Protokoll der Sitzung vom 20.05.2020

Finde ich schon.

Die wichtigsten Punkte jetzt noch einmal zusammengefasst: Wir öffnen unsere Kultureinrichtungen wieder – mit Augen maß und Perspektive. Nach den Bibliotheken und Museen fol gen jetzt die Theater aller Art, die soziokulturellen Zentren, die sich deutlich von Kinos unterscheiden, Herr Balzer, aber wir öffnen auch Kinos, Konzerthäuser und Veranstaltungshäu ser.

Ich habe es gesagt: Bereits seit letzter Woche ist der professi onelle Probenbetrieb wieder erlaubt. Ab 1. Juni sollen dann die kleineren kulturellen Veranstaltungen mit bis zu 100 Per sonen im Publikum wieder erlaubt sein; das gilt auch für die Amateurkunst und auch für die Proben. Dabei müssen die Ver anstalter vor, auf und hinter der Bühne Hygienekonzepte ent wickeln, die je nach räumlicher Situation anders aussehen.

Wichtig dabei ist – das ist auch ein Thema, das heute mehr fach angesprochen wurde –: Diese überschaubare Zahl von 100 Personen wählen wir auch deshalb, weil es wichtig ist, Erfahrungen zu sammeln in Fragen, wie kluge Sicherheits konzepte aussehen können, wie weit das Publikum mitgeht. Es geht auch darum, wie die Rückverfolgung von Besuche rinnen und Besuchern garantiert werden kann, sollte ein In fektionsfall auftreten. Auf dieser Erfahrung können dann die Grundlagen für weitere Öffnungsschritte und -szenarien auf gebaut werden, auch mit Blick auf den Start der neuen Saison im Herbst. Dazu sind wir mit den anderen Ländern und dem Bund im Austausch. Gemeinsam werden wir die Rahmenbe dingungen festlegen, die den Kultureinrichtungen helfen, die Vorgaben für die jeweilige Situation umzusetzen. Wir haben schon gesehen: Auch diese Rahmenbedingungen müssen – wie bei der Blasmusik – immer wieder hinterfragt und aktu alisiert werden.

Zu diesen organisatorischen Klärungen kommen die finanzi ellen Hilfen. Wir ermöglichen von heute an das Sonderpro gramm „Kultur Sommer 2020“, Unterstützungen für Veran staltungen, die schon in den nächsten Wochen stattfinden. Da rauf aufbauend wird ab Herbst das Impulsprogramm „Kunst trotz Abstand“, ausgestattet mit 7,5 Millionen €, an den Start gehen, auch hier für den Profi- und den Amateurbereich.

Vor allem wollen wir darüber hinaus, um die Zukunft unserer reichen Kulturlandschaft zu sichern, in Existenznot geratenen Einrichtungen helfen. Daher haben wir den Nothilfefonds von bis zu 32,5 Millionen € aufgelegt. Zu diesen Institutionen, bei denen wir schon jetzt sehen, dass sie in Schwierigkeiten sind, gehören Einrichtungen wie das Festspielhaus Baden-Baden

(Abg. Tobias Wald CDU: Sehr gut!)

mit einer Strahlkraft weit über das Land, aber auch herausra gende Ensembles wie das Freiburger Barockorchester –

(Abg. Dr. Patrick Rapp CDU: Sehr gut!)

es wurde bereits genannt –, große Amateurbühnen wie die Volksschauspiele Ötigheim, beliebte Festivals wie in Jagst hausen. Das sind nur einige Beispiele. Herr Weinmann hat die individuellen Nöte genannt.

Auch den Vereinen der Amateurmusik, des Amateurtheaters, der Heimatpflege und von Kunst und Kultur soll mit 10 Mil lionen € geholfen werden. Weil Feste ausfallen, weil Konzer te und Unterrichte wegbrechen, soll hier ausgeglichen wer den.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar we nige Stichworte nennen, die ein bisschen weggehen von die ser Flächenbetrachtung. Ich glaube, es gibt Gruppen im Pub likum, die in diesen Wochen unsere besondere Aufmerksam keit benötigen – und zwar nicht nur im Publikum, sondern, was den Amateurbereich angeht, auch im Spielen und Malen usw. Dazu gehören die Kinder und Jugendlichen, für die die se Wochen und Monate besonders hart sind. Der eine oder die andere sieht das vielleicht, wenn er oder sie die Haustür ver lässt, auf den Gehwegen, wo die Zeichnungen der Kinder zu finden sind, die sich mit dem auseinandersetzen, was gerade passiert. Aber natürlich findet das auch zu Hause auf Papier statt. Die Angst und Verunsicherung wird von ihnen – wir ha ben das heute Morgen ausführlich besprochen – oft noch stär ker erfahren. Deswegen brauchen sie unsere Begleitung be sonders, und deswegen werden wir bei den Programmen ei nen Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendprojekte legen.

Dazu gehört erstens der freie Eintritt für Kinder und Jugend liche bis 18 Jahre in unseren Landesmuseen für das kommen de Jahr,

(Beifall)

und wir werden zweitens auch in der Ausschreibung der Son dermittel ein Augenmerk auf Kinder- und Jugendprojekte rich ten – insbesondere im Theaterbereich in der freien Szene, in der professionellen Szene und im Amateurbereich.

Aber auch die älteren Menschen brauchen im Moment unse re Aufmerksamkeit. Sie sind es doch, die z. B. im klassischen Konzertbetrieb zu den treuen Besuchern gehören. Sie stützen das Ehrenamt, stärken die Freundeskreise, singen in den Chö ren, spielen in den Orchestern, organisieren Ausstellungen und gehören jetzt zur sogenannten Risikogruppe. Auch darauf müssen wir besonders achten, und auch darauf werden wir die Programme ausrichten.

Am Ende aber hängt die Frage, wie unser Kulturleben in den kommenden Jahren aussieht, an der Lebens- und Arbeitssitu ation der Künstlerinnen und Künstler der ganz unterschiedli chen Branchen.

Die aktuelle Situation führt uns brennglasartig vor Augen, wie prekär die soziale Lage gerade der freischaffenden Künstle rinnen und Künstler ist. Das ist ein Thema, das wir unbedingt auch nach der Krise gemeinsam im Auge behalten müssen.

Wir haben mit der Corona-Soforthilfe ein wirkungsvolles und gut funktionierendes System etabliert, das all jenen Menschen in unserer Gesellschaft schnell hilft, die von den wirtschaftli chen Auswirkungen besonders betroffen sind. Dazu gehören auch viele Künstlerinnen und Künstler. Mehr als 75 Millio nen € sind bereits an Soloselbstständige in diesem Bereich ge flossen. Für viele Kreative ist die Zeit ohne Honorare und Auf träge noch nicht überwunden. Daher bin ich froh, dass im Rah men des Soforthilfepakets II auch die Soforthilfe verlängert worden ist, und ich hoffe, dass sie in dieser Form auch so wei tergeführt werden kann.

(Beifall)

Frau Staatssekretärin Olschowski, lassen Sie noch eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rolland zu?

Ja, wenn ich danach noch weiterreden darf.

Vielen Dank. – Leider werden wir hier oben auf der Tribüne nicht so schnell wahrgenommen.

(Oh-Rufe – Zurufe, u. a.: Doch!)

Wir haben natürlich einen besseren Blick auf Sie. Deswegen hat es jetzt so lange gedauert.

Frau Staatssekretärin, ich komme noch einmal zurück auf das Üben und Unterrichtgeben im Blasinstrumentenbereich und im Bereich Gesang. Wäre es Ihnen möglich, zum einen den Trägern der Musikschulen mehr Mut zu machen, dass tatsäch lich Unterricht mit bis zu maximal fünf Personen stattfinden kann, und zum anderen bei Ihren Kolleginnen und Kollegen im Kabinett dafür zu werben, dass öffentliche Räume wie Schulen genutzt werden dürfen, um das zu tun?

Die Kinder, die Jugendlichen, die Erwachsenen hatten seit An fang März keinen Musikunterricht mehr, und Sie wissen selbst, wie wichtig es für die Selbstentfaltung und für die Persönlich keitsbildung ist, wenn man einer musischen Ausbildung nach geht. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob Sie die beiden Din ge bitte tun könnten. Das wäre eine große Hilfe.

Ja.

Frau Staatssekretärin, bevor Sie weiter antworten, möchte ich darauf hinweisen, dass eine weitere Zwischenfrage von Herrn Abg. Rivoir gewünscht wird. Lassen Sie diese ebenfalls noch zu?

Ja.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Ist doch Frage stunde!)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade ausgeführt, dass dieses Programm, das es den Künst lern ermöglicht, Kosten des privaten Lebensunterhalts von 1 180 € pro Monat geltend zu machen, weitergeführt wird. Es ist ja schön, wenn unsere Wünsche so schnell in Erfüllung ge hen. Aber in einem Nebensatz sagten Sie, Sie hofften, dass es wirklich so weitergehe. Die Mittel scheinen zur Verfügung zu stehen. Woran liegt es denn, dass es womöglich Probleme gibt, dieses Programm in der jetzigen Form, die von uns ausdrück lich begrüßt wird, weiterzuführen?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Am Geld vielleicht!)

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darauf noch eingehen könn ten.

Vielen Dank.

Ja. – Ich beginne mit den Musikschulen. Sie wissen, dass die im Verantwortungs bereich des Kultusministeriums sind. Gleichwohl: Bei all den Gesprächen, die wir jetzt geführt haben, war die Zurverfü gungstellung von Räumen ein Riesenthema, weil das natür lich auch für die kleinen Theater gilt, die vielleicht einen grö ßeren Raum brauchen. Diese Kooperation und die Zurverfü gungstellung von Raum halte ich für extrem wichtig, damit überhaupt etwas stattfinden kann. Insofern nehme ich die An regung gern mit und auf.

Herr Rivoir, tatsächlich ist gestern Abend die Entscheidung über die Höhe der Mittel gefallen. Es wird jetzt sicherlich in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium darum ge hen, wie diese Corona-Soforthilfe für die nächsten Wochen weiter ausgestaltet wird. Das liegt nicht nur in meiner Verant wortung. Deswegen werden wir mit der Wirtschaftsministe rin und allen weiteren Beteiligten, mit der Finanzministerin, sicherlich noch einmal darüber reden, ob das im Detail so bleibt wie jetzt oder ob es Änderungen im Verfahren gibt. Das muss man dann prüfen.

Es ist gestern aber das Signal gesetzt worden – heute wurde auch schon von mehreren Rednern betont, dass es richtig und sinnvoll ist –, das Soloselbstständigenprogramm fortzusetzen. Es wird dazu aber noch eine offizielle Entscheidung geben. Ich war gestern nicht bei der HKK-Sitzung. Deswegen bin ich ein bisschen vorsichtig und warte, bis das Kabinett dann ent schieden hat.

Ich möchte noch ein letztes Stichwort aufgreifen. Frau Phil ippi, Sie haben über die Bundesliga gesprochen. Wir wissen, dass ein Abstand von 1,50 m kein Maß für die Kunst ist. Viel mehr müssen wir Wege finden, auf längere Sicht im ganzen Kulturbereich Nähe möglich zu machen. Deswegen wollen wir mit großer Sorgfalt ein Pilotprojekt aufsetzen, bei dem die Möglichkeit von Tests für den Kulturbetrieb geprüft wird. Das

war ja auch die Grundlage für die Bundesligaentscheidung. Da sind wir auch dran. Wir sind mit Einrichtungen und dem Amateurbereich im Gespräch, was da denkbar und möglich sein könnte.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Auch in der Kultur liegt ein langer Weg vor uns. Ich habe jetzt bei den Themen, die wir angesprochen haben, nicht einmal über die vielen Konzertveranstalter gesprochen, die Klubszene, die Medien- und Kreativszene, die ja an der Grenze zwischen Kultur und Wirtschaft liegen und die sich natürlich ebenfalls Perspektiven wünschen. Im Moment wird auch ein Bundes programm aufgelegt, und es wird auch darum gehen, dieses Bundesprogramm mit unseren Schritten abzugleichen.

Baden-Württemberg ist ein erfolgreiches Kulturland. Das zeigt sich auch in der Krise. Eine der bekanntesten klassischen Musikerinnen ist die Bratschistin Tabea Zimmermann, die in Lahr im Schwarzwald aufgewachsen ist. Sie wurde in diesen Tagen mit einem der wichtigsten internationalen Kulturprei se, dem Ernst von Siemens Musikpreis, ausgezeichnet. Bei diesem Anlass sagte sie, nach dem Verhältnis zwischen Künst lern und Gesellschaft gefragt:

Vor ein paar Wochen noch hätte ich gesagt, der Künstler trägt eine Verantwortung für die Gesellschaft. Aber jetzt wendet sich das.

Meine Damen und Herren, dass sich das Blatt wendet, zeigt uns auch: Wir nehmen die Verantwortung an. Ob wir auch in den kommenden Jahren noch stolz auf unsere Kulturland schaft sein können, entscheidet kein Virus. Das entscheiden wir, die Gesellschaft, in diesen Tagen und Wochen. Ich bitte Sie dafür weiter um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 3 der Tagesordnung erle digt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung der Ver fassung des Landes Baden-Württemberg – Drucksachen 16/7462, 16/8082

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.