasien ein hervorragendes differenziertes Ober stufenangebot, dem man weder Schüler noch Ressourcen ent ziehen sollte.

(Unruhe)

Zudem hat Grün-Rot bei der Gemeinschaftsschule auf die de mografische Not der kleinen Haupt- und Werkrealschulen ge

setzt. Denn bislang hat sich noch kein einziges Gymnasium gefunden, das bei einer Gemeinschaftsschule mitmachen woll te. Es wäre deshalb jetzt der richtige Zeitpunkt, um überhöh te Ziele auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen und da mit der Bildungspolitik ein Stück weit mehr Ehrlichkeit und Verlässlichkeit zurückzugeben, die Sie von Grün-Rot ihr ge nommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Bildungschancen werden eröffnet, wenn man sich auf das Prinzip „Kein Abschluss ohne Anschluss“ verlassen kann. Die grün-rote Gemeinschaftsschule hingegen verbaut Bildungs chancen, weil sie Erwartungen weckt, die sie in der grün-ro ten Version gar nicht erfüllen kann.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort für die Lan desregierung erteile ich Herrn Kultusminister Stoch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Das war wieder eine Episode aus dem langen Mehrteiler „Wir ha ben keine Konzepte, aber wir wissen alles besser“.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Aber gehen Sie doch einmal darauf ein! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: Sehr gute Definition Ihrer Politik!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Thema Fremdsprachenkenntnisse: Ich den ke, es ist unbestritten, dass gute Fremdsprachenkenntnisse heute in unserer Gesellschaft und gerade für den Erfolg jun ger Menschen in Ausbildung und Beruf von großer Bedeu tung sind. Sie können auch Grundlage sein für Praktika im Ausland, für Studienaufenthalte oder für eine längere berufli che Tätigkeit im Ausland. Eine andere Sprache zu sprechen eröffnet Möglichkeiten, Kontakte zu Menschen anderer Nati onalität zu finden, fördert das Verständnis für andere Länder und Kulturen

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da stimmen wir al lem zu, was Sie bis jetzt gesagt haben!)

und ist – Herr Kollege Wacker hat auch Herrn Professor von Hentig zitiert – sicherlich auch für die Persönlichkeitsentwick lung der Kinder ein wichtiger Bestandteil.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, betrachten wir, die Landesregierung, das Fremdsprachenlernen an allen Schulen – natürlich auch an den Gemeinschaftsschulen – als einen ganz wichtigen Teil der Bildungsbiografie eines jeden Kindes. Deswegen geht es uns auch darum, an den Gemein schaftsschulen die Fremdsprachenausbildung in hoher Quali tät zu gewährleisten.

Wie Sie alle wissen, bildet die Gemeinschaftsschule die Bil dungsstandards der Hauptschule, der Realschule und des Gym nasiums ab, und entsprechend ist in dieser Schulart auch das

Fremdsprachenlernen vorgesehen und berücksichtigt. Die Ge meinschaftsschulen bieten ab Klasse 5 Englischunterricht; in Klasse 6 kommt Französisch als Wahlpflichtfach hinzu.

Herr Kollege Wacker, ich kann Ihnen da jetzt schon die Ängs te nehmen. Sie haben aus einer Stellungnahme aus dem Som mer vergangenen Jahres zitiert.

(Abg. Werner Raab CDU: Können Sie es klarstellen?)

Da waren es acht Schulen, die noch kein Französisch anbie ten konnten. Inzwischen sind alle Gemeinschaftsschulen, die heute ihren Betrieb bereits aufgenommen haben, in der Lage, Französisch anzubieten.

Um auf die Zahlenspiele des Herrn Kollegen Dr. Kern noch einmal einzugehen: Herr Kollege Kern, wenn im vergange nen Jahr – das war der Zeitpunkt, als dieser Antrag beschie den wurde – nur die erste Generation der Gemeinschaftsschu len – nämlich 44 – ihren Betrieb aufgenommen hatten und de ren Schüler in Klasse 5 waren, dann gab es da noch keine Klasse 6, in der die zweite Fremdsprache hätte unterrichtet werden können.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kann man das verste hen?)

In Fortsetzung dessen – ich versuche, das deutlich zu machen – haben wir im jetzt laufenden Schuljahr überhaupt erst die ersten Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg, näm lich besagte Starterschulen, die die zweite Fremdsprache an bieten können und diese auch anbieten. Ich sage dies gerade auf die Frage des Kollegen Wacker.

Deswegen ist es, glaube ich, ganz falsch, eine Zahl von 20 De putaten – das war die Zahl, die Sie genannt haben – ins Ver hältnis zu setzen

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die Zahlen kom men von Ihnen!)

zuhören, vielleicht ergibt sich ein Lerneffekt – zu 129 Ge meinschaftsschulen, die damals noch keine Klasse 6 haben konnten. Deswegen merken Sie schon, dass all das, was Sie zu konstruieren versuchen, heillos ins Nichts führt. Die Ge meinschaftsschulen bieten alle Qualitätsstandards an, die wir brauchen, und zwar auch die für den gymnasialen Leistungs standard.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Selbstredend – Sie versuchen ja immer, den Eltern Angst zu machen –

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja! – Weitere Zu rufe von der SPD)

kann die zweite Fremdsprache in der Gemeinschaftsschule auf dem gymnasialen Niveau gelernt werden.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie das immer noch infrage stellen, dann haben Sie die Systematik der Ge meinschaftsschule immer noch nicht verstanden. Die Gemein

schaftsschule bietet von Anfang an alle drei Niveaus an. Das heißt natürlich auch, dass die zweite Fremdsprache, also Fran zösisch, in der Gemeinschaftsschule auf gymnasialem Niveau gelernt werden kann.

Wir hatten das Thema kürzlich im Bildungsausschuss. Sie er innern sich. Da ging es um die Frage der Deputate, und da ha be ich Ihnen gesagt, dass es über 80 Deputate für Gymnasial lehrkräfte sind. Das sind aber nur die, die mehr als zur Hälf te ihres Deputats an der Gemeinschaftsschule eingesetzt wer den. Die anderen werden nämlich anderen Schulen zugerech net. Wir hatten dort eine skurrile Situation, als nämlich der Kollege Müller unbedingt wissen wollte, ob diese Lehrer dort per Strafversetzung oder mit Zwang an den Gemeinschafts schulen eingesetzt werden. Da haben wir sehr deutlich ge macht: All die Lehrkräfte, die an den Gemeinschaftsschulen eingesetzt werden – das gilt auch für die gymnasialen Lehr kräfte, die sehr häufig über Teilabordnungen an diese Schu len gelangen –, waren dort auf eigenen Wunsch und arbeiten dort hervorragend mit den Schülerinnen und Schülern auf gymnasialem Leistungsniveau.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Sie haben die Leute für fünf Jahre verpflichtet, dass sie die Stelle bekommen ha ben!)

Wenn der Kollege Wacker von einem zurückgehenden Ver trauen der Eltern spricht: Die Zahlen insgesamt – Sie haben die Prozentzahlen, die Anteile der Kinder mit Gymnasialemp fehlung angesprochen – sprechen eine deutliche Sprache. Bei den Starterschulen, die in das zweite Jahr gehen, die also in den zweiten Jahrgang der Klasse 5 gehen, haben wir deutli che Zuwächse bei den Schülerzahlen. Wir haben auch Ge meinschaftsschulstandorte, wo sich die Zahl der Kinder mit einem höheren Leistungsniveau, mit Gymnasialempfehlung, sehr erfreulich entwickelt.

Aber ich konzediere: Wir werden in diesem Bereich – da liegt es an uns allen, auch möglichst mit Objektivität und mit Fak ten zu arbeiten – dafür sorgen müssen, dass wir auch diese Schulart – wir haben ja letzte Woche gehört, wie Sie das vor Ort auch tun – in ihrer Qualität darstellen, um den Eltern das Vertrauen zu geben, dass sie an diesen Schulen hervorragen de Qualität für ihre Kinder finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage es Ihnen gern an dieser Stelle noch einmal und sicherlich noch unbe grenzte Male in der Folge: Ihre Sorgen, was die Qualität der Gemeinschaftsschule angeht, sind unbegründet. Die Ausstat tung mit Lehrerinnen und Lehrern der Gemeinschaftsschule ist so, wie sie dort sein soll, um dieses anspruchsvolle päda gogische Konzept umzusetzen. Die Gemeinschaftsschulen werden ihrem Anspruch gerecht, alle Kinder gerade auch im Fremdsprachenlernen bestmöglich zu fördern.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird auch dieser Punkt nicht der Anlass dafür sein, dass die Eltern sich von der Gemeinschaftsschule abwenden. Nein, im Gegenteil, die Eltern werden die Gemeinschaftsschule als eine gute Al ternative in unserem Schulsystem erkennen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Wacker.

Sehr geehrter Herr Minister, es war nicht anders zu erwarten: Sie zeichnen natürlich die Ge meinschaftsschule in den besten Bildern. Sie reden sie schön.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Und Sie ziehen sie in den Schmutz!)