(Abg. Willi Stächele CDU: Ich habe gedacht, die Freiburger Kollegin spricht! Wo ist die Freiburger Kollegin? – Gegenruf der Abg. Sabine Kurtz CDU: Sie hat doch unterschrieben!)
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die heutige Aussprache soll die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 13. Fe bruar 2014, also von vor Kurzem, zum Antrag Drucksache 15/3130 und damit die laufende Nummer 4 der Sammeldruck sache 15/4949 reflektieren, deren Inhalt es ist, die Landesre gierung zu ersuchen, den SWR aufzufordern, Modelle zu prü fen, die den Weiterbestand des Radio-Sinfonieorchesters Stutt
gart und des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Frei burg als eigenständige Klangkörper ermöglichen. Das war Ihr Antrag.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Fünf Minuten! – Abg. Sabine Kurtz CDU: Das ist derselbe wie der von letz tem Jahr!)
Eben, das war Ihr Text. – Nun muss man zunächst einmal sachlich festhalten, dass wir uns zu einem Zeitpunkt mit die sem Thema – sowohl im Wissenschaftsausschuss als auch heute hier im Plenum – beschäftigen, zu dem die Entschei dungen zur Fusion – und zwar vonseiten der SWR-Gremien – bereits vor etwa zwei Jahren gefallen sind.
In die Entscheidungsgremien wie Rundfunkrat und Verwal tungsrat sind zwar auch politische Vertreter entsandt, jedoch haben die Landesregierung bzw. die Landesregierungen – denn es handelt sich ja um Baden-Württemberg und Rhein land-Pfalz – und die Parlamente selbst aufgrund der Eigen ständigkeit und Staatsferne des Unternehmens SWR laut Staats vertrag keinen Einfluss auf diese Entscheidungsgremien und sollen diesen auch gar nicht haben.
Es ist schmerzlich und bedauerlich, wenn es sich um solch kulturell einschneidende, aber finanziell begründete Entschei dungen handelt.
Auch wenn Medienpolitik zuständigkeitshalber vom Staats ministerium und vom Ständigen Ausschuss behandelt wird, so wurde die kulturpolitische Komponente um die Zusammen legung der Orchester im Ausschuss für Wissenschaft, For schung und Kunst in den zurückliegenden Sitzungen anhand der vorliegenden Anträge erörtert und am 13. Februar auch die Gelegenheit eröffnet, einem Vertreter des SWR – in die sem Fall dem Intendanten, Herrn Boudgoust, selbst – noch of fene Fragen zu stellen.
Auf der Suche nach alternativen Lösungen zur Rettung der Orchester sind in der zurückliegenden Zeit von den Freundes kreisen, den Orchestern, zahlreichen Experten und den SWRGremien selbst die unterschiedlichsten Lösungen – von Stif tungsmodellen über Spenden, Kooperationen bis hin zu regi onalen Finanzierungsmodellen – erörtert und gesucht worden, bisher allerdings ohne greifbaren Erfolg.
Auch die im Wissenschaftsausschuss geäußerte Hoffnung, et waige Mehreinnahmen durch den Rundfunkbeitrag für den Erhalt der Orchester einsetzen zu können, zerschlug sich be reits vier Wochen danach durch den Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, der KEF, und die darauffolgende Erklärung der Ministerpräsiden tenkonferenz, die vorsieht, dass die Mehreinnahmen aus den Rundfunkbeiträgen dem öffentlichen System nicht zur Verfü gung stehen. Sie müssen einer Rücklage zugeführt werden und dürfen nicht von den Anstalten verausgabt werden.
Fazit, meine Damen und Herren: Dies ist kulturpolitisch eine für alle schmerzliche und einschneidende Entscheidung mit spürbaren kulturellen Auswirkungen – Kulturfreunden dreht
es das Herz im Leibe herum. Perspektivisch zählt nur die Fra ge: Gibt es eine Hoffnung auf rettende, verlässliche Finanzie rungskonzepte durch Dritte? Realistisch ist Folgendes zu be trachten: Die Rundfunkgremien haben Entscheidungen getrof fen. Wir können nicht in den Geschäftsbetrieb des SWR ein greifen, so gern wir das aus kulturpolitischen Gründen in die sem Fall täten.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Was wir hier behandeln, ist kein leich tes Thema. Viele von uns haben heute nochmals einen Brief des Intendanten erhalten, in dem die vorhandenen Zwänge be gründet dargestellt wurden. Es ist klar, dass man für die Lage des Senders, für die Zwänge, die entstanden sind, Verständ nis haben muss. Man muss respektieren, dass man nicht be liebig in den Sender hineinregieren kann. Das ist klar. Das al les ist wahr.
Auf der anderen Seite ist es trotzdem eine mehr als traurige Tatsache, was hier mit diesem Orchester passiert.
Nebenbei bemerkt, spielt für mich vielleicht auch eine Rolle, dass ich einmal eine Zeit lang als Personalleiter beim – da mals noch – SWF für das Orchester zuständig war. Dies ist ein wunderbares Orchester, das weltweit eingeladen wird, wenn ein Orchester für neuere und neueste Musik gesucht wird.
Vielleicht haben erstklassige Musiker wie Michael Gielen zu wenig die Trommel gerührt, sodass man nicht rechtzeitig ge merkt hat, was für eine Perle man hier hat. Das ist nicht ir gendein Orchester, sondern es ist vom Profil her in Europa und darüber hinaus wirklich einmalig.
Deshalb muss man natürlich verstehen, dass die Argumenta tion bei den Menschen, gerade im badischen Landesteil, etwa so ankommt, als ob man sagen würde: Wir reißen das Müns ter ab, denn es ist im Unterhalt sehr teuer, und wir haben nach gewiesenermaßen noch genug Kirchen in Baden-Württem berg.
Vielleicht ist der Vergleich ein bisschen übertrieben. Man muss sich aber klarmachen: Egal, wie man es begründet, und egal, woher die Zwänge kommen, dieses Orchester aufzulö sen ist objektiv gewissermaßen ein Akt der Barbarei.
Was kann man tun? Das ist, wie gesagt, schwierig. Das gebe ich zu. Vielleicht gäbe es aber doch noch eine Möglichkeit bzw. eine verbliebene Hoffnung. Gestern haben wir im Aus schuss über den Rundfunkbeitrag und über die Beitragssen kung diskutiert. Der Beitrag muss nun um über 70 Cent ge senkt werden. Die Ministerpräsidenten haben einen Teil die ser Senkung durch Beschluss schon festgelegt. Der Beitrag wird pauschal gesenkt. Wenn wir aber gleichzeitig den An stalten Geld zurückgeben, wäre es dann nicht z. B. möglich, dass wir den restlichen Spielraum – jetzt spreche ich als Mit glied der FDP/DVP-Fraktion; da haben wir uns natürlich schon festgelegt – hälftig aufteilen und den besonders stark Betroffenen, den gewerblichen Kfz-Nutzern, die eine Hälfte zurückgeben und die andere Hälfte den Rundfunkanstalten zu Zwecken der Kunst- und Kulturförderung geben?
Das wäre rechtlich wahrscheinlich möglich, ohne die Selbst ständigkeit zu tangieren. Da kann auch die KEF nichts dage gen haben. Das würde allerdings voraussetzen, dass sich der Ministerpräsident und die Landesregierung in der MPK dafür einsetzen, per Beschluss einen Teil der restlichen Mittel für Zwecke der Kunst- und Kulturförderung in den Anstalten zu belassen.
Dann sieht man, ob es nicht auch in anderen Ländern solche Projekte gibt. Dann hätten wir in Baden-Württemberg schon einmal einen dicken Beitrag, der zusammen mit den Beiträ gen vor Ort vielleicht doch reichen könnte, um dieses Orches ter am Leben zu erhalten. So viel Anstrengung darf man viel leicht erwarten.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ale xander Salomon GRÜNE: Die CDU-Ministerpräsi denten sind dagegen!)
Sehr geehr te Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord nete! Ich möchte Herrn Abg. Dr. Goll ausdrücklich für seinen Beitrag gerade danken. Das war eine sehr gute Darstellung der Bedeutung des SWR-Orchesters Baden-Baden und Frei burg und seiner besonderen Rolle, der ich mich nur anschlie ßen kann. Sie haben mich als Freiburgerin aber erschreckt: Den Abriss des Freiburger Münsters in den Raum zu stellen war schon ein schwerer Schock.
Ich habe schon verstanden, dass Sie fiktiv gesprochen haben und das nicht droht. Denn sonst wäre ich wahrscheinlich vor lauter Schreck nicht mehr fähig, hier zu reden.
Aber im Ernst: Die Bedeutung des Orchesters gerade mit sei ner Profilierung auf die Neue Musik ist unumstritten. Die Ein zigartigkeit dieses Orchesters mit diesem Profil in der Bedeu tung insgesamt, national und international, aber auch in sei ner Bedeutung für die Kulturlandschaft in der Region wird von niemandem infrage gestellt und kann auch nicht infrage gestellt werden. Das sage ich mit aller Deutlichkeit.
Wie kommt es aber dann so weit? Dazu möchte ich zunächst auf die Thematik SWR und dann auf die Thematik eingehen, was eine Landesregierung tun kann.
Zum Thema SWR: Der SWR hat in seinen Gremien darüber zu entscheiden, wie er das eigene Angebot aufstellt. Die Ent scheidung liegt dort und nicht bei der Landesregierung. Weil hier eine Entscheidung des SWR thematisiert wird, möchte ich auch einmal sagen, wer im SWR entscheidet. Die Ent scheidung ist im Rundfunkrat gefallen. Vertreten sind dort: die Kirchen, die Gewerkschaften, die Unternehmerverbände, die Handwerkskammer,
der Journalistenverband, die IHK, die Bauernverbände, die kommunalen Landesverbände, der Landesjugendring, die Landfrauenverbände, der Landesseniorenrat, die Sportverbän de, der Landesmusikrat, die Universitäten bzw. Hochschulen, der Volkshochschulverband, der Bühnenverein, der Kompo nistenverband, die Liga der freien Wohlfahrtspflege und vie le andere mehr. Dieser Rundfunkrat des SWR hat dieses The ma mehrfach beraten und hat mehrfach mit deutlichster Mehr heit entschieden.
Ich bitte darum, diese Entscheidung der SWR-Gremien und eben der gesellschaftlichen Vielfalt, die in diesen Gremien vertreten ist, nicht zu kritisieren. Es ist die autonome Entschei dung dieser Gremien. Diese haben sie sich gut überlegt. Sie haben intensiv diskutiert und haben die Entscheidung wieder holt und Ende letzten Jahres im Rundfunkrat und danach im Verwaltungsrat immer wieder auch vor dem Hintergrund al ler Debatten bestätigt. Das haben wir vonseiten der Politik zu respektieren.