Protokoll der Sitzung vom 14.10.2020

(Zuruf von den Grünen: Genau!)

Wir müssen aber schon heute etwas leisten und nicht erst in zehn, 15 Jahren.

Jetzt komme ich zum dritten Bereich, der heute sehr hochge jubelt wurde: synthetische Kraftstoffe. Ich habe den in mei nem Büro, Herr Rülke, Sie nicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Woher wis sen Sie das?)

Der ist übrigens aus baden-württembergischer Produktion. – Sie können es ja mitbringen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Woher wis sen Sie das?)

Das habe ich angenommen. Der ist ziemlich rar, den be kommt nicht jeder.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ah!)

Damit sind wir beim Bund. Mein Haus hat die synthetischen Kraftstoffe als Erstes vorangetrieben. Wir haben drei größere Projekte im Anschlag. In Karlsruhe fördern wir gemeinsam mit dem KIT das große MiRO-Projekt mit einem zweistellen Millionenbetrag. Die EU, der Bund und die Wirtschaft wol len, dass aus dieser Pilotanlage eine hochskalierte Massenpro duktion wird; denn das reicht noch nicht für den Umstieg.

Gemeinsam mit der Luftverkehrswirtschaft wollen wir eine weitere Anlage für fortgeschrittene biologisch-synthetische Kraftstoffe bauen.

Drittens haben wir einen Vorvertrag mit der Zementwirtschaft abgeschlossen. Wir wollen den CO2-Gehalt aus der Zement produktion, der sehr hoch ist, nutzen, auch um synthetische Kraftstoffe herzustellen.

Ich gebe all denen recht, die der Meinung waren, das Bundes umweltministerium mache einen Fehler, wenn es versucht, extrem auf batterieelektrische Fahrzeuge zulasten der synthe tischen Kraftstoffe zu setzen. Das sehen wir nicht als alterna tiv an. Wir brauchen die synthetischen Kraftstoffe auch, und zwar für die Bestandsflotte, die noch länger mit Kraftstoffen arbeitet, die bisher aus fossilen Brennstoffen kommen. Die müssen wir partiell ersetzen. Wir fordern eine Quote, nach der synthetischer Kraftstoff beigemischt wird – und zwar regene rativer, damit der CO2-Ausstoß auch in der Bestandsflotte sin ken kann. Dafür ist das eine gute Technik.

Wenn man genau hinschaut, ist das aber natürlich nicht leicht. Um synthetischen Kraftstoff herzustellen, brauchen Sie fünf- bis siebenmal mehr Energie, als wenn Sie denselben Effekt batterieelektrisch erzielen wollen. Das ist das Problem.

Wenn alle Autos in Deutschland mit Wasserstoff oder Brenn stoffzellen fahren sollten, dann bräuchten Sie bei Wasserstoff das Zwei- bis Dreifache, sonst das Fünf- bis Siebenfache an Energie. Das heißt, wir müssten die ohnehin nicht ausreichend vorhandene erneuerbare Energie – die schon jetzt knapp ist – massiv ausbauen. Aber das geht nicht so geschwind. Wenn man das will, muss klar sein, dass wir allein bei einer kom pletten Umstellung auf die Brennstoffzelle anderthalb mal so viel Strom bräuchten, wie wir heute in allen Sektoren verbrau chen. Man kann sich leicht ausrechnen, dass das so schnell nicht geht.

Sie haben quasi gesagt, das müssten wir morgen machen, und das sei ein guter Weg. Das ist ziemlich idealistisch und nicht fundiert, wenn man sich die Realität anschaut.

(Beifall bei den Grünen)

Für den synthetischen Kraftstoff brauchen wir Unmengen an Energie. Wir werden es in Deutschland nicht schaffen, die ent sprechenden Windräder und Fotovoltaikanlagen dafür aufzu stellen. Das wird nicht gelingen. Dann müssen Sie erst mit Ländern wie Marokko oder anderen afrikanischen Staaten, in denen häufig die Sonne scheint, verhandeln, um überhaupt ei ne Produktionsstätte für Strom aufbauen zu können. Anschlie ßend müssten Sie noch eine Raffinerie aufbauen. Das ist ein Megaaufwand. Alle Experten sagen: Wenn man heute begin nen würde, bräuchte man mindestens fünf bis sechs Jahre, bis man mit dem Aufbau einer Produktionsanlage starten kann. In die Massenproduktion von erneuerbaren Kraftstoffen kom men wir frühestens 2030.

Ich rede gar nicht dagegen. Ich bin nur dafür, sich bewusst zu machen, dass das nicht die Alternative dafür sein kann, jetzt auf batterieelektrische Fahrzeuge umzusteigen. Wir brauchen alles. Wir brauchen das vor allem für die Flugzeuge und die Lkws. Die Brennstoffzelle und den Wasserstoff benötigen wir vielleicht eher für Lkws, batterieelektrische Technologien eher für den Pkw-Verkehr. Das sind die Antworten.

Wenn man sich als technologisch offen bezeichnet, dann heißt das für mich, dass man prüft, welche Technologien für wel chen Bereich am besten sind. Man schließt keine aus, aber setzt auch nicht mit einer Technologie auf alles – das kann nämlich nur schiefgehen. – Und dafür werbe ich.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich woll te mit meiner Rede deutlich machen, dass wir einen Transfor mationsprozess brauchen, dass wir ihn klug steuern müssen. Die Landesregierung tut dies schon seit einigen Jahren. Es ist wichtig, dass wir es als komplexen Prozess begreifen, bei dem es um Arbeitsplätze, Klimaschutz und Mobilität geht. Das be kommen wir zusammen; das müssen wir zusammenbekom men.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Solange das Redepult hier des infiziert wird, darf ich Sie, Herr Minister Hermann, daran er innern, dass wir eine Maskenpflicht haben, auch hier im Ple narsaal. Das heißt, sobald Sie sich von Ihrem Platz bewegen, tragen Sie bitte eine Maske. Vielen Dank.

(Heiterkeit des Abg. Anton Baron AfD – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut, Frau Präsidentin! Unglaublich! – Abg. Jonas Weber SPD: 50 000 €! 50 000 €! – Abg. Emil Sänze AfD: Das war der beste Beitrag!)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die Fraktion der FDP/DVP Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mal bei dem Kon sens an. Der Konsens bei allen, zumindest bei allen in diesem Haus, die guten Willens sind, ist der:

(Abg. Emil Sänze AfD: Also Sie nicht! Sie sind ja nicht guten Willens!)

Wir brauchen eine Transformation der Automobilindustrie in die Richtung, dass wir Arbeitsplätze erhalten, dass wir von fossilen Brennstoffen wegkommen und dass wir den Men schen auch weiterhin die individuelle Mobilität zugestehen wollen. Das ist, glaube ich, weitestgehend der Konsens.

Jetzt war viel von Technologieoffenheit und von Markt die Rede, Herr Hermann. Bei Ihnen hat man so ein bisschen den Eindruck: Wenn wir allein hin zur batterieelektrischen Mobi lität transformierten, dann wäre dem Klima schon geholfen. So einfach ist es aber nicht. Dem Klima ist nur dann gehol fen, wenn Sie die Batterien dann auch tatsächlich mit erneu erbaren Energien laden.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ha ben Sie gut erkannt!)

Das hat aber der Kollege Hermann nicht hinreichend er kannt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP – Wider spruch bei den Grünen)

Denn er tut so, als wäre die batterieelektrische Mobilität schon ein Wert an sich.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Ich gebe Ihnen ja recht, Herr Hermann: Die Nutzung synthe tischer Kraftstoffe, Wasserstoff etc., das werden wir wirklich nur dann durchschlagend schaffen, wenn wir die Produktion der erneuerbaren Energien deutlich ausweiten, auch über das hinaus, was bei uns möglich ist. Ich bin dankbar, dass Sie nicht etwa behauptet haben, man müsse nur genügend Windräder in Baden-Württemberg aufstellen oder Solaranlagen aufs Dach stellen, dann ginge es. Wir brauchen Projekte wie DE SERTEC. So etwas brauchen wir, um den Mobilitätssektor so weit zu bringen, dass er tatsächlich einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dann haben Sie zu Recht gesagt: Das dauert Jahre. Das ist richtig. Es dauert Jahre. Aber es ist eben falsch, wenn man sich hinstellt und sagt: „Damit fangen wir gar nicht erst an; wir machen dann weitestgehend batterieelektrische Mobilität, weil das allein ja schon dem Klima hilft.“ Das hilft dem Kli ma eben nicht, solange der Energiemix so ist, wie er im Mo ment ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Deshalb müssen wir diesen Weg beschreiten und nicht wie das Bundesumweltministerium blockieren – und auch nicht erzählen, die batterieelektrische Mobilität an sich wäre schon der große Fortschritt.

Ein Fortschritt ist es beispielsweise auch, wenn wir einen Die sel der Euronorm 4 aus der Flotte nehmen und durch einen Diesel der Euronorm 6d ersetzen. Auch das ist ein Fortschritt für das Klima. Das geht aber bei Ihnen völlig unter.

Es ist natürlich auch kein Beitrag zur Marktwirtschaft und zur Technologieoffenheit, wenn Sie hier immer behaupten – auch Frau Lindlohr –, der Markt würde das verlangen, da würde ein Markthochlauf stattfinden bei der batterieelektrischen Mo bilität. Sehen Sie sich einmal die genauen Zahlen an; dann stellen Sie fest, die Nachfrage geht von verheerend zu sehr schlecht.

(Zuruf des Abg. Thomas Hentschel GRÜNE)

Das ist die Nachfrageentwicklung. Und wie kommen Sie von verheerend zu sehr schlecht?

Herr Abg. Dr. Rülke, kommen Sie bitte zum Schluss.

Jawohl. – Durch ei ne Subventionspolitik, die ihresgleichen sucht. Die Leute kau fen doch die Dinger nicht deshalb, weil sie davon überzeugt wären. Es gibt doch mittlerweile durch diesen Subventions irrsinn, der da läuft, Modelle, bei denen Sie batterieelektri sche Fahrzeuge praktisch schon zum Nulltarif leasen können. So weit sind wir mittlerweile: zum Nulltarif leasen. Sie be haupten, das sei Marktwirtschaft. Mit Marktwirtschaft und Technologieoffenheit hat diese Politik

(Zuruf von der AfD: Überhaupt nichts zu tun!)

überhaupt nichts zu tun.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Da haben Sie recht!)

Wenn Sie Technologieoffenheit und Marktwirtschaft wollen, dann müssen Sie andere Wege gehen, dann müssen Sie beken nen, dass Sie dem Klima allein mit der batterieelektrischen Mobilität nicht helfen können. Sie müssen den Weg zu den synthetischen Kraftstoffen und zum Wasserstoff gehen.

Es ist richtig, dass wir dafür massenhaft erneuerbare Energie brauchen. Diese werden wir in Europa nicht allein produzie ren können. Diese Einsicht ist notwendig, um tatsächlich die drei Ziele zu erreichen, die eingangs geschildert wurden.