Ja, natürlich. – Aber was ist mit den mittelbar Betroffenen? Diese Frage konnte bis her niemand beantworten.
Herr Kollege Rülke, Sie haben das Programm des Bundes kritisiert. Deswegen würde mich interessieren, ob Sie das Programm des Bundes – Aus gleich in Höhe von 75 % der Umsätze – befürworten oder nicht.
Herr Kollege Schwarz, solange Sie mir das Programm des Bundes nicht erklären kön nen, kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob ich es befürworte. Das ist relativ einfach.
Natürlich befürworte ich – das habe ich schon gesagt –, dass man Schadensersatz leistet, wenn man Menschen den Betrieb schließt. Aber das reicht doch nicht. Was ist mit den Zuliefe rern, die davon betroffen sind? Was ist mit dem stationären Innenstadthandel? Werden die Leute, denen Sie die Lokale schließen und die dann Umsatzverluste erleiden, auch entschä digt? Was ist mit den Lieferketten? Was ist mit denen, die Be stellungen für Lokale angenommen haben und denen jetzt ge sagt wird: „Tut mir leid, das brauchen wir nicht“? Werden die se auch entschädigt? Das müssen Sie doch beantworten kön nen, bevor Sie mir die Frage stellen, ob ich für dieses Kon zept bin.
Es gibt nicht 1 100 Oberbürgermeister, meine Liebe. Es gibt deutlich weniger Oberbürgermeister im Land Baden-Würt temberg.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist ja neu, dass Sie sich auf Herrn Palmer berufen! Das hat sich hier auch schon ganz anders angehört!)
Ja, ich berufe mich auf Herrn Palmer, wenn er etwas Rich tiges sagt. Herr Nopper ist ja auch dieser Meinung. Also ist man offensichtlich parteiübergreifend dieser Meinung.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Der einzige FDP- Oberbürgermeister, der aus Landshut, ist jetzt aus Ih rer Partei ausgetreten!)
Der ist aber nicht aus Baden-Württemberg. Jetzt müssen Sie also schon nach Bayern ausweichen, um von Herrn Palmer abzulenken, Herr Schwarz.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Er tritt aus Ihrer Partei aus, weil er mit der Politik der FDP nicht einverstanden ist!)
Diese außerordentliche Wirtschaftshilfe ist dann richtig, wenn man Menschen ihr Geschäft verbietet. Zu der Frage, ob es ge rechtfertigt ist, dieses Geschäft zu verbieten, kommen wir noch. Es gibt aber bessere Maßnahmen wie beispielsweise ei ne Ausweitung des Verlustrücktrags.
Herr Kollege Stoch, auch da bin ich bei Ihnen: Was uns fehlt, ist eine langfristige Strategie. Die Zeit seit dem Frühjahr wur de nicht genutzt. Es stellt sich die Frage – diese Frage haben Sie, Herr Ministerpräsident, am heutigen Tag auch nicht be antwortet –: Was machen Sie denn, wenn Ihr Konzept nicht funktioniert? Was machen Sie, wenn Sie in vier Wochen fest stellen, dass sich die Zahl der Infektionen weiter erhöht hat? Was machen Sie dann? Was ist Ihre langfristige Strategie? Welche Möglichkeiten haben Sie dann noch?
Deshalb muss man sich doch wirklich die Frage stellen: Sind diese Maßnahmen zielführend? Oder sind darunter Maßnah men, die Aktionismus sind, Symbolpolitik, weil Sie einfach leichte Ziele suchen, um Handlungsfähigkeit nachzuweisen, und dann mit der Schrotflinte schießen nach dem Motto: „Wir werden schon irgendein Ziel treffen, das zu einer Kontaktre duktion führt“?
Bei der Gastronomie ist es offensichtlich – jeder, der mit of fenen Augen durch Baden-Württemberg geht, kann das auch feststellen –, dass in mehr als 90 % der Fälle die Abstandsre geln eingehalten werden, dass die Leute ein Hygienekonzept haben und dass z. B. auch die Kontaktverfolgung durchge setzt wird.
Deshalb stellt sich die Frage: Wenn das so ist, warum müssen die dann alle schließen? Oder ist das Aktionismus mit der Schrotflinte? Es geht ja kein besonderes Infektionsgeschehen von diesem Gewerbe aus. Es konnte nicht nachgewiesen wer den, dass Gaststätten Infektionsherde sind. Im Gegenteil, es könnte nämlich Folgendes passieren: Wenn Sie den Menschen verbieten, sich an Orten zu treffen, wo der Infektionsschutz gewährleistet ist, werden sie in andere Bereiche abgedrängt, in eine Dunkelzone, wo das nicht gewährleistet ist. Dann wird das Gegenteil erreicht. Dann erreichen Sie eine Förderung des Infektionsgeschehens und keine Eindämmung. Genau das ist die Gefahr bei den Maßnahmen im gastronomischen Gewer be.
Es ist kein Wunder, wenn die Menschen dann den Eindruck bekommen, die Politik suche Prügelknaben. Weil man selbst keine längerfristige Strategie hat, muss man jemanden suchen, den man abstrafen kann. Das sind immer mal wieder die Wir te. Dieser Eindruck entsteht, und das ist fatal, meine Damen und Herren.
Dasselbe gilt für das Beherbergungsverbot. Ich halte diese Maßnahme schon für einigermaßen dreist, nachdem nicht nur Sie, sondern auch manche anderen mit dem Beherbergungs verbot schon Schiffbruch erlitten haben. Da kam zunächst ein mal Herr Söder – er hat es offensichtlich erdacht – und hat ge sagt: „Mensch, tolle Idee. Da kann ich mal wieder den star ken Maxe markieren, der für dieses Land der richtige Bundes kanzler wäre.“ Dann sind andere gefolgt.
Als das Ganze zur Disposition stand, ist niemand so schnell zurückgerudert wie Herr Söder. Er hat das Beherbergungsver bot einkassiert, bevor es Gerichte einkassiert haben. Sie, Herr Ministerpräsident, haben es über Wochen verteidigt. Dann ha ben Sie festgestellt, dass es nicht zu halten ist, und haben im Landtag von Baden-Württemberg gesagt: „Dann machen wir so einen Hybrid.“ Hybride sind ja sowieso etwas, was den Grünen gelegentlich gefällt.
(Heiterkeit der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/ DVP – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Stimmt! Hy bride!)
Der Hybrid sah für Sie so aus: Die Geschäftsreisenden dürfen übernachten und die Touristen nicht. Ein paar Minuten später hat Ihnen der Verwaltungsgerichtshof das Ding um die Ohren gehauen – und nicht nur Ihnen, sondern einer ganzen Reihe
Ihrer Kollegen. Und jetzt kommen Sie wieder mit dieser Idee, nach dem Motto: „Wir bringen das so lange, bis es der letzte Richter verstanden hat.“ So kann man auch Politik machen, meine Damen und Herren. Aber das ist Aktionismus und kein zielgerichtetes Handeln.
Weiter geht es mit dem Amateursport und dem Vereinsleben. Auch in diesem Bereich ist nicht erkennbar, dass daraus wirk lich nachhaltige Infektionsherde, Superspreader-Events her vorgegangen sind. In aller Regel gibt es dort ausgefeilte Hy gienekonzepte, in aller Regel sehr verantwortliches Handeln.
Und jetzt werden der Sport und das Vereinsleben wieder ab gestraft, weil man es kann. Das ist Aktionismus, meine Da men und Herren, das ist billig. So werden Sie diese Pandemie nicht bekämpfen können.
Man kann weitermachen. Herr Kollege Schwarz, ich kann gern noch einmal Herrn Palmer und die anderen Oberbürger meister zitieren, die sagen, dass man im Kulturbereich doch differenzieren müsse. Man kann nicht einfach sagen: „Wir ma chen den Kulturbereich insgesamt dicht.“ Da muss man doch genau hinschauen, wo wirklich ein Infektionsgeschehen nach weisbar ist und wo das nicht der Fall ist, wo man die Falschen trifft, und das nur deshalb, um aktionistisch Handlungsfähig keit nachzuweisen. Das ist die falsche Politik; das kann man nicht mittragen, meine Damen und Herren.
Deshalb komme ich bei dem Katalog, den Sie am heutigen Tag vorgestellt haben, Herr Ministerpräsident, zu einem au ßerordentlich divergenten Bild.
Wie gesagt: Die grundsätzliche Motivation ist nachvollzieh bar und notwendig. Es muss gehandelt werden. In diesem Konzept stehen richtige Maßnahmen. Wir lehnen es nicht in Bausch und Bogen ab. Aber es gibt auch sehr viel Aktionis mus, es gibt sehr viel Symbolpolitik. Sie treffen an vielen Stel len die Falschen, und manches davon ist kontraproduktiv. Des halb können wir das Konzept in seiner Gänze nicht mittragen, meine Damen und Herren.