Protokoll der Sitzung vom 06.02.2020

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Deutschland wird im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsident schaft innehaben. Gegenwärtig hat Kroatien die Präsident schaft inne. Dank der Initiative des Vorsitzenden unseres Eu ropaausschusses konnten wir dort auch ein Gespräch mit dem kroatischen Botschafter und dem Generalkonsul der Repub lik Kroatien führen. Ich würde einmal sagen: Es kommt in die sem Jahr darauf an, dass wir Europa in diesen Präsidentschaf ten zusammenhalten, dass wir es auch offen halten, dass wir Europa aber eben auch erneuern.

Weil heute die ökologische Initiative von Frau von der Leyen im Vordergrund steht, will ich zum Thema Erneuerung für uns Sozialdemokraten eines markieren, was die Erfahrung aus vie len Jahrzehnten ist. Meine Damen und Herren, die ökologi

sche Erneuerung und die soziale Stärkung sind zwei Seiten einer Medaille. Sie bedingen einander, und sie funktionieren auch nur gegenseitig. Wer ein Europa will, das auf der einen Seite nur ökologisch funktioniert, auf der anderen Seite Re gionen und Gruppen von Abgehängten hat, wird am Ende nichts erreichen. Wir brauchen beides zusammen, meine Da men und Herren, das ist im Grunde die Botschaft –

(Beifall bei der SPD)

nur gemeinsam und gegenseitig. Es gibt – Herr Nemeth, Sie haben damit schon begonnen – auch Menschen aus unserem Bundesland – Erhard Eppler, Hermann Scheer oder Ernst Ul rich von Weizsäcker –, die hier Schrittmacherdienste geleis tet haben, von denen wir wissen, dass sie den größten Zusam menhang denken.

Ich will zu dem, was Frau von der Leyen vorgelegt hat, jetzt noch einmal eines sagen – wir kommen vielleicht noch ein bisschen darauf zu sprechen –: Es ist ein rundes Paket, dem wir im Grunde alle zustimmen können. Wir haben nicht ver standen, warum heute ein Antrag vorgelegt wird, den nur die zwei Regierungsfraktionen stellen. In der Regel machen wir Europa gemeinsam. Das müssen Sie mit sich selbst ausma chen. Wir können uns bei der Abstimmung über solche Be gehren, wenn wir nicht als Antragsteller dabei sind, dann eben auch der Stimme enthalten. Das ist kein Problem, wenn Sie es so wollen.

Aber Tatsache ist auf jeden Fall, dass wir da ein rundes Paket haben. Eines ist aber auch klar – was Ernst Ulrich von Weiz säcker uns in diesen Tagen sagt –: Wir können in Europa so viel erreicht haben, wie wir wollen; wenn wir nicht eine um fassende Strategie für Afrika haben, wird das alles am Ende nichts wert sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Deswegen ist ebendiese Komponente auch sehr wichtig – ein Kontinent, der seine gegenwärtige Bevölkerungszahl bald ver doppeln wird.

Ich sage noch einige wenige Sätze zum Thema „Ökologische Erneuerung“. Wir tragen natürlich – das ist ja klar; auch die Kolleginnen und Kollegen aus unserer Fraktion im Europa parlament haben das vorangetrieben – das Ziel der Klimaneu tralität bis 2050 mit. Wir werden sehen, was das von der Kom mission für März dieses Jahres angekündigte Klimagesetz da zu hergeben wird. Es gibt ja bereits eine Reihe von Maßnah men, die darin verankert sind.

Ich will aus gegebenem Anlass an dieser Stelle nur eines ein mal sagen: Da steht auch drin – recht ambitioniert zum März dieses Jahres –: Vorlage einer europäischen Industriestrategie. Das ist in der Tat etwas, was dazugehört. Ich sage an dieser Stelle: Das klimaneutrale und das dem Klima zugewandte Eu ropa ist kein deindustrialisiertes Europa, sondern es ist ein Eu ropa, in dem sich die Industrien fortentwickeln, von denen wir davon ausgehen können, dass sie die Chance nutzen, auch da durch wieder neue Stärke zu gewinnen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hoffen wir es!)

Aber wir verfolgen nicht das Ziel, am Ende weniger Indust rie zu haben. Das gilt für Baden-Württemberg schon ganz klar.

Wir haben hier Industrien, die wir nicht nur halten wollen, sondern die wir weiter erneuern wollen. Das ist nicht allein die Automobilindustrie. Es gibt auch chemische Industrie in diesem Land, die man nicht mal kurz „abkippen“ kann. Viel mehr muss es hier auch Chancen geben. Daher wollen wir ins gesamt eine industrielle Selbstbehauptung Baden-Württem bergs in Europa haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abg. Hofelich, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zu?

Bei 50 Sekunden ungern. Deswe gen nein. – Ich denke, auf der sozialen Seite ist es dringend erforderlich, einen europäischen Rahmen für Mindestlöhne zu schaffen – mit viel Ermutigung zu einer Tarifbindung. Denn überall dort, wo in Europa eine Tarifbindung besteht, herr schen weniger Ungerechtigkeit und mehr Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmer mann CDU)

Deswegen ist es wichtig: Die sozialen Rechte, wie sie in Gö teborg festgelegt worden sind, sind für uns bindend und wich tig.

Der Blick über den Rhein sagt uns, dass der Aachener Vertrag ausgefüllt werden muss – ein weiteres wichtiges Thema der kommenden Monate. Es ist – auch vom Land Baden-Würt temberg – eine Aktionsliste zur Ausfüllung des Aachener Ver trags vorgelegt worden. Wir sind sehr gespannt, was im Lau fe dieses Jahres daraus entstehen wird. Der Herr Ministerprä sident hat es bei den Haushaltsberatungen im Ausschuss mit großen Worten angekündigt. Ich bin gespannt, wie es hinter legt ist.

Ich sage nur eines: Wir müssen vorangehen. Die deutsch-fran zösische Parlamentariergruppe auf Bundestagsebene arbeitet. Sie hat heute einen Vorschlag vorgelegt, wie Deutschland und Frankreich ihr Wirtschafts- und ihr Insolvenzrecht angleichen, damit wir hier einen besseren Wirtschaftsraum im rechtlichen Bereich haben. Deswegen ist es wichtig, dass Baden-Würt temberg nicht zuschaut, sondern als Bundesland mit der längs ten Grenze zu Frankreich tatsächlich auch aktiver wird. Ich sehe das noch nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen ganz klar der letzte Punkt – Frau Präsidentin, ich habe die Redezeit schon überschritten –: Uns wird natürlich die Erweiterung auf dem Westbalkan beschäftigen. Es war schade, dass der Rat Nordmazedonien und Albanien die kal te Schulter gezeigt hat. Dafür gab es aus unserer Sicht keinen Grund. Denn diese Länder haben sich wirklich bemüht, dass sie rankommen. Deswegen gilt für den nächsten EU-Gipfel, dass wir auch wieder ermutigende Signale aussenden. Es muss ehrlich geredet werden, aber es muss auch die Offenheit da sein, weil wir sonst sehen werden, dass sich dort andere tum meln, woran wir im Sinne der Demokratie kein Interesse ha ben.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Sänze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie erwartbar ist, gehe ich zunächst mal auf den Bericht ein. In diesem Bericht von Herrn Wolf ist kei ne einzige Zahl genannt, was es uns kostet, wenn Großbritan nien aus der EU austritt. Wir haben schon jetzt eine Belastung von ungefähr 3,5 Milliarden € für Baden-Württemberg, und es kommen wahrscheinlich nochmals 3 Milliarden € auf uns zu, weil wir die 7 Milliarden €, die Großbritannien als Net tobeitrag geleistet hat, übernehmen müssen.

Also, wie immer viel Ankündigung und jetzt viel Euphorie hier im Raum. Ich höre Green Deal, grünes Geschäft. Ich fra ge mich ernsthaft, ob Sie den Bericht überhaupt gelesen ha ben. Was bedeutet dieser Green Deal für uns? EU und Lan desregierung wollen die Haus- und Wohnungseigentümer zu teuren Renovierungen zwingen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wahnsinn!)

Laut Green Deal soll eine Verdopplung der Quote der Reno vierungen herbeigeführt werden. Was bedeutet das für BadenWürttemberg? Das bedeutet, dass binnen 20 Jahren 40 % bis 50 % des gesamten Haus- und Wohnungsbestands renoviert werden müssten. Wer bezahlt das? Wahrscheinlich der Bür ger – wohlgemerkt nicht, weil die Eigentümer oder die Mie ter die Renovierungen wollen. Eigentümer und Mieter sollen unter Strafandrohung mit der Macht von EU-Gesetzen ge zwungen werden.

Die Kosten werden Eigentümer und Mieter tragen. Wir reden hier nach ersten Schätzungen schnell von über 100 000 € pro Haus – ein extremer Eingriff in das Vermögen der Bürger. Da zu kommen Gesundheitsgefahren durch schlechtere Raumluft oder erhöhte Brandgefahren durch Überdämmung.

Ist das freiheitlich? Ist das das Europa, das Sie sich wünschen? Ist das wohlstandsförderlich? Nein, das ist es nicht.

Nächstes Thema: Mobilität soll laut Green Deal ab 2025 emis sionsfrei sein. Übersetzt heißt das: EU und Landesregierung wollen 2025 benzinbetriebene Automobile verbieten. Soweit Benzin- und Dieselfahrzeuge noch fahren dürfen, sollen die Eigentümer Genehmigungen teuer kaufen müssen. Zusätzlich will die EU Straßengebühren einführen. Ist das bürgernah und freiheitlich?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Landesregierung und EU wollen also erstens Autoeigentümer faktisch enteignen, sie zweitens dazu zwingen, neue Autos zu kaufen, die sie nicht wollen, und drittens die Autofahrer schröp fen, bis finanziell das Blut spritzt.

(Zuruf von der AfD: Ganz genau! – Unruhe bei den Grünen)

Ist das freiheitlich? Ist das wohlstandsförderlich? Das ist es natürlich nicht.

Nächstes Thema: EU und Landesregierung wollen Unterneh men mit einer unfassbaren Umweltbürokratie überziehen. Je des Unternehmen soll gezwungen werden, ein Umweltbe richtswesen aufzubauen,

(Zuruf: Gibt es schon!)

dessen Komplexität absehbar über jener der bekannten Buch haltung der Finanzwirtschaft liegen wird. Jedes Unternehmen wird eine Art Umweltbilanz vorlegen müssen, die staatlich kontrolliert und sanktioniert wird.

Verbote von Produkten und Herstellungsprozessen, Verbote bestimmter Zulieferer und Rohstoffe und natürlich Strafen, Strafen, Strafen – ob Sie damit die Wirtschaft hier im Land halten? Ich wage es zu bezweifeln.

Meine Damen und Herren, ich könnte mit Beispielen, was die EU und die Landesregierung da vorhaben, jetzt so weiterma chen. Jedes einzelne Beispiel steht für eine unfassbare tech nokratische Bürgerverachtung. Grüne und CDU haben keinen Respekt vor dem Grundrecht auf Eigentum.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Grüne und CDU werden Baden-Württemberg wirtschaftlich ruinieren – es geht in diese Richtung.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Kosten von 1 Billion € wird dieser Green Deal verursachen. Ob wir dies aufbringen können? Wer soll es aufbringen?

Der Kern unserer Kritik am Green Deal ist: Umweltschutz und Wohlstand sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Nur wohlhabende Bürger wollen Umweltschutz und können sich ihn leisten. Soll Umweltschutz erfolgreich sein, müssen wir reicher werden und nicht ärmer – kein Rückschritt, sondern Fortschritt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut!)

Das Wort für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Karrais.