Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

während die CDU erklärt hat: „Na ja, wenn wir die 90 % nicht wegbekommen, dann wollen wir gar nichts wegbekommen.“ Jetzt passiert in Berlin in diesem Bereich in diesem Jahr nichts. Das ist einfach zu wenig, meine Damen und Herren. Wir brau chen an dieser Stelle auch steuerpolitische Maßnahmen. Da sollte man als Steuererhöhungsideologe heute nicht sagen: Wer dieses heute fordert, der macht das unter dem Deckmän telchen von Corona.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Wer ist hier Ideologe?)

Diese Diskussion ist auch nicht seriös, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In dieselbe Richtung geht die Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Auch das ist eine Maßnah me, die in der jetzigen Situation angezeigt ist, um den Unter nehmen bei der Liquidität zu helfen, genauso wie eine gene relle Überarbeitung, das heißt Flexibilisierung des Arbeits zeitrechts.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sehr gut!)

Wir müssen uns in allen Bereichen überlegen: Was können wir tun, um Arbeitsplätze zu erhalten? Da darf es nicht sein, dass in einer solchen Situation die heiligen Kühe der SPD nicht geschlachtet werden dürfen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Deswegen ist es an dieser Stelle auch notwendig, die Strom steuer zu senken. Es ist notwendig, in allen Bereichen zu über legen: Was kann man tun?

(Abg. Anton Baron AfD: Oder die Hotels!)

Denn wenn in bestimmten Bereichen zu wenig getan wird, dann kostet das Arbeitsplätze. Sie haben doch erklärt, dass Sie das nicht haben wollen.

(Abg. Anton Baron AfD: Oder die Hotels, Herr Rülke! Damit kennen Sie sich gut aus!)

Aus unserer Sicht ist es auch notwendig, die Möglichkeit ei ner zinslosen Senkung der fälligen Steuervorauszahlung für Unternehmen zu bieten. Auch das müsste in dieser Situation möglich sein. Auch das könnten die Finanzpolitiken der Län der und des Bundes beitragen.

Herr Abg. Dr. Rülke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

Nein. – Angespro chen wurden Bürgschaften. Es wurde die Bürgschaftsbank an gesprochen, die L-Bank. Landesbürgschaften müssen in die ser Situation auch möglich sein.

Herr Kollege Reinhart, Sie haben den Vergleich zu 2008 ge zogen. In der Tat könnte es durchaus sein, dass uns diese Kri se mit einer vergleichbaren Wucht trifft, wie es 2008 der Fall gewesen ist. 2008 – ich erinnere daran – gab es bei einzelnen Unternehmen gerade im Bereich der Metall- und Elektroin dustrie Umsatzeinbrüche von deutlich über 50 %. Manche von denen konnten wir dennoch retten, weil wir damals mit Au genmaß, aber auch mit Großzügigkeit die entsprechenden Landesbürgschaften beschlossen haben. Das war ordnungs politisch schwierig. Ich erinnere mich an eine Landesbürg schaft von 250 Millionen €. Das fällt aus jedem Rahmen des sen, was wir sonst in der Vergangenheit getan haben.

Aber wenn ich mich richtig erinnere, ist keine einzige ausge fallen. Das zeigt, dass es richtig war, dieses Instrument in ei ner solchen Sondersituation zu ziehen. Vermutlich sind wir wieder in einer ähnlichen Lage. Deshalb müssen wir auch ähn lich handeln, wie das damals der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir brauchen auch Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen. Auch über diesen Bereich müssen wir nach denken.

Abschließend: Frau Kollegin Lindlohr, Sie sprachen von der Risikorücklage. Es gibt ja genügend Geld im Haushalt. Sie sprachen davon, dass man darüber reden müsse, dass vielleicht das ganze Haus dann beschließt: Wir öffnen sie, um in dieser Krise aktiv zu werden. Ich kann Ihnen versichern: Meine Fraktion ist offen dafür. Uns ist es deutlich lieber, dass wir im Jahr 2020 mit diesen Hamsterrücklagen, die Sie im Haushalt haben, die Krise bekämpfen, als dass sie 2021 für Wahlge schenke genutzt werden.

(Lachen des Abg. Winfried Mack CDU)

Mit uns kann man also gern darüber reden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um die wirt schaftlichen Folgen dieser Coronakrise für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze im Land zu mildern.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut be gibt sich in Richtung Redepult.)

Einen Moment, Frau Ministe rin. Ich habe noch eine Wortmeldung, und zwar von Herrn Abg. Dr. Gedeon.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte die sehr guten Ausfüh rungen von Frau Wolle von der AfD ergänzen.

Herr Stoch, ich muss sagen: Das, was Sie geliefert haben, wa ren im Wesentlichen nur Phrasen: „Wir müssen zielgerichtet

handeln“, „Wir müssen uns zukunftsfähig machen.“ Es war nur heiße Luft, was Sie verbreitet haben.

Herr Rülke, das, was Sie gesagt haben, ist schon wesentlich hilfreicher, reicht aber auch nicht aus: Abschreibungen für die Wirtschaft, Stromsteuer senken usw. Das ist alles gut und schön, aber wenn der Markt um 92 % einbricht, hilft es Ihnen auch nicht weiter, wenn die Stromsteuer abgesenkt wird. Wir kommen hier an einen ganz wesentlichen Punkt unseres Kon zepts, an unsere ideologische Grundausrichtung. Das ist die Grundausrichtung – wie ich beim letzten Mal schon gesagt habe –: die Verehrung und die Kultivierung der Globalisie rung als solche.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Meine Damen und Herren, hier zeigt sich nicht irgendwie ein Fehler der Globalisierung, dass ein winzig kleines Virus, wel ches man nicht einmal mit bloßem Auge sieht, für das man ein ganz spezielles Mikroskop braucht, um es überhaupt zu sehen, die ganze Weltwirtschaft durcheinanderbringen kann.

Wie kann das passieren? Das kommt durch die Grundstruktur der Globalisierung.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Die Globalisierungswirtschaft ist etwas, wo kleinste Reize, kleinste Dinge einen riesigen Effekt bewirken,

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

und zwar nicht, weil ein Fehler gemacht worden ist, sondern weil das ein Grundfehler des Systems ist. Das ist der hässli che Pferdefuß der Globalisierung.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Was ist die Antwort, meine Damen und Herren? Ein grund sätzliches Umdenken, wonach eine Globalisierung, der nicht durch eine nationale Wirtschaftspolitik entgegengesteuert wird, in das Elend führt.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Winfried Mack CDU: Völliger Unsinn!)

Totalitäre Globalisierung ist das Grundübel der ganzen Wirt schaftspolitik. Wenn Sie Strukturpolitik machen wollen, Herr Stoch, dann müssen Sie hier ansetzen,

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

dann müssen Sie nicht nur im Energiebereich, im Bereich Kohle, sondern auch in anderen wichtigen Bereichen wie der Pharmaindustrie eine nationale Notfallwirtschaft aufbauen. Wenn wir hier nicht eine Parallelstruktur haben, dann sind wir der nächsten Krise wieder genauso ausgeliefert wie dieser.

Das ist keine Strukturpolitik, das ist überhaupt keine Politik, was Sie da machen; das ist Ideologie, Globalisierungsideolo gie.

(Beifall des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Nun erteile ich Frau Ministe rin Dr. Hoffmeister-Kraut für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine überregionale große Tageszeitung titelte dieser Tage: „Corona ist kein Schnupfen“. Wir alle sind darüber bestürzt, sehen zu müssen, wie sich die Infektions- und Erkrankungszahlen Tag für Tag erhöhen, wie das öffentliche Leben gerade in Italien fast völlig zum Erlie gen kommt und dass es mittlerweile auch in Deutschland To te zu beklagen gilt.

Im Vordergrund stehen nun gesundheitspolitische Fragen, wie die Ausbreitung eingedämmt und die Bevölkerung am besten geschützt werden kann. Der Schutz der Gesundheit steht an erster Stelle.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der CoronaEpidemie sind gravierend. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass wir heute darüber diskutieren.

Bei allen Unterschieden in der Ausgangslage besteht die Ge fahr, dass wir vergleichbare Beeinträchtigungen erreichen werden wie in der großen Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich glaube nicht, dass das, was am letzten Sonntag und gestern in Berlin be schlossen wurde, schon ausreicht, um wirkungsvoll gegenzu steuern.