Protokoll der Sitzung vom 16.10.2019

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Reinhold Gall SPD)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Sänze.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Durch die zunehmende Verlagerung von Rechtsetzungs kompetenzen auf die Unionsebene haben wir in der föde ralen Ordnung Deutschlands vor allem in den Landes parlamenten einen zusätzlichen Bedeutungs- und Kom petenzverlust hinnehmen müssen. Denn in dem Prozess der zunehmenden Vergemeinschaftung von Regelungsbe reichen sind seit geraumer Zeit – und mit dem Wirksam werden des Lissabon-Vertrags noch in verstärktem Maße – Felder der klassischen Innenpolitik wie der öffentlichen Sicherheit, Bildung, Kultur, Medien und öffentlichen Da seinsvorsorge betroffen, die in der bundesstaatlichen Ord nung Deutschlands an sich in die Gesetzgebungskompe tenzen der Bundesländer fallen.

Das ist nicht von mir, sondern von Herrn Hans-Jürgen Papier.

Unser Gesetzentwurf will die Mitspracherechte aller BadenWürttemberger in Angelegenheiten der Europäischen Union stärken. Wir, die Abgeordneten dieses Landtags, stehen hier als Vertreter der Bürger. Wir wollen, dass der Landtag die Lan desregierung verpflichtet, im Bundesrat tatsächlich im Sinne der Bürger abzustimmen und ihre Interessen wahrzunehmen. Das jedenfalls ist unser Ziel, und das ist auch unser Anspruch. Wir wollen die Rechte und die Interessen unseres Landes be wahren, erhalten und stärken, denn diese Rechte werden durch die EU und ihre Gesetze tagtäglich angegriffen und schlei chend ausgehöhlt.

Der angeblich hervorgebrachte Mehrwert durch die EU-Kon vergenz wird weder von der Kommission noch von der Bun desregierung überprüft. Die regionalen Ungleichheiten in der Europäischen Union werden durch ihre Politik noch zusätz lich verschärft. Die Landesregierung versteckt sich hinter Lan desinteresse, Artikel 34 a der Landesverfassung. – Im Übri gen habe ich ihn natürlich gelesen, sonst hätten wir ihn nicht verbessert.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Dieses Landesinteresse wird in Kabinettssitzungen mehr oder weniger zwischen Regierungskoalitionären ausgeklüngelt – keine Diskussion, keine Alternativen, keine Mitwirkung des Parlaments. Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat ist „Ge heime Kommandosache“. Die Bürger können und sollen nicht reagieren können. Das 2011 verabschiedete EULG dient al lein der Übermittlung von Gesetzesinitiativen der EU-Kom mission an die Parlamentarier der Altparteien. Viele Kommis sionsvorhaben sind, wenn sie hier im Landtag ankommen, in der Sache schon längst vorher klammheimlich beschlossen.

Zu unserem Gesetzentwurf sagten Sie, Herr Frey, in der ers ten Lesung, unsere Verwaltungen würden mit unnötiger Ar beit belastet.

Herr Deuschle sagte:

Sie wollen den Landtag quasi mit Informationen überflu ten, die... nicht relevant sind.

(Abg. Joachim Kößler CDU: So ist es!)

Wir würden Sand in das Getriebe der Parlamentsarbeit streu en wollen.

Herr Hofelich meinte – das kann ich fast schon verstehen –, wir könnten uns die weitere Debatte ersparen. In der Tat hät te man das gekonnt, weil das Ergebnis Ihrer Abstimmung schon vorher bekannt war.

Herr Schweickert erklärte, wir wollten die Arbeitsgruppen mit Arbeit zuschütten, damit nichts Gescheites mehr herauskom me. Wichtiges würde untergehen. Wir wollten, „dass wir nicht mehr arbeitsfähig sind“, das Parlament mit Informationen zu Tode füttern.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: So ist es!)

Sogar Minister Wolf äußerte:

Eine uferlose und ungefilterte Information über sämtliche EU-Vorhaben würde dem Landtag einen Bärendienst er weisen.

Das sind alles Vorwürfe, aber keine stichhaltigen Argumente.

Diesen Ihren Äußerungen möchte ich jetzt Zitate aus einer Parlamentsdebatte vom Juli 2010 entgegensetzen. Damals ha ben Sie beschlossen, dass der Landtag nach 2011 ein Vollzeit parlament werden soll.

(Beifall des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Seit Jahren sollten alle Kollegen hier ihre volle Arbeitskraft für das Wohl der Baden-Württemberger einsetzen. Ich zitiere Herrn Gall:

Eigentlich muss für... jeden Abgeordneten klar sein, dass der Arbeitsschwerpunkt tatsächlich in der Ausübung des Mandats liegt.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Frau Theresia Bauer:

Wir möchten... das Vollzeitparlament mit einem neuen und intensiveren Sitzungsrhythmus ausgestalten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Dann machen Sie mal hin!)

Hier sagen Sie vollmundig: „Ja, wir wollen mehr arbeiten.“

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die Hälfte von Ihrer Trup pe hat ja nicht mal ein Büro!)

Dann handeln Sie endlich danach. Handeln Sie danach! Jetzt ist der Landtag ein Vollzeitparlament. Fangen Sie an zu arbei ten, und stellen Sie sich Ihrer Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Daniel An dreas Lede Abal GRÜNE: Wir arbeiten! – Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Nehmen Sie die Interessen der Bürger wahr. Wir, die AfD, ma chen hier Vorschläge, um die Rechte der Bürger Baden-Würt tembergs zu stärken, und zwar aller Baden-Württemberger. Sie verweigern sich denen, Sie verweigern sich Ihrem Auf trag. Sie setzen die Zukunft des Landes Baden-Württemberg aufs Spiel. Netto fließen schon jetzt 3,7 Millionen € nach Brüssel ab. Dieser Abfluss wird steigen, und mit dem Brexit

wird er nochmals zunehmen. Sie wollen dieses Land ausblu ten und als Opferlamm Brüssels zum Altar führen.

(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Keine Debatte zu Europathemen, kein Nachdenken, kein Nachfragen, kein Zurückweisen ungebührlicher Belastungen. Protestnoten unsererseits werden diktatorisch abgewürgt. Es wird nichts diskutiert. Die parlamentarische Arbeitsebene in Angelegenheiten der EU wird von Ihnen systematisch boy kottiert, und manchem von Ihnen würde ich empfehlen, 50 m rüber ins Theater zu gehen. Dort können Sie nämlich Parla ment spielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos] – Abg. Reinhold Gall SPD: Mei ne Güte!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Fink das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich schon interessant, in den Mo naten, in denen ich jetzt im Landtag sein darf, auch alle De batten rund um Europa miterleben zu dürfen. Und ehrlicher weise: Wer auch immer Ihnen Ihre Reden schreibt, geben Sie ihm mal einen Rat mit:

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Nicht von sich auf andere schließen!)

„Copy and paste“ ist kein guter Ratgeber, weder für Doktor arbeiten noch für seriöse parlamentarische Debatten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich könnte Bezug nehmen auf den Kollegen Hofelich, der in der Ersten Beratung völlig zu Recht die Frage aufgeworfen hat: Ist es eigentlich notwendig, dass wir uns über diese The men heute hier unterhalten? Aber da ich ein grundsätzlich po sitiv und optimistisch gestimmter Mensch bin, erkenne ich so gar an der heutigen Debatte positive Aspekte.

Erstens: Wir unterhalten uns über Europa. Das kann man ei gentlich gar nicht oft genug tun.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: EU oder Europa?)

Ich komme nachher noch einmal darauf. Europa und EU, Sie können ja nachschauen, wie das zusammenhängt.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Europa ist ein Kon tinent!)

Zweitens – und das ist für mich der wirklich schöne Teil –: Ich darf mal wieder in diesem wunderbaren Hohen Haus spre chen, und ich darf das, obwohl ich als Zweitkandidat in den Landtag nachgerückt bin. Von Anfang an hat die SPD-Frakti on mich selbstverständlich aufgenommen, was ja heutzutage bei Nachrückern auch nicht überall der Fall ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie Abgeord neten der Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Ste fan Räpple AfD)

Ich darf also für die SPD-Fraktion sprechen, die hier zu Be ginn dieser Legislaturperiode 19 Mitglieder hatte und die heu te noch immer 19 Mitglieder hat. Auch das ist bei anderen Fraktionen keine Selbstverständlichkeit.