Nicolas Fink
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Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der aktuelle Bericht könnte auch unter der Überschrift stehen: „Stürmische Zeiten und eine neue Hoff nung“. Das erste Sturmtief, mit dem wir in Europa, in Deutsch land und in Baden-Württemberg regelmäßig Kontakt hatten, war das Sturmtief Donald. Die Abwahl des US-Präsidenten ist eine deutliche Absage an Egoismus, an Rassismus und an Populismus. Das ist ein gutes Zeichen, werte Kolleginnen und Kollegen.
Diese Abwahl ist auch eine klare Absage an all diejenigen, die Menschenrechte und internationale Verträge mit Füßen treten oder schlechtreden wollen oder die die Welt gar destabilisie ren wollen.
Uns muss aber leider auch klar sein – das hat diese Wahl eben falls gezeigt –: Die Präsidentschaft Trump kann nicht einfach nur als Betriebsunfall zur Seite gewischt werden. Leider gibt es Millionen Menschen, die offensichtlich empfänglich sind für die Botschaften von Hass und Hetze. Es ist unsere gemein same Aufgabe, gerade in einem geeinten Europa, jeden Tag dagegen anzukämpfen, werte Kolleginnen und Kollegen.
Aber es gibt auch Hoffnung. Die Hoffnung hat zwei Namen: Joe Biden und Kamala Harris.
Es gibt die Hoffnung, dass wir zurückkehren zu demokrati schen Prinzipien im Umgang miteinander, dass wir zurück kehren zu Rechtsstaatlichkeit und Humanität.
Was mir besonders wichtig ist: Wir müssen auch zurückkeh ren zu zivilisierten Umgangsformen, werte Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen zurückkehren zu einem Miteinander – es geht um eine Rückkehr der USA in die WHO, in den UNMenschenrechtsrat und auch zum Pariser Klimaschutzabkom men. Wir müssen auch die Hoffnung haben, dass der geplan te Rückzug von US-Stützpunkten und US-Truppen noch mal überdacht wird. Das wäre für uns ebenfalls von Bedeutung, werte Kolleginnen und Kollegen.
Nein, Frau Präsidentin, wenn ein AfDler mit einem SPDler über Europa reden möchte, dann ist
das so ähnlich, wie wenn Herr Rummenigge versucht, Herrn Hitzlsperger Solidarität zu erklären. Das kann nicht funktio nieren.
Der zweite Sturm, der Europa regelmäßig trifft – da befinden wir uns noch im Auge des Orkans –, ist die Coronapandemie. Mittlerweile müssen wir erkennen – das ist eine positive Er kenntnis –, dass diese Pandemie die Europäer näher zusam menrücken lässt. Länder, Regionen, Städte in ganz Europa ha ben sich gegenseitig unterstützt, haben sich gegenseitig Hilfe angeboten. Sie haben sich gegenseitig mit Schutzausrüstun gen versorgt und haben gegenseitig Patienten übernommen. Das ist gelebte Solidarität, und das sollte uns Mut machen, werte Kolleginnen und Kollegen.
Auch hier gibt es einen Hoffnungsschimmer: Die Hoffnung lautet Impfstoff. Schon jetzt müssen wir an den Tag denken, an dem es uns hoffentlich gelingt, diesen Impfstoff auf dem Markt zu haben und damit weitreichend die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Wir müssen aber auch daran denken, dass die Solidarität nicht an den europäischen Grenzen enden darf, werte Kolleginnen und Kollegen. Die Verfügbarkeit eines Impfstoffs darf am En de nicht vom Reichtum eines Landes abhängig sein. Auch das ist europäische Solidarität, werte Kolleginnen und Kollegen.
Im Übrigen hat Europa, hat die Europäische Union hier sehr genau gezeigt, dass man schnell handlungsfähig ist und ge meinsam gute Möglichkeiten hat, wenn man zusammensteht.
Wir könnten auch noch sehr lange darüber reden,
dass es stürmische Zeiten für die deutsche EU-Ratspräsident schaft sind. Der Kollege Frey hat völlig zu Recht das Thema Rechtsstaatlichkeit angesprochen. Ich kann es mir daher spa ren, an dieser Stelle darauf einzugehen.
Den Mehrjährigen Finanzrahmen und das Chaos rund um den Brexit könnten wir ebenfalls abendfüllend miteinander be sprechen. Und dass wir noch keine Lösung für einen gemein samen europäischen Asylpakt haben, darf uns auch nicht zu friedenstellen, werte Kolleginnen und Kollegen. Aber in der schönen Hymne „You’ll never walk alone“ heißt es: Am En de des Sturms gibt es einen goldenen Himmel.
Zumindest wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden diesen Sturm Seitʼ an Seitʼ durchschreiten.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen und Kollegen! Der beste rechtliche Rahmen würde überhaupt nichts nutzen, wenn es nicht Menschen ge ben würde, die im Alltag dafür sorgen, dass die Kreislaufwirt schaft funktioniert. Deshalb gebührt all denjenigen, die täg lich mit Müllfahrzeugen unterwegs sind, die in den Deponi en, den Sortieranlagen, auf den Recyclinghöfen, auf den Wert stoffhöfen, in den Kreislaufwirtschaftsbetrieben und den zu ständigen Ämtern arbeiten, unser Respekt und unsere Aner kennung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
All die gerade Genannten verdienen übrigens nicht nur Ap plaus, sondern auch eine ordentliche Bezahlung, werte Kol leginnen und Kollegen.
Jahrelang galten wir Deutschen als die Weltmeister, wenn es um die Vermeidung, Sortierung oder auch die Verwertung von Müll und Abfall ging. Man kann schon ein bisschen den Ein druck gewinnen, dass das leider in den letzten Jahren ein we nig nachgelassen hat. Schauen Sie sich die Verwertungsquo ten an, schauen Sie sich an, wie Einwegverpackungen und auch die Zahl der Dosen zugenommen haben. Da gibt es et was zu tun.
Aber es gibt auch Hoffnung, werte Kolleginnen und Kolle gen. Die jungen Menschen sind deutlich besser unterwegs, wenn es um das Thema Umweltbewusstsein geht,
sie sind auch deutlich sensibler und auch deutlich kompeten ter, wenn es um das Thema Kreislaufwirtschaft geht. Man kann heute durchaus feststellen, dass es mittlerweile die Kin der sind, die ihren Eltern und Großeltern erklären, wie man ordentlich mit Rohstoffen umgeht, wie Müllvermeidung und -trennung funktionieren. Das ist durchaus ein positives Sig nal, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir uns heute mit dem vorliegenden Gesetz beschäfti gen, dann werden wir sehr schnell feststellen, dass die großen politischen Schlachten zu den Themen Abfall und Müll ge schlagen sind und dass wir heute eher konsensual unterwegs sind. Wir halten es für gut und richtig, dass die Neuordnung des Abfallrechts nicht dadurch geschieht,
dass wir an einzelnen Stellen von bestehendem Recht etwas machen, sondern dass es jetzt tatsächlich eine Neufassung ei nes Gesetzes gibt. Nur so bekommen wir die verschiedenen Ebenen nämlich gut zueinander: die europäische Ebene, die Bundesebene und auch unsere eigene Ebene. Aus unserer Sicht ist es der richtige Weg, den wir hier gemeinsam gehen.
Alle Ziele, die wir in diesem Gesetzentwurf finden, sind durch weg löblich. Ob es allerdings tatsächlich gelingen wird, den Ehrgeiz, Herr Minister, den Sie z. B. beim Thema Bodenaus hub an den Tag legen, in der Realität einlösen zu können, wer den wir sehr aufmerksam beobachten. Es wäre schön, wenn es so wäre, dass der Bodenaushub direkt vor Ort verwertet wird. Aber wenn wir uns eine sehr dichte, enge Bebauung vor stellen, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie viel Bodenaus hub teilweise entsteht, dann merken wir, dass dies zwar ein sehr, sehr positives Unterfangen ist, dem Sie sich da widmen wollen, dass es aber auch sehr ehrgeizig ist. Darauf werden wir in den nächsten Jahren gemeinsam schauen.
Ebenso werden wir gemeinsam darauf schauen, ob das Ver sprechen der 23 Millionen €, die Sie in den Raum gestellt ha ben, eingelöst wird. Auch das wäre schön, wenn es so ist. Die Zeit wird zeigen, ob sich das tatsächlich einlösen lässt.
Wir werden mit konstruktiver Haltung alle weiteren Beratun gen begleiten. Sie dürfen sich darauf verlassen. Auch weiter hin gilt für uns: Vermeiden, Verwerten und Sortieren stehen bei uns hoch oben auf der Agenda, aber nicht nur, wenn es um das Thema Abfall geht.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Millionen Menschen befinden sich in Kurzar beit, unsere Gastronomie kämpft ums Überleben,
Ärzte kümmern sich um Patientinnen und Patienten, Kinder und Familien warten darauf, wieder geregelt Bildung und Betreuung in Anspruch nehmen zu können, und der rechte Rand des Landtags möchte über EU-Verordnungen sprechen.
Daran erkennt man wieder einmal: Sie sind von der Lebens wirklichkeit der Menschen so weit entfernt wie Boris Palmer vom diplomatischen Dienst, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wie groß muss die Verzweiflung bei Ihnen eigentlich sein, wenn man wegen dieser weltweiten Coronapandemie kein an deres Thema findet?
Die Begründung ist sehr einfach. Ihr eigentliches Lieblingsthe ma Flüchtlinge ist Ihnen in den letzten Wochen abhandenge kommen, und jetzt suchen Sie verzweifelt nach einem Thema und einer Plattform, um Aufmerksamkeit zu erlangen.
Deshalb wieder einmal EU-Bashing.
Eines gleich zu Beginn, weil ich diese Zwischenrufe ja bei je der europäischen Debatte höre: Man kann nicht gleichzeitig behaupten, dass man für Europa und gegen die EU sei.
Das erkläre ich Ihnen an einem Beispiel, das Sie vielleicht nachvollziehen können, nachdem Sie vorhin die kommunale Ebene so gelobt haben: Sie können auch nicht gleichzeitig für die kommunale Selbstverwaltung und gegen Gemeinderäte sein. Das schließt sich nun mal aus.
Werte Kolleginnen und Kollegen, angesichts des Titels der heutigen Debatte habe ich vielmehr das Gefühl, dass EU-Ver ordnungen weder Deutschland noch Baden-Württemberg, son dern allein Sie, die AfD, überfordern. Denn Sie haben ganz offensichtlich noch immer nicht begriffen, oder – das liegt nä her – Sie wollen aus Prinzip nicht begreifen, wie Europa funk tioniert.
Deshalb erzählen Sie zum wiederholten Mal das Märchen von der bösen EU.
Die Europäische Union ist allerdings keine Bedrohung, und das haben wir von den vernünftigen Vorrednern gehört. Sie ist die Basis für unseren Frieden und für unseren Wohlstand.
Dazu gehören auch Regularien. Verordnungen, und zwar egal, welche, fallen allerdings nicht vom Himmel. Vielmehr kom men sie nach demokratischen Prinzipien der EU-Mitglieds staaten, der Parlamente, der Regierungschefs, der Länder und auch der Regionalparlamente zustande. Beteiligt und gehört werden im Rahmen der öffentlichen Konsultationen Verbän de und Organisationen. Auch jede Bürgerin und jeder Bürger kann Anregungen und Bedenken ins Verfahren einspeisen.
Auch unser Landtag hat über das Gesetz über die Beteiligung in EU-Angelegenheiten bzw. über die Landesregierung über den Bundesrat ein indirektes Mitwirkungsrecht. Aus den Sit zungen des Europaausschusses dürften Sie eigentlich wissen, dass wir bei jedem Vorgang sehr sorgfältig prüfen, ob die Prin zipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.
Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt europäi sche Regulierungen, die man kritisch hinterfragen kann. Auch die Kollegen von der FDP/DVP reagieren regelmäßig relativ allergisch auf das Wort „Verordnung“. Trotzdem stehen die vernünftigen Parlamentarier in grundsätzlichen Europafragen eng beieinander. Denn wir wissen, dass diese EU für uns Frie den, Freiheit, Wohlstand, Stabilität und Sicherheit bedeutet. Das ist eben der Unterschied.
Überzeugte Europäerinnen und Europäer diskutieren enga giert darüber, wie man unsere Union besser machen kann, oh ne die vorhandenen Strukturen zerstören zu wollen. Das ist in Baden-Württemberg nicht nur Staatsräson, sondern gelebtes Miteinander über Fraktionsgrenzen. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass dies so bleibt, werte Kolleginnen und Kol legen.
Auch die EU-Kommission ist lernfähig und hat reagiert. So wurde eine Taskforce Subsidiarität eingesetzt. Diese prüft, wo die EU weniger, dafür aber effizienter handeln kann.
Denn wie sagte Jean-Claude Juncker bereits 2017? Ich zitie re:
Wir sollten die Bürger Europas nicht mit RegelungsKlein-Klein nerven, sondern in großen Dingen Größe zei gen, nicht pausenlos neue Initiativen vom Zaun brechen, sondern uns auf die Befugnisse zurückziehen, die für uns notwendig sind.
Deshalb hat diese Kommission versucht, in großen Din gen Größe zu zeigen und sich – und das hat sie getan – in kleinen Dingen zurückzuhalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen ganz nüchtern feststellen: Viele Herausforderungen lassen sich nicht mehr national, sondern nur noch international oder glo bal lösen. Die Europäische Union mit ihren rund 450 Millio nen Einwohnern ist dabei nur ein Teil im Weltgefüge, aber ein wichtiger, wenn es darum geht, sich geschlossen gegenüber den USA oder China zu behaupten. Das ist für ein exportori entiertes Bundesland wie Baden-Württemberg und ein High techland wie Deutschland von ganz besonderer Bedeutung.
Zu diesen Herausforderungen zählt zweifellos die Bekämp fung des Klimawandels. Der vorliegende Verordnungsvor schlag ist darauf eine richtige Antwort. Klimaschutz ist eine globale Angelegenheit und macht vor Grenzen nicht halt. Dank der EU sind die Standards im weltweiten Vergleich die höchsten und geben der Weltgemeinschaft durchaus entschei dende Impulse. Daher wäre der Klimaschutz ohne die EU nicht da, wo er heute ist. Auch wenn wir in der EU und welt weit noch ambitionierter werden müssen – Kritik daran kann nur von denen kommen, die ernsthaft die Sonnenenergie und die Sonnenintensität für den Klimawandel verantwortlich ma chen wollen.
Ich nenne Ihnen gern noch weitere positive Beispiele für EURegelungspolitik. Der gesamte Bereich des Verbraucherschut zes sorgt nicht nur für sichere Lebensmittel, sondern auch für bezahlbares Telefonieren und günstiges mobiles Surfen in der EU. Die EU-Zahlungskontenrichtlinie regelt das Recht auf ein sogenanntes Basiskonto. Alle Menschen, egal, ob reich oder arm, sollen so am Zahlungsverkehr teilnehmen können. Ver braucher können sich sogar aussuchen, bei welchem Kredit institut sie ein Konto haben möchten. Davon profitieren dann auch Obdachlose und Asylsuchende. Wer könnte da etwas da gegen haben? Die Medizinprodukte-Verordnung sorgt dafür, dass Verbraucher künftig vor schädlichen Medizinprodukten geschützt werden. Als letztes Beispiel noch etwas leicht Ver ständliches: Wir alle sind froh darüber, dass wir inzwischen nicht mehr 30 verschiedene Ladekabel für unsere Handys be nötigen, sondern eben maximal nur noch drei.
Werte Kolleginnen und Kollegen, was passiert, wenn die ge wohnten EU-Standards nicht mehr gegeben sind, sehen wir doch momentan auch bei uns in Baden-Württemberg. Die Si tuation an der innereuropäischen Grenze zwischen Deutsch land und Frankreich wird zunehmend unerträglich. Hierbei geht es nicht um den Einkaufstourismus, sondern um Existen zen von Unternehmen und Arbeitsplätzen. Es geht aber auch z. B. um Paare und Familien, die getrennt sind und sich nun schon seit mehr als sechs Wochen nicht mehr gesehen haben.
Für uns ist es deshalb wichtig, dass das alltägliche Leben in einem vereinten Europa wieder möglich werden muss. Die Si tuation vor Ort zeigt uns doch, wie wichtig die Europäische Union ohne Grenzen ist. Die Jobsuche in den Niederlanden, als Azubi mit ERASMUS nach Finnland, der Liebe wegen nach Österreich – eigentlich sollte das alles problemlos mög lich sein. Deshalb freuen wir Sozialdemokraten uns schon heute auf den Tag, an dem die Grenzen in der EU wieder ge öffnet sein werden – und das muss möglichst bald geschehen, werte Kolleginnen und Kollegen.
Zum Schluss:
Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedro hung entsprechen.
Dieser Satz aus der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 ist wenige Tage vor dem Europatag aktueller denn je.
Als überzeugte Europäer leisten wir von der SPD-Fraktion gern unseren Beitrag dazu, dass Europa die aktuellen und künftigen Herausforderungen bewältigt. Ohne einen gemein samen Konsens, ohne rechtliche Rahmenbedingungen geht es dabei nicht, wenn die Europäische Union – und damit Euro pa – eine gute Zukunft haben möchte. Diese Zukunft lässt sich nur gemeinsam mit Verantwortung und Solidarität gestalten. Die heutige Debatte zeigt sehr deutlich, wer das verstanden hat.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es also tatsächlich passiert: Der Brexit ist Realität. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal hier im Landtag von Baden-Württemberg darüber sprechen darf, dass ein Land die Europäische Union – ein Projekt, das für Frie den, Wohlstand, Stabilität, Sicherheit und Zusammenhalt steht – verlässt. Das war eigentlich unvorstellbar.
Genauso wenig hätte ich gedacht, dass das an einem Tag pas siert, an dem sich ein Liberaler von Rechtsextremen zum Mi nisterpräsidenten wählen lässt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Da gibt es durchaus verbindende Elemente. – Ich kann die Aufregung ja verstehen.
Aber dass hier CDU und FDP mit der „AfD-Höcke-Fraktion“ in Thüringen gemeinsame Sache machen,
ist in höchstem Maß verantwortungslos. Das ist auch gefähr lich, meine Damen und Herren.
Beides – sowohl der Brexit als auch das, was wir heute erle ben – zeigt, dass niemand mehr sagen kann, man wüsste nicht, worum es geht. Wir erleben, dass Populisten und Extremisten die Macht ergreifen wollen.
Wir erleben, dass es möglich ist, mit Populismus Wahlen zu gewinnen. Wenn man sich anschaut, was da in Großbritanni en passiert, dann sieht man, es ist wirklich tragisch. Ein Zitat dazu:
Wir haben die Chance zu neuer Größe. Nun müssen wir sie ergreifen.
Ich höre, das sei gut, weil viele jetzt glauben, das sei ein Zi tat von Boris Johnson – das würde auch passen –, aber das Zi tat ist von Edward Heath,
und es ist vor 47 Jahren ausgesprochen worden, als Großbri tannien in die EWG eingetreten ist. Damals hat man verstan den, worin wirklich die Chancen für unseren Kontinent lie gen.
Damals hat man auch verstanden, dass man nur gemeinsam überstehen kann.
Wenn wir betrachten, um welche Themen wir bei dem Ab kommen verhandeln, wo wir jetzt gerade gemeinsam versu chen, eine Lösung zu finden,
dann sehen wir drei Bereiche. Das eine sind die allgemeinen Angelegenheiten,
das Zweite sind wirtschaftliche Vereinbarungen und das Drit te sind Sicherheitsaspekte.
Wir diskutieren hier sehr, sehr viel über die wirtschaftliche Zusammenarbeit und über die wirtschaftliche Komponente. Ab und zu kommt auch das Sicherheitsthema zum Tragen, vor allem wenn es um die Außen- und um die Sicherheitspolitik geht. Viel zu wenig haben wir den Fokus aber auf die allge
meinen Vereinbarungen gelegt. In diesen allgemeinen Verein barungen wird es nämlich darum gehen, für gemeinsame Wer te einzustehen,
Werte wie Anstand, Werte wie Disziplin, Werte wie Demo kratie, Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Werte wie Presse freiheit.
Da werden wir die Briten auch zukünftig dringend als starken Partner brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wie Sie in der letzten Woche verfolgen konnten, wird viel über das Thema Fischerei berichtet und gesprochen sowie über die Frage: Wer hat welchen Zugang zu den Meeren? Wenn Sie dieses Bild auf die Politik übertragen: In dem poli tischen Weltmeer wimmelt es nur so von Haien und Hechten. Jedes einzelne Land Europas ist ein kleiner Fisch in diesem Meer.
Deshalb muss man es doch einfach von der Logik her verste hen, dass es viel sinnvoller ist, dass man sich zusammentut und dass die kleinen Fische schauen, dass sie ein großer, star ker Schwarm werden, um bestehen und überleben zu können, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ein Punkt, der bestimmt wenig Widerspruch auslösen wird, ist die Tatsache, dass einem, wenn man an britische Städte denkt, sehr schnell Liverpool in den Sinn kommt.
Die Erfolgsgeschichte des FC Liverpool ist eng verbunden mit einem Schwaben, mit dem Deutschen Jürgen Klopp, und mit einem niederländischen Abwehrchef, Virgil van Dijk. Hät ten sich die Briten vielleicht öfter vor Augen geführt, dass es auch um die Arbeitsgenehmigungen dieser beiden geht, hätte zumindest Liverpool wahrscheinlich auch anders abgestimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Um bei Jürgen Klopp zu bleiben: Er hat gesagt: „Die EU ist nicht perfekt, aber es ist die beste Idee, die wir je hatten.“ Des halb werden wir weiter für diese Idee einstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Abschließend: Wir werden dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Mittlerweile, liebe Frau Wirtschaftsministerin, hat
sogar auch Ihr Haus die Homepage aktualisiert. Insofern gibt es daran heute auch nichts zu kritisieren. Wir stimmen des halb zu.
Herzlichen Dank.
Guten Morgen, Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Auch im neuen Jahr unter halten wir uns wieder über den Brexit. Geändert hat sich aber ein bisschen was: Mittlerweile gibt es einen Fahrplan für die Trennung. Ein Satz, den man bei einer Trennung oft hört, lau tet ja: „Wir können doch gute Freunde bleiben.“ In diesem Fall müssen wir alles dafür tun, dass dieser Satz – ausnahms weise – ernst gemeint ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn auch im neuen Jahr hat sich eines nicht geän dert: Der Brexit ist und bleibt ein schwerer Fehler.
Wir müssen jetzt gemeinsam schauen, dass wir das Beste da raus machen. Aber warum ist denn dieser Brexit ein so schwe rer Fehler? Ganz einfach deshalb, weil der Brexit für ein Zu rück in die Nationalstaaten steht. Dieses Zurück in die Nati onalstaaten führt zu Egoismus, dieser Egoismus führt zu Kon flikten, und Konflikte zwischen Nationalstaaten führen am En de immer zu Auseinandersetzungen und im schlimmsten Fall zu Krieg.
Das klingt ein bisschen wie eine Weisheit von Meister Yoda aus „Star Wars“. Aber es hat in diesen Tagen einen besonders ernsten Hintergrund, wenn wir uns nämlich vor Augen füh ren, wozu ein solcher Nationalismus im schlimmsten Fall füh ren kann. Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Populisten und Nationalisten nicht Wahlen ge winnen, wie sie es beim Brexit getan haben, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.
Nun haben wir in Baden-Württemberg auch die Aufgabe, da mit umzugehen. Politik hat da mehrere Handlungsfelder. Zum einen geht es um den rechtlichen Rahmen, den wir abstecken müssen. Das geschieht mit dem Brexit-Übergangsgesetz. Da haben Sie uns auch an Ihrer Seite.
Ein weiterer wichtiger Teil von Politik ist aber, die Menschen umfassend und gründlich zu informieren. Wenn man sich bei uns in Baden-Württemberg darüber informieren möchte, was der Brexit für unser Land bedeutet, kann man ja auf die Idee kommen, auf der Homepage des Ministeriums der Justiz und für Europa nachzuschauen. Denn schließlich erleben wir hier immer einen Minister, der mit großem Engagement und mit Leidenschaft für Europa unterwegs ist. Leider finden Sie auf der Homepage nichts zum Thema Brexit – außer Redebeiträ gen.
Man kann dann sagen: Wir haben einen Ministerpräsidenten, der zu Recht sagt: Europa ist für uns Staatsräson. Also schaut man einmal auf die Homepage des Staatsministeriums. Auch da finden Sie viele europapolitische Themen, aber kein Wort zum Brexit.
Da ich ein cleveres Kerlchen bin,
habe ich mir gedacht: Ich schaue mal auf die Homepage des Wirtschaftsministeriums. – Ich bin höchst erfreut, dass es kei nen Widerspruch im Gremium gibt.
Auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums gibt es dann tatsächlich eine ausführliche Rubrik zum Thema Brexit. Und es gibt nicht nur eine ausführliche Rubrik, es gibt auch wun derschöne Fotos: das Neue Schloss und darüber in großen Let tern: „Immer auf dem neuesten Stand“. Und dann klicken Sie mal auf die Frage: „Wie ist der aktuelle Verfahrensstand?“ Dann taucht auf, dass am 25. November 2018 der Europäi sche Rat das letzte Mal etwas zum Brexit beschlossen habe, dass es im britischen Unterhaus noch keine Meinung dazu ge be und wie kompliziert doch die Backstop-Lösung sei. Wir haben es vom Kollegen Kößler gehört: Es geht um 70 000 Ar beitsplätze, es geht um die Zukunft Europas, und Sie schaffen es nicht einmal, eine Homepage zu aktualisieren. Das ist pein lich, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und das ist auch gefährlich, weil mit dieser Haltung etwas übernommen wird, was wir ja selbst erleben, nämlich, dass die Menschen teilweise keine Lust mehr haben, sich mit dem Thema Brexit zu beschäftigen,
sondern nur sagen: Hauptsache, es geht irgendwann vorbei.
Das dürfen wir jedoch nicht zulassen. Wir müssen dafür sor gen, dass wir weiterhin mit großer Lust für Europa eintreten, wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass wir für ein vereintes Europa eintreten. Gerade die sozialdemokratische Fraktion wird das mit großer Kraft tun.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über aktuelle euro papolitische Themen – nur zur Erinnerung.
Das tun wir in diesem Hause zum Glück regelmäßig. Ein klei nes bisschen geht es mir dann schon so, dass ich immer an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ denken muss.
Die Grünen loben die Landesregierung. Die CDU erwähnt an irgendeiner Stelle Günther Oettinger.
Der rechte Teil dieses Hauses beweist wiederholt, dass sie nicht einmal den Staatsaufbau verstanden haben.
Ich gehe fest davon aus, dass der Kollege Karrais nachher auf die wirtschaftspolitische Bedeutung Europas eingehen wird, z. B. anhand der „Vier Motoren“.
Mittendrin steht ein Vertreter der Sozialdemokratie, der nicht müde wird, zu erwähnen, dass unser Schicksal an der Euro päischen Union hängt: Frieden, Freiheit, Wohlstand, Stabili tät, Sicherheit – all das geht nur mit einer starken Europäi schen Union, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zu diesem Murmeltiertag gehört auch, dass wir jedes Mal, wenn ich über Europa sprechen darf, noch immer über den Brexit reden müssen.
Ich würde lieber sagen: dass wir noch über den Brexit reden dürfen. Denn jeder Tag, an dem Großbritannien in der Euro päischen Union bleibt, ist ein guter Tag für Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Egal, wie in Großbritannien dieses Drama, das manchmal auch eine Komödie ist,
weitergeht, egal, wie oft sie dort noch abstimmen, egal, wie oft sie noch wählen: Wir hoffen einfach, dass am Ende ein Weg aufgezeigt wird. Wir hoffen, dass Großbritannien ein Freund Europas bleibt, dass es am Ende des Tages vielleicht sogar Teil der Europäischen Union bleibt. Das wäre wichtig.
Lieber Kollege Frey, Sie haben zu Recht die Frankreich-Kon zeption angesprochen, ein ausgesprochen wichtiges Thema gerade für uns hier in Baden-Württemberg, wenn wir uns mit Europapolitik beschäftigen. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich teilen – das Lob an die Landesregierung aber ausdrücklich nicht. Warum? Zu Beginn des Jahres wurde die Frankreich-Konzeption vollmundig als ein Leuchtturmprojekt für Europa und für Baden-Württemberg angekündigt.
Von diesem Leuchtturm haben wir bisher leider nur Luft schlösser gesehen. Uns wurde aufgezeigt – auch bei allen möglichen Anfragen, die wir dazu gestellt haben –, dass es da zu viel Prosa und gute Ideen gibt. Das Konkrete fehlt aber noch immer.
Warum fehlt das noch? Weil Sie, die Regierungsfraktionen und die grün-schwarze Landesregierung, sich leider selbst bei diesem Thema beharken.
Ich möchte, wenn ich darf, Sie, lieber Kollege Stächele, sehr gern zitieren. Sie haben nämlich im Juli in der „Südwest Pres se“ gesagt: Warum das Thema Frankreich-Konzeption im Staatsministerium angesiedelt sei und nicht beim überaus en gagierten Europaminister, sei Ihnen schleierhaft.
Diese Debatten zeigen, woran es hakt. Es fehlt nämlich nicht nur an Mitteln – wonach wir im Haushalt gerade noch ver zweifelt suchen; wenn wir richtig geschaut haben, sind 1,2 Millionen € vorgesehen; 10 Millionen € würde man für eine vernünftige Umsetzung brauchen –, sondern es fehlt vor al lem auch an einem gemeinsamen Geist. So wird das nichts mit Leuchttürmen für Europa.
Abschließend: Ich nehme sehr gern auf, lieber Kollege Be cker, was Sie mit Ausblick auf die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands gesagt haben. Dieser Ausblick lohnt sich. Ge rade aus Baden-Württemberg müssen tatsächlich Impulse kommen. Was machen wir mit dieser Ratspräsidentschaft?
Ich habe einen konkreten Vorschlag für Sie. Nehmen Sie den Bericht des Antisemitismusbeauftragten der Landesregierung, den wir hier gemeinsam gelesen haben. Schlagen Sie Seite 56 auf. Dort werden Sie sehen, dass Herr Dr. Blume vorschlägt, die EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland zu nutzen, um einen europäischen Kampf gegen Antisemitismus, gegen die Radikalisierung des Internets, gegen Hate Speech und gegen Desinformationen aufzunehmen. Das ist ein Appell, den wir nicht nur begrüßen, sondern den wir unterstützen. Ich freue mich, wenn wir in Zukunft darüber diskutieren – dann auch gern wieder über den Brexit und andere Themen.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich schon interessant, in den Mo naten, in denen ich jetzt im Landtag sein darf, auch alle De batten rund um Europa miterleben zu dürfen. Und ehrlicher weise: Wer auch immer Ihnen Ihre Reden schreibt, geben Sie ihm mal einen Rat mit:
„Copy and paste“ ist kein guter Ratgeber, weder für Doktor arbeiten noch für seriöse parlamentarische Debatten.
Ich könnte Bezug nehmen auf den Kollegen Hofelich, der in der Ersten Beratung völlig zu Recht die Frage aufgeworfen hat: Ist es eigentlich notwendig, dass wir uns über diese The men heute hier unterhalten? Aber da ich ein grundsätzlich po sitiv und optimistisch gestimmter Mensch bin, erkenne ich so gar an der heutigen Debatte positive Aspekte.
Erstens: Wir unterhalten uns über Europa. Das kann man ei gentlich gar nicht oft genug tun.
Ich komme nachher noch einmal darauf. Europa und EU, Sie können ja nachschauen, wie das zusammenhängt.
Zweitens – und das ist für mich der wirklich schöne Teil –: Ich darf mal wieder in diesem wunderbaren Hohen Haus spre chen, und ich darf das, obwohl ich als Zweitkandidat in den Landtag nachgerückt bin. Von Anfang an hat die SPD-Frakti on mich selbstverständlich aufgenommen, was ja heutzutage bei Nachrückern auch nicht überall der Fall ist.
Ich darf also für die SPD-Fraktion sprechen, die hier zu Be ginn dieser Legislaturperiode 19 Mitglieder hatte und die heu te noch immer 19 Mitglieder hat. Auch das ist bei anderen Fraktionen keine Selbstverständlichkeit.
Ich darf für die SPD-Fraktion sprechen,
die geschlossen hinter ihrem Vorsitzenden steht. Auch das ist bei anderen Fraktionen keine Selbstverständlichkeit.
Allein diese paar Punkte zeigen Ihnen: Sie hätten andere Bau stellen, um die Sie sich dringender kümmern sollten als um das, was Sie uns heute hier wieder zumuten.
Aber was viel wichtiger ist: Ich darf für die SPD-Fraktion sprechen, die sich ohne Wenn und Aber für ein starkes, für ein soziales und für ein vereintes Europa einsetzt,
und das bei jeder Gelegenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Nein. – Ich darf also für die SPD sprechen. Wir haben schon bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, worum es eigentlich geht, wenn wir uns mit Europa beschäftigen.
Die Mitwirkung des Landtags in EU-Angelegenheiten – die Kollegen haben es angesprochen – kann man verbessern. Aber das muss nicht auf dem dargestellten Weg passieren. Das ge schieht im Alltag mit den Mitteln, die wir bereits zur Verfü gung haben.
Noch wichtiger als die Frage „Wie gelingt die Mitwirkung des Landtags?“ ist die Frage: Wie gelingt die Mitwirkung der Bür gerinnen und Bürger an der Europäischen Union und an Eu ropa? Denn genau diese Mitwirkung führt zur Beteiligung, die Beteiligung führt zu Interesse, dieses Interesse sorgt für En gagement, und am Ende des Tages haben wir hoffentlich durch Engagement Herzblut für Europa. Das ist es nämlich, was in unserem Land bei vielen Gelegenheiten fehlt. Dafür werden wir uns weiterhin mit ganzer Kraft einsetzen.
Um es noch einmal zuzuspitzen: Man merkt sehr deutlich bei dem, was Sie hier vorgetragen haben: Sie versuchen wieder einmal, mit demokratischen Mitteln demokratische Instituti onen zu schwächen.
Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, weder heute noch bei einer anderen Gelegenheit, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Windkraft ist zweifellos ein wichtiger Be standteil der Energiewende. Die SPD steht zur Energiewen de, und deshalb stehen wir auch zur Windkraft, meine Damen und Herren.
Heute wird der Windatlas zum Anlass einer Aktuellen Debat te genommen. Wir brauchen allerdings weniger Atlanten, wir brauchen auch weniger Debatten; wir brauchen mehr Han deln, und genau das vermissen wir bei dieser Landesregie rung.
Wir fragen deshalb: Wie kann die grün-schwarze Regierung die Prozesse hier besser steuern, damit der Verwaltungsauf wand für Windkraftgenehmigungen im Land nicht immer wei ter steigt und die Anlagen nicht immer teurer werden? Wenn man sich also fragt, warum der Ausbau nicht vorankommt, dann wird man ehrlicherweise feststellen, dass dies auch da ran liegt, dass die konkrete Umsetzung vor Ort nicht immer einfach ist.
Als ehemaliger Bürgermeister einer Schurwald-Gemeinde ist mir sehr bewusst, dass sich kein Rathauschef freut, wenn di rekt an der Gemarkungsgrenze Windkraftanlagen gebaut wer den.
Auch Anwohner werden selten spontane Jubelfeiern veran stalten. Denn leider zeigt sich in Bezug auf Windkraftanlagen ein Phänomen, das wir auch aus allen anderen Infrastruktur debatten in diesem Land kennen: Abstrakt ist jeder dafür, aber sobald Einzelne direkt betroffen sind, rückt das Allgemeinin teresse sofort in den Hintergrund, und das Einzelinteresse wird mit aller Massivität verfolgt.
So möchte z. B. auch jeder ein voll ausgebautes Handynetz, aber die Funkmasten sollen bitte möglichst weit entfernt ste hen. Der Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohle wird ausdrücklich begrüßt, aber sobald auch nur ein Windrad im Blickfeld auftaucht, spielt das keine Rolle mehr. Diese Denk- und Handlungsweise lässt sich leider noch an vielen weiteren Beispielen aufzeigen.
Hier kommen wir als politisch Verantwortliche ins Spiel. Un sere Aufgabe ist der Dialog mit den Menschen, unsere Auf gabe ist die Diskussion vor Ort, und unsere Aufgabe ist die Überzeugungsarbeit zum Wohl der Allgemeinheit.
Die heutige Aktuelle Debatte hat aber ein ganz anderes Ziel: Heute sollen wieder einmal Ängste geschürt werden, um da raus politisches Kapital zu schlagen.
Das ist in höchstem Maß unseriös und unredlich.
Dass die Antragsteller ihren Antrag selbst nicht ernst nehmen, lässt sich sehr leicht aufzeigen, werte Kolleginnen und Kol legen. Sinngemäß wird ja die Frage aufgeworfen, ob Anwoh ner, Vögel und Insekten unter der Windenergie leiden. Tat
sächlich – Zahlen sind vorhin bereits genannt worden –, durch Windkraftanlagen kommen jährlich ca. 100 Vögel um. Dem stehen aber ca. 15 Millionen Vögel gegenüber – auch das ha ben wir vorhin bereits gehört –, die allein an Glasscheiben sterben. Wenn ich dann noch berücksichtige, dass Haushalts unfälle, etwa beim Fensterputzen, jährlich bis zu 9 000 Men schen das Leben kosten, dann müssten Sie eigentlich kein Burkaverbot, sondern ein Fensterverbot fordern.
Schauen wir doch mal auf das angebliche Leid der Insekten. Eine Studie vermittelte kürzlich den Eindruck, die Windräder würden das Insektensterben befeuern, weil zahllose Fliegen und Mücken in 80 bis 200 m Höhe gegen die Rotorblätter knallen.
Im Übrigen sagen die Autoren dieser Studie selbst, dass es noch viel zu forschen gilt und sie nicht quantifizieren können, welchen Anteil am Insektenrückgang Windkraftanlagen ha ben. Diese Studie hat es somit ebenfalls versäumt, ihre Zah len in eine Relation zu setzen.
Wie viele Insekten zerschellen z. B. an Kühlergrillen und Windschutzscheiben der über 50 Millionen Fahrzeuge in Deutschland?
Leider ist hier auch das Leid für die Menschen, das Sie in Ih rem Antrag beschreiben, höher; denken wir nur an die zahl reichen Verkehrsunfälle, die Tag für Tag passieren.
Dieser Logik folgend werden Sie vielleicht demnächst folgen de Aktuelle Debatte beantragen: „Hermanns Straßenatlas – müssen Anwohner, Vögel und Insekten weiter unter grünschwarzer Verkehrspolitik leiden?“
Werte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir zum gefühlt hundertsten Mal in diesem Haus, auch bei zahlreichen unsin nigen Ausschussanträgen, die Windkraftnutzung gegen Angst schürerei verteidigen müssen, so dürfen wir uns – leider – nicht entnervt abwenden. Denn die Energiewende und der Kli maschutz sind zu wichtig.
Wenn wir irgendwann 100 % des Stroms klimaneutral erzeu gen wollen und auch noch Mobilität und Wärmeversorgung durch erneuerbare Energien sicherstellen wollen – und das wollen wir seitens der SPD –, dann werden Wind- und Solar energie nach heutigem Wissensstand den größten Anteil dar an erbringen müssen.
Das heißt auch, dass wir in Deutschland den Anteil der Solar- und Windenergie noch um ein Mehrfaches ausbauen müssen.
Gerade hat der neue Windatlas glücklicherweise zutage ge fördert, dass es auch im Südwesten Deutschlands noch viele weitere geeignete Standorte gibt. Leider wird das aber nicht reichen, um den Ausbau voranzubringen. Aber es ist immer
hin ein wichtiger Mosaikstein, der vielleicht auch manchen Investor wieder ermuntert.
Der Ausbau der Windkraft ist durch falsche Vorgaben bei den Ausschreibungen, aber auch durch die eingangs genannten Vorbehalte in vielen Gemeinden und Landkreisen ausgebremst, und leider sitzen Teile der Landesregierung hier ebenfalls eher im Bremserhäuschen und haben sich die anfangs erwähnten Einzelinteressen zu eigen gemacht nach dem Motto: Wir sind selbstverständlich für den Klimaschutz und für Windenergie, aber bitte nicht an diesem Fleck, bitte nicht in diesem Wald und bitte nicht in diesem Land.
Das ist ja dann auch die Haltung, wenn es um Klimaschutz maßnahmen beim Verkehr geht:
Klimaschutz ja, aber bitte schön mit möglichst vielen Autos und Flügen. Wenn es um irgendwelche Kosten oder gar um Tempolimits geht, gibt es noch sehr viel an Erkenntnis zu ge winnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dabei redet doch die ganze Welt momentan über das Thema Klimaschutz, darüber, wie wir es möglichst schnell hinbekom men, den Kohleausstieg zu meistern, darüber, die Wärmever sorgung durch Dämmung,
erneuerbare Energien und Neubau von möglichst energieaut arken Häusern klimaneutral sicherzustellen, und darüber, end lich auch unsere Mobilität in weiteren Bereichen klimafreund lich umzubauen: mit mehr ÖPNV, mit mehr Schienenverkehr und auch mit neuen Antrieben.
Einige wenige sehen das anders: Populismus statt Wissen schaft, dumpfe Gefühle statt Erkenntnis sind Programm.
Dem stellt sich die SPD entschieden entgegen.
Wir kämpfen für eine gelingende Energiewende. Wir stehen zur Windkraft und bieten wie bisher der Landesregierung un sere Unterstützung dabei an, hier und auch in Berlin den Windkraftausbau wieder flottzumachen. Ich kann nur beto nen, dass wir einen weiteren Ausbau der Windenergie wollen, und zwar sowohl onshore als auch auf dem Land.
Wir brauchen dafür natürlich auch mehr Fläche für Windan lagen. Wir brauchen mehr Windenergie in Baden-Württem berg, und wir brauchen weniger Schaufensteranträge. Wir, die SPD, wollen eine umweltfreundliche, CO2-freie Stromversor
gung. Die Stromerzeugung in unserem Land soll keine strah lenden Müllaltlasten hinterlassen. Die Stromerzeugung soll nachhaltig sein, sie soll generationengerecht sein, sie soll so zial gerecht sein – darüber haben wir heute noch gar nichts gehört –,
und dafür werden wir uns weiterhin einsetzen, hier im Land tag und insbesondere vor Ort bei den Menschen.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kolleginnen und Kollegen! Dass ich meine erste Rede im Landtag zu einem europapolitischen Thema halten darf, freut
mich ausdrücklich. Der Grund ist ganz einfach: Europa be deutet alles. Die Europäische Union steht für Frieden, Frei heit, Wohlstand, Stabilität und Sicherheit. Dafür müssen wir uns jeden Tag einsetzen, damit wir ein starkes und einheitli ches Europa behalten können.
An die AfD-Fraktion gerichtet – hören Sie ruhig zu, Sie kön nen auch von einem Landtagsneuling noch etwas lernen –:
Wenn Sie mit Ihren Anträgen zurückwollen zu einem natio nalen Europa, dann werden Sie mir nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, dass Sie sich nicht nur bei diesem Thema, aber insbesondere bei diesem Thema auf dem Holzweg befinden.
Aber vielleicht werfen Sie einmal einen Blick in Artikel 23 unseres Grundgesetzes.
Da steht:
Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Eu ropäischen Union mit,...
Ich übersetze Ihnen bei Gelegenheit sehr, sehr gern, was Union bedeutet.
Ich sage Ihnen auch in aller Deutlichkeit: Mit Ihrem Geschrei, mit Ihren Anträgen und Ihrem Streben nach Nationalismus widersprechen Sie unserer Verfassung, und Sie handeln höchst verantwortungslos – wieder einmal.
In aller Gelassenheit sage ich Ihnen ebenso: Das Weißbuch Europa ist sicherlich kein Patentrezept, und es ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Aber es hat uns wichtige Ansatzpunkte geliefert, um Europa noch stärker und noch besser zu machen, meine sehr geehr ten Damen und Herren.
Ich sage Ihnen auch: Viel wichtiger als ein Weißbuch ist der Dialog mit den Menschen, die Europa auch in Zukunft gestal ten wollen und gestalten sollen. Es ist der Dialog mit den jun gen Menschen, mit Schülerinnen und Schülern.
Deshalb war ich sehr froh, dass ich beim Europäischen Ju gendforum hier im Landtag dabei sein durfte. 150 Schülerin
nen und Schüler haben beim Europäischen Jugendforum mit uns diskutiert, und sie haben drei klare Forderungen an Euro pa formuliert. Die erste Forderung an Europa war: Tut end lich etwas gegen die Lebensmittelverschwendung. Die zwei te Forderung war: Kümmert euch darum, dass die Vermüllung der Weltmeere aufhört, indem z. B. Plastikverpackungen ver boten werden. Und die dritte Forderung, die Forderung der jungen Menschen, der 150 Schülerinnen und Schüler, war ein europaweiter Mindestlohn, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich finde, auch in diesem Punkt sollten wir öfter auf die jun gen Menschen hören.
In aller Deutlichkeit gilt für uns ebenfalls, was die Vorredner, abgesehen von der AfD, angesprochen haben: Für uns ist die Europäische Union auch weit mehr als ein Wirtschaftsverbund und weit mehr als nur eine gemeinsame Währung. Sie ist ei ne Wertegemeinschaft, die für 450 Millionen Menschen Frie den schafft. Allein das ist aller Mühen und aller Anstrengun gen auch in Zukunft wert.
Aber wir wissen auch: Das Friedensversprechen Europa reicht heute allein nicht mehr. Es reicht deshalb nicht mehr, weil die Menschen andere Sorgen haben. Es gehört zu unseren Haus aufgaben, dafür zu sorgen, dass der Alltag der Menschen bes ser wird. Natürlich kann ich eine alleinerziehende Mutter, de ren gesamtes Einkommen für Miete und für Kitagebühren draufgeht, nicht von vornherein für das Friedensprojekt Eu ropa begeistern. Deshalb brauchen wir ein soziales Europa, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir brauchen ein solidarisches Europa, das sozialen Zusam menhalt schafft und die Arbeitswelt gerecht gestaltet. Wir brauchen ein starkes Europa, das Globalisierung fair, mensch lich und zukunftsgerecht gestaltet. Und wir brauchen vor al lem ein demokratisches Europa, das Frieden schafft, unseren Rechtsstaat sichert und bürgernah ist. Lassen Sie uns gemein sam daran arbeiten in Europa, in Deutschland, aber auch hier in Baden-Württemberg.
Vielen Dank.