Protokoll der Sitzung vom 22.07.2020

(Beifall)

Wir sind dann einen Schritt weiter gegangen und haben – das war uns wichtig – zur Umsetzung der Gesetze, die wir später verabschieden, und dessen, was wir zum Volksantrag disku tieren, bereits in den letzten Haushaltsberatungen die Grund lagen geschaffen. Dies war sehr wesentlich, denn ohne Geld ist alles nichts. Wenn wir nicht diese 60 Millionen € im Dop pelhaushalt bereitgestellt hätten, könnten wir heute nicht ru higen Gewissens darüber reden und den Bäuerinnen und Bau ern sowie den Verbrauchern sagen: Ja, wir haben Vorsorge ge troffen für das, was vor uns steht, nicht nur indem wir Geset ze vorbereitet haben, sondern auch indem der Landtag als Haushaltsgesetzgeber die finanziellen Mittel bereitgestellt hat, die notwendig sein werden für die Umsetzung dessen, was heute beschlossen werden soll.

(Beifall)

Es ist wichtig, dass wir dies heute verabschieden können, dass wir vorangehen können in diese neue Welt. Ich will aber auch sagen: Es ist ein Anfang. Wir sind nicht am Schlusspunkt ei ner Debatte, sondern wir stehen am Anfang eines Prozesses, bei dem wir das Miteinander weiter gestalten wollen.

Darum sind wir, die grüne Fraktion, sehr froh, dass wir das, was der Ministerpräsident im zeitigen Frühjahr einen Gesell schaftsvertrag zu Landwirtschaft, Ernährung und Naturschutz genannt hat, aufrufen werden. Darüber müssen wir reden, weil es wichtig ist, dass wir die Ernährungsgrundlagen in unserem Land halten und gestalten wollen. Landwirtschaft bedeutet für uns Zukunft und Sicherheit, und die Art, wie wir unsere Le bensmittel produzieren und verantworten, wird auch entschei dend sein für die Generationen, die nach uns kommen.

Im Zusammenhang mit den Grundlagen, die wir geschaffen haben, will ich noch einen Blick nach Europa werfen. Denn mit den europäischen Initiativen in diesem Bereich, nament lich dem Green Deal und der „Farm to Fork“-Strategie, gab es in Europa einen ganz ähnlichen Prozess. Es wurde das auf genommen, was an Veränderung in der landwirtschaftlichen Debatte notwendig war. Es wurde ein Augenmerk darauf ge richtet, wie Landwirtschaft sein muss, aber auch was das We sen der Landwirtschaft bestimmt. Man hat realisiert, dass es ein Miteinander geben muss und dass Landwirtinnen und Landwirte das notwendige Auskommen brauchen, um so zu produzieren, wie wir, die Gesellschaft, es wollen, um also den Anforderungen der Gesellschaft nachzukommen.

(Beifall)

Für mich ist diese Parallelität sehr schön.

Zum Schluss sage ich: Für mich ist es ein gutes Gefühl, dass wir Baden-Württemberger da in Europa ganz vorn stehen. Die Gesetze, die wir heute verabschieden, lassen sich nicht nur in der Bundesrepublik sehen, sondern suchen auch in Europa ih resgleichen. Darauf können wir stolz sein. Das ist ein gutes Signal an die Bäuerinnen und Bauern, an die Verbraucher und an die Naturschützer. Es ist ein guter Tag für Baden-Württem berg, ein guter Tag für die Bäuerinnen und Bauern und für al le, die davon leben, was diese Bäuerinnen und Bauern produ zieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Das Wort für die CDU-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Burger.

Sehr verehrte Frau Landtagsprä sidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! 2015 wur de in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg der Volksantrag verankert. Das Volk bekam das Recht, eine Be fassung des Landesparlaments mit bestimmten Gegenständen im Zuständigkeitsbereich des Landtags zu beantragen.

Für manche mag es ein echter Anachronismus sein, dass aus gerechnet die Bevölkerungsgruppe, von der gern ein eigen brötlerisches und rückständiges Bild gezeichnet wird, als ers te auf dieses Instrument zurückgegriffen hat.

(Zuruf: Tempi passati!)

Ich spreche von den Landwirten. Was hat sie dazu gebracht? Warum ist es ihnen so wichtig, dass wir, das Parlament, uns mit ihren Anliegen und ihren Zielen befassen?

Menschen, die 70 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ma chen das ja nicht, weil sie sonst nichts zu tun hätten. Um ei nen solchen Volksantrag auszuarbeiten und über 84 000 Un terschriften dafür zu sammeln, braucht es mehr als ein Dage gen-Sein. Dahinter steht eine starke Willenskraft. Die Beweg gründe sind: Die Bauern fürchteten um ihre Betriebe. Sie ha ben Angst, dass wir als Gesetzgeber über die vielen Rege lungsbereiche ihre Zukunft als Ganzes aus dem Blickfeld ver lieren. Nicht umsonst steht der flächendeckende Erhalt der Landwirtschaft in Baden-Württemberg an erster Stelle.

(Beifall)

Wir alle wollen kleine, familiengeführte bäuerliche Betriebe. Doch gleichzeitig drängen wir gerade sie mit immer neuen Vorschriften in die Hofaufgabe. Vieles in der Vergangenheit war gut gedacht, manches Gesetz vielleicht aber auch über zogen. Nur: Nehmen wir die Folgen draußen im Land noch wahr? Jeder dritte Landwirt in Baden-Württemberg hat seit 1999 aufgegeben. Was macht das mit unseren Dörfern, mit den betroffenen Familien? Einen kleinen Eindruck davon konnten wir auf den großen Bauerndemonstrationen in den vergangenen Monaten erahnen.

Eine Frage drängt sich auf: Hat nicht vielleicht das Verschwin den Tausender Höfe selbst einen gewissen Einfluss auf den Rückgang der Artenvielfalt? Bauernhöfe sind schließlich nicht nur Wirtschaftsräume, sondern auch Lebensräume für Getier aller Art – von der lästigen Stallfliege bis hin zur bedrohten Rauchschwalbe. Über die zahlreichen Wechselwirkungen im Bereich der Biodiversität wissen wir noch viel zu wenig. Des halb muss die Forschung ein zentrales Element für die künf tige Agrar- und Umweltpolitik sein.

(Beifall)

Einig sind wir uns darin, dass wir den Einsatz von Pflanzen schutzmitteln reduzieren wollen. Aber ein striktes Verbot wä re zu kurz gesprungen. Um nur einen einzigen Aspekt zu be nennen: Wenn immer mehr Mittel verboten werden, wird das Spektrum kleiner, und die Gefahr von Resistenzen steigt. Da mit können auch in der freien Natur keine gesunden und hoch wertigen Lebensmittel mehr wachsen.

Uns liegt ein guter Kompromiss vor. Doch wenn wir jetzt schon wieder Forderungen hören, die lauter werden, dann weiß ich eines ganz sicher: Wer solche Forderungen jetzt stellt, hat keine Ahnung von existenzgefährdenden Einkom menseinbußen. Deshalb entwickeln wir in Bund und Land Ausgleiche als Hilfe. Das, was die Landwirte in unserem Land jetzt brauchen, ist ein Mindestmaß an Planungssicherheit.

(Beifall)

Wir haben eine ganze Generation gut ausgebildeter junger Bäuerinnen und Bauern in unserem Land, und sie wollen na turnah hochwertige Lebensmittel produzieren und sich den Verbraucherwünschen stellen. Aber damit nicht auch sie schon bald frustriert aufgeben, müssen sie wissen, was von ihnen er wartet wird und was sie dafür erhalten. Artenvielfalt, Biodi versität braucht die heimische Kulturlandschaft, und diese ba

siert auf dem Lebenswerk unzähliger bäuerlicher Familienbe triebe. Es geht eben nicht, dass sie mit den Kosten durch neue Vorgaben alleingelassen werden. Deshalb werden auch das Land und der Bund mit Programmen helfen.

Jeder Bürger unseres Landes kann und muss seinen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt leisten. Statt pflegeleichter An lagen in den Gärten sollten wir mehr Blumen in unseren Städ ten und Dörfern blühen lassen. Vielleicht haben wir auch ein mal wieder Mut, etwas unaufgeräumte Räume in den Ecken zu belassen, um Asseln und Spinnen einen Lebensraum zu ge ben.

(Zuruf: Nicht nur Ecken!)

Letzten Endes wird aber der Umbau der baden-württember gischen Landwirtschaft an der Ladentheke entschieden. Durch die hohen Auflagen verliert die Landwirtschaft ihre Wettbe werbsfähigkeit auf den internationalen Märkten. Umso wich tiger ist es, dass der Anteil regionaler Vermarktung steigt. Auch wir Verbraucher müssen alte Gewohnheiten ablegen und dürfen nicht immer nur nach dem billigsten Produkt greifen.

(Beifall)

Die Kampagne „Natürlich. VON DAHEIM“ des Ministeri ums für Ländlichen Raum ist hier eine kluge und vielverspre chende Maßnahme, aber sie muss auch auf offene Ohren sto ßen. Auch die mit CDU-Fraktionsmitteln finanzierte Kampa gne „Wir versorgen unser Land“ passt hier punktgenau dazu.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Fraktions mittel oder Steuermittel, Herr Kollege? – Gegenruf: Beides!)

Unsere Landwirte sind nicht rückwärtsgewandt. Sie wollen Zukunft gestalten. Viele, ob konventionell oder ökologisch wirtschaftend, sind bereit und hoch motiviert, die Herausfor derungen anzunehmen. Jetzt liegt es an uns, der Politik und den Verbrauchern, ob wir ihnen dafür die Grundlagen sichern oder den Weg ins Morgen verbauen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Burger, an die ser Stelle nochmals deutlich gesagt: Steuermittel sind immer Steuermittel und nichts anderes.

Aber kommen wir zum Volksantrag zurück.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Herr Kollege Reinhart, Steuermittel sind Steuermittel, nicht?

Erstmals berät der Landtag von Baden-Württemberg einen Volksantrag. Der vorliegende Antrag wurde von rund 90 000 Menschen in unserem Land unterstützt, einer beachtlichen An zahl. Alle Unterzeichner verbinden große Hoffnung mit die sem Volksantrag.

Zwei Herausforderungen spiegeln sich darin wider. Zum ei nen geht es um den gemeinsamen Einsatz für den Schutz un serer Artenvielfalt, ist doch der Volksantrag eine Reaktion auf das Volksbegehren „Pro Biene“. Für die SPD ist klar: Es ist richtig, dass es uns gelingen muss, den Pestizideinsatz zu re duzieren, im Übrigen mit klar messbarem Erfolg. Dennoch wissen wir: Man muss Obst- und Weinbau anders betrachten als Getreideanbau.

Zum anderen treibt uns die große Sorge um den Erhalt der landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Land um. Es geht um Wertschätzung für die dort geleistete Arbeit und den Schutz unserer regionalen Erzeuger.

Aber wie ist die Lage in Baden-Württemberg? Es gibt immer weniger Bäuerinnen und Bauern in Baden-Württemberg. Ein Grund hierfür ist u. a. der Preiskampf bei den Lebensmitteln. Von einem Euro bleiben gerade einmal 20 Cent beim Land wirt hängen. Gleichzeitig entsteht jedoch der Eindruck bei un seren Landwirten, für vieles verantwortlich gemacht zu wer den. Harte Arbeit, karger Lohn und Druck von allen Seiten – so könnte man den Job beschreiben. Attraktiv, liebe Kollegin nen und Kollegen, klingt anders.

In der Expertenanhörung zum Volksantrag sind wir auf ver schiedene Probleme gestoßen. Lassen Sie mich kurz einige wenige anreißen.

Die Verbraucher wurden schon erwähnt; Kollege Burger hat das angesprochen. In Umfragen gibt die Hälfte der Verbrau cher an, Biofleisch kaufen zu wollen. Beim Einkauf jedoch greifen lediglich 35 % zu Biofleisch. Auch bei Obst und Ge müse trennen Wunsch und Wirklichkeit Welten, liebe Kolle ginnen und Kollegen. Das müssen wir uns immer vor Augen halten, wenn wir darüber reden, was wir an Absatzmärkten haben und wo noch ein ganzes Stück Arbeit auf uns zukommt.

Dabei ist Bio auch nicht gleich Bio. Gemüse auf Weltreise ist keine Seltenheit, und das schwächt unsere lokalen Erzeuger und kann nicht unser Ziel sein.

Von ebenso großer Bedeutung ist der Schutz unserer Böden und unseres Grundwassers. Für uns, die SPD, ist dies ein wichtiges Anliegen. Wenn Sie wie ich aus einer Region mit einer riesigen Verseuchung von wertvollen Ackerflächen mit PFC kommen, dann treibt Sie diese Frage besonders um. Ich bin auch sehr dankbar, dass der Volksantrag genau diesen Punkt, nämlich den Schutz unserer Böden, aufgreift. Denn wenn wir unsere wertvollen Ackerböden nicht schützen, ver bauen wir unserer Landwirtschaft ihre Zukunft.

Über immensen Flächenbedarf müssen wir dringend diskutie ren. Das ist der eine Punkt in diesem Volksantrag, den wir auch aufmerksam für die weitere Diskussion begleiten müs sen.

So weit die Sachlage in Baden-Württemberg: eine ganze Men ge von Problemen, die es zu bewältigen gilt.

Jetzt klopfen Sie, liebe Koalition, sich ja gern auf die Schul ter.