Wir haben Tagesordnungspunkt 4 erledigt. Ich schlage vor, dass wir bis 15:00 Uhr Mittagspause machen und dann mit der Regierungsbefragung fortfahren.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Flagge ist Schwarz-Rot-Gold und nicht Schwarz-Weiß-Rot. Spätestens seit den Demonstrationen im Sommer muss jedem klar sein, dass das öffentliche Zurschaustellen von Reichskriegsflaggen oder Reichsflaggen keine harmlose Folklore ist, sondern Aus druck einer demokratiefeindlichen Haltung.
Machen wir uns nichts vor: Die Reichsflaggen sind für Ver fassungsfeinde mittlerweile das Ersatzsymbol für das verbo tene Hakenkreuz geworden. Wem das nicht klar ist, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.
Das Zurschaustellen der Reichsflagge ist aus der Sicht der SPD-Fraktion ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und stört den öffentlichen Frieden in unserem Land. Ein ordnungs rechtliches Verbot ist aus unserer Sicht dringend angezeigt. Die grün geführte Landesregierung muss hier sprichwörtlich Flagge zeigen. Auf unsere Forderung vor knapp zwei Wochen
hin hat Innenminister Strobl kundgetan, er wolle erst einmal seine Ministerkolleginnen und -kollegen auf der Innenminis terkonferenz um Rat fragen, während der Ministerpräsident in der gleichen Regierungspressekonferenz kundtat, dass er ein Verbot für angemessen hält.
Mittlerweile hat sich die Uhr weitergedreht. Einige Bundes länder sind vorgeprescht – u. a. auch ein CDU-geführtes Land wie Nordrhein-Westfalen, aber auch Rheinland-Pfalz und Bre men –, die das Zeigen der Reichsflagge in der Öffentlichkeit ordnungsrechtlich verboten haben.
Diese Befragung dient dazu, zu klären, wie jetzt der Sachstand der Entscheidungsfindung aufseiten der Regierung ist. Des wegen wollen wir in Erfahrung bringen:
Erstens: Gibt es eine Einigung innerhalb der Landesregierung – insbesondere zwischen dem Ministerpräsidenten sowie dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Innenminister –, das Zeigen von Reichskriegsflaggen und Reichsflaggen zu verbieten?
Zweitens: Welche konkreten Möglichkeiten hat das Innenmi nisterium, das Zeigen von Reichskriegsflaggen und Reichs flaggen zu verbieten, und bis wann beabsichtigt der Innenmi nister, Reichskriegsflaggen und Reichsflaggen aus der Öffent lichkeit zu verbannen?
Während das Redepult desin fiziert wird, gebe ich zu Ihrer Information noch bekannt, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die Tagesordnungs punkte 9 und 14 ohne Aussprache zu behandeln.
Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Strobl das Wort. Bis Herr Minister Strobl am Redepult ist, gebe ich noch den Hinweis: Grundsätzlich sollten Antworten bitte möglichst kurz gehalten werden – maximal fünf Minuten –, damit wir möglichst viele Fragen abhandeln können. Aber das gilt grundsätzlich für alle. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Herr Dr. Weirauch, wenige Länder haben nun per Er lass ein pauschales Verbot in Bezug auf Reichsflaggen bzw. Reichskriegsflaggen verfügt, wobei Nordrhein-Westfalen, auf das Sie auch verwiesen haben, jedenfalls nach meiner Kennt nis nicht dazu gehört. Das bitte ich Sie seriöserweise einfach noch einmal zu recherchieren.
Klar möchte ich sagen: Wenn nun jedes Land eigene Rege lungen trifft, sehe ich die Gefahr, dass bundesweit betrachtet ein Flickenteppich an Regelungen entsteht, der diesem The ma nicht gerecht wird und nicht angemessen ist. Der von mir bevorzugte und bereits angekündigte Weg ist deshalb, diese gewichtige Frage in der nächsten Innenministerkonferenz zu erörtern, in der wir gemeinsam – alle Innenminister; die 16
aus den Ländern plus der BMI – geeignete, bundesweite Lö sungen beraten können. Ich füge hinzu: Am besten tun wir das ergebnisoffen mit dem Ziel, eine rechtssichere und wirksame Lösung zu erreichen. Das sollte das Ergebnis sein.
Bis eine bundeseinheitliche Lösung erfolgt, ist unsere Polizei aufgrund des bestehenden rechtlichen Instrumentariums trotz dem bereits jetzt in der Lage, im Einzelfall angemessen auf das Zeigen von Reichskriegsflaggen bzw. Reichsflaggen in der Öffentlichkeit zu reagieren.
Beim Hinzukommen besonderer Umstände im Einzelfall, wenn etwa das Zeigen der Flagge der auslösende oder ver schärfende Indikator einer konkreten Gefahr für die öffentli che Sicherheit und Ordnung ist, kann diese Gefahr durch die Beschlagnahme der Flagge beseitigt werden.
Erlauben Sie mir, ein Beispiel zu schildern, das dies verdeut licht: Rechtsextreme – in Anführungszeichen – „feiern“ und skandieren unter Umständen ausländerfeindliche Parolen. Durch das Zeigen der Reichskriegsflagge fühlt sich eine Grup pe Linksextremer provoziert, sodass die konkrete Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen besteht. In dieser Situa tion kann die Polizei bereits heute aufgrund des Polizeigeset zes die Flagge beschlagnahmen und die anstehende Gefahr beseitigen.
Unsere Polizei ist aufgrund der bereits bestehenden ausrei chenden Befugnisse des Polizeigesetzes also gewappnet, mit solchen Einzelfällen umzugehen.
Außerdem gibt es in Baden-Württemberg bereits aussagekräf tige Handreichungen für die Polizei, wie mit Reichsbürgern und Reichskriegsflaggen umzugehen ist. Bereits im Oktober 2018 – also ziemlich exakt vor zwei Jahren – habe ich das Landeskriminalamt beauftragt, ein sogenanntes Sensibilisie rungsschreiben an die Polizeidienststellen zu erlassen, das die polizeilichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit Reichs kriegsflaggen aufzeigt und auf die bestehenden Handreichun gen hinweist.
Wie Sie sehen, haben wir also bereits vor zwei Jahren in Ba den-Württemberg unsere Hausaufgaben erledigt – Oktober 2018.
Dennoch: Auch ich habe die unerträglichen Bilder vom 29. August dieses Jahres, als sich Extremisten, Demokra tiefeinde, Verschwörungstheoretiker und dergleichen mehr un ter Missbrauch der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit fahnenschwenkend und randalierend auf den Stufen des Reichstags in Berlin versammelten, nicht aus dem Gedächt nis verloren.
Das Schwenken der Reichsflagge an einem solchen Ort mag provokativ, mag unerträglich sein. Die entscheidende Frage ist aber: Wie sieht die Reaktion des Rechtsstaats auf eine sol che Provokation aus? Hier ist die entscheidende Frage: Wel che Maßnahmen sind tatsächlich wirksam, angemessen und vor allem rechtlich haltbar?
Wir müssen trotz aller Emotionen und berechtigter Empörung mit kühlem Kopf rein rechtlich differenzieren, um welche Art von Reichskriegsflaggen es sich handelt, die öffentlich gezeigt werden.
Unstreitig ist das Zeigen und Verwenden einer Reichskriegs flagge mit Symbolen verfassungswidriger Organisationen wie etwa der Hakenkreuzsymbolik verboten und stellt eine Straf tat dar. Das Gleiche gilt für Reichskriegsflaggen mit Symbo len, die den verbotenen zum Verwechseln ähnlich sind.
Das bloße Zeigen der Reichskriegsflagge des Deutschen Rei ches in der Fassung vor 1935 hingegen – und um diese geht es hier – erfüllt nach geltender Rechtslage keinen Straftat- und keinen Ordnungswidrigkeitstatbestand. Dadurch tritt grund sätzlich per se keine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ein.
Ganz im Gegenteil: Beim bloßen Zeigen von symbolträchti gen Gegenständen wie etwa der Reichskriegsflagge aus der Zeit vor 1935 in der Öffentlichkeit wird – das mag man gut oder schlecht finden – von der Meinungsfreiheit Gebrauch ge macht. Das hat im Übrigen das oberste Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg, der VGH Baden-Württemberg, im Jahr 2005 entschieden. Ich lasse Ihnen, Herr Abg. Dr. Weirauch, die Entscheidung gern zukommen bzw. gebe sie Ihnen. Ich habe sie dabei.
Nun stehe ich auf dem Standpunkt, dass wir in Baden-Würt temberg bei dieser wichtigen Frage keine Symbolpolitik und auch keinen Aktionismus brauchen. Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut gemacht. Deswegen denke ich, dass es der richtige Weg ist, dass wir uns in wenigen Wochen in aller Ernsthaftigkeit über alle Parteigrenzen hinweg auf der dann stattfindenden Innenministerkonferenz mit diesem Thema be schäftigen und ergebnisoffen daran arbeiten, eine wirksame und vor allem auch eine rechtssichere Lösung in dieser Frage zu finden.
Sehr geehrter Herr Minister, aus meiner Sicht widersprechen Sie sich in Ihrer Rede. Sie sa gen einerseits, dass das Zeigen einer Reichskriegsflagge kei nen ordnungsrechtlichen Tatbestand beinhalte. Auf der ande ren Seite haben Sie jedoch gesagt, dass die Polizei schon heu te die Möglichkeit habe – wahrscheinlich auf der polizeilichen Generalklausel basierend –, das Zurschaustellen dieser Flag ge ordnungsrechtlich zu untersagen. Jetzt müssten Sie sich schon entscheiden, in welche Richtung Sie an dieser Stelle ge hen. Denn wir fordern von Ihnen ja gerade, zur Beseitigung der Unklarheit einen Rechtstatbestand zu schaffen, der es den Ordnungsbehörden ermöglicht, per se das Zeigen dieser Flag ge zu untersagen, und zwar eine einwandfreie rechtliche Grundlage. Das fordern wir, Herr Minister.
Der andere Punkt ist: Weil Sie gesagt haben, die Polizei habe schon heute die Möglichkeit, das Zurschaustellen der Flagge zu untersagen, frage ich Sie: Wie oft ist das in den letzten bei den Jahren passiert? Das ist die erste Frage.
Und die zweite Nachfrage an dieser Stelle lautet: Warum glau ben dann andere Bundesländer, sich in die Lage versetzen zu müssen, entsprechende Erlasse zu tätigen, die das Zurschau stellen der Reichskriegsflagge untersagen?
Warum andere Länder jetzt in dieser Frage vor preschen, das ist Sache der anderen Länder. Das müssen die dort Verantwortlichen beantworten.
Meine Antwort ist klar: Ich würde es einem Bürger schwer er klären können, dass beispielsweise in Baden-Württemberg ge nerell die Reichsfahne oder die Reichskriegsflagge verboten ist, sie jedoch in Hessen – er braucht nur von Heiligkreuzstei nach wenige Kilometer weiterzufahren – erlaubt ist. Und wenn er zurückfährt, muss er beim Überschreiten der Länder grenze sozusagen die Fahne dann aus dem Auto verschwin den lassen.
(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Aber das haben Sie im Polizeirecht immer, Herr Minister! Das ist Lan desrecht!)
Wir haben unterschiedliches Polizeirecht. Aber, Herr Abg. Dr. Weirauch, bei der Frage der Reichskriegsflagge möchte ich keinen Fahnen-Flickenteppich in Deutschland haben. Viel mehr muss das in Deutschland grundsätzlich überall gleich behandelt werden, weil es sich um ein und dieselbe Fahne handelt. Deswegen ist es sinnvoll und bewährt sich der Föde ralismus darin, wenn wir uns unter den Ländern verständigen, das über Ländergrenzen hinweg gleich zu behandeln.
Das Zweite: Nein, das ist kein Widerspruch. Der VGH Mann heim hat gesagt: Das Schwenken dieser Reichskriegsflagge bzw. der Reichsfahne ist als Ausdruck der Meinungsfreiheit möglich. Deswegen haben wir bzw. hat die baden-württem bergische Polizei einen entsprechenden Prozess beim obers ten Gericht in Baden-Württemberg verloren. Das müssen wir zumindest mal zur Kenntnis nehmen. Ob wir das gut oder schlecht finden, ist eine davon zu trennende Frage. Das ist je denfalls die obergerichtliche Rechtsprechung, die wir zu be achten haben und zur Kenntnis nehmen.
Etwas anderes ist der konkrete Einzelfall. In dem Moment, in dem durch das Schwenken der Fahnen eine Gefahr heraufbe schworen wird, also beispielsweise ebenfalls demonstrieren de Linksextremisten sich in der Art und Weise provoziert füh len könnten, dass es durch das Schwenken der Fahnen zu tät lichen Auseinandersetzungen kommt, kann die Polizei die Fahnen und Flaggen bereits heute beschlagnahmen. Wir ha ben die Landespolizei in Baden-Württemberg durch ein ent sprechendes Rundschreiben bereits im Oktober 2018 darauf sensibilisiert, dass in einer solchen Lage eine solche Beschlag nahmemöglichkeit besteht, aber eben nur in dieser konkreten Lage.