Protokoll der Sitzung vom 20.05.2020

(Beifall)

Meine Damen und Herren, schämen Sie sich eigentlich nicht?

(Zurufe)

In den letzten Jahren haben Sie Ihre Diäten auf 8 210 € brut to monatlich erhöht. Das sind pro Monat 800 € mehr und da mit mehr, als eine Friseurin nach 45 Berufsjahren in Vollbe schäftigung insgesamt als Rente erhält.

(Zuruf)

Doch mit den Abgeordnetendiäten, Herr Rülke, ist es ja nicht getan. Dazu kommen eine steuerfreie monatliche Kostenpau schale und weitere Leistungen

(Zurufe)

wie Büro, Telefon, Bahncard sowie eine Mitarbeiterpauscha le von über 10 000 € im Monat. Letztere hatten Sie ja gegen jeden Bedarf, gegen den gesunden Menschenverstand und ge gen die Stimmen der AfD-Fraktion kurzerhand von 5 000 € auf 10 000 € verdoppelt. Zudem fließt monatlich ein üppiger Zuschuss zur Altersvorsorge. Allein das sind über 100 000 € in fünf Jahren. Einzelne Abgeordnete erhalten Monat für Mo nat sogar über 20 000 €.

Bei so einer Versorgungssituation wollen Sie nun einmalig auf eine Erhöhung um stolze 213 € verzichten – eine automati sche Erhöhung, wohlgemerkt, die wir, die AfD, schon immer kritisiert haben.

(Zurufe)

Da regt sich Ihr Gewissen nicht, Herr Rülke, wenn Sie bei Monatsbezügen von bis zu 20 000 € einem so kleinen Verzicht das Wort reden.

(Zurufe – Unruhe)

Meine Damen und Her ren, wir sind nicht auf dem Marktplatz, sondern im Parlament, und Herr Abg. Baron hat das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren, die Abgeordnetenbezüge sollen angemes sen sein. Das sind sie derzeit aber nicht. Sie verzichten doch auf überhaupt nichts. Ihnen wird doch gar nichts weggenom men.

Wissen Sie eigentlich, wie es bei uns im Land aussieht? Die Massenquarantänen, die Lockdowns haben schweren Scha den angerichtet. In Baden-Württemberg sind mehr als hun derttausend Betriebe betroffen. Die Arbeitslosigkeit steigt in historischem Ausmaß. Allein im April ist die Zahl der Arbeits losen in Deutschland um 308 000 gestiegen. Es fehlen fast 3 466 000 Arbeitsplätze. Für mehr als 10,1 Millionen Beschäf tigte wurde Kurzarbeit angemeldet, wobei Experten eigent lich von drei bis sieben Millionen ausgegangen sind.

Kurzarbeit heißt: nur noch ein Bruchteil vom Netto. Arbeits losigkeit heißt: irgendwann gar nichts mehr. Wissen Sie, was das an Leid bedeutet? Wissen Sie, dass Sie mit Ihren völlig überzogenen Maßnahmen Hunderttausende Familien in die Armut stürzen? Wir wissen bereits von vielen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können, die auf Tafelessen angewiesen sind, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, die im Müll nach Pfand suchen, und die Krise verschärft sich täglich.

Da kommen Sie mit einem Verzicht auf 213 € und 46 Cent. Mit Ihrem Sparvorschlag, sehr verehrte Kartellfraktionen, er sparen Sie doch rein gar nichts. 365 000 € fallen damit im Landtag weg. Was ist das denn? Die Coronamaßnahmen im Land kosten 9 Milliarden €. Am Montag kam die Steuerschät zung, wie bereits vorher schon erwähnt wurde. Wir haben Steuerausfälle von 3,3 Milliarden €.

Wollen Sie uns bei einem Haushalt von über 50 Milliarden € in der von Ihnen verursachten Rezession – das muss man im mer wieder deutlich sagen – einen Schnitt von 0,0073 Promil le – ich wiederhole: 0,0073 Promille – als großen Wurf ver kaufen, als ein Zeichen der Solidarität?

Ich sage Ihnen: Das ist nicht Solidarität, sondern das ist eine Unverschämtheit. Wie wirkt wohl das, was Sie hier in der Kri se machen, auf die Menschen im Land, die hart arbeiten müs sen und die nicht gut bezahlt wie wir den ganzen Tag Politik machen? Und darauf kommt es an.

Herr Abg. Baron, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haser zu?

Nein. – Gerade wir Politiker müs sen jetzt Solidarität zeigen. Insbesondere die Vertreter der Re gierungsfraktionen sollen endlich auch persönlich spüren, was sie den Bürgern derzeit aufbürden.

(Beifall)

An einer solchen Schärfung Ihres getrübten Urteilsvermögens beteiligen wir uns sehr gern. Es ist das Mindeste, was von uns allen verlangt werden kann. Der einzig ehrliche Weg ist daher der von der AfD vorgeschlagene Weg: Alle Ausgaben müssen auf den Prüfstand.

Bei den Politikern brauchen wir nicht nur eine Nullrunde, son dern ein spürbares Sparen. Hier dürfen wir niemanden scho nen. Das muss alle Politiker treffen, sowohl die Abgeordne ten hier vorn, aber ebenso die üppig versorgten Regierungs mitglieder, die Minister und die Staatssekretäre hier hinten, die ohnehin immer wieder durch Abwesenheit glänzen, wie man hier auf der rechten Seite auch gut sieht.

(Beifall)

Bei über 14 000 € monatlich – und oft genug zuzüglich der halben Abgeordnetenbezüge, also alles in allem um die 20 000 € im Monat – ist die von uns vorgeschlagene temporäre Kür zung um 10 % für jeden zumutbar. Mit unserem Vorschlag re den wir insgesamt über einen Betrag in Millionenhöhe. Das ist ein vernünftiger Ansatz.

Die von uns vorgeschlagene Absenkung erfolgt vor dem Hin tergrund dessen, was die Landesregierung mit Artikel 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 zur Haushaltskonsolidie rung den neu eingestellten akademisch gebildeten Beamten und Richtern zugemutet hat. Damals wurde eine Absenkung um 8 % für den Zeitraum von drei Jahren nach ihrer Ernen nung festgesetzt.

Der AfD-Vorschlag zur Kürzung der Politikerbezüge ist da her praktisch erprobt und orientiert sich an dem, was die Alt parteien im Landtag den schlechter verdienenden Landesbe diensteten in der Vergangenheit zugemutet haben. Deswegen ermahnen wir Sie: Gehen Sie verantwortungsvoll mit den Steuergeldern unserer Bürger um. Zeigen Sie ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Coronazwangsmaßnahmen. Machen Sie einmal etwas richtig, und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

Vielen Dank.

(Beifall – Zurufe)

Als Nächster spricht Herr Abg. Sckerl für die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich könnte mich jetzt lange und intensiv mit den Ausführungen des Kollegen Baron beschäftigen.

(Zurufe)

Eines ist wieder einmal deutlich geworden: der Unterschied zwischen Ihnen und den demokratischen Fraktionen dieses Hauses.

(Vereinzelt Lachen)

Wir, meine Damen und Herren, machen Politik für die Betrof fenen, setzen uns für sie ein.

(Zuruf)

Wir haben durchaus auch unterschiedliche Vorstellungen, wie die heutige Debatte gezeigt hat. Aber das gilt für alle vier Fraktionen. Wir setzen uns für die Betroffenen ein. Sie hinge gen spannen die Betroffenen vor den Karren Ihres Populis mus. Das ist der Unterschied.

(Beifall – Zurufe)

Ihnen geht es doch gar nicht um Lösungen.

(Zuruf)

Sie meinen es mit Ihrem Gesetzentwurf auch nicht ernst, weil Sie genau wissen, dass er abgelehnt wird. Deswegen stellen Sie ihn.

(Zurufe)

Das wissen Sie doch schon vorher. Sie haben in anderen Par lamenten auch andere Initiativen eingebracht. Im Bundestag haben Sie den Antrag unterstützt, den wir gestellt haben. Und Sie haben in den vergangenen Jahren doch alles mitgenom men, was man mitnehmen konnte. Ich erinnere an Ihre Frak tionsspaltung. Da haben Sie alle Möglichkeiten ausgenutzt, die Ihnen die Gesetze geboten haben.

(Beifall – Zurufe)

Wenn man in Ihre eigenen Veröffentlichungen schaut, stellt man fest: Nicht einmal die Hälfte Ihrer Fraktion führt den Bei trag an die Partei ab, der vorgesehen ist. Gerade einmal lä cherliche elf Abgeordnete zahlen diesen Beitrag.

(Zuruf)

Sie sind also weder spendenbereit noch verzichtsbereit. Das ist alles nur Schau, was Sie hier liefern, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall – Zurufe)

Herr Kollege, sind Sie be reit, eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Klos zuzulassen?

Nein, dazu bin ich nicht bereit. – Kurz: Warum tun wir das? Wir haben heute lange da rüber diskutiert, dass wir inmitten der Krisenbewältigung sind. Wir nehmen das ernst. Es gibt viele Menschen, die betroffen sind und die sich natürlich Sorgen um ihre Zukunft machen: viele Kurzarbeiter – viele Betriebe werden noch Kurzarbeit anmelden –, viele Soloselbstständige und Kleinunternehmer, die Soforthilfen in Anspruch genommen haben. Insgesamt wissen viele Menschen im Moment nicht, wie und ob es mit ihnen weitergeht. Ihnen wollen wir helfen; deswegen haben wir die Programme aufgelegt. Wir haben natürlich großes Ver ständnis für diese Sorgen.