Protokoll der Sitzung vom 05.06.2019

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 93. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Berg, Frau Abg. Neumann-Martin, Herr Abg. Dr. Podeswa, Frau Abg. Walker sowie Frau Abg. Zimmer.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut, Herr Minister Lucha, Herr Minister Wolf sowie Frau Staatsministerin Schopper.

Des Weiteren aus dienstlichen Gründen entschuldigt sind Herr Abg. Dr. Fulst-Blei und Herr Abg. Gramling, die Frau Minis terin Dr. Hoffmeister-Kraut auf ihrer Delegationsreise nach Russland begleiten.

Ganztägig entschuldigt ist außerdem Frau Staatsrätin Erler.

Im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung der Landes regierung vom 21. Mai 2019 – Gemeinschaftsaufgabe „Ver besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK); hier: Anmeldung des Landes zum Rahmenplan 2019 (mit Fort schreibung bis 2022) – Drucksache 16/6296. Ich schlage vor, diese Mitteilung vorberatend an den Ausschuss für Ländli chen Raum und Verbraucherschutz und den Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie federführend an den Ausschuss für Finanzen zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Vielen Dank.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Unterstellers Windatlas – müssen An wohner, Vögel und Insekten weiter unter grün-schwarzer Ideologiepolitik leiden? – beantragt von der Fraktion der AfD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

In der Aussprache erteile ich nun das Wort für die Fraktion der AfD Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, gu ten Morgen, meine Damen und Herren! Die Landesregierung

hat, wie schon so häufig, den Mund mal wieder ziemlich voll genommen, und zwar mit dem Windatlas. Erklärtes Ziel war, bis zum Jahr 2020 mindestens 10 % des Bruttostrombedarfs von Baden-Württemberg aus Windkraft zu decken. Daraus wird wohl nichts. Dem Ausbauziel hinkt man meilenweit hin terher. Statt der geplanten 2 100 Windkraftanlagen befinden sich gerade einmal 720 Anlagen am Netz. Das entspricht knapp 3 % des gesamten Stromvolumens, meine Damen und Herren.

Natürlich hat es Gründe, warum der Windkraftausbau hierzu lande so schleppend vorankommt. Ein wesentlicher Grund ist die mangelnde Wirtschaftlichkeit. Baden-Württemberg ist im Gegensatz zu den windreichen Bundesländern des Nordens ein Schwachwindland. Wer hier Strom aus Wind erzeugen will, der muss die Windräder auf Höhenzügen und in Wäldern platzieren – eben da, wo der Bau besonders kostspielig ist.

Doch was interessieren die Untersteller-Behörde wirtschaft liche Erwägungen? Auf solche Petitessen kann man keine Rücksicht nehmen, wenn es darum geht, das Klima und vor allem die Menschheit zu retten. Windräder müssen her, koste es, was es wolle. Da der Wind die unangenehme Eigenschaft hat, in zunehmender Höhe kräftiger zu blasen, baut man die Kolosse ohne Rücksicht auf das Landschaftsbild immer hö her.

Doch nicht nur durch die Bauhöhe lassen sich höhere Strom erträge erzielen, meine Damen und Herren. Man kann sich auch der Wissenschaft bedienen. Dieser Tage wurde bekannt lich der neue Windatlas der Öffentlichkeit präsentiert. Es war ein Feiertag für Umweltminister Untersteller.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber nicht arbeitsfrei!)

Sicherlich ist es als reiner Zufall zu werten, dass die mit dem Projekt beauftragten Wissenschaftler exakt das Ergebnis zu tage förderten, das sich der Herr Umweltminister so sehnlichst gewünscht hatte.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das macht er doch immer!)

Zufälle gibt es, und das gar nicht einmal so selten, meine Da men und Herren. Man erlebt sie dieser Tage zuhauf, etwa die „Fridays for Future“-Bewegung der Schüler um ihre Ikone Greta Thunberg oder die Youtube-Kampagne eines Aktivis ten namens Rezo wenige Tage vor der Europawahl.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Rezzo Schlauch ist je mand anders!)

Ist es Ihnen von der CDU eigentlich schon einmal aufgefal len? Nutznießer waren immer die Grünen – sicherlich auch rein zufällig.

(Zuruf)

Doch zurück zu unserem famosen Windatlas. Dank eines neu en, wissenschaftlich präziseren Berechnungsverfahrens und verfeinerter Methodik sowie verschachtelt angewandter Si mulationsprogramme kam man zu dem überraschenden Er gebnis, dass die windkrafttaugliche Fläche in Baden-Würt temberg quasi über Nacht auf das Doppelte angewachsen war.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Dass diese Botschaft erst nach der Kommunalwahl veröffent licht wurde – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Beifall bei der AfD)

Denn noch unmittelbar vor der Wahl hatte man die Bevölke rung beim Windenergieerlass – nicht Windatlas – beruhigt und in Sicherheit gewogen. Meine Damen und Herren, die zahl reichen Bedenken, dass bestehende Standards bei der Umstel lung des Windkrafterlasses auf ein zeitgemäßes Internetpor tal aufgeweicht oder ganz kassiert werden könnten, wurden mit Nachdruck zurückgewiesen. Formal ist das nicht zu be anstanden, und der Landesregierung wäre nichts vorzuwer fen, wäre da nicht auf der anderen Seite die Verschlagenheit und diese Hinterlist, mit der sie ihre eigenen Zusagen unter läuft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Zwar sind Standards wie der Mindestabstand von 700 m zur Wohnbebauung oder die Windhöffigkeitsschwelle von 5,3 m pro Sekunde auf 100 m über dem Grund nach wie vor gültig, nur sind sie durch die jahresdurchschnittliche Windgeschwin digkeitsberechnung des neuen Windatlasses leider keinen Pfif ferling mehr wert.

(Beifall bei der AfD)

Im Ergebnis wird diese üble politische Trickserei dazu füh ren, dass die fantastischen Naturlandschaften Baden-Würt tembergs mit Windrädern und Stromtrassen zugepflastert wer den, meine Damen und Herren. Was das für den Erholungs wert, für die Menschen und die Tiere bedeutet, mag man sich nicht ausmalen. Was da mit aller Gewalt durchgedrückt wer den soll, ist mit „Rücksichtslosigkeit“ noch äußerst gelinde umschrieben.

Meine Damen und Herren, diese Politik von Grün-Schwarz geht buchstäblich über Leichen. Gemeint sind die zahllosen Vögel und Fledermäuse, die Tag für Tag den gewaltigen Ro torblättern zum Opfer fallen.

(Beifall bei der AfD)

Hier könnten Sie sich vielleicht einmal von Ihrem Kollegen vom Verkehrsministerium eine Scheibe abschneiden, der bei der Hermann-Hesse-Bahn Millionen in die Hand nimmt, um die Fledermäuse zu schützen.

(Lachen der Abg. Carola Wolle AfD)

Gemeint sind aber auch die unfassbar vielen Fluginsekten, die von den Windmühlen Tag für Tag erschlagen werden.

(Zurufe von den Grünen)

Wissenschaftler – das sind Ihre Wissenschaftler – sprechen von fünf bis sechs Milliarden getöteten Fluginsekten pro Tag – eine erschreckend große Zahl.

(Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Doch das scheint Herr Untersteller unter Kollateralschäden zu verbuchen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wie sonst ist dieser Zynismus zu erklären, der in der Stellung nahme zu einem aktuellen Antrag vonseiten der FDP/DVPFraktion zum Ausdruck kommt? In der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 16/5947 heißt es beispielsweise – Ach tung! –, eine hohe Reproduktionsrate bei Insekten spreche für eine „hohe natürliche Mortalität“.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

In der Stellungnahme zu Ziffer 5 dieses Antrags versteigt sich der Minister sogar zu der Behauptung, dass Verluste durch Windparks „nicht entscheidend“ seien.

(Zuruf von der AfD: Aha!)

Woher will er das wissen? Denn kurz zuvor, in der Stellung nahme zu Ziffer 3 des Antrags, hatte er darauf hingewiesen, dass die Gesamtzahl der Insekten nicht bekannt sei. Wenn das aber so ist, dann kann man logischerweise den Verlust von In sekten durch Windkraftanlagen nicht quantifizieren und folg lich in seiner Bedeutung für den Gesamtbestand auch nicht bewerten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Herr Untersteller, Sie machen es sich zu einfach. Sie sagen wörtlich, die Natur habe „Verluste evolutionär eingeplant“.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Entscheidend für ihre Regeneration sei, dass der Lebensraum der Insekten intakt bleibe. – Mit Verlaub, wer so argumentiert, der dürfte kaum ein größeres Interesse daran haben, den Ur sachen des Insektensterbens auf die Spur zu kommen.